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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 04.11.2003
Aktenzeichen: T-85/02
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 40/94


Vorschriften:

Verordnung Nr. 40/94 Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

4. November 2003(1)

"Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke CASTILLO - Ältere nationale Bildmarke EL CASTILLO - Verwechslungsgefahr - Vorhandensein ähnlicher Marken auf dem betreffenden Markt"

Parteien:

In der Rechtssache T-85/02

Pedro Díaz SA, Cartagena (Spanien), Prozessbevollmächtigter: zunächst Rechtsanwältin P. Koch Moreno, dann Rechtsanwalt M. Aznar Alonso,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch O. Montalto und J. Crespo Carrillo als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle):

Granjas Castelló SA, Mollerussa (Spanien),

wegen Aufhebung der Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 16. Januar 2002 (Sache R 40/2000-3) über den Widerspruch des Inhabers der nationalen Marke EL CASTILLO

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,

Kanzler: B. Pastor, Hilfskanzlerin,

aufgrund der am 22. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 16. Juli 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle),

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Die Klägerin reichte am 1. April 1996 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: Amt) ein.

2. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen CASTILLO.

3. Die Waren, für die die Marke angemeldet wurde, gehören zu den Klassen 29 und 30 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung und entsprechen - nach Beschränkung - folgender Beschreibung:

- Klasse 29: "Fisch; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, Gelees, Kompotte, Fruchtsaucen, Eier, Milch und Milchprodukte, Käse; Fisch- und Gemüsekonserven"

- Klasse 30: "Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze, Kühleis, Salatsaucen"

4. Diese Anmeldung wurde am 5. Januar 1998 im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 2/98 veröffentlicht.

5. Am 12. März 1998 erhob die Granjas Castelló SA (im Folgenden: Widerspruchsführerin) nach Artikel 42 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die angemeldete Marke hinsichtlich aller von dieser erfassten Waren und berief sich dabei auf die folgenden zwei älteren nationale Marken, deren Inhaber sie ist:

- die 1935 eingetragene, nachstehend wiedergegebene spanische Wort- und Bildmarke Nr. 104 442 für "Kondensmilch", zur Klasse 29 gehörend;

image: castillo

- die 1995 eingetragene, nachstehend wiedergegebene spanische Wort- und Bildmarke Nr. 1 935 658 für "kakao-und kaffeehaltige Getränke, Aromastoffe für Getränke (außer essenzielle Säuren), Tee, Kaffee, Schokolade, Zubereitungen aus Getreide", zur Klasse 30 gehörend;

image: nado

6. In ihrer Entscheidung vom 18. Oktober 1999 vertrat die Widerspruchsabteilung des Amtes die Auffassung, zwischen den kollidierenden Zeichen bestehe eine Ähnlichkeit, die jedoch nicht hervorstechend sei. Sie gab dem Widerspruch hinsichtlich der Waren "Milch und Milcherzeugnisse" der Klasse 29 und "Kaffee, Tee, Kakao, Kaffeeersatz und Reis" der Klasse 30 teilweise statt. Demgemäß lehnte sie die Eintragung der angemeldeten Marke für diese Waren ab und ließ die Eintragung hinsichtlich der übrigen in der Anmeldung genannten Waren, insbesondere für "Käse", zu.

7. Gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung legte die Widerspruchsführerin am 16. Dezember 1999 Beschwerde gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 beim Amt ein.

8. Mit der Klägerin am 22. Januar 2002 zugestellter Entscheidung vom 16. Januar 2002 (Sache R 40/2000-3, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Dritte Beschwerdekammer des Amtes die Entscheidung der Widerspruchsabteilung teilweise auf.

9. Die Beschwerdekammer vertrat angesichts des von der Widerspruchsabteilung angestellten Vergleichs der kollidierenden Zeichen die Auffassung, dass dem Widerspruchsantrag in Bezug auf "Käse" stattzugeben sei; sie lehnte daher die Eintragung der angemeldeten Marke für diese Ware mit der Begründung ab, zwischen "Kondensmilch", die von einer der älteren Marken erfasst werde, und "Käse", auf den sich die Markenanmeldung beziehe, (im Folgenden: streitige Waren) bestehe eine gewisse Ähnlichkeit, auch wenn diese Waren unterscheidbar seien.

Anträge der Parteien

10. Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen ihrer Anträge zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit mit ihr die Anmeldung in Bezug auf "Käse" zurückgewiesen wird;

- festzustellen, dass die angemeldete Marke, soweit sie "Käse" betrifft, nicht mit der Marke Nr. 104 442 der Widerspruchsführerin verwechselt werden kann, soweit sich diese Marke auf "Kondensmilch" bezieht;

- die Kosten dem Amt aufzuerlegen.

11. Nachdem die Klägerin ihre Anträge teilweise zurückgenommen hat, beantragt das Amt nunmehr:

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Rechtslage

Vorbringen der Parteien

12. Die Klägerin macht einen einzigen Klagegrund geltend, den sie auf einen Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 stützt.

Zum Vergleich der streitigen Waren

13. Die Klägerin greift die angefochtene Entscheidung vor allem insoweit an, als die streitigen Waren, nämlich Kondensmilch und Käse, ihrer Natur und ihrem Verwendungszweck nach als ähnlich angesehen worden sind. Ihrer Ansicht nach unterscheiden sich diese beiden Warenarten durch ihre Natur, ihren Verwendungszweck und ihre Nutzung und können weder als miteinander konkurrierende noch als einander ergänzende Waren angesehen werden. Wegen ihrer Unterscheidung im Handel seien diese Waren daher nicht ähnlich.

14. Die Beurteilung durch die Beschwerdekammer sei erstens zurückzuweisen, soweit es um die Natur der streitigen Waren gehe, da sich die Verfahren zu deren Herstellung, obwohl sie beide zur Kategorie der Milcherzeugnisse gehörten, stark voneinander unterschieden, wie die Entscheidung Nr. 872/2000 der Widerspruchsabteilung vom 27. April 2000 zeige. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass es entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer ihres Wissens kein Unternehmen gebe, das tatsächlich beide Arten von Waren herstelle.

15. Was zweitens den Verwendungszweck der streitigen Waren angehe, so sei zunächst die Auffassung der Beschwerdekammer unzutreffend, dass die streitigen Waren deshalb ähnlich seien, weil sie sich für unendlich viele Speisezubereitungen, insbesondere Konditorwaren, eigneten oder weil sie als Milchersatzprodukt für Personen mit Laktoseunverträglichkeit verwendbar seien. Anhand von verschiedenen Kriterien, die sie aus der Entscheidung Nr. 533/2000 der Widerspruchsabteilung vom 29. März 2000, insbesondere zur älteren Marke Nr. 104 442, herleitet, gelangt die Klägerin zu dem Ergebnis, dass Kondensmilch als Zusatz zum Kaffee oder als Zutat in Süß- oder Konditorwaren verwendet werde, während Käse im Allgemeinen gesondert verzehrt und nur in marginalem Umfang in Konditorwaren Verwendung finde. Dabei seien ihre Käseartikel nicht zur Verwendung in Konditorwaren bestimmt. Auch könne der Durchschnittsverbraucher beide Warenarten beim Kauf nicht verwechseln. Es handele sich nämlich um zwei völlig verschiedene Arten von Endprodukten. Insoweit sei auf die Entscheidung Nr. 533/2000 zu verweisen, nach der Kondensmilch "nur sporadisch zu den Einkäufen des Durchschnittsverbrauchers [gehört]"; Käse werde dagegen im Allgemeinen oft gekauft.

16. Sodann sei die Behauptung der Beschwerdekammer, dass Kondensmilch und Käse "gewöhnlich in der Abteilung für Milcherzeugnisse verkauft" würden, zu allgemein, zumal ihre Käseartikel gewöhnlich in selbständigen Abteilungen zum Kauf angeboten würden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin hervorgehoben, dass die genannte Behauptung nicht bewiesen sei.

17. Drittens führt die Klägerin zur Untermauerung ihres Vorbringens, dass Kondensmilch und Käse nicht miteinander verwechselbar seien, zwei Entscheidungen des spanischen Tribunal Supremo von 1974 und 1976 an, die sich zum einen auf die Marken DULCIPAN und DULCINEA und zum anderen die Marken QUINTANILLA und LA QUINTANA beziehen.

18. Das Amt vertritt die Ansicht, die Klägerin versuche zu Unrecht, darzutun, dass die streitigen Waren unterscheidbar seien, was niemand bestreite. Es gehe vielmehr um die Frage, ob diese Waren ähnlich seien.

19. Die in der angefochtenen Entscheidung geäußerte Auffassung, dass die streitigen Waren ihrer Natur und ihrem Verwendungszweck nach ähnlich seien, treffe zu.

20. Was die Wahrnehmung durch den Verbraucher anbelange, so gehe es bei der Verwechslungsgefahr nicht nur um die Möglichkeit einer Verwechslung der Waren, sondern vor allem auch um die Gefahr - deren Bestehen in Randnummer 16 der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden sei -, dass die Verbraucher annehmen könnten, die Waren, die eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen, stammten von ein und demselben Unternehmen.

21. In diesem Zusammenhang hält das Amt die genannte Entscheidung Nr. 533/2000 für nicht einschlägig, da die Prüfung der Ähnlichkeit zweier Waren eine tatsächliche, einzelfallbezogene Prüfung sei. So unterscheide sich eine der Waren, um die es in der Entscheidung Nr. 533/2000 gehe, nämlich Schinken, offensichtlich von den Waren, um die es im vorliegenden Fall gehe.

22. Zu den Entscheidungen des spanischen Tribunal Supremo bemerkt das Amt, dass die von diesem Gericht angewandten nationalen Rechtsvorschriften vor den harmonisierten Markenvorschriften erlassen worden seien. Jedenfalls wiesen die Marken, die in diesen Entscheidungen einander gegenüberstünden, im Verhältnis zueinander auffälligere Unterschiede auf als die Marken, um die es im vorliegenden Fall gehe.

Zum Vergleich der kollidierenden Zeichen und zur Gefahr einer Verwechselung der streitigen Marken

23. Die Klägerin führt aus, die Beschwerdekammer habe die Auffassung der Widerspruchsabteilung, dass die Ähnlichkeit der kollidierenden Zeichen nicht hervorsteche, nicht zurückgewiesen. Diese Frage sei im Rahmen der vorliegenden Klage als endgültig geklärt anzusehen, da die Beschwerdekammer die "Vereinbarkeit der Zeichen" nicht in Frage stelle.

24. Allerdings sei die Auffassung der Beschwerdekammer irrig, dass insofern die Gefahr einer Verwechslung zwischen der angemeldeten Marke und der älteren Marke Nr. 104 442 bestehe, als das Wort "castillo" in beiden Marken vorkomme. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass diese Verwechslungsgefahr nach Maßgabe der jeweiligen Situation auf dem fraglichen Markt zu beurteilen sei (Urteil des Gerichtshofes vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-39/97, Canon, Slg. 1998, I-5507). Zahlreiche spanische oder Gemeinschaftseintragungen, die namentlich die Klasse 29 beträfen, enthielten aber dieses Wort oder bestünden aus ihm. Daher zeige das Nebeneinanderbestehen von das Wort "castillo" enthaltenden Marken auf dem spanischen Markt, dass keine Gefahr einer Verwechslung zwischen den im vorliegenden Fall kollidierenden Marken bestehe. Für den Fall, dass hinsichtlich dieser Eintragungen Zweifel bestünden, beantragt die Klägerin, sich an die Stellen zu wenden, die diese Eintragungen vorgenommen hätten.

25. Das Amt macht geltend, weder die Beteiligten vor der Beschwerdekammer noch die Klägerin vor dem Gericht hätten den von der Widerspruchsabteilung angestellten Vergleich der kollidierenden Zeichen in Frage gestellt.

26. Jedenfalls komme es darauf, dass auf dem Markt mehrere Marken vorhanden seien, die Anlass zu Verwechslungen geben könnten, im Allgemeinen nicht an, da sich dieses Nebeneinanderbestehen entweder daraus ergeben könne, dass keine wirkliche Verwechslungsgefahr bestehe, oder aber daraus, dass der Inhaber einer älteren Marke keinen Widerspruch eingelegt habe. Außerdem müssten die von der Klägerin angeführten spanischen oder Gemeinschaftseintragungen, die das Wort "castillo" enthielten oder aus ihm bestünden, in jedem Einzelfall eingehend geprüft werden, um maßgebend zu sein. In der mündlichen Verhandlung hat das Amt geltend gemacht, dass die ihm nicht vorgelegten Beweismittel für unzulässig zu erklären seien.

Würdigung durch das Gericht

27. Nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ist eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer ii der Verordnung Nr. 40/94 sind unter älteren Marken in einem Mitgliedstaat eingetragene Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke zu verstehen.

28. Eine Verwechslungsgefahr liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. analog Urteil Canon, oben angeführt in Randnr. 24, Randnr. 29, und Urteil des Gerichtshofes vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C-342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I-3819, Randnr. 17; Urteil des Gerichts vom 15. Januar 2003 in der Rechtssache T-99/01, Mystery Drinks/HABM - Karlsberg Brauerei [MYSTERY], Slg. 2003, II-0000, Randnr. 29).

29. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (Urteile Canon, oben angeführt in Randnr. 24, Randnr. 16, Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben angeführt in Randnr. 28, Randnr. 18, und MYSTERY, oben angeführt in Randnr. 28, Randnr. 30). Diese Beurteilung impliziert eine bestimmte Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit diesen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile Canon, Randnr. 17, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 19, und MYSTERY, Randnr. 31). Die Wechselbeziehung zwischen diesen Faktoren kommt in der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 40/94 zum Ausdruck, wonach der Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen ist, die ihrerseits u. a. vom Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt und vom Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen sowie zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen abhängt.

30. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es weiter entscheidend auf die Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen an. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf deren verschiedene Einzelheiten (Urteile Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben angeführt in Randnr. 28, Randnr. 25, und MYSTERY, oben angeführt in Randnr. 28, Randnr. 32). Bei dieser umfassenden Beurteilung ist auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen. Auch ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 26).

31. Im vorliegenden Fall sind die beiden älteren Marken in Spanien eingetragen. Bei den streitigen Waren handelt es sich um gängige Konsumartikel. Daher ist für die Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr vorliegt, auf den Standpunkt der Endverbraucher in Spanien als den maßgeblichen Verkehrskreisen abzustellen.

Zum Vergleich der streitigen Waren

32. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der streitigen Waren sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese Waren zueinander stehen; zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (Urteil Canon, oben angeführt in Randnr. 24, Randnr. 23).

33. Zur Art der streitigen Waren ist mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass ihr Ausgangsstoff Milch ist, so dass sie zur Kategorie der Milcherzeugnisse gehören. Dem steht nicht entgegen, dass Kondensmilch, wie die Klägerin und die Beschwerdekammer darlegen, eine Form der Darreichung von Milch darstellt, während Käse ein Folgeerzeugnis von Milch ist. Die maßgeblichen Verkehrskreise sind sich des wesentlichen artbezogenen Merkmals dieser Waren bewusst und gehen vor allem davon aus, dass sie zur selben Warengattung gehören. Selbst wenn man insoweit annimmt, dass sie die Unterschiede in den Produktionsverfahren für diese Waren kennen, werden sie daraus doch nicht - zu Unrecht oder zu Recht - folgern, dass diese Unterschiede ein einzelnes Unternehmen daran hindern, gleichzeitig beide Arten von Waren herzustellen oder zu vermarkten. Die maßgeblichen Verkehrskreise werden daher naturgemäß den Eindruck haben, dass die streitigen Waren dieselbe betriebliche Herkunft haben können.

34. Dieser Schlussfolgerung steht es nicht entgegen, dass die Ähnlichkeit dieser Waren hinsichtlich ihres Verwendungszwecks und/oder ihrer Nutzung besonders gering ist. Die Klägerin rügt zu Recht die Begründung der Entscheidung, soweit es darin heißt, dass die streitigen Waren in einer Vielzahl von Speisezubereitungen, insbesondere in Konditorwaren, Verwendung fänden und für Personen mit Laktoseunverträglichkeit sogar austauschbar seien. Ihr gemeinsamer Verwendungszweck als Zutat in Speisen ist für fast alle Lebensmittel kennzeichnend. Zudem ist der Grad der Austauschbarkeit der streitigen Waren als äußerst gering anzusehen. Zum einen hat das Amt keine auch nur leidlich aussagekräftige Zahl von Speisezubereitungen genannt, in denen die Waren in Spanien alternativ oder zusammen verwendet werden könnten. Zum anderen hat es selbst für den angenommenen Fall, dass die fraglichen beiden Warenarten wirklich einen Milchersatz für Personen mit Laktoseunverträglichkeit darstellen können, keinerlei Anhaltspunkte dafür angegeben, dass der unter Laktoseunverträglichkeit leidende Teil der maßgeblichen Verkehrskreise groß genug ist, um bei der Bewertung der Verwechslungsgefahr ernsthaft ins Gewicht zu fallen. Schließlich ist die Auffassung der Beschwerdekammer, die fraglichen beiden Warenarten würden in derselben Abteilung eines Einzelhandelsgeschäfts zum Kauf angeboten, nicht durch sachdienliche Angaben untermauert.

35. Allerdings schließen weder die Ausführungen oben in Randnummer 34 noch das Vorbringen der Klägerin, dass Milch und Käse in unterschiedlicher Weise verbraucht würden, es aus, dass diese Waren einander ähnlich sind. Solche Unterschiede beim Verbrauch der streitigen Waren bestätigen lediglich, dass es sich um unterschiedliche Waren handelt, deren Austauschbarkeit im Hinblick auf Ernährung und Geschmack besonders gering ist. Die streitigen Waren konkurrieren daher nicht miteinander.

36. Dagegen ergänzen diese Waren einander insoweit, als sie aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise derselben Warengattung angehören und unschwer als Bestandteile eines allgemeinen Sortiments von Milcherzeugnissen angesehen werden können, die möglicherweise dieselbe betriebliche Herkunft haben.

37. Zu den gerichtlichen Entscheidungen aus Spanien und den Entscheidungen des Amtes, auf die sich die Klägerin beruft, um darzutun, dass die streitigen Waren unterschiedlich seien, ist festzustellen, dass ihre Einschlägigkeit für den vorliegenden Fall insoweit zweifelhaft erscheint, als sie entweder andere Zeichen oder andere Waren betreffen. Außerdem ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ausschließlich nach der Verordnung Nr. 40/94 zu beurteilen. Daher ist das Amt weder durch nationale Eintragungen noch durch seine früheren Entscheidungen gebunden (vgl. Urteil des Gerichts vom 5. Dezember 2002 in der Rechtssache T-130/01, Sykes Enterprises/HABM [REAL PEOPLE, REAL SOLUTIONS], Slg. 2002, II-5179, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38. Somit hat die Beschwerdekammer zutreffend angenommen, dass die streitigen Waren nach Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise eine gemeinsame betriebliche Herkunft haben können. Diese Waren sind daher als ähnlich im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 anzusehen.

Zum Vergleich der miteinander kollidierenden Zeichen

39. Nach der Rechtsprechung ist für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Optischen, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente besonders zu berücksichtigen sind (Urteile Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben angeführt in Randnr. 28, Randnr. 25, und MYSTERY, oben angeführt in Randnr. 28, Randnr. 42). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist zudem nicht auszuschließen, dass eine Verwechslungsgefahr allein durch die klangliche Ähnlichkeit der Marken hervorgerufen werden kann (Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 28).

40. Im vorliegenden Fall geht aus der angefochtenen Entscheidung und der Entscheidung der Widerspruchsabteilung, auf die sie sich bezieht, hervor, dass die kollidierenden Zeichen vom Amt nach durchgeführter visueller, klanglicher und semantischer Prüfung als ähnlich eingeschätzt worden sind, ohne dass diese Ähnlichkeit allerdings hervorstechend sei. Dieser Einschätzung ist zuzustimmen. Denn zum einen ist bei den älteren Marken, vor allem bei der Marke Nr. 104 442, der Bestandteil "El Castillo" in klanglicher und semantischer Hinsicht als dominierend anzusehen (siehe analog Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002 in der Rechtssache T-104/01, Oberhauser/HABM - Petit Liberto [Fifties], Slg. 2002, II-4359, Randnrn. 40 und 45). Zum anderen stellt das Wort "castillo" die angemeldete Marke dar. Der dominierende Bestandteil der älteren Marke Nr. 104 442 und das Wortzeichen der angemeldeten Marke sind damit sowohl in semantischer als auch in klanglicher Hinsicht fast identisch. Die kollidierenden Zeichen sind daher im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 zumindest ähnlich.

Zur Gefahr einer Verwechslung der streitigen Marken

41. Vorab ist daran zu erinnern, dass sowohl die streitigen Waren als auch die kollidierenden Zeichen im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ähnlich sind. Daraus ist normalerweise zu schließen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise möglicherweise annehmen werden, dass die mit der Wortmarke CASTILLO versehenen Käseprodukte von dem Unternehmen stammen, das Inhaber der älteren Bildmarke EL CASTILLO ist. Dem ersten Anschein nach besteht somit die Gefahr einer Verwechslung der beiden Marken.

42. Unter Berufung auf das Urteil Canon (oben angeführt in Randnr. 24) macht die Klägerin jedoch geltend, der Umstand, dass zahlreiche spanische und Gemeinschaftseintragungen, die das Wort "castillo" enthielten oder aus diesem Wort bestünden, auf dem Markt nebeneinander bestünden, zeige, dass im vorliegenden Fall keine Verwechslungsgefahr gegeben sei.

43. Nach diesem Urteil ist die Unterscheidungskraft der älteren Marke, die diese aus den ihr innewohnenden Eigenschaften oder ihrer Bekanntheit bezieht, bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Ähnlichkeit zwischen den durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr herbeizuführen (Urteil Canon, oben angeführt in Randnr. 24, Randnrn. 18 und 24). Diese Auslegung wird in der Verordnung Nr. 40/94 durch die siebte Begründungserwägung bestätigt, wonach die Verwechslungsgefahr insbesondere nach dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt zu beurteilen ist.

44. Hieraus folgt nur, dass der gute Ruf einer älteren Marke zumindest in bestimmten Fällen zur erhöhten Unterscheidungskraft dieser Marke beitragen und damit die Gefahr erhöhen kann, dass sie mit einer angemeldeten Marke verwechselt wird.

45. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin als Nachweis dafür, dass wegen des Nebeneinanderbestehens dieser Eintragungen auf dem Markt keine Gefahr einer Verwechslung zwischen den im vorliegenden Fall kollidierenden Marken gegeben ist, nur ein Verzeichnis mit spanischen und Gemeinschaftseintragungen von Marken, die aus dem Wort "castillo" bestehen oder dieses Wort enthalten, vorgelegt.

46. Zum einen ist jedoch festzustellen, dass fast alle in diesem Verzeichnis enthaltenen Eintragungen erstmals vor dem Gericht angeführt worden sind. Wie das Amt zutreffend hervorhebt, setzt die Berücksichtigung dieser Marken eine umfassende Prüfung jeder einzelnen von ihnen, insbesondere auf ihre Ähnlichkeit mit der älteren Marke und auf ihre Bekanntheit, voraus. Diese erstmals vor dem Gericht angeführten Eintragungen müssen daher außer Betracht bleiben, und das sie betreffende Beweisangebot ist zurückzuweisen (Urteil des Gerichts vom 5. März 2003 in der Rechtssache T-237/01, Alcon/HABM - Dr. Robert Winzer Pharma [BSS], Slg. 2003, II-0000, Randnr. 62).

47. Zum anderen ist zu den vor dem Amt angeführten Marken, nämlich den Marken CASTILLO DE HOLANDA, CASTILLO DEL PUENTE, EL CASTILLO und BLUE CASTELLO für Waren der Klasse 29, zunächst festzustellen, dass die Beschwerdekammer zutreffend angenommen hat, dass die von der Klägerin vorgelegten Informationen das Nichtbestehen einer Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht bewiesen haben. Anders als bei der Marke Nr. 104 442 der Widerspruchsführerin, der einzigen Marke, die in diesem Zusammenhang wirklich von Bedeutung ist, besteht das unterscheidungskräftigste Merkmal dreier dieser Marken nicht in dem Wort "castillo", sondern in den anderen Wörtern dieser Marken. Überdies ist festzustellen, dass die Klägerin zu den von diesen Marken tatsächlich erfassten Waren - außer in Bezug auf ihre eigene Marke CASTILLO DE HOLANDA - oder zur Darstellung der Bildmarke EL CASTILLO keine Angaben gemacht hat. Sie hat auch nicht bewiesen, ja nicht einmal behauptet, dass eine dieser Marken einen Bekanntheitsgrad erreicht hätte, der eine zuvor bereits bestehende Gefahr der Verwechslung dieser Marken mit der Marke der Widerspruchsführerin hätte hervorrufen können, die die im vorliegenden Fall von der angemeldeten Marke ausgehende Verwechslungsgefahr möglicherweise verringern könnte.

48. Somit hat die Beschwerdekammer zu Recht zum einen das Bestehen der Gefahr einer Verwechslung der im vorliegenden Fall miteinander kollidierenden Marken festgestellt und zum anderen diese Feststellung in Anbetracht der anderen vor ihr angeführten Marken aufrechterhalten. Mithin ist der einzige Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

49. Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen des Amtes die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. November 2003.

Ende der Entscheidung

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