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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 04.05.2005
Aktenzeichen: T-86/03
Rechtsgebiete: EG
Vorschriften:
EG Art. 233 | |
EG Art. 288 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Parteien:
In der Rechtssache T-86/03
Holcim (France) SA, ehemals Groupe Origny SA, mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.-P. Hutin-Houillon, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und C. Ingen-Housz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen eines Antrags nach den Artikeln 233 EG und 288 EG auf Ersatz des Schadens, den die Klägerin angeblich infolge der Weigerung der Kommission erlitten hat, Verzugszinsen auf den Betrag zu zahlen, der zur Durchführung eines Urteils des Gerichts erstattet wurde, mit dem eine Entscheidung für nichtig erklärt worden ist, durch die eine Geldbuße gegen die Klägerin verhängt wurde,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten J. Pirrung sowie der Richter N. J. Forwood und S. Papasavvas,
Kanzler: H. Jung,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt
1. Die Kommission erließ am 30. November 1994 die Entscheidung 94/815/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sachen IV/33.126 und IV/33.322 - Zement) (ABl. L 343, S. 1, im Folgenden: Zement-Entscheidung), mit der sie u. a. die Teilnahme der Cedest SA an einer Reihe von Zuwiderhandlungen auf dem Zementmarkt der Gemeinschaft feststellte und gegen dieses Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von 2 522 000 ECU verhängte.
2. Die Groupe Origny SA (im Folgenden: Origny) erhob als Rechtsnachfolgerin von Cedest mit Klageschrift, die am 17. Februar 1995 unter der Nummer T-38/95 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen wurde, Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung.
3. Am 5. Mai 1995 zahlte Origny den gesamten Betrag der gegen Cedest verhängten Geldbuße.
4. Mit Urteil vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 (Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 2000, II-491, so genanntes Zement-Urteil) hat das Gericht u. a. die Artikel 1, 3 Absatz 3 Buchstabe a und 9 der Zement-Entscheidung in Bezug auf Origny für nichtig erklärt und der Kommission die Kosten der Rechtssache T-38/95 auferlegt.
5. Mit Fax vom 24. Mai 2000 übermittelte Origny der Kommission - zusammen mit den näheren Angaben über das Bankkonto für die Erstattung des aufgrund des Zement-Urteils geschuldeten Hauptbetrags in Höhe von 2 522 000 Euro - eine Aufstellung der nach ihrer Ansicht auf diesen Betrag für die Zeit vom 7. Mai 1995 bis zur Erstattung des Hauptbetrags geschuldeten Verzugszinsen.
6. Am 27. Juli 2000 überwies die Kommission 2 522 000 Euro auf das vorgenannte Konto. Dem Antrag auf Zahlung der Verzugszinsen kam sie hingegen nicht nach.
7. Mit Schreiben vom 16. November 2000 an die Kommission beantragte Origny erneut die Zahlung der Verzugszinsen unter Vorlage einer neuen Aufstellung zum 27. Juli 2000.
8. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2000 erwiderte die Kommission, sie sei nicht zur Zahlung der geforderten Zinsen berechtigt, weil keine Gemeinschaftsbestimmung und kein allgemeiner Rechtsgrundsatz in einem Fall wie dem vorliegenden die Zahlung von Verzugszinsen vorschrieben.
9. Das Gericht hat im Urteil vom 10. Oktober 2001 in der Rechtssache T-171/99 (Corus UK/Kommission, Slg. 2001, II-2967, im Folgenden: Urteil Corus) entschieden, dass die Kommission im Fall eines Urteils, mit dem eine gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des EGKS-Vertrags verhängte Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, gemäß Artikel 34 Absatz 1 Satz 2 dieses Vertrages verpflichtet ist, nicht nur den Hauptbetrag der zu Unrecht geleisteten Geldbuße zu erstatten, sondern auch Verzugszinsen auf diesen Betrag zu zahlen (Randnrn. 52 und 53).
10. Mit Schreiben vom 21. März 2002 an die Kommission erklärte Origny unter Bezugnahme auf das Urteil Corus, die Kommission habe es in Anbetracht der verweigerten Zahlung der Verzugszinsen auf den infolge des Zement-Urteils erstatteten Hauptbetrag versäumt, gemäß Artikel 233 EG eine Maßnahme zu ergreifen, die sich aus dem letztgenannten Urteil ergebe. Origny forderte die Kommission daher auf, ihren Antrag erneut zu prüfen.
11. Die Kommission ließ dieses Schreiben ebenso wie ein Erinnerungsschreiben vom 3. Juni 2002 unbeantwortet.
Verfahren und Anträge der Parteien
12. Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 6. März 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage gemäß den Artikeln 233 EG und 288 EG erhoben.
13. Sie beantragt,
- die Kommission zur Zahlung von 1 488 287,50 Euro zu verurteilen, was dem Betrag der zu erstattenden Verzugszinsen entspricht;
- diesen Betrag der Verzugszinsen für die Zeit vom 27. Juli 2000 bis zum Erlass des Urteils im vorliegenden Verfahren zu erhöhen;
- festzustellen, dass diese beiden Beträge vom Erlass dieses Urteils an bis zur vollständigen Zahlung zu verzinsen sind.
14. Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz, der am 10. Juni 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben, mit der sie beantragt,
- die Klage als unzulässig abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
15. In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit, die am 21. Juli 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Klägerin die Zurückweisung dieser Einrede und erhält die übrigen Klageanträge aufrecht.
16. Die Parteien sind mit Schreiben der Kanzlei des Gerichts vom 20. Dezember 2004 aufgefordert worden, schriftlich zur etwaigen Relevanz des Urteils des Gerichtshofes vom 9. Dezember 2004 in der Rechtssache C-123/03 P (Kommission/Greencore, Slg. 2004, I-11647, im Folgenden: Urteil Greencore) für den vorliegenden Rechtsstreit Stellung zu nehmen. Die Klägerin und die Kommission sind dieser Aufforderung mit Schreiben nachgekommen, die am 14. und 18. Januar 2005 bei der Kanzlei eingegangen sind.
Zur Zulässigkeit
17. Das Gericht kann gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Gemäß § 3 dieses Artikels wird mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
Vorbringen der Parteien
18. Die Kommission trägt vor, eine Schadensersatzklage nach Artikel 288 Absatz 2 EG sei im gemeinschaftsrechtlichen System der Klagemöglichkeiten zwar ein selbständiger Rechtsbehelf, so dass die Unzulässigkeit eines Nichtigkeitsantrags nicht bereits als solche zur Unzulässigkeit eines Schadensersatzantrags führe, doch sei eine Schadensersatzklage nach der Rechtsprechung dann für unzulässig zu erklären, wenn mit ihr in Wirklichkeit die Rücknahme einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung beantragt werde und sie, falls ihr stattgegeben würde, zur Folge hätte, dass die Rechtswirkungen dieser Entscheidung beseitigt würden (Urteil des Gerichtshofes vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 175/84, Krohn/Kommission, Slg. 1986, 753, Randnrn. 32 und 33, sowie Urteile des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-514/93, Cobrecaf u. a/Kommission, Slg. 1995, II-621, Randnrn. 58 und 59, vom 17. Oktober 2002 in der Rechtssache T-180/00, Astipesca/Kommission, Slg. 2002, II-3985, Randnr. 139, und vom 3. April 2003 in den Rechtssachen T-44/01, T-119/01 und T-126/01, Vieira und Vieira Argentina/Kommission, Slg. 2003, II-1209, Randnr. 213).
19. Die Kommission habe am 29. Dezember 2000 eine Einzelfallentscheidung erlassen, mit der der Antrag der Klägerin auf Zahlung von Verzugszinsen abgelehnt worden sei. Diese Entscheidung sei bestandskräftig geworden, da die Klägerin nicht binnen zwei Monaten nach Mitteilung der Entscheidung zuzüglich Entfernungsfrist eine Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 230 EG erhoben habe.
20. Die vorliegende Schadensersatzklage sei daher nach der vorerwähnten Rechtsprechung als unzulässig abzuweisen, da sie auf die Beseitigung der Wirkungen dieser Entscheidung dadurch abziele, dass der Kommission die Zahlung der verweigerten Verzugszinsen auferlegt werde.
21. In ihren Erklärungen zum Urteil Greencore bemerkt die Kommission, dieses Urteil bestätige im Umkehrschluss die Auffassung, die sie im vorliegenden Fall vertrete. Da die Klägerin nicht rechtzeitig auf die Entscheidung vom 29. Dezember 2000 reagiert habe, mit der die Kommission ausdrücklich die Zahlung der mit Schreiben vom 16. November 2000 geforderten Verzugszinsen verweigert habe, könne sie diese Weigerung nicht mehr durch eine Nichtigkeits- oder Schadensersatzklage wegen Nichtbescheidung des neuen Antrags vom 21. März 2002 in Frage stellen.
22. Die Klägerin macht in ihrer Klageschrift geltend, dass die Zahlung von Verzugszinsen auf den Hauptbetrag der infolge eines Nichtigkeitsurteils erstatteten Geldbuße eine Maßnahme zur Durchführung dieses Urteils sei, die die Kommission nach den Artikeln 233 EG und 288 EG selbst dann ergreifen müsse, wenn kein Fehler vorliege, der die Haftung der Gemeinschaft auslösen könne. Ergreife die Kommission keine derartige Maßnahme, so ermögliche dies daher eine Schadensersatzklage nach den Artikeln 233 Absatz 2 EG und 288 EG.
23. In ihren Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit bestreitet die Klägerin die Relevanz des oben in Randnummer 18 genannten Urteils Vieira und Vieira Argentina/Kommission, auf das sich die Kommission stütze. In dieser Rechtssache sei die Schadensersatzklage von Vieira Argentina nämlich als unzulässig abgewiesen worden, weil sie in Wirklichkeit auf die Zahlung eines Betrages gerichtet gewesen sei, der die Rechtswirkungen habe ausgleichen sollen, die mit einer Entscheidung über die Aussetzung eines Zuschusses verbunden gewesen seien, gegen die die Klägerin nicht rechtzeitig Nichtigkeitsklage erhoben habe, obwohl eine derartige Klage, wenn sie erfolgreich gewesen wäre, diese Rechtswirkungen beseitigt hätte, da dies zu den Durchführungsmaßnahmen gehört hätte, die die Kommission nach Artikel 233 EG hätte ergreifen müssen (Randnr. 215 des Urteils). Im vorliegenden Fall habe die Klägerin hingegen rechtzeitig Nichtigkeitsklage gegen die Zement-Entscheidung erhoben. Diese Entscheidung sei im Zement-Urteil für nichtig erklärt worden, wobei die Zahlung der geforderten Zinsen nur eine der Maßnahmen darstelle, die die Kommission zur Durchführung dieses Urteils habe ergreifen müssen. Die Schadensersatzklage richte sich somit gegen die Nichtbeachtung der Verpflichtung der Kommission aus Artikel 233 Absatz 1 EG und unterscheide sich dadurch von der Nichtigkeitsklage, dass sie nicht die Beseitigung einer bestimmen Maßnahme, sondern den Ersatz des von einem Gemeinschaftsorgan verursachten Schadens bezwecke (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 2000 in der Rechtssache T-178/98, Fresh Marine/Kommission, Slg. 2000, II-3331, Randnr. 45).
24. Die Klägerin fügt hinzu, dass Artikel 233 Absatz 2 EG dem betroffenen Organ die Verpflichtung auferlege, den durch die für nichtig erklärte rechtswidrige Handlung möglicherweise verursachten zusätzlichen Schaden zu ersetzen. Artikel 233 EG mache also den Ersatz des Schadens nicht davon abhängig, dass ein neuer Fehler vorliege, der sich von der ursprünglichen Rechtswidrigkeit der für nichtig erklärten Ursprungshandlung unterscheide, sondern ordne den Ersatz des Schadens an, der Folge dieser Handlung sei und nach ihrer Nichtigerklärung und der Durchführung des Nichtigkeitsurteils durch die Verwaltung fortbestehe (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache C-259/96 P, Rat/De Nil und Impens, Slg. 1998, I-2915, Randnr. 20).
25. Im vorliegenden Fall strebe die Klägerin mit ihrer Klage den Ersatz eines Schadens an, der sich nicht aus der Entscheidung vom 29. Dezember 2000, mit der die Zahlung der geforderten Verzugszinsen verweigert werde, sondern aus der Zement-Entscheidung ergebe. Dieser Schaden bestehe nach der Nichtigerklärung dieser Entscheidung fort, da die Kommission das Zement-Urteil im Hinblick auf Artikel 233 Absatz 1 EG fehlerhaft durchgeführt habe. Eine derartige fehlerhafte Durchführung könne logischerweise nur im Wege einer Schadensersatzklage nach Artikel 233 Absatz 2 EG angegriffen werden.
26. In ihren Erklärungen zum Urteil Greencore trägt die Klägerin vor, dass dieses Urteil für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung sei, da der Gerichtshof dort im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG und nicht wie hier im Rahmen einer Schadensersatzklage nach den Artikeln 233 EG und 288 EG entschieden habe.
27. Die Klägerin erklärt außerdem, dass die Zulässigkeit und die Begründetheit der Schadensersatzklage in einem Fall wie dem vorliegenden durch das Urteil Corus bestätigt würden, da Artikel 34 Absatz 1 Satz 2 KS und Artikel 233 EG sowie Artikel 34 Absatz 2 KS und Artikel 288 EG einander entsprächen. Hingegen sei die Nichtigkeitsklage im Licht dieses Urteils nicht der angemessene Rechtsbehelf, um in einem solchen Fall die Zahlung von Verzugszinsen zu verlangen.
28. Da die Schadensersatzklage in fünf Jahren nach Eintritt des ihr zugrunde liegenden Ereignisses, also der fehlerhaften Durchführung des Zement-Urteils durch die Kommission, verjähre, sei die vorliegende Klage zulässig.
Würdigung durch das Gericht
29. Um über die Zulässigkeit der vorliegenden Schadensersatzklage zu befinden, ist festzustellen, welche Verpflichtungen die Kommission nach Artikel 233 EG bei der Durchführung eines Urteils hat, mit dem eine gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages verhängte Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, und außerdem zu bestimmen, welche Rechtsbehelfe dem Unternehmen zur Verfügung stehen, wenn die Kommission diesen Verpflichtungen nicht nachkommt.
30. Was zunächst die Feststellung betrifft, welche Verpflichtungen die Kommission nach Artikel 233 EG bei der Durchführung eines Urteils hat, mit dem eine gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages verhängte Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, so ist in erster Linie die Verpflichtung für die Kommission zu nennen, den Betrag der von dem betreffenden Unternehmen gezahlten Geldbuße ganz oder teilweise zu erstatten, wenn diese Zahlung infolge der Nichtigerklärung als nicht geschuldet gilt. Diese Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf den Hauptbetrag der zu Unrecht geleisteten Geldbuße, sondern auch auf die auf diesen Betrag angefallenen Verzugszinsen (vgl. analog Urteil Corus, Randnrn. 52 und 53, zu der entsprechenden Bestimmung des Artikels 34 Absatz 1 Satz 2 KS).
31. Da die Kommission keine Verzugszinsen auf den infolge eines derartigen Urteils erstatteten Hauptbetrag der Geldbuße zahlte, hat sie es somit versäumt, eine sich aus diesem Urteil ergebende Maßnahme zu ergreifen, und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 233 EG verstoßen (vgl. analog Urteil Corus, Randnr. 58).
32. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Schaden, der in der entgangenen Nutzung von 2 522 000 Euro in der Zeit vom 5. Mai 1995 bis 27. Juli 2000 besteht, zwar aus dem Erlass der Zement-Entscheidung hervorgeht, dass aber der mit der vorliegenden Klage behauptete Fehler nicht im Erlass dieser Entscheidung liegt, sondern darin, dass die Kommission nicht in Durchführung des Zement-Urteils Verzugszinsen auf diesen Betrag gezahlt hat (vgl. analog Urteil Corus, Randnrn. 42 ff.).
33. Was sodann die Bestimmung der Rechtsbehelfe angeht, die der Betroffenen bei einem Verstoß der Kommission gegen die fraglichen Verpflichtungen zur Verfügung stehen, so ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sie wählen kann zwischen einer Untätigkeitsklage gemäß Artikel 232 EG (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, Asteris u. a./Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnrn. 22 bis 24 und 32, und Greencore, Randnr. 46, und Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zum Urteil Greencore, Nr. 22, sowie Urteile des Gerichts vom 18. September 1996 in der Rechtssache T-387/94, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1996, II-961, Randnr. 40, und vom 19. Februar 2004 in den Rechtssachen T-297/01 und T-298/01, SIC/Kommission, Slg. 2004, II-743, Randnr. 31) und einer Schadensersatzklage gemäß den Artikeln 233 EG und 288 Absatz 2 EG (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 8. Oktober 1992 in der Rechtssache T-84/91, Meskens/Parlament, Slg. 1992, II-2335, Randnr. 81, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-412/92 P, Parlament/Meskens, Slg. 1994, I-3757, vom 28. September 1999 in der Rechtssache T-48/97, Frederiksen/Parlament, Slg. ÖD 1999, I-A-167 und II-867, Randnr. 96, und vom 12. Dezember 2000 in der Rechtssache T-11/00, Hautem/EIB, Slg. 2000, II-4019, Randnrn. 43 und 51, sowie Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 4. November 2003 in der Rechtssache T-161/03, Cascades/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht; vgl. auch analog Artikel 34 Absatz 2 KS und Urteil Corus, Randnr. 49).
34. Jede der beiden Klagemöglichkeiten unterliegt besonderen Bedingungen und Verfahrenszwängen.
35. Wählt der Betroffene die Untätigkeitsklage, so hat er folgende Vorschrift des Artikels 232 Absatz 2 EG zu beachten:
"Die Klage ist nur zulässig, wenn das in Frage stehende Organ zuvor aufgefordert worden ist, tätig zu werden. Hat es binnen zwei Monaten nach dieser Aufforderung nicht Stellung genommen, so kann die Klage innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten erhoben werden."
36. Zudem geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor, dass die von dem betreffenden Organ geäußerte Weigerung, einer derartigen Aufforderung nachzukommen, eine Stellungnahme darstellt, die die Untätigkeit beendet, und dass diese Weigerung als eine im Sinne von Artikel 230 EG anfechtbare Handlung anzusehen ist (vgl. z. B. oben in Randnr. 33 zitiertes Urteil Asteris u. a./Kommission, Randnrn. 32 und 33).
37. Wählt der Betroffene hingegen die Alternative einer Schadensersatzklage, so ist den Bestimmungen des Artikels 46 der Satzung des Gerichtshofes Genüge zu leisten; dieser sieht vor:
"Die aus außervertraglicher Haftung der Gemeinschaften hergeleiteten Ansprüche verjähren in fünf Jahren nach Eintritt des Ereignisses, das ihnen zugrunde liegt. Die Verjährung wird durch Einreichung der Klageschrift beim Gerichtshof oder dadurch unterbrochen, dass der Geschädigte seinen Anspruch vorher gegenüber dem zuständigen Gemeinschaftsorgan geltend macht. In letzterem Fall muss die Klage innerhalb der in Artikel 230 ... EG ... vorgesehenen Frist von zwei Monaten erhoben werden; gegebenenfalls findet Artikel 232 Absatz 2 ... EG ... Anwendung."
38. Diese Vorschrift ist jedoch nicht dahin auszulegen, dass ein Geschädigter, der innerhalb der darin vorgesehenen Fünfjahresfrist seinen Anspruch vorher gegenüber dem zuständigen Organ geltend macht, diesen Anspruch verliert, wenn er die Schadensersatzklage im Fall einer ihm mitgeteilten Ablehnung dieses Antrags nicht vor Ablauf der in Artikel 230 EG vorgesehenen Zweimonatsfrist oder nicht innerhalb der Zweimonatsfrist des Artikels 232 Absatz 2 EG erhebt, falls das betreffende Organ nicht binnen zwei Monaten nach diesem Antrag Stellung genommen hat.
39. Dem Wortlaut des Artikels 46 Sätze 2 und 3 der Satzung des Gerichtshofes ist nämlich zu entnehmen, dass diese Vorschrift die fünfjährige Verjährungsfrist nicht abkürzen, sondern dem Schutz der Betroffenen dienen soll, indem sie verhindert, dass bestimmte Zeitabschnitte in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Satz 3 dieses Artikels soll daher nur den Ablauf der Fünfjahresfrist hinausschieben, wenn der Geschädigte innerhalb dieser Frist die Klageschrift einreicht oder seinen Anspruch vorher geltend macht und dadurch die in den Artikeln 230 EG und 232 EG vorgesehenen Fristen in Lauf setzt. Dies kann keinesfalls bewirken, dass die in Satz 1 genannte Verjährungsfrist von fünf Jahren verkürzt wird (vgl. zur gleichlautenden Bestimmung des Artikels 43 der früheren [EG-]Satzung des Gerichtshofes Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1967 in den Rechtssachen 5/66, 7/66 und 13/66 bis 24/66, Kampffmeyer u. a./Kommission, Slg. 1967, 332, 352, im Folgenden: Urteil Kampffmeyer, und vom 5. April 1973 in der Rechtssache 11/72, Giordano/Kommission, Slg. 1973, 417, Randnrn. 5 bis 7, im Folgenden: Urteil Giordano, sowie Beschluss des Gerichts vom 4. August 1999 in der Rechtssache T-106/98, Fratelli Murri/Kommission, Slg. 1999, II-2553, Randnr. 29).
40. Da der im vorliegenden Fall gerügte Fehler darin besteht, dass die Kommission es unterlassen habe, eine sich aus dem Zement-Urteil ergebende Maßnahme zu ergreifen, lief die in Artikel 46 Satz 1 der Satzung des Gerichtshofes vorgesehene Verjährungsfrist von fünf Jahren nach dem 15. März 2005 ab, wobei ein angemessener Zeitraum zu berücksichtigen ist, über den das betreffende Organ verfügen muss, um seinen Verpflichtungen aus Artikel 233 EG nachzukommen (vgl. analog Artikel 34 Absatz 2 KS und Urteil Corus, Randnr. 44).
41. Die Klägerin hat nicht unmittelbar eine Schadensersatzklage beim Gericht erhoben, wozu sie nach Artikel 46 der Satzung des Gerichtshofes berechtigt gewesen wäre, sondern sich zuvor an die Kommission gewandt, indem sie dieser zunächst am 24. Mai 2000 ein Fax und sodann am 16. November 2000 ein Schreiben übermittelt hat, in dem die Kommission zur Zahlung der Verzugszinsen aufgefordert wurde.
42. Sofern das Fax der Klägerin vom 24. Mai 2000 als Aufforderung im Sinne von Artikel 232 Absatz 2 Satz 1 EG, tätig zu werden, angesehen werden kann, hätte die Klägerin bei Ausbleiben einer Stellungnahme der Kommission zu dieser Aufforderung bei Ablauf einer Zweimonatsfrist innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten gemäß Artikel 232 Absatz 2 Satz 2 EG eine Untätigkeitsklage beim Gericht erheben können.
43. Da das Schreiben der Kommission vom 29. Dezember 2000, wie schon aus dessen Wortlaut hervorgeht (vgl. oben, Randnr. 8), klar die Weigerung dieses Organs zum Ausdruck brachte, der Aufforderung vom 16. November 2000 nachzukommen, hätte die Klägerin hiergegen Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 230 EG erheben können (vgl. oben, Randnr. 36).
44. Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil Greencore (Randnr. 47) ausdrücklich entschieden hat, dass ein Schreiben der Kommission, mit dem einem Unternehmen das Recht abgesprochen wird, die Zahlung von Verzugszinsen unter Umständen zu verlangen, die im Wesentlichen denjenigen entsprechen, die vorstehend in Randnummer 43 dargelegt sind, eine Weigerung enthalte, Zinsen zu zahlen, und daher eine anfechtbare Handlung im Sinne von Artikel 230 EG darstelle.
45. Aus diesem Urteil Greencore (Randnr. 46) geht auch hervor, dass der Umstand, dass das betreffende Unternehmen unter Umständen, die im Wesentlichen denjenigen entsprechen, die vorstehend in Randnummer 42 dargelegt sind, nicht das Verfahren nach Artikel 232 EG angewandt hat, keine Auswirkung auf die Zulässigkeit der später erhobenen Nichtigkeitsklage hatte.
46. In Anbetracht der oben in Randnummer 39 zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofes kann indessen keiner der drei vorstehend in den Randnummern 41 bis 43 genannten Umstände als relevant für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Schadensersatzklage angesehen werden.
47. Insbesondere geht aus dem Urteil Greencore nicht hervor, dass der Gerichtshof zu einem Anwendungsfall des Artikels 46 seiner Satzung Stellung genommen hat, und erst recht nicht, dass er eine Wendung in seiner Rechtsprechung gegenüber den Urteilen Kampffmeyer und Giordano herbeiführen wollte.
48. Es ist daher als erwiesen zu betrachten, dass keine Unzulässigkeitseinrede wegen des Ausschlusses der Untätigkeitsklage, die die Klägerin gegebenenfalls bei Ausbleiben einer Antwort der Kommission auf ihr Fax vom 24. Mai 2000 hätte erheben können, oder wegen des Ausschlusses der Nichtigkeitsklage, die der Betroffenen infolge der ausdrücklichen Ablehnung ihres Antrags vom 16. November 2000 möglich war, der Schadensersatzklage entgegengehalten werden kann.
49. Diese Schlussfolgerung kann nicht durch die von der Kommission herangezogene Rechtsprechung (vgl. oben, Randnr. 18) in Frage gestellt werden, wonach eine Schadensersatzklage für unzulässig zu erklären ist, wenn sie in Wirklichkeit auf die Rücknahme einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung abzielt und sie, falls ihr stattgegeben würde, zur Folge hätte, dass die Rechtswirkungen dieser Entscheidung beseitigt werden.
50. Wie die Klägerin zu Recht bemerkt (vgl. oben, Randnr. 23), ist diese Rechtsprechung nämlich in Anbetracht des Grundsatzes der Autonomie der Schadensersatzklage gegenüber anderen Klagemöglichkeiten nur ganz ausnahmsweise dadurch gerechtfertigt, dass der Betroffene nach Artikel 230 EG berechtigt gewesen wäre, die Nichtigerklärung gerade der Handlung zu beantragen, von der er, sobald die Frist für die Nichtigkeitsklage gegen diese Handlung abgelaufen ist, behauptet, dass sie ihm einen Schaden verursacht. Diese Rechtsprechung ist also nur dann anwendbar, wenn der behauptete Schaden ausschließlich aus einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung hervorgeht, die der Betroffene im Wege der Nichtigkeitsklage hätte anfechten können. So hat der Gerichtshof im (oben in Randnr. 18 zitierten) Urteil Krohn/Kommission entschieden (Randnr. 32), dass das Vorhandensein einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung der Zulässigkeit einer Schadensersatzklage nicht entgegensteht, unbeschadet (Randnr. 33) eines Ausnahmefalls, der hier jedenfalls nicht gegeben ist.
51. Im vorliegenden Fall geht der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nämlich weder aus dem Schreiben der Kommission vom 29. Dezember 2000 noch aus einer anderen individuellen Handlung der Verwaltung hervor, die sie hätte anfechten können, sondern daraus, dass es die Kommission unter Verstoß gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 233 EG unterlassen habe, eine Maßnahme zu ergreifen, die sich aus der Durchführung des Zement-Urteils ergebe. Da die Klägerin keine Nichtigkeitsklage gegen eine derartige Unterlassung erheben konnte, ist die von der Kommission herangezogene Rechtsprechung nicht einschlägig.
52. Im Übrigen hat in Anbetracht der Randnummer 46 des Urteils Greencore (vgl. oben, Randnr. 45) der Umstand, dass die Klägerin nicht das Verfahren des Artikels 232 EG angewandt hat, um die Kommission zur Zahlung der geforderten Zinsen zu zwingen, keine Auswirkung auf die Zulässigkeit der vorliegenden Schadensersatzklage.
53. Demnach ist die Unzulässigkeitseinrede der Kommission als unbegründet zurückzuweisen und die Fortsetzung des Verfahrens anzuordnen.
Kostenentscheidung:
Kosten
54. Die Kostenentscheidung ist vorzubehalten.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
beschlossen:
1. Die Unzulässigkeitseinrede der Kommission wird zurückgewiesen.
2. Der Kommission wird für die Einreichung einer Klagebeantwortung eine Frist gesetzt.
3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 4. Mai 2005
Ende der Entscheidung
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