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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 04.03.1999
Aktenzeichen: T-87/96
Rechtsgebiete: EG, Verordnung Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen


Vorschriften:

EG Art. 85 Abs. 1
Verordnung Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Art. 3
Verordnung Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Art. 6 Abs. 1
Verordnung Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Art. 18
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Eine Entscheidung stellt dann einen anfechtbaren Rechtsakt dar, wenn sie in qualifizierter Weise die Rechtsstellung der betroffenen Unternehmen ändert, indem sie endgültige Rechtswirkungen erzeugt.

Dies ist der Fall bei einer Entscheidung der Kommission, die feststellt, daß die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens keinen Zusammenschluß im Sinne der Verordnung Nr. 4064/89 darstelle und daher nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung falle. Eine solche Entscheidung hat insbesondere zur Folge, daß dieser Vorgang unter das Kartellverbot von Artikel 85 des Vertrages subsumiert wird und dem selbständigen besonderen Verfahren der Verordnung Nr. 17 unterliegt. Sie verändert hierdurch die Rechtsstellung der betroffenen Unternehmen, indem sie diese der Möglichkeit beraubt, die Rechtmässigkeit des genannten Vorgangs unter einem lediglich strukturellen Gesichtspunkt im Rahmen des beschleunigten Verfahrens nach der Verordnung Nr. 4064/89 prüfen zu lassen, um eine Entscheidung zu erwirken, die endgültig über die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht befindet.

Unter diesen Umständen stellt diese Entscheidung keine blosse vorbereitende Maßnahme dar, gegen deren Rechtswidrigkeit den Betroffenen im Rahmen einer Klage gegen die Entscheidung über die Anwendung von Artikel 85 des Vertrages angemessener Rechtsschutz gewährt werden könnte. Sie ist vielmehr eine endgültige Entscheidung, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages sein kann, damit der gerichtliche Schutz der Rechte gewährleistet ist, die sich für die Unternehmen aus der Verordnung Nr. 4064/89 ergeben.

2 Aus Artikel 3 der Verordnung Nr. 4064/89 geht hervor, daß die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens nur dann in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, wenn dieses Unternehmen zum einen über funktionelle Selbständigkeit verfügt und sie zum anderen nicht die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der betroffenen Unternehmen bezweckt oder bewirkt.

Da die Verordnung Nr. 4064/89 nicht klarstellt, nach welchen Kriterien sich bestimmt, inwieweit diese beiden Bedingungen als erfuellt angesehen werden können, ist bei der Auslegung dieser Bedingungen ihr Zweck zu berücksichtigen, der darin besteht, die jeweiligen Anwendungsbereiche der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung Nr. 17 voneinander abzugrenzen, die einander ausschließen. Dies führt im Rahmen der früheren Fassung der Verordnung Nr. 4064/89 zu der Notwendigkeit, die wirtschaftliche Bedeutung der kooperativen Elemente im Verhältnis zu den strukturellen Aspekten zu beurteilen.

Um den Einfluß der Unterstützung durch die Muttergesellschaften auf die funktionelle Selbständigkeit des gemeinsamen Unternehmens beurteilen zu können, müssen die Merkmale des betroffenen Marktes berücksichtigt werden, und es ist zu prüfen, inwieweit dieses Unternehmen die Funktionen ausübt, die normalerweise von anderen auf dem gleichen Markt auftretenden Unternehmen ausgeuebt werden.

Zwar kann angenommen werden, daß ein neu gegründetes, aber noch nicht tätiges Unternehmen, das sich für bestimmte Dienstleistungen an aussenstehende Gesellschaften wendet, nicht schon deswegen als der funktionellen Selbständigkeit entbehrend angesehen werden kann, doch gilt dies nicht für den Fall, daß das Gemeinschaftsunternehmen für die Gewährung der Gesamtheit dieser Dienstleistungen von seinen Muttergesellschaften abhängt, und zwar über eine anfängliche Anlaufzeit hinaus, in der diese Unterstützung deshalb als gerechtfertigt angesehen werden kann, weil sie es dem Gemeinschaftsunternehmen ermöglicht, den Markt zu betreten.

3 Artikel 18 der Verordnung Nr. 4064/89 legt ausdrücklich das Recht der betroffenen Unternehmen - darunter derjenigen, die einen Zusammenschluß angemeldet haben - fest, vor Erlaß einer Reihe von in der Bestimmung aufgezählten Entscheidungen gehört zu werden. Er erwähnt nicht diejenigen Entscheidungen, die gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a feststellen, daß der angemeldete Vorgang nicht unter die Verordnung Nr. 4064/89 fällt.

Die Beachtung der Rechte der Verteidigung stellt jedoch ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts dar und ist daher vor Erlaß jeder Entscheidung, die die betroffenen Unternehmen beschweren kann, zwingend.

Hat die Kommission auf die Anmeldung eines Zusammenschlusses hin in einem ersten Auskunftsersuchen klar die Notwendigkeit betont, genauere Angaben zu einem Punkt zu erhalten, können die mit der Beachtung der Rechte der Verteidigung verbundenen Erfordernisse die Kommission nicht zwingen, dieses Ersuchen bei unzureichender Beantwortung zu wiederholen.

4 Im Rahmen der vorbeugenden Überprüfung von Zusammenschlüssen muß anhand der Informationen und Unterlagen, über die die Kommission bei Erlaß einer Entscheidung verfügte, ermittelt werden, ob diese rechtlich ausreichend begründet ist.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 4. März 1999. - Assicurazioni Generali SpA und Unicredito SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Zusammenschluß - Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 - Gemeinschaftsunternehmen - Qualifizierung - Endgültiger Charakter der Vorbereitung der Entscheidung über die Feststellung der Art der Zusammenarbeit in einem Gemeinschaftsunternehmen - Kriterien für ein durch Zusammenschluß entstandenes Gemeinschaftsunternehmen: funktionelle Selbständigkeit und fehlende Koordination zwischen den betroffenen Unternehmen - Anspruch der betroffenen Unternehmen auf rechtliches Gehör - Begründung. - Rechtssache T-87/96.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Kommission stellte mit Entscheidung vom 25. März 1996 gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung ABl. 1990, L 257, S. 13) fest, daß die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens namens Casse e Generali Vita SpA (im folgenden: CG Vita oder Gemeinschaftsunternehmen) zur Durchführung der bei ihr am 9. Februar 1996 durch die Assicurazioni Generali SpA (im folgenden: Generali) und die Unicredito SpA (im folgenden: Unicredito) angemeldeten Vereinbarungen keinen Zusammenschluß im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 4064/89 darstelle, so wie dieser Artikel im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung vor seiner Neufassung durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Verordnung Nr. 4064/89 (ABl. L 180, S. 1) lautete, und daher nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung falle (Sache Nr. IV/M.711 - Generali/Unicredito; im folgenden: angefochtene Entscheidung). Die vorerwähnten Vereinbarungen waren in Form einer durch ein Schreiben vom 9. Februar 1996 ergänzten Absichtserklärung vom 10. Januar 1996 sowie zum gleichen Zeitpunkt unterzeichneter quasigesellschaftlicher Vereinbarungen geschlossen worden.

2 Die Kommission behandelte daher auf Antrag der Parteien die genannte Anmeldung gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 3384/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 377, S. 1), die im Zeitpunkt der maßgeblichen Vorgänge in Kraft war, wie einen Antrag (auf Erteilung eines Negativattestes) im Sinne von Artikel 2 oder eine Anmeldung im Sinne von Artikel 4 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages - (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204). Mit Schreiben vom 1. April 1996 teilte sie den Parteien mit, sie habe das Verfahren eingestellt, da Artikel 85 des Vertrages nicht anwendbar sei, weil die angemeldeten Vereinbarungen nicht geeignet seien, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.

3 Im Zeitpunkt der Anmeldung der vorgenannten Vereinbarungen, die eine gemeinsame Kontrolle der Gesellschaft CG Vita durch Unicredito und Generali vorsahen, bei der Kommission trug diese Gesellschaft den Namen Quercia Vita SpA und wurde ausschließlich durch Unicredito kontrolliert. Nach den Angaben in der oben erwähnten Absichtserklärung sowie in dem für die Anmeldung des in Rede stehenden Vorgangs gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 verwendeten Formblatts (im folgenden: Formblatt CO) hatte sie ihre Tätigkeit nicht aufgenommen und war noch nicht im Besitz der Genehmigung des Istituto per la vigilanza sulle imprese di assicurazione private e di interesse collettivo (im folgenden: ISVAP), einem Aufsichtsorgan für Privatversicherungen von allgemeinem Interesse, die im italienischen Decreto legge Nr. 174 vom 17. März 1995 gefordert wird, wonach die Ausübung einer Tätigkeit auf dem Gebiet des Versicherungswesens zum Schutz der Verbraucher einer Genehmigungspflicht unterliegt.

4 Das Gemeinschaftsunternehmen CG Vita soll auf dem Gebiet der Versicherungen tätig werden, und zwar in den Zweigen "Leben", "Kapitalisierung" und "Pensionsfonds" sowie, was den letztgenannten Zweig betrifft, innerhalb der Grenzen der Tätigkeiten, die die italienischen Rechtsvorschriften ausschließlich den Versicherungsgesellschaften vorbehalten (Punkt 1.1.1 der Absichtserklärung). Im einzelnen sind gemäß Artikel 4 ihrer Satzung Gegenstände ihrer Tätigkeit der Abschluß von Versicherungen und Rückversicherungen in den Punkten A und B der Tabelle im Anhang des Decreto legislativo Nr. 174 vom 17. März 1995 genannten Bereichen in Italien und im Ausland sowie die Beteiligung an Gesellschaften, die den gleichen Zweck verfolgen. Das erste Fünfjahresprogramm für die Tätigkeit von CG Vita, das gemäß den vorerwähnten italienischen Rechtsvorschriften im Hinblick auf seine Prüfung durch das ISVAP aufgestellt worden war, sieht vor, daß das Gemeinschaftsunternehmen, zumindest anfänglich, im wesentlichen auf dem Gebiet der individuellen Versicherungen tätig werden soll, und zwar mit sehr einfachen Leistungen (im folgenden: Tätigkeitsprogramm).

5 Gemäß den Artikeln 6 und 7 ihrer Satzung verfügt CG Vita über ein Gesellschaftskapital von 2 Milliarden LIT, das bis auf 20 Milliarden oder - nach dem Formblatt CO und der vorerwähnten Absichtserklärung - nach Maßgabe des gewerblichen Planes auf ein höheres Niveau angehoben werden kann. Nach den in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Ausführungen der italienischen Regierung war die anfängliche finanzielle Beteiligung von Generali seinerzeit auf 300 Millionen LIT beschränkt. Das Personal des Gemeinschaftsunternehmens, das zu Beginn aus fünfzehn Personen bestand - darunter ein verantwortlicher Direktor sowie je ein Verantwortlicher für den kaufmännischen Bereich (Geschäftsführer) und für technische und administrative Angelegenheiten - soll regelmässig verstärkt werden, um gemäß dem im Tätigkeitsprogramm enthaltenen Organigramm im Verlauf des fünften Wirtschaftsjahres auf 23 Personen anzusteigen. Nach Artikel 5 seiner Satzung wird das Gemeinschaftsunternehmen für einen am 31. Dezember 2050 endenden Zeitraum gegründet, der jedoch verlängert werden kann.

6 Nach der Absichtserklärung und dem Formblatt CO ist Generali eine Versicherungsgesellschaft, die in allen Bereichen, die einen "Schaden" zum Gegenstand haben, sowie im Bereich "Leben" eine Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit ausübt. Sie kontrolliert die Gruppe Generali, die der angefochtenen Entscheidung zufolge die führende italienische Versicherungsgruppe ist.

7 Unicredito ist eine Finanzgesellschaft, deren Geschäftszweck insbesondere darin besteht, Beteiligungen an Gesellschaften des Bank-, Finanz- und Versicherungssektors zu erwerben und zu verwalten. Sie steht an der Spitze der Bankgruppe Unicredito, die sich aus den Gesellschaften Cassa di Risparmio di Verona Vicenza Belluno und Ancona Banca SpA (im folgenden: Cariverona) und Cassa di Risparmio della Marca Trevigiana SpA (im folgenden: Cassamarca) sowie den von ihnen kontrollierten Gesellschaften zusammensetzt.

8 In der vorerwähnten Absichtserklärung vom 10. Januar 1996 äussern Generali und Unicredito einleitend ihre Absicht, Vereinbarungen über Beteiligungen und Zusammenarbeit im Bank-, Finanz- und Versicherungssektor sowie im Sektor der bankähnlichen Tätigkeiten zu treffen, um eine gegenseitige Verschmelzung ihrer Tätigkeiten zu bewirken. Sie legen im wesentlichen dar, diese Initiative liege logisch auf der Linie der jüngsten Entwicklungen im Bank- und Versicherungssektor, die dahin tendierten, intersektorielle Integrationsprozesse im Hinblick auf eine Ausweitung des Angebots an Bank-, Finanz-, Versicherungs- und bankähnlichen Leistungen im allgemeinen durch eine bessere und umfangreichere Nutzung der Vertriebsnetze der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer zu fördern und den Akzent hierbei auf Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Synergien zu legen.

9 In diesem Rahmen und von dem Ziel geleitet, "ihre Kooperationsbeziehungen später zu verfestigen", führen die Genannten aus, sie beabsichtigten, ihre auf "Beteiligung/Zusammenarbeit" beruhenden Beziehungen zum einen durch die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens CG Vita und zum anderen durch die Planung "kooperativer Tätigkeiten" zu entwickeln (Punkt 1 der Absichtserklärung).

10 Die erwähnte Anmeldung hatte lediglich die Gründung des Unternehmens CG Vita zum Gegenstand. Dieses Vorhaben wurde im Einklang mit der Absichtserklärung (Punkt 1.1.1) in der Weise verwirklicht, daß Generali 50 % des - bis zu diesem Zeitpunkt vollständig im Besitz von Unicredito befindlichen - Kapitals von CG Vita erwarb. Die vorgenannten quasigesellschaftlichen Vereinbarungen stellen fest, daß sich der Vorstand zu gleichen Teilen aus Mitgliedern zusammensetzt, die je zur Hälfte von Cariverona und Cassamarca einerseits und Generali andererseits ernannt werden. Nach Artikel 14 der Satzung von CG Vita beschließt die ausserordentliche Generalversammlung in kaufmännischen Angelegenheiten mit der absoluten Mehrheit des Gesellschaftskapitals.

11 In der Absichtserklärung heisst es, das im Besitz von Eurovita befindliche Portefeuille von Versicherungspolicen der Gesellschaft, die von Cariverona und Cassamarca eingebracht worden waren, solle aufgrund einer zwischen diesen drei Gesellschaften getroffenen Vereinbarung von Eurovita auf CG Vita übertragen werden (Punkt 1.1.2).

12 Weiterhin ist in der Absichtserklärung (Punkt 1.1.1) vorgesehen, daß CG Vita ihre eigenen Leistungen über das Agenturnetz der von Unicredito kontrollierten Banken vermarkten soll. Vereinbarungen können auch mit anderen (Bank- oder sonstigen) Netzen getroffen werden. Nach den im Tätigkeitsprogramm enthaltenen und von den Muttergesellschaften in ihren Antworten vom 29. Februar und 12. März 1996 auf die Auskunftsersuchen der Kommission bestätigten Angaben soll das Banknetz von Unicredito den Vertrieb der Produkte von CG Vita im Rahmen von Agentur- und nicht von Vertriebsverträgen sichern.

13 In der Absichtserklärung ist weiterhin klargestellt, daß die Banken der Gruppe Unicredito der Gesellschaft CG Vita alle die Lebensversicherung betreffenden Deckungsguthaben einschließlich derjenigen zu übertragen haben, die ihre eigenen Angestellten betreffen (Punkt 1.1.1). Überdies soll der Fonds dieses Gemeinschaftsunternehmens bei Banken der Gruppe Unicredito eingebracht werden, die ebenfalls die im Hinblick auf die technischen Reserven investierten Wertpapiere zu verwalten haben (Punkt 1.1.3).

14 Was die vorerwähnten "operationellen Tätigkeiten" betrifft, so verpflichtet sich Generali im wesentlichen, in zunehmendem Masse vorzugsweise auf die banktechnischen und finanziellen Dienstleistungen der Gruppe Unicredito zurückzugreifen, die ihr zu den besten Marktbedingungen erbracht werden sollen. Was Unicredito angeht, so verpflichtet sie sich, den von ihr kontrollierten Banken dahin gehend Anweisung zu erteilen, daß sie bei Generali zu den besten Marktbedingungen sämtliche neuen Versicherungspolicen im Bereich "Schäden" zeichnen. Ausserdem sollen die zur Gruppe Unicredito und Generali gehörenden Banken die Möglichkeit prüfen, gemeinsame Initiativen zur Definition und Klassierung der - auch für die Kundschaft der von Unicredito kontrollierten Banken bestimmten - Produkte des Versicherungszweigs "Schäden" zu ergreifen, ohne daß hierdurch die gemeinsame Gründung einer neuen Gesellschaft in diesem speziellen Sektor ausgeschlossen würde (Punkt 1.2 der Absichtserklärung).

15 Unicredito und Generali vereinbaren die Einrichtung einer Studienkommission, die damit beauftragt werden soll, diese gemeinsamen Initiativen zu entwickeln und neue auszuarbeiten, wie insbesondere die Aufstellung von Zahlungsautomaten bei den Agenturen von Generali, die Begründung einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kreditkarten und des Geldwesens im allgemeinen, im Bereich der Bankdienstleistungen für Unternehmen die Zusammenlegung der von den Banken der Gruppe Unicredito und von Generali angebotenen Dienstleistungen und schließlich die Prüfung der Frage, ob es zweckmässig wäre, die Bankfilialen von Unicredito und die Büros oder Filialen von Generali in unmittelbarer räumlicher Nachbarschaft zueinander zu errichten (Punkt 3 der Absichtserklärung).

16 Was die berufliche Fortbildung betrifft, so heisst es in der Absichtserklärung, Generali werde beim Aufbau der Fortbildung des mit Förderung und Verkauf von Versicherungsleistungen betrauten Personals von Unicredito mit dieser Firma eng zusammenarbeiten. Nach dem Tätigkeitsprogramm von CG Vita sehen zwischen diesem Unternehmen und seinen Muttergesellschaften getroffene Vereinbarungen zu diesem Zweck die Einrichtung koordinierter Kurse durch Professoren ("esperti docenti") der Berufsschule der Generali-Versicherungen vor. Die zu Lasten des betroffenen Unternehmens gehenden Kosten dieser Fortbildung sollen sich den Angaben des Tätigkeitsprogramms zufolge von 500 Millionen LIT während des ersten Wirtschaftsjahres bis zu 243 Millionen im Laufe des fünften Wirtschaftsjahres staffeln.

17 Die Absichtserklärung enthält ausserdem Ausschließlichkeitsabkommen, die nach der Antwort von Generali und Unicredito auf ein formelles Auskunftsersuchen der Kommission lediglich für die Gründung des Unternehmens CG Vita durch den Erwerb von 50 % seines Kapitals seitens Generali und für den Vertrieb der Produkte dieses Unternehmens über das Bankennetz von Unicredito gelten. Generali verzichtet in dieser Erklärung ausdrücklich darauf, ohne Zustimmung von Unicredito mit anderen Banken in denjenigen italienischen Regionen Kooperations- oder Beteiligungsvereinbarungen zu treffen, in denen die Banken dieser Gruppe in hinreichend grosser Zahl tätig sind.

18 Unicredito übernimmt gegenüber Generali eine gleichartige Verpflichtung. Die Firma verzichtet, genauer gesagt, darauf, ohne Zustimmung von Generali unmittelbare und mittelbare Beteiligungen an anderen Versicherungsgesellschaften in Form einer dauerhaften und funktionellen Investition zu erwerben. Diese Verpflichtung umfasst nicht den Erwerb etwaiger Beteiligungen an Bankgesellschaften und/oder -holdings, die ihrerseits unmittelbar oder mittelbar an Versicherungsgesellschaften beteiligt sind.

19 Was insbesondere den Vertrieb der Produkte von CG Vita betrifft, so stellt das vorerwähnte ergänzende Schreiben vom 9. Februar 1996 klar, daß die der Gesellschaft Unicredito auferlegte Ausschließlichkeitsverpflichtung für diesen Vertrieb auf einen Zeitraum von fünf Jahren begrenzt ist.

20 Schließlich sieht das Tätigkeitsprogramm vor, daß die Gründergesellschaften dem Gemeinschaftsunternehmen auf einer Reihe von Gebieten zum Gestehungspreis Beistand leisten. Nach diesen Bestimmungen soll der an die Muttergesellschaften gezahlte Erstattungsbetrag für das erste Wirtschaftsjahr 800 Millionen LIT betragen und jährlich um 5 % steigen. CG Vita soll im weitestmöglichen Masse die Informatikdienste ihrer Muttergesellschaften nutzen können. Die Lebensversicherungspolicen betreffenden technischen und administrativen Verfahren (Ausgabe der Policen, Buchhaltung, Auszahlung, Berechnung der Bilanz) sollen die gleichen sein wie bei Generali. Infolgedessen wird die interne Kontrolle zumindest so lange, wie der Umfang des Portefeuilles es nicht gestattet, die Kosten eines internen Prüfungsdienstes zu tragen, durch den internen Kontrolldienst von Generali (Ufficio di Internal Auditing) vorgenommen. Weiterhin kann CG Vita "zumindest während des ersten Abschnitts der Ausübung ihrer Tätigkeit" für die medizinische und fachliche Einschätzung der vorgeschlagenen Risiken auf den medizinischen Auswahldienst von Generali zurückgreifen. Schließlich wird der Firma auch auf technisch-versicherungsmathematischem Gebiet Beistand von Generali geleistet, die ihr einen Versicherungsmathematiker zur Verfügung stellt. In dem Tätigkeitsprogramm wird jedoch "der Wille [unterstrichen], die Verwaltung der Gesellschaft im Laufe der Zeit autonom zu gestalten, was schrittweise, parallel zum Anwachsen des Umfangs der Geschäftstätigkeit, geschehen soll".

21 Nach der Anmeldung der oben beschriebenen Vereinbarungen lief das Verfahren wie folgt ab: Am 23. Februar 1996 übermittelte die Kommission den Beteiligten gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 4064/89 ein erstes formelles Auskunftsersuchen. Sie betonte, um CG Vita als in vollem Umfang betriebenes Unternehmen bezeichnen zu können, sei es notwendig, a) "ganz allgemein genauere Angaben und zusätzliche Erklärungen über die selbständige und vollbetriebliche Natur dieses Unternehmens, insbesondere was seine Geldquellen betrifft, sowie Angaben zu dem für die tatsächliche Ausübung seiner Tätigkeit vorgesehenen "timing" zu erhalten", b) Kenntnis von seiner industriellen Planung zu erlangen, c) über zusätzliche Informationen in bezug auf Eurovita zu verfügen und d) nähere Angaben zu dem auf CG Vita zu übertragenden Vertragsportefeuille zu machen. Die Muttergesellschaften teilten der Kommission das Tätigkeitsprogramm mit und beantworteten dieses Auskunftsersuchen mit Schreiben vom 29. Februar 1996, in dem namentlich klargestellt wird, daß der Vertrieb der Produkte von CG Vita durch die Agenturen von Unicredito sichergestellt werden solle, die als Bevollmächtigte aufträten.

22 Am 4. März 1996 beantragte die Autorità garante della concorrenza e del mercato (für Wettbewerbsfragen zuständige italienische Behörde) bei der Kommission die Verweisung der Angelegenheit gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 4064/89. Die Kommission unterrichtete Generali und Unicredito von diesem Antrag und richtete am 6. März 1996 an diese Unternehmen ein zweites formelles Auskunftsersuchen, in dem sie im wesentlichen aufgefordert wurden, nähere Angaben zu ihrer Marktstellung zu machen, das Vertriebsnetz von Generali für die Leistungen im Bereich der Lebensversicherung zu beschreiben und etwaige in Kraft befindliche Vereinbarungen zwischen Generali und anderen Banken anzugeben. Die Firmen beantworteten diese Aufforderung mit Schreiben vom 12. März 1996, und nachdem am 13. März 1996 ein informelles Treffen mit den Beamten der Task-force "Kontrolle der Unternehmenszusammenschlüsse" der Generaldirektion Wettbewerb (GD IV) der Kommission (im folgenden: Task-force "Zusammenschlüsse") stattgefunden hatte, machten sie in einem Schreiben an die Kommission vom 15. März 1996 nähere Angaben, die insbesondere die akzessorische Natur der Vereinbarung über den ausschließlichen Vertrieb der Produkte des Gemeinschaftsunternehmens betrafen.

23 Am 25. März 1996 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung, mit der sie feststellte, daß der angemeldete Vorgang keinen Zusammenschluß im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 darstelle, da CG Vita über keine "tatsächliche funktionelle Selbständigkeit verfügt und durch eine Reihe kooperativer Aspekte gekennzeichnet ist, die zu dem Schluß führen, daß der Vorgang, insgesamt gesehen, kooperativer Natur ist" (Nrn. 21 und 22).

24 Was zunächst die funktionelle Selbständigkeit betrifft, so führt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung aus, "die ihr zur Verfügung stehenden Informationen und Beweismittel [gestatteten] es ihr nicht, mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer tatsächlichen und hinreichenden funktionellen Selbständigkeit des Gemeinschaftsunternehmens zu schließen" (Nr. 13). Diese Behauptung stützt sich auf zwei Feststellungen: Erstens "soll ungeachtet des erklärten Willens der Parteien, die Verwaltung des Unternehmens zunehmend autonom zu gestalten..., fast die Gesamtheit der mit Abschluß und Verwaltung der Versicherungspolicen verbundenen Dienstleistungen (Ausgabe, Buchführung, Auszahlung, Berechnung der Bilanzrücklagen, Schätzung der Risiken, Hilfeleistung auf dem Gebiet der versicherungsmathematischen Techniken usw. durch die Organisationsstrukturen von Generali gewährleistet werden, zumindest bis zu dem (natürlich nicht genau bestimmbaren) Zeitpunkt, in dem sich das Portefeuille der Versicherungen so entwickelt hat, daß es dem Gemeinschaftsunternehmen gestattet, die mit der unabhängigen Ausübung der in Rede stehenden Tätigkeiten und Dienstleistungen verbundenen Kosten aufzufangen" (Nr. 16). Zweitens wird gesagt, daß - anders als insbesondere in der Sache Zurigo/Banco di Napoli (IV/M.543) - "die Tatsache, daß die Versicherungsleistungen von CG Vita keine Merkmale [aufweisen], die sie nach Wesen und Inhalt eindeutig von denjenigen Leistungen unterscheiden würden, die bereits von Generali über das Banksystem ausgearbeitet wurden und vermarktet werden, die Argumente, mit denen der autonome Charakter des Gemeinschaftsunternehmens belegt werden soll, noch mehr entkräften [dürfte]" (Nr. 17).

25 Anschließend beurteilt die Kommission, "was den Vorgang in seiner Gesamtheit angeht, die wirtschaftliche Bedeutung der Aspekte der Zusammenarbeit zwischen den Gründerunternehmen, was den privilegierten Zugang zu den Versicherungsleistungen des Zweiges "Leben" auf dem Weg über die Banken betrifft" (Nr. 18). Sie betont in erster Linie, daß das beabsichtigte Vorgehen Teil eines umfassenderen Planes für die Zusammenarbeit zwischen Generali und Unicredito in den Bereichen Bankwesen, Finanzen, Versicherung und bankähnliche Tätigkeiten sei, der bereits in der Absichtserklärung umrissen worden sei und von dem der in Rede stehende Vorgang nur eine Etappe darstelle. Überdies werde das Vorliegen eines Interesses der Beteiligten an der Verwirklichung ausgedehnter Formen der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Finanzierung und der Versicherung durch die - in der Absichtserklärung vorgesehenen - Vereinbarungen über wechselseitige Ausschließlichkeit, die alle den Gegenstand der Zusammenarbeit bildenden Sektoren umfassten, offenbar noch verstärkt (Nr. 19). Zweitens stellt die Kommission im wesentlichen fest, daß der Vorgang "in einem marktbezogenen Kontext zu sehen [ist], bei dem es um den Vertrieb der Produkte der Lebensversicherung in Italien geht"; dieser Kontext sei zum einem durch die sehr weite Verbreitung der Ausschließlichkeitsvereinbarungen, die Netze von Zweigstellen als alleinige Beauftragte mit den verschiedenen Versicherungsgesellschaften verbänden, und zum anderen durch den raschen Anstieg der von den Banken hinsichtlich des Vertriebs der Produkte der Lebensversicherung ausgeuebten Vermittlertätigkeit gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang stelle der Weg über die Banken zunehmend ein privilegiertes Vertriebssystem dar und sei sogar angesichts der mit der Schaffung hinreichend ausgedehnter und vielfältiger Vertriebsnetze verbundenen Schwierigkeiten und Kosten in bestimmten Fällen unumgänglich, um Zugang zum Markt der Lebensversicherungen zu erlangen (Nr. 20).

26 Mit Klageschrift, die am 5. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben Generali und Unicredito beantragt, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

27 Mit Schriftsatz, der am 28. Februar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Italienische Republik ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Der Präsident der Dritten erweiterten Kammer hat diesem Antrag mit Beschluß vom 21. April 1997 stattgegeben.

28 Wegen des Amtsantritts eines neuen Mitglieds des Gerichts ist die Rechtssache am 4. März 1998 der Ersten erweiterten Kammer neu zugeteilt worden, und es wurde ein neuer Berichterstatter bestimmt.

29 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die Verfahrensbeteiligten haben auf Verlangen des Gerichts vor der mündlichen Verhandlung im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung des Gerichts bestimmte Unterlagen vorgelegt. Die mündliche Verhandlung hat am 14. Juli 1998 stattgefunden.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

30 Die Klägerinnen beantragen,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

31 Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- hilfsweise, sie als unbegründet abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

32 Die Kommission macht geltend, die Klage sei unzulässig, da die angefochtene Entscheidung keine unmittelbaren Wirkungen zeitige, die die Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen könnten. Die Entscheidung stelle nur eine Zwischenmaßnahme dar, da sie lediglich das einzuschlagende Verfahren und die bei der Prüfung der in Rede stehenden Vorgänge anwendbaren Bestimmungen festlege. Sie beschränke sich nämlich auf die Feststellung, derartige Vorgänge fielen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 4064/89, sowie auf den Hinweis, die Anmeldung werde entsprechend dem Antrag der anmeldenden Beteiligten als Antrag auf Erteilung eines Negativattests im Sinne von Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 oder als Anmeldung im Sinne von Artikel 4 dieser Verordnung behandelt werden. Einzig und allein die spätere Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit des in Rede stehenden Vorhabens mit Artikel 85 des Vertrages werde die endgültige Haltung dieses Organs hinsichtlich der Frage festlegen, ob das Vorhaben in der von den anmeldenden Beteiligten vorgeschlagenen Weise oder auf andere Weise verwirklicht werden könne.

33 Unter diesem Aspekt unterscheidet die Beklagte zwischen zwei Arten von Entscheidungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 4064/89. Treffe die Kommission, wie vorliegend, eine Entscheidung, wonach das angemeldete Vorhaben keinen Zusammenschluß darstelle, so behalte sie ihre Zuständigkeit. Die Rechtmässigkeit dieser Zwischenentscheidung könne im Rahmen einer Klage gegen die das Verfahren nach Artikel 85 des Vertrages abschließende Entscheidung der Kommission geprüft werden, ohne daß die anmeldenden Unternehmen hierdurch den Schutz des Gemeinschaftsrechts verlieren würden. Erst dann nämlich, wenn die Kommission zu dem Schluß gelangt sei, Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages sei nicht anwendbar und es bestehe daher kein Anlaß für den Erlaß einer Freistellungsentscheidung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages, erlangten die nationalen Behörden wieder ihre Zuständigkeit für die Prüfung der Vorgänge.

34 Da die Kommission ausschließlich für die Prüfung von Zusammenschlüssen mit gemeinschaftsweiter Auswirkung zuständig sei, begründe umgekehrt eine Entscheidung dieses Organs nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 4064/89, mit der festgestellt werde, daß ein bestimmter Vorgang zwar einen Zusammenschluß darstelle, jedoch keine gemeinschaftsbezogene Tragweite habe, automatisch die Unzuständigkeit des Organs und führe zur Anwendbarkeit der innerstaatlichen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften. Gegen eine solche Entscheidung könne Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages erhoben werden, wie das Gericht in seinem Urteil vom 24. März 1994 in der Rechtssache T-3/93 (Air France/Kommission, Slg. 1994, II-121) entschieden habe.

35 Die Italienische Republik schließt sich dem Vorbringen der Kommission an. Die angefochtene Entscheidung sei nicht der Rechtsakt, der das durch die Anmeldung gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 4064/89 eingeleitete Verfahren abschließe. Dieses Verfahren gliedere sich nämlich in zwei Abschnitte. Der erste, notwendige Abschnitt ziele auf die Feststellung, ob der angemeldete Vorgang einen Zusammenschluß darstelle und somit in den Anwendungsbereich dieser Verordnung falle. Der zweite, der nur in Gang gesetzt werde, wenn die Kommission den ersten Abschnitt mit einer negativen Entscheidung abgeschlossen habe, bezwecke eine Beurteilung des Vorgangs im Hinblick auf Artikel 85 des Vertrages und führe zur endgültigen Entscheidung.

36 Die Klägerinnen sind ihrerseits der Auffassung, die angefochtene Entscheidung stelle einen endgültigen Rechtsakt dar, der nach gefestigter Rechtsprechung (Urteil Air France/Kommission, a. a. O.) mit der Nichtigkeitklage angefochten werden könne.

Würdigung durch das Gericht

37 Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Entscheidung dann einen anfechtbaren Rechtsakt dar, wenn sie in qualifizierter Weise die Rechtsstellung der betroffenen Unternehmen ändert, indem sie endgültige Rechtswirkungen erzeugt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, sowie Urteile des Gerichts vom 10. Juli 1990 in den Rechtssachen T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, und Air France/Kommission, a. a. O., Randnrn. 43 und 50).

38 Stuft die Kommission in einer ein besonderes - vorliegend durch die Verordnung Nr. 4064/89 geschaffenes - Verfahren abschließenden formellen Entscheidung einen wirtschaftlichen Vorgang in bestimmter Weise ein und entscheidet sie sich damit für ein Kontrollverfahren, so stellt dies keine blosse vorbereitende Maßnahme dar, in bezug auf die die Rechte der Klägerinnen durch eine Klage auf Nichtigerklärung der das Verfahren beendenden Entscheidung angemessen geschützt werden könnten, wenn diese Entscheidung oder die gegen sie zur Verfügung stehende Klage es nicht gestatten würde, die unumkehrbaren Auswirkungen dieser Einstufung auf die Rechtsstellung der Klägerinnen zu beseitigen (vgl. in ähnlichem Sinne insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 30. Juni 1992 in den Rechtssachen C-312/90, Spanien/Kommission, Slg. 1992, I-4117, Randnrn. 19 bis 24, und C-47/91, Italien/Kommission, Slg. 1992, I-4145, Randnrn. 26 bis 30, in denen der Gerichtshof ausgeführt hat, daß eine Entscheidung, die eine Beihilfe als neu einstuft, einen anfechtbaren Rechtsakt darstellt, da sie die Einleitung eines besonderen Kontrollverfahrens mit sich bringt, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die Auszahlung der Beihilfe aufgrund von Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages so lange ausgesetzt wird, bis diese nicht für mit dem Vertrag vereinbar erklärt wurde).

39 Im vorliegenden Fall beendet die angefochtene Entscheidung, wie in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 4064/89 ausdrücklich vorgesehen, das gemäß dieser Verordnung mit der Anmeldung der Vereinbarungen über die Gründung des Unternehmens CG Vita eingeleitete Verfahren durch die Feststellung, daß dieser Vorgang keinen Zusammenschluß darstelle, da er kooperativer Natur sei.

40 Nach ihrem Artikel 22 Absätze 1 und 2 in der zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung geltenden Fassung findet auf Zusammenschlüsse im Sinne des Artikels 3 allein diese Verordnung Anwendung; solche Zusammenschlüsse sind daher der Anwendung der Verordnung Nr. 17 entzogen.

41 Die angefochtene Entscheidung, die feststellt, daß die Gründung von CG Vita keinen Zusammenschluß darstelle und daher nicht in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 4064/89 falle, hat somit insbesondere zur Folge, daß dieser Vorgang unter das Kartellverbot von Artikel 85 des Vertrages subsumiert wird und dem selbständigen besonderen Verfahren der Verordnung Nr. 17 unterliegt.

42 Die Entscheidung legt die Kriterien für die Beurteilung der Rechtmässigkeit des in Rede stehenden Vorgangs sowie das Verfahren und die eventuellen Sanktionen fest, die auf ihn anwendbar sind. Sie verändert hierdurch die Rechtsstellung der Klägerinnen, indem sie diese der Möglichkeit beraubt, die Rechtmässigkeit des genannten Vorgangs unter einem lediglich strukturellen Gesichtspunkt im Rahmen des beschleunigten Verfahrens nach der Verordnung Nr. 4064/89 prüfen zu lassen, um eine Entscheidung zu erwirken, die endgültig über die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht befindet.

43 Unter diesen Umständen stellt die angefochtene Entscheidung entgegen den Ausführungen der Kommission keine blosse vorbereitende Maßnahme dar, gegen deren Rechtswidrigkeit den Klägerinnen im Rahmen einer Klage gegen die Entscheidung über die Anwendung von Artikel 85 des Vertrages angemessener Rechtsschutz gewährt werden könnte. Sie ist vielmehr eine endgültige Entscheidung, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages sein kann, damit der gerichtliche Schutz der Rechte gewährleistet ist, die sich für die Klägerinnen aus der Verordnung Nr. 4064/89 ergeben.

44 Aus all diesen Gründen ist die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

45 Das Vorbringen der Klägerinnen lässt sich in drei Klagegründe gliedern, mit denen die angeblich zusammenschlussartige Natur des Unternehmens CG Vita, die Verletzung des Anspruchs der Klägerinnen auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren und das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht werden.

Zum ersten Klagegrund: Unrichtige Bewertung des streitigen Vorgangs

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

46 Die Klägerinnen führen aus, CG Vita stelle ihrem Wesen nach einen Zusammenschluß dar. Dieses Gemeinschaftsunternehmen sei funktionell selbständig; weder bezwecke noch bewirke es, das Wettbewerbsverhalten der Gründerunternehmen zu koordinieren. Es erfuelle somit die beiden Bedingungen, die Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 in der im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung vor ihrer Änderung durch die Verordnung Nr. 1310/97 aufgestellt habe und zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung von 1994 über die in dieser Verordnung festgelegte, seinerzeit geltende Unterscheidung zwischen Gemeinschaftsunternehmen mit Zusammenschluß- und solchen mit kooperativem Charakter (ABl. C 385, S. 1; im folgenden: Mitteilung) nähere Ausführungen gemacht habe.

- Zur Bedingung der funktionellen Selbständigkeit

47 Was zunächst die Bedingung der funktionellen Selbständigkeit betrifft, so betonen die Klägerinnen eingangs, dieser Begriff müsse unter Berücksichtigung der Merkmale des betroffenen Marktes, vorliegend des Marktes der Lebensversicherungen, sowie der Art und Weise verstanden werden, in der die auf diesem Markt auftretenden kleineren Unternehmen, wie CG Vita, normalerweise funktionierten.

48 Im vorliegenden Fall verfüge CG Vita erstens, was Finanzen, Personal und Aktiva angehe, über ausreichende Mittel, um auf dem Gebiet der Lebensversicherungen dauerhaft tätig sein zu können. Das werde durch die Genehmigung ihres Tätigwerdens auf dem Versicherungssektor belegt, die das ISVAP ihr am 17. Dezember 1996 im Anschluß insbesondere an die aufgrund einer Entscheidung ihres Vorstands vom 2. September 1996 erfolgte Erhöhung ihres Kapitals von 2 auf 15 Milliarden LIT erteilt habe. Was das Organigramm dieses Gemeinschaftsunternehmens betreffe, so habe es anfänglich 15 Personen umfasst. Diese Zahl sei im Verlauf der ersten fünf Jahre auf 23 Personen erhöht worden.

49 Zweitens erfuelle CG Vita die normalerweise von anderen auf dem Lebensversicherungsmarkt auftretenden Unternehmen ausgeuebten Funktionen und sei in der Lage, ihre eigene Geschäftspolitik selbständig festzulegen. Die technische und administrative Unterstützung, die CG Vita von den Muttergesellschaften geleistet werde, beraube sie nicht ihrer funktionellen Selbständigkeit. Die Leistungen, die Generali ihr zum Gestehungspreis erbringe, gehörten zu den Dienstleistungen, derentwegen Versicherungsgesellschaften vergleichbaren Umfangs sich an aussenstehende Gesellschaften zu wenden pflegten. Insbesondere sei es bei Lebensversicherungsfirmen üblich, selbst für nicht übertragbare Verträge auf die medizinische Auswahl des Rückversicherers zurückzugreifen. CG Vita beauftrage Generali aber auch bis zur Höhe des Mehrbetrags mit der Rückversicherung der die Schwelle von 100 Millionen LIT überschreitenden Risiken; dies geschehe im Rahmen einer Abmachung über Mehrbeträge mit Risikoprämie, die einer ständigen Praxis entspreche. Ausserdem beeinträchtige die Inanspruchnahme des medizinischen Auswahldienstes von Generali in keiner Weise die Befugnis von CG Vita, über die Akzeptierung von Risiken selbständig zu entscheiden. Im übrigen habe das Tätigkeitsprogramm (S. 17) die anfänglichen Kosten der gesamten Hilfeleistung auf versicherungsmathematischem Gebiet sowie in den Bereichen der Auswahl der Risiken der internen Kontrolle der Gesellschaft und der Informatikverfahren auf 800 Millionen LIT geschätzt. Nach diesem Voranschlag würden die genannten Kosten jährlich um 5 % ansteigen, um im Verlauf des fünften Tätigkeitsjahres 942 Millionen LIT zu erreichen. Schließlich sei diese Hilfeleistung rein vorläufiger Natur. Gemäß dem Tätigkeitsprogramm werde sie nicht über die ersten drei Tätigkeitsjahre hinausgehen.

50 Unter diesem Gesichtspunkt werfen die Klägerinnen der Kommission vor, sie habe Tragweite und Dauer der Unterstützung durch die Muttergesellschaften nicht ausreichend untersucht. In ihrer Klageschrift führen sie aus, CG Vita werde noch vor Ablauf des ersten Halbjahres ihrer Tätigkeit einen unabhängigen Versicherungsmathematiker einstellen, dem während des ersten Jahres ein Vertreter von Generali zur Seite stehen werde. Die Unterstützung durch diese Muttergesellschaft auf dem Gebiet der internen Kontrolle werde "mit dem Abschluß der Bilanz des ersten/zweiten Tätigkeitsjahres" zu Ende gehen. Was die Verfahren der Datenverarbeitung angehe, so enthalte das Tätigkeitsprogramm einen Voranschlag über die Kosten des Erwerbs eines für Lebensversicherungsgesellschaften bestimmten unabhängigen Datenverarbeitungssystems durch CG Vita zu dem Zeitpunkt des Jahres 1997, zu dem dieses von den Gesellschaften der Gruppe Generali gekaufte, auf dem Wege der Personalisierung befindliche System verfügbar sein werde.

51 Was die von Unicredito gewährte Unterstützung beim Vertrieb anbelangt, so erhalte die angefochtene Entscheidung keinerlei Angaben. CG Vita nutze aber für die Vermarktung ihrer eigenen Produkte das Verkaufsnetz dieser Muttergesellschaft, wobei sie als Beauftragte des Gemeinschaftsunternehmens auftrete. Nach ständiger Praxis beeinträchtige die Nutzung eines solchen Vertriebssystems nicht die funktionelle Selbständigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens (vgl. insbesondere Entscheidungen der Kommission vom 15. Juni 1995 in der Sache Nr. IV/M. 586 - Generali/Comit/Flemings, und vom 22. Februar 1995 in der Sache Nr. IV/M. 543 - Zurigo/Banco di Napoli). Ausserdem habe das die Absichtserklärung ergänzende Schreiben vom 9. Februar 1996 die Dauer der von Unicredito übernommenen Ausschließlichkeitsverpflichtung ausdrücklich auf fünf Jahre begrenzt.

52 Drittens sei es jedenfalls unmöglich, auf dem Markt der Lebensversicherungen innovative Produkte zu schaffen. In dieser Hinsicht seien die lediglich zur Erleichterung der Aufgabe des Verkäufers vereinfachten, über das Bankennetz vermarkteten Produkte für den Versicherten im Grunde mit denjenigen identisch, die über die herkömmlichen Vertriebsnetze abgesetzt würden. Auf dem Sektor der Lebensversicherungen seien die neuen Produkte - bezueglich deren die von der mit ihrem Vertrieb beauftragten Muttergesellschaft übernommene Ausschließlichkeitsverpflichtung für den Zugang zum Markt unerläßlich und deshalb gerechtfertigt sei - somit diejenigen, die von einem neuen Unternehmen zum ersten Mal auf den Markt gebracht würden.

53 Übrigens müsse die von der Kommission in ihren früheren Entscheidungen eingenommene Haltung in dieser Weise verstanden werden. Insbesondere sei in dem vorerwähnten Fall Zurigo/Banco di Napoli die "Neuheit" des Produktes des Gemeinschaftsunternehmens im Verhältnis zu den von der Mutterversicherungsgesellschaft angebotenen Produkten bestreitbar, da sich diese "Neuheit" auf die Form der Zahlung der Versicherungsprämie beschränke. Im gleichen Sinne habe die Kommission in ihrer Entscheidung in der Sache Nr. IV/M. 707 (Toro Assicurazioni/Banca di Roma) darauf hingewiesen, daß "das Gemeinschaftsunternehmen Produkte unter seiner eigenen Marke vermarkten wird", ohne sich um die wesensmässigen und inhaltlichen Unterschiede zwischen ihren Produkten und denen von Toro zu kümmern (Nr. 8 der Entscheidung).

54 Im vorliegenden Fall vermarkte CG Vita ihre Produkte jedenfalls unter einer eigenen Bezeichnung. Nach einer normalen, begrenzten Anlaufzeit würden diese "personalisiert", um sie auf bestimmte Kundengruppen auszurichten.

55 Die Klägerinnen bestreiten ausserdem die Behauptung der Kommission, CG Vita vermarkte die bereits von Generali vertriebenen Produkte. Mit der alleinigen Ausnahme der im Todesfall für eine begrenzte Zeit abgeschlossenen Versicherungen, bei denen Kapital und Jahresprämie konstant blieben - dies stelle das am meisten verkaufte Produkt dar -, seien die Produkte von CG Vita nach den Versicherungspolicen von Eurovita gestaltet; sie seien völlig unabhängig von den technischen Strukturen von Generali geplant und ausgearbeitet worden. Überdies sei ein neues Produkt - die für den Todesfall abgeschlossene zeitlich begrenzte Versicherung des als Jahresprämie geschuldeten Saldos - von CG Vita selbständig geschaffen worden und werde individuell von keiner anderen Gesellschaft der Generali-Gruppe vertrieben.

56 Aus der Gesamtheit der bisherigen Überlegungen gehe hervor, daß die Kommission im vorliegenden Fall die Bedingung der funktionellen Selbständigkeit mit grosser Härte angewandt habe. Sie habe einen Sachverhalt, der mit den in früheren Entscheidungen untersuchten Sachverhalten grundlegend übereinstimme, ohne jede Rechtfertigung abweichend behandelt. Damit habe sie die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Nichtdiskriminierung verletzt und einen Ermessensmißbrauch begangen.

57 Die Klägerinnen stützen sich in diesem Punkt auf eine Reihe von Entscheidungen, in denen die Kommission die funktionelle Selbständigkeit von Gemeinschaftsunternehmen anerkannt habe, deren wirtschaftliche Bindungen an die Muttergesellschaften erheblich enger gewesen seien als bei CG Vita (Entscheidung 93/247/EWG der Kommission vom 12. November 1992, mit der ein Zusammenschluß für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurde [Sache IV/M.222 - Mannesmann/Hösch - ABl. 1993, L 114, S. 34], Entscheidungen vom 5. Februar 1996 in der Sache Nr. IV/M.686 [Nokia/Autoliv], vom 22. November 1992 in der Sache IV/M.266 [Rhône Poulenc Chimie/SITA], vom 22. Dezember 1993 in der Sache Nr. IV/M.394 [Mannesmann/Rewe/Deutsche Bank] und vom 27. November 1995 in der Sache Nr. IV/M.648 [Mc Dermott/ETPM]).

58 Die Kommission, unterstützt von der Italienischen Republik, ist der Ansicht, CG Vita besitze angesichts des Umfangs und der wirtschaftlichen Bedeutung der Unterstützung, die Generali und Unicredito ihr nach wie vor gewährten, sowie der völlig unsicheren Natur der zeitlichen Begrenzung dieser Unterstützung keine funktionelle Selbständigkeit.

59 Weiterhin müsse bei einem Gemeinschaftsunternehmen wie CG Vita, das seine Tätigkeit noch nicht aufgenommen habe, zur Beurteilung seiner Fähigkeit, auf seinem eigenen Markt unabhängig aufzutreten, geprüft werden, ob es in der Lage sei, Produkte auf diesen Markt zu bringen, die noch nicht von einer der Muttergesellschaften vermarktet seien oder nach der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens aus der Produktpalette dieser Gesellschaft herausgenommen würden. In dieser Beziehung könne die Neuheit eines Produktes nicht durch einen blossen Wechsel der Marke begründet werden, unter der es von einer der Muttergesellschaften vermarktet werde.

- Zur Bedingung der fehlenden Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens

60 Die Klägerinnen bestreiten, daß die Gründung des Unternehmens CG Vita ein Mittel der Zusammenarbeit zwischen Generali und Unicredito darstelle. Sie machen zunächst geltend, die anderen in der Absichtserklärung in Aussicht genommenen Formen der Zusammenarbeit stuenden in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit von CG Vita. Sie bezögen sich auf privilegierte wechselseitige Beziehungen auf den wichtigsten Tätigkeitsgebieten von Generali und Unicredito. Ausserdem seien sie rein hypothetischer Natur.

61 Ferner sei eine hypothetische Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der beiden Muttergesellschaften von vornherein ausgeschlossen, da nur eine dieser Gesellschaften ihre Tätigkeit auf dem Markt von CG Vita ausüben werde. In der Tat übten Generali und Unicredito ihre Tätigkeit auf völlig verschiedenen Märkten aus; infolge der Gründung von CG Vita würde Unicredito an keiner auf dem Markt der Lebensversicherungen auftretenden Gesellschaften mehr beteiligt sein.

62 In dieser Hinsicht wenden sich die Klägerinnen besonders gegen die Auffassung der italienischen Regierung, wonach "Banken und Versicherungen auf einer Vielzahl von Gebieten untereinander weitgehend austauschbare Produkte und Dienstleistungen anbieten". CG Vita werde jedenfalls auf keinem der Sektoren (corporate banking und Verwaltung von Sparkonten) tätig, auf denen sich ein Wettbewerb zwischen Banken und Versicherungen entwickele.

63 Die Kommission betont, die angefochtene Entscheidung sei in keiner Weise darauf gestützt, daß der streitige Vorgang im Kontext einer umfassenderen Zusammenarbeit zwischen den Muttergesellschaften angesiedelt sei. In der Tat seien die in der Absichtserklärung in Aussicht genommenen umfassenden Pläne für eine zukünftige Zusammenarbeit anders als das hauptsächliche, die funktionelle Selbständigkeit von CG Vita betreffende Vorbringen lediglich am Rande geprüft worden. Die Kommission habe diese Pläne nur wegen des Fehlens ausreichender Hinweise zur Frage der funktionellen Selbständigkeit von CG Vita berücksichtigt. Die Analyse der Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Muttergesellschaften, so wie diese Beziehungen in der Absichtserklärung dargelegt worden seien, habe zusammen mit anderen Anhaltspunkten bessere Hinweise für die etwaige Feststellung des Vorliegens einer funktionellen Selbständigkeit liefern können. Je grösser insbesondere die Möglichkeit sei, daß das Gemeinschaftsunternehmen lediglich ein Mittel der Zusammenarbeit zwischen den auf vertikal miteinander verbundenen Märkten auftretenden Unternehmen darstelle, desto mehr bestehe Anlaß, an seiner Selbständigkeit zu zweifeln.

64 Nach Ansicht der italienischen Regierung zeigt die Absichtserklärung, daß das Gemeinschaftsunternehmen vorliegend ein Mittel der Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Muttergesellschaften darstelle. Zum einen würden die Banken nach der jüngsten Marktentwicklung zu unmittelbaren Konkurrentinnen der Versicherungsgesellschaften, indem sie eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen finanzieller Art anböten, die weitgehend mit den Produkten der Versicherungen austauschbar seien. Zum anderen erwiesen sie sich als privilegiertes Vertriebsnetz für diese Produkte. Vorliegend weise die Koordinierung der Gründerunternehmen also eine besondere strategische Bedeutung auf, indem durch sie ein potentieller Wettbewerb auf diesen benachbarten Märkten ausgeschaltet und für die genannten Produkte ein privilegierter Absatzmarkt besetzt werde.

Beurteilung durch das Gericht

65 Artikel 3 der Verordnung Nr. 4064/89 bestimmt den Begriff des Zusammenschlusses im Sinne dieser Verordnung. Die Qualifizierung der Gemeinschaftsunternehmen ist in Absatz 2 dieses Artikels geregelt, der in seiner vor dem 1. März 1998 geltenden Fassung, die vorliegend anwendbar ist, wie folgt lautet:

"(2) Eine Handlung - einschließlich der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens -, die eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens voneinander unabhängig bleibender Unternehmen bezweckt oder bewirkt, stellt keinen Zusammenschluß im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) dar.

Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfuellt und keine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Gründerunternehmen im Verhältnis zueinander oder im Verhältnis zu dem Gemeinschaftsunternehmen mit sich bringt, stellt einen Zusammenschluß im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) dar."

66 Diese Bestimmungen des Artikels 3 sind im Licht der 23. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 4064/89 auszulegen, die folgenden Wortlaut hat:

"(23) Der Begriff des Zusammenschlusses ist so zu definieren, daß er nur Handlungen erfasst, die zu einer dauerhaften Veränderung der Struktur der beteiligten Unternehmen führen; daher sind von der Anwendung dieser Verordnung diejenigen Handlungen auszuschließen, die eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Unternehmen bezwecken oder bewirken; derartige Handlungen müssen aufgrund der einschlägigen Vorschriften der Durchführungsverordnungen zu den Artikeln 85 oder 86 des Vertrages geprüft werden. Diese Unterscheidung ist insbesondere vorzunehmen, wenn es um die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen geht."

67 Aus Artikel 3 geht hervor, daß die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens nur dann in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 4064/89 fällt, wenn zum einen dieses Unternehmen über funktionelle Selbständigkeit verfügt und zum anderen diese Gründung nicht die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der betroffenen Unternehmen bezweckt oder bewirkt. Fehlt es an einer dieser Bedingungen, so wird das Gemeinschaftsunternehmen als kooperativ eingestuft und einem Kartell gleichgestellt.

68 Die Verordnung Nr. 4064/89 stellt aber nicht klar, nach welchen Kriterien sich bestimmt, inwieweit diese beiden Bedingungen als erfuellt angesehen werden können.

69 Bei der Auslegung dieser Bedingungen ist vor allem ihr Zweck zu berücksichtigen, der darin besteht, die jeweiligen Anwendungsbereiche der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung Nr. 17 voneinander abzugrenzen, die einander gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 4064/89 ausschließen. Dies führt im Rahmen der vorliegend anwendbaren früheren Fassung der Verordnung Nr. 4064/89 zu der Notwendigkeit, die wirtschaftliche Bedeutung der kooperativen Elemente im Verhältnis zu den strukturellen Aspekten zu beurteilen.

70 Im Hinblick auf das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten und auf den Akteninhalt ist es vorliegend Sache des Gerichts, zu prüfen, ob das Unternehmen CG Vita im Kontext der Begleitumstände seiner Gründung über funktionelle Selbständigkeit verfügt. Diese Frage ist auf der Grundlage der Informationen zu prüfen, über die die Kommission im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung verfügte.

71 Die angefochtene Entscheidung stellt fest, CG Vita sei nicht funktionell selbständig, und begründet dies namentlich mit dem Umfang und der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung der Unterstützung, die ihr von ihren Muttergesellschaften in bezug auf Produktion, Verwaltung und Austeilung der Versicherungspolicen gewährt werde (Nrn. 15 und 16 der angefochtenen Entscheidung).

72 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß einige Argumente, die die Klägerinnen gegen die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen geltend machen, auf Daten beruhen, die weder in der Absichtserklärung noch im Tätigkeitsprogramm erwähnt sind und der Kommission bei ihrer Prüfung der fraglichen Vorgänge nicht mitgeteilt worden waren. Das gilt insbesondere für das Vorbringen zur zeitlichen Begrenzung der von den Muttergesellschaften geleisteten Unterstützung auf versicherungsmathematischem Gebiet und im Bereich der internen Kontrollen (siehe oben, Randnr. 50). Derartige Punkte können bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt werden; diese ist auf der Grundlage der Informationen zu prüfen, über die die Kommission im Zeitpunkt ihres Erlasses verfügte.

73 Um den Einfluß der Unterstützung durch die Muttergesellschaften auf die funktionelle Selbständigkeit von CG Vita beurteilen zu können, müssen im übrigen die Merkmale des betroffenen Marktes berücksichtigt werden, und es ist zu prüfen, inwieweit CG Vita die Funktionen ausübt, die normalerweise von anderen auf dem gleichen Markt auftretenden Unternehmen ausgeuebt werden.

74 Vorliegend wurde der betroffene Markt in der angefochtenen Entscheidung als Lebensversicherungsmarkt definiert und nicht statisch, sondern in seiner Dynamik ins Auge gefasst, d. h. als ein Lebensversicherungsmarkt, der für den Vertrieb weitgehend auf den Bankenweg zurückgreift. Diese Entwicklung des betroffenen Marktes wird auch durch die Tatsache bestätigt, daß der Anteil der über den Bankensektor plazierten Versicherungsprämien zwischen 1991 und 1995 von 4 % auf 20 % der Einkünfte angestiegen ist, die die Lebensversicherungsprämien auf nationaler Ebene erzielt haben (Nr. 20 der angefochtenen Entscheidung).

75 Im Hinblick auf dieses Kennzeichen des betroffenen Marktes machen die Klägerinnen geltend, ein bestehendes, aber noch nicht tätiges Unternehmen, das, wie CG Vita, für den Vertrieb seiner Produkte auf die Dienstleistungen einer Bankengruppe zurückgreife, könne nicht schon deswegen als der funktionellen Selbständigkeit entbehrend angesehen werden, weil der Bankengruppe für einen begrenzten Zeitraum, hier für fünf Jahre, eine Ausschließlichkeitsklausel auferlegt worden sei. Überdies entspreche es der auf dem betroffenen Sektor herrschenden Praxis, daß sich Versicherungsgesellschaften einer Grösse, die mit der von CG Vita vergleichbar sei, an aussenstehende Gesellschaften wendeten, insbesondere was den Vertrieb sowie die Unterstützung auf den Gebieten der Versicherungsmathematik, der internen Kontrollen, der medizinischen Auswahl und der Informatikverfahren angehe.

76 Zwar könnte der Auffassung der Klägerinnen gefolgt werden, wenn es um die Nutzung einer jeden einzelnen der vorerwähnten Dienstleistungen für sich betrachtet ginge, nicht jedoch für den Fall, daß das Gemeinschaftsunternehmen für die Gewährung der Gesamtheit dieser Dienstleistungen von seinen Muttergesellschaften abhänge, und zwar über eine anfängliche Anlaufzeit hinaus, in der diese Unterstützung deshalb als gerechtfertigt angesehen werden könne, weil sie es dem Gemeinschaftsunternehmen ermögliche, den Markt zu betreten.

77 Im vorliegenden Fall wurde das Tätigwerden des Gemeinschaftsunternehmens aber dadurch gesichert, daß die Gründerunternehmen fast sämtliche Dienstleistungen erbrachten, die sich auf Produktion, Verwaltung und Vermarktung der Versicherungspolicen bezogen. Namentlich wird CG Vita nach dem Tätigkeitsprogramm zumindest während der ersten fünf Jahre ihrer Tätigkeit nicht in der Lage sein, die mit Produktion und Verwaltung der Versicherungspolicen zusammenhängenden Dienstleistungen selbständig zu verwalten. Generali wird sich an der Buchführung, der Ausgabe von Versicherungspolicen, den Auszahlungsverfahren, der Berechnung der Bilanzrücklagen, der technisch-administrativen Verwaltung des Portefeuilles sowie schließlich den internen Kontrollen des Gemeinschaftsunternehmens beteiligen. Was Unicredito betrifft, so wird sie CG Vita die für die Vermarktung der Versicherungsprodukte erforderlichen Informatikstrukturen und -dienstleistungen zur Verfügung stellen, um die Kapitalbewegungen zu zentralisieren. Überdies nimmt das Tätigkeitsprogramm lediglich auf das Agenturnetz der Unicredito-Gruppe Bezug, auch wenn die Absichtserklärung für das Gemeinschaftsunternehmen die theoretische Möglichkeit vorsieht, auf andere Vertriebswege zurückzugreifen.

78 Ferner unterlagen nach den zu den Akten gegebenen Unterlagen, über die die Kommission bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung verfügte, die Interventionen der Muttergesellschaften keiner zeitlichen Beschränkung. Lediglich die Unicredito für den Vertrieb der Produkte von CG Vita auferlegte Ausschließlichkeitsklausel war auf einen Zeitraum von fünf Jahren begrenzt. Die Klägerinnen haben erstmals vor dem Gericht (in ihrer Erwiderung) ausgeführt, diese Interventionen der Muttergesellschaften in Produktion und Verwaltung von CG Vita seien auf die ersten drei Tätigkeitsjahre begrenzt.

79 Aus all diesen Gründen konnte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellen, daß die ihr zur Verfügung stehenden Informationen es ihr nicht gestatteten, mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit zu dem Schluß zu gelangen, daß das Gemeinschaftsunternehmen über eine echte funktionelle Selbständigkeit verfüge.

80 Unter diesen Umständen kann der Vorwurf nicht durchgreifen, daß die Kommission die Klägerinnen in diskriminierender Weise behandelt habe. In der Tat unterscheidet sich der vorliegende Fall von den von den Klägerinnen angeführten früheren Entscheidungen der Kommission insbesondere durch den Umfang der CG Vita von den Muttergesellschaften für alle Stadien ihrer Tätigkeit gewährten Unterstützung sowie durch deren Dauer, die im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht auf eine normale anfängliche Anlaufzeit begrenzt war.

81 Weiterhin konnte die Kommission mit Recht feststellen, daß die Begleitumstände der Gründung von CG Vita in Ermangelung von Anhaltspunkten, die den Nachweis gestattet hätten, daß dieses Unternehmen über eine hinreichende funktionelle Selbständigkeit verfüge, die Unselbständigkeit des Unternehmens bekräftigten.

82 Dazu genügt der Hinweis darauf, daß die Absichtserklärung klar feststellt, daß die Gründung von CG Vita im Kontext einer umfassenderen Zusammenarbeit ihrer beiden Muttergesellschaften zu sehen sei, auch wenn, wie die Klägerinnen bemerken, der in diesem Schriftstück erörterte Plan für eine Zusammenarbeit nicht genau und detailliert dargelegt ist. Dieser Plan wird in der Tat in der Absichtserklärung ausdrücklich erwähnt (siehe oben, Randnrn. 9 und 14 bis 18). Diese enthält insbesondere die Verpflichtung der beiden Muttergesellschaften, bevorzugt auf ihre jeweiligen Dienstleistungen zurückzugreifen, die Verpflichtung von Unicredito, keine Beteiligungen an anderen Versicherungsgesellschaften zu erwerben, sowie die Verpflichtung von Generali, keine ähnlichen Kooperations- und/oder Beteiligungsvereinbarungen mit anderen Bankinstituten zu schließen. Ganz allgemein bekundet sie den Willen der Beteiligten, "[ihre] Tätigkeiten im Rahmen und unter Einbringung [ihrer] jeweiligen Kompetenzen wechselseitig zu integrieren", ohne daß jedoch eine derartige Integration im Wege eines Zusammenschlusses der beiden Muttergesellschaften beabsichtigt wäre.

83 Aus alledem geht hervor, daß CG Vita in Ermangelung einer funktionellen Selbständigkeit nicht als Zusammenschluß angesehen werden kann. Infolgedessen erübrigt sich eine Prüfung der die Zusammenarbeit zwischen den fraglichen Unternehmen betreffenden Aspekte gemäß Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 in der Fassung vor ihrer Änderung durch die Verordnung Nr. 1310/97.

84 Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Angebliche Verletzung des Anspruchs der Klägerinnen auf rechtliches Gehör

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

85 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, sie habe es unterlassen, ihnen ihre "ernsten Zweifel" an der funktionellen Selbständigkeit von CG Vita mitzuteilen, nachdem sie ihre Antworten auf ihr erstes Auskunftsersuchen erhalten habe. Indem sie es unterlassen habe, zusätzliche Erklärungen anzufordern, z. B. anläßlich ihres zweiten Auskunftsersuchens vom 6. März 1996 oder des informellen Treffens vom darauffolgenden 13. März, habe die Kommission bei den betroffenen Unternehmen die Überzeugung geweckt, sie hätten erschöpfend geantwortet. Diese Unternehmen seien daher nicht in der Lage gewesen, zu Umfang und Dauer der Unterstützung, die sie CG Vita gewährt hätten, Stellung zu nehmen und gegebenenfalls ihre Vereinbarung zu ändern.

86 Die Kommission ist der Ansicht, sie habe die Klägerinnen in ihrem ersten formellen Auskunftsersuchen vom 23. Februar 1996 hinreichend über ihre Zweifel am Zusammenschlusscharakter des streitigen Vorgangs unterrichtet. Unter diesen Umständen hätten die Klägerinnen ihre Auffassung verteidigen können, indem sie der Kommission in ihrer Antwort auf das erste Auskunftsersuchen oder bei dem Treffen vom 13. März 1996 - bei dem die Beamten der Task-force "Zusammenschlüsse" sie darüber informiert hätten, daß die Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato ebenfalls Zweifel am Zusammenschlusscharakter des Gemeinschaftsunternehmens geäussert habe - alle erforderlichen Informationen geliefert hätten.

Würdigung durch das Gericht

87 Artikel 18 der Verordnung Nr. 4064/89 legt ausdrücklich das Recht der betroffenen Unternehmen - darunter der anmeldenden Unternehmen - fest, vor Erlaß einer Reihe von in der Bestimmung aufgezählten Entscheidungen gehört zu werden. Er erwähnt nicht diejenigen Entscheidungen, die, wie die vorliegende, gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a feststellen, daß der angemeldete Vorgang nicht unter die Verordnung Nr. 4064/89 fällt.

88 Die Beachtung der Rechte der Verteidigung stellt jedoch ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts dar (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 7, sowie Urteil des Gerichts vom 19. Juni 1997 in der Rechtssache T-260/94, Air Inter/Kommission, Slg. 1997, II-997, Randnr. 59) und ist daher vor Erlaß jeder Entscheidung, die die betroffenen Unternehmen beschweren kann, zwingend. Im Einklang mit diesem Grundsatz verpflichtet Artikel 11 der Verordnung Nr. 4064/89 im übrigen die Kommission, in einem Auskunftsverlangen insbesondere auch dessen Zweck anzugeben. Ausserdem heisst es in der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3384/94, die Kommission werde nach der Anmeldung eines Zusammenschlusses "enge Verbindungen zu [den] Beteiligten aufrechterhalten, soweit dies erforderlich ist, um etwaige tatsächliche oder rechtliche Probleme, die sie bei der ersten Prüfung des Falles entdeckt hat, mit ihnen zu erörtern und wenn möglich in gegenseitigem Einvernehmen auszuräumen".

89 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in ihrem ersten Auskunftsersuchen klar die Notwendigkeit betont, genauere Angaben zur funktionellen Selbständigkeit von CG Vita zu erhalten, um sie als voll tätiges Gemeinschaftsunternehmen qualifizieren zu können (siehe oben, Randnr. 21).

90 Hiernach hat die Kommission die Klägerinnen während des Verwaltungsverfahrens ausreichend auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die mit einer solchen Qualifizierung verbunden waren. In dieser Hinsicht braucht nicht geprüft zu werden, ob die Kommission, wie sie geltend macht, entgegen den Behauptungen der Klägerinnen ihre Zweifel an der Selbständigkeit von CG Vita bei dem informellen Treffen vom 13. März 1996 wiederholt hat.

91 Überdies bestimmte die Verordnung Nr. 3384/94 (Artikel 3, dritte Begründungserwägung), daß es den Anmeldern obliegt, die Kommission wahrheitsgemäß und vollständig über die Tatsachen und Umstände zu unterrichten, die für die Entscheidung über den angemeldeten Zusammenschluß von Bedeutung sind.

92 Angesichts dieser Verpflichtung konnten die mit der Beachtung der Rechte der Verteidigung verbundenen Erfordernisse die Kommission nicht zwingen, bei unzureichender Beantwortung eines Auskunftsersuchens ihr Ersuchen zu wiederholen.

93 Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Angeblich fehlende oder unzureichende Begründung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

94 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, sie habe die angefochtene Entscheidung nicht begründet, da sie sich auf die Feststellung beschränkt habe, daß "die Informationen und Beweise, über die sie verfügt, es ihr nicht gestatten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu dem Schluß zu gelangen, daß das Gemeinschaftsunternehmen tatsächlich funktionell genügend selbständig" sei (Nr. 13). Dieser Begründungsmangel gehe auf die Unzulänglichkeit des Prüfungsverfahrens zurück.

95 Nach Ansicht der Kommission entspricht die Begründung der angefochtenen Entscheidung den Erfordernissen von Artikel 190 des Vertrages. Die von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren gelieferten Informationen hätten es ihr nicht gestattet, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, daß das Gemeinschaftsunternehmen über funktionelle Selbständigkeit verfüge.

96 Die Italienische Republik meint, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung den in Rede stehenden Vorgang endgültig und mit ausreichender Begründung beurteilt und sich hierbei auf die - übrigens hinreichenden - Informationen gestützt, die sie gesammelt habe.

Würdigung durch das Gericht

97 Da es vorliegend um die vorbeugende Überprüfung eines Vorhabens ging, das zwangsläufig noch nicht durchgeführt war, konnte die Kommission nur auf der Grundlage der ihr von den Klägerinnen gelieferten Angaben feststellen, ob das Gemeinschaftsunternehmen CG Vita funktionelle Selbständigkeit besitzen würde. Ob die angefochtene Entscheidung rechtlich ausreichend begründet ist, muß anhand der Informationen und Unterlagen ermittelt werden, über die die Kommission bei Erlaß dieser Entscheidung verfügte.

98 In dieser Hinsicht geht klar aus Nummer 17 der angefochtenen Entscheidung hervor, daß die Kommission die Frage der funktionellen Selbständigkeit von CG Vita aufgrund einer Prüfung des Umfangs und der Dauer der Unterstützung beurteilt hat, die diesem Gemeinschaftsunternehmen - nach den ihr von den Klägerinnen gelieferten Informationen und zu den Akten gegebenen Unterlagen - von seinen Muttergesellschaften gewährt wird (siehe oben, Randnr. 24). Auf der Grundlage dieser in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Analyse war die Kommission der Ansicht, es sei ihr nicht möglich, mit einem angemessenen Grad an Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer hinreichenden funktionellen Selbständigkeit des Gemeinschaftsunternehmens zu schließen. Nach den vorstehenden Ausführungen ist die angefochtene Entscheidung als ausreichend begründet anzusehen.

99 Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

100 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte einen derartigen Antrag gestellt hat und die Klägerinnen mit ihren Anträgen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen. Die Streithelferin hat ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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