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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 22.04.1993
Aktenzeichen: T-9/92
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge


Vorschriften:

EWG Art. 85 Abs. 1
EWG Art. 85 Abs. 3
Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge Art. 3 Nr. 11
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Verordnung Nr. 123/85 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge beschränkt sich darauf, den Wirtschaftsteilnehmern des Kraftfahrzeugsektors bestimmte Möglichkeiten an die Hand zu geben, diese Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zu entziehen, obwohl sie bestimmte Arten von Alleinvertriebs- und Wettbewerbsverbotsklauseln enthalten.

2. In Anbetracht des allgemeinen Verbotes wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dürfen Ausnahmevorschriften einer Gruppenfreistellungsverordnung nicht extensiv und nicht so ausgelegt werden, daß die Wirkungen der Verordnung über das hinausgehen, was zum Schutz der Interessen, deren Wahrung sie dienen soll, erforderlich ist.

3. Den Begriffen einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die zu ihrer Auslegung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist in der Regel eine autonome, einheitliche Auslegung zu geben, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und der mit der betreffenden Regelung verfolgten Zielsetzung zu ermitteln ist. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß der Gemeinschaftsrichter bei der Ermittlung von Inhalt und Bedeutung einer solchen Gemeinschaftsvorschrift auf das Recht der Mitgliedstaaten zurückgreift.

4. Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge soll das Tätigwerden eines Vermittlers unter der Voraussetzung ermöglichen, daß zwischen dem Händler und dem Endverbraucher eine unmittelbare Vertragsbeziehung besteht, die durch eine vom Erwerber des Fahrzeugs dem in seinem Namen und für seine Rechnung tätigen Vermittler zuvor erteilte schriftliche Vollmacht zum Ankauf eines bestimmten Fahrzeugs nachzuweisen ist.

Um zulässigerweise als bevollmächtigter Vermittler im Sinne dieses Artikels 3 Nr. 11 auftreten zu können, muß sich der Vermittler auf die Erbringung der Dienstleistung beschränken, einen Kunden, der ein bestimmtes Fahrzeug zum günstigsten Preis kaufen möchte, mit einem dem Vertriebsnetz zugehörigen, zur Lieferung bereiten Händler zusammenzubringen, die notwendige unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den beiden Parteien zu vermitteln und die damit zusammenhängenden Maßnahmen durchzuführen. Der Vermittler handelt unter diesen Umständen lediglich als Vertreter des Endverbrauchers, und die Rechtsbeziehungen, die infolge der Handlungen des Vermittlers entstehen, werden unmittelbar zwischen dem Auftraggeber und dem betreffenden Dritten, hier dem Händler, begründet, ohne daß der Vermittler an ihnen beteiligt wäre.

5. Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge erlaubt es den Mitgliedern eines Vertriebsnetzes für Kraftfahrzeuge nicht, sich mit der Begründung, der Vermittler übe seine Tätigkeit gewerblich aus, zu weigern, Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Waren an Endverbraucher zu verkaufen, die die Dienste eines Vermittlers in Anspruch nehmen, der durch eine zuvor erteilte schriftliche Vollmacht nachweist, daß er im Namen und für Rechnung dieser Verbraucher handelt. Eine Weigerung des Vertragshändlers, mit dem Auftraggeber einen Kaufvertrag abzuschließen, verstösst gegen die Vorschriften der Verordnung Nr. 123/85, soweit der Vermittler die Grenzen der Vollmacht nicht überschreitet, die ihm vom Endverbraucher erteilt worden ist, um ein Fahrzeug zu kaufen und gegebenenfalls abzuholen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 22. APRIL 1993. - AUTOMOBILES PEUGEOT SA UND PEUGEOT SA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - KRAFTFAHRZEUGHANDEL - GRUPPENFREISTELLUNGSVERORDNUNG - BEGRIFF DES BEVOLLMAECHTIGTEN VERMITTLERS. - RECHTSSACHE T-9/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die angefochtene Entscheidung 92/154/EWG der Kommission vom 4. Dezember 1991 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/33.157 ° Eco System/Peugeot, ABl. 1992, L 66, S. 1) wurde auf eine von der Eco System SA (Beschwerdeführerin) am 19. April 1989 bei der Kommission eingereichte Beschwerde hin erlassen, die sich gegen die Automobiles Peugeot SA (Klägerin zu 1) und drei ihrer in Belgien zugelassenen Wiederverkäufer richtete und darauf gestützt war, daß diese Beteiligten seit März 1989 die Parallelimporte von Fahrzeugen durch die Beschwerdeführerin behinderten, die im Auftrag und für Rechnung französischer Endverbraucher, die Peugeot- oder Talbot-Fahrzeuge kaufen wollten, den Ankauf von Peugeot-Fahrzeugen vermittelte. In ihrer Beschwerde ersuchte die Beschwerdeführerin die Kommission ferner, einstweilige Maßnahmen zu treffen, um die schwere, nicht wiedergutzumachende Schädigung zu beenden, die sich für sie aus den vorerwähnten Behinderungen ergebe.

2 Gesellschaftszweck der Beschwerdeführerin ist es, Endverbrauchern ihre Dienste in Form des Ankaufs von Fahrzeugen in Ländern mit günstigeren Preisen anzubieten. Sie bietet weder Garantieleistungen noch Wartungsarbeiten oder die Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen ihrer Kunden an und verfügt über keinen Lagerbestand an eigenen Fahrzeugen. In der Praxis holt die Beschwerdeführerin aktiv in ganz Frankreich, insbesondere durch Werbung in allen Medien, schriftliche Aufträge interessierter französischer Endverbraucher ein und stellt in ihren Schaufenstern lediglich bereits verkaufte Fahrzeuge aus, die vor der Auslieferung stehen.

3 Am 9. Mai 1989 leitete die Klägerin zu 1 zum Schutz ihres Vertriebsnetzes, das unstreitig unter die Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. 1985, L 15, S. 16) fällt, ihren in Frankreich, Belgien und Luxemburg zugelassenen Vertragshändlern und Wiederverkäufern über ihre Tochtergesellschaften ein Rundschreiben der Peugeot SA (Klägerin zu 2) zu, in dem diese aufgefordert wurden, ihre Lieferungen an die Beschwerdeführerin einzustellen und von dieser keine Bestellungen von Neufahrzeugen der Marke Peugeot ° gleichviel, ob für eigene Rechnung oder für Rechnung ihrer Auftraggeber ° mehr anzunehmen. Der Entwurf dieses Rundschreibens war am 25. April 1989 der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission übermittelt, allerdings nicht förmlich angemeldet worden.

4 Am 27. November 1989 leitete die Kommission gegen die Klägerinnen das in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 ° Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) ° vorgesehene Verfahren ein.

5 Mit Entscheidung vom 26. März 1990 gab die Kommission den Klägerinnen einstweilig unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, innerhalb einer Frist von zwei Wochen alle ihre Vertragshändler und Agenten schriftlich aufzufordern, die Durchführung des Rundschreibens vom 9. Mai 1989 bis zum Erlaß einer endgültigen Entscheidung in dem Hauptverfahren auszusetzen, und setzte für die Geschäftsabschlüsse, die die Beschwerdeführerin für Rechnung ihrer Kunden aufgrund vorher erteilter schriftlicher Aufträge über das Vertriebsnetz von Peugeot tätigen durfte, ohne daß die Klägerinnen hiergegen Einwände erheben konnten, ein Kontingent von 1 211 Fahrzeuge pro Jahr, jedoch höchstens von 150 Fahrzeugen monatlich, fest.

6 Mit Klageschrift, die am 24. April 1990 in das Register der Kanzlei des Gericht eingetragen wurde, erhoben die Klägerinnen Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung (Rechtssache T-23/90). Zugleich beantragten sie die Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung. Mit Beschluß vom 21. Mai 1990 wies der Präsident des Gerichts diesen Antrag zurück. Mit Urteil vom 12. Juli 1991 in der Rechtssache T-23/90 (Peugeot/Kommission, Slg. 1991, II-653, nachstehend: Peugeot I) wies das Gericht die Nichtigkeitsklage ab. Am 12. September 1991 legten die Klägerinnen gegen dieses Urteil beim Gerichtshof ein Rechtsmittel ein (Rechtssache C-229/91 P).

7 In der angefochtenen Entscheidung vom 4. Dezember 1991 stellte die Kommission fest, daß die Versendung des Rundschreibens vom 9. Mai 1989 durch die Klägerinnen an die Peugeot-Vertragshändler in Frankreich, Belgien und Luxemburg und die Einstellung der Lieferung von Kraftfahrzeugen der Marke Peugeot an die Beschwerdeführerin in Befolgung dieses Rundschreibens eine nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verbotene Vereinbarung oder zumindest eine abgestimmte Verhaltensweise sei (Artikel 1 der Entscheidung). Zur Begründung dieser Feststellung führt die Entscheidung insbesondere aus: "Diese Vereinbarung bezweckt und bewirkt die Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dadurch, daß mit ihrer Anwendung durch alle Händler des Vertriebsnetzes von Peugeot in den betreffenden Ländern grundsätzlich verhindert wird, daß Neufahrzeuge der Marke Peugeot aus Belgien und Luxemburg von Eco System im Auftrag von französischen Käufern nach Frankreich eingeführt werden. Angesichts der Marktstellung der Marke Peugeot in der Gemeinschaft handelt es sich hierbei um eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs. Indem sich diese Vereinbarung auf die Einfuhren aus zwei anderen Mitgliedstaaten bezieht, ist sie geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen." In der Entscheidung wurde ferner ausgeführt, daß zum einen "die sich aus dem Rundschreiben ergebende Vereinbarung... nicht für eine Gruppenfreistellung nach der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 in Betracht [kommt], da Verbote der Einfuhr oder Ausfuhr von Kraftfahrzeugen nicht zu den von der Verordnung zugelassenen Wettbewerbsbeschränkungen zählen", und daß sie zum anderen in erster Linie deshalb für eine Einzelfreistellung nicht in Betracht komme, weil sie nicht förmlich angemeldet worden sei.

8 Demgemäß gab die Kommission in der streitigen Entscheidung den Klägerinnen auf, binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Bekanntgabe der Entscheidung ein neues Rundschreiben an ihre Vertragshändler zu richten, mit dem das Rundschreiben vom 9. Mai 1989 aufgehoben und der festgestellte Verstoß beendet werde. Ausserdem hätten sie sich in Zukunft jeglicher Vorgehensweise zu enthalten, mit der die beanstandeten Wirkungen ihres Vorgehens aufrechterhalten würden. Ausserdem zog die Kommission gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 123/85 den Vorteil der Anwendung dieser Verordnung auf den Mustervertrag über den selektiven Alleinvertrieb von Peugeot°Kraftfahrzeugen in Belgien und Luxemburg zurück, es sei denn, die Beteiligten kämen den Anordnungen der Entscheidung nach (Artikel 3 der Entscheidung).

9 Im Anschluß an die Entscheidung vom 4. Dezember 1991 nahmen die Klägerinnen ihr Rechtsmittel gegen das Urteil Peugeot I zurück. Mit Beschluß vom 6. April 1992 ordnete der Präsident des Gerichtshofes die Streichung der Rechtssache im Register an.

Verfahren

10 Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 10. Februar 1992 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, gemäß Artikel 173 EWG-Vertrag die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben.

11 Durch Beschlüsse des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 9. Juli 1992 sind die Beschwerdeführerin und das Bureau européenne des unions de consommateurs (BEUC) als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen worden.

12 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Durch prozeßleitende Verfügung hat das Gericht jedoch die Beschwerdeführerin aufgefordert, ein Exemplar des von ihr verwendeten Mustervermittlungsvertrags vorzulegen. Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 16. Dezember 1992 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten auf Ersuchen des Gerichts ihr Einverständnis damit erklärt, daß die in der Rechtssache Peugeot I als Anlagen zu den Akten gereichten Schriftstücke im vorliegenden Verfahren verwendet würden. Der Präsident hat am Ende der Sitzung die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

13 Die Klägerinnen beantragen,

° die Entscheidung der Beklagten vom 4. Dezember 1991 wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag, die Verordnung Nr. 123/85 und die Bekanntmachung 85/C 17/03 der Kommission vom 12. Dezember 1984 zu ihrer Verordnung (EWG) Nr. 123/85 (ABl. 1985, C 17, S. 4; nachstehend: Bekanntmachung vom 12. Dezember) für nichtig zu erklären;

° festzustellen, daß das Rundschreiben der Klägerinnen vom 9. Mai 1989 an ihr Vertriebsnetz in Frankreich, Belgien und Luxemburg mit den Vorschriften der Verordnung Nr. 123/85 und der Bekanntmachung vom 12. Dezember in Einklang steht.

14 Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15 Die Streithelferin Eco System, Beschwerdeführerin, beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

16 Der Streithelfer BEUC beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° den Klägerinnen die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe des BEUC aufzuerlegen.

Zur Sache

17 Zur Stützung ihrer Nichtigkeitsanträge berufen sich die Klägerinnen auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund machen sie im wesentlichen geltend, daß die Entscheidung gegen Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 unter Einbeziehung der Bekanntmachung vom 12. Dezember verstosse, mit dem zweiten Klagegrund, daß die streitige Entscheidung den Grundsatz der Rechtssicherheit verletze.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 unter Einbeziehung der Bekanntmachung vom 12. Dezember

° Vorbringen der Beteiligten

18 Die Klägerinnen weisen zunächst darauf hin, daß der Händler, der eine selektive Alleinvertriebsvereinbarung auf dem Kraftfahrzeugsektor abgeschlossen habe und aufgrund der Verordnung Nr. 123/85 von der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag freigestellt sei, über ein Wiederverkaufsmonopol verfüge, das ihm gestatte, die Belieferung jedes Wiederverkäufers, der nicht zugelassenes Mitglied des Vertriebsnetzes sei, abzulehnen.

19 Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, der dem Händler erlaube, Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Erzeugnisse an Warenendverbraucher, die einen Vermittler eingeschaltet hätten, zu verkaufen, wenn der Vermittler vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugs bevollmächtigt worden sei, stelle eine Ausnahme vom Grundsatz des selektiven Alleinvertriebs dar. Diese Vorschrift stelle indessen keinen unerläßlichen Ausgleich für die Zulassung eines selektiven Vertriebsnetzes dar, sondern sei im Gegenteil ein Mittel, das dem Hersteller, der vom Vermittler die Einhaltung bestimmter Bedingungen verlangen könne, den Schutz seines Vertriebsnetzes möglich mache.

20 Ausserdem habe die Kommission mit ihrem Hinweis in ihrer Bekanntmachung vom 12. Dezember, "die Unternehmen des Vertriebsnetzes [könnten] gleichwohl verpflichtet werden, an einen Dritten oder über einen Dritten keine neuen Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms... zu verkaufen, solange dieser wie ein autorisierter Wiederverkäufer neuer Kraftfahrzeuge des Verkaufsprogramms auftritt oder eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit entfaltet", die in Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 vorgesehene Ausnahme von dem in dieser Verordnung verankerten Grundsatz des Alleinvertriebs innerhalb des Vertriebsnetzes in ihrem Anwendungsbereich beschränkt. Auf der Grundlage dieser einschränkenden Auslegung des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 hätten die Klägerinnen das Rundschreiben vom 9. Mai 1989 an die Händler des Peugeotvertriebsnetzes gerichtet, um ihr selektives Vertriebssystem gegen die dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu schützen. Der Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeiten sei kein Rechtsbegriff, sondern beziehe sich vielmehr auf eine Tätigkeit, die in wirtschaftlicher Hinsicht die gleichen Wirkungen erzeuge wie ein Wiederverkauf.

21 Ein gewerblicher Vermittler, der im Kraftfahrzeugsektor tätig werden wolle, müsse sich im Hinblick auf die Nachfrage völlig neutral verhalten. Sobald der Vermittler durch eigene gewerbliche Tätigkeit die Nachfrage beeinflusse, übe er eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit aus. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, das Rundschreiben von Peugeot habe einen Rückgang ihres Umsatzes bewirkt, beweise, daß ihre Tätigkeit nicht nachfrageneutral sei. Andernfalls müsse der Teil ihres Umsatzes, der mit Peugeot-Fahrzeugen erzielt werde, ungefähr dem Anteil dieser Marke auf dem französischen Markt, d. h. 22 %, entsprechen.

22 Ein Vermittler verletze diese Pflicht zur Neutralität auf dem Markt und überschreite folglich den Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit als Dienstleistungsunternehmen, wenn er insbesondere Werbekampagnen betreibe, die nicht seiner Tätigkeit, sondern den Fahrzeugen einer Marke gälten, die er dauernd auf dem Markt anbiete. Die Beschwerdeführerin habe sogar einige Fahrzeuge der Marke Peugeot im Laden der Ladenkette "Carrefour" ausgestellt und eine von dieser Ladenkette herausgegebene Werbebroschüre verwendet. Die durch diese Werbung geschaffene Verunsicherung der Öffentlichkeit über die wahre Tätigkeit der Beschwerdeführerin auf dem Markt ° die im übrigen auch von der Kommission anerkannt worden sei ° habe die Klägerinnen zu der Annahme bringen müssen, daß diese eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit ausübe. Die Beschwerdeführerin stelle sich durch das Angebot einer alternativen Versorgung mit Fahrzeugen der Marke Peugeot unter einem Vertragshändler vergleichbaren Bedingungen in den Augen der Öffentlichkeit wie ein Händler des Peugeotvertriebsnetzes und nicht wie ein Dienstleistungsunternehmen dar.

23 Insbesondere übernehme die Beschwerdeführerin bei jedem Geschäft Risiken, die für einen einfachen Vermittler atypisch, für einen Wiederverkäufer hingegen kennzeichnend seien, nämlich:

° das Risiko der Wiederverwendung des Fahrzeugs (Weiterverkaufsrisiko), da die Beschwerdeführerin, die den Preis für das Fahrzeug verauslagt habe, dieses bei Rücktritt eines Kunden selbst absetzen müsse;

° das Verwahrrisiko, da sie ihren Kunden entschädige, wenn das Fahrzeug verloren gehe oder beschädigt werde;

° das Kreditrisiko, da die Beschwerdeführerin oder ihr Finanzmakler den Fahrzeugpreis verauslage und bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden selbst einstehen müsse;

° ein "wirtschaftliches" Risiko, weil die Beschwerdeführerin Wechselkursschwankungen selbst trage.

24 Die Gleichwertigkeit der Tätigkeit eines Vermittlers mit der eines Wiederverkäufers sei nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Vermittler einen Auftrag habe, dessen Rahmen er nicht überschreite, wenn die von ihm übernommenen wirtschaftlichen Risiken sich von denen eines Wiederverkäufers ihrer Natur nach nicht unterschieden. Jede andere Deutung würde den Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeiten ihres Inhalts berauben und zugleich den Klägerinnen die Möglichkeit nehmen, ihr Vertriebsnetz zu schützen. Aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1985 und den Schlussanträgen des Generalanwalts Sir Gordon Slynn in der Rechtssache 243/83 (Binon, Slg. 1985, 2015, 2017) ergebe sich, daß ein Wirtschaftsteilnehmer zwar als Vermittler angesehen werden könne, wenn er einen gehörigen Auftrag vorzuweisen habe, daß er aber diese Einstufung verliere, wenn er im Auftrag Hunderter von Auftraggebern tätig werde und damit im Sinne des Wettbewerbsrechts ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer werde.

25 Die Kommission weist vorab darauf hin, daß die Bekanntmachung vom 12. Dezember nicht zum Gemeinschaftsrecht als Maßstabsnorm gehöre, auf den sich eine Nichtigkeitsklage stützen könne, und daß die Klage folglich abzuweisen sei, soweit sie auf die Verletzung dieser Bekanntmachung gestützt sei.

26 Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch die Klägerinnen sei irrig. Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 18. Dezember 1986 in der Rechtssache 10/86 (VAG France, Slg. 1986, 4071) zur Verordnung Nr. 123/85 entschieden, daß wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnten, grundsätzlich verboten seien, es sei denn, Artikel 85 Absatz 1 sei von der Kommission gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag für nicht anwendbar erklärt worden. Mithin müssten die Voraussetzungen der Freistellung weit, die Maßnahmen zum Schutz des Vertriebsnetzes, soweit sie von der Verordnung Nr. 123/85 zugelassen würden, als vom Verbot ausgenommene wettbewerbsbeschränkende Klauseln aber eng ausgelegt werden. Das entspreche den allgemeinen Grundsätzen für die Auslegung von Gruppenfreistellungsverordnungen.

27 Es sei eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Freistellung selektiver Alleinvertriebsvereinbarungen, daß die in ihnen enthaltenen wettbewerbsbeschränkenden Abreden so begrenzt würden, daß der Endverbraucher nicht daran gehindert werde, angemessen an den Vorteilen dieser Vereinbarungen teilzuhaben und insbesondere seinen Bedarf in einem anderen als seinem Mitgliedstaat zu decken, um in den Genuß der bisweilen erheblichen Preisunterschiede zwischen den einzelstaatlichen, selbst benachbarten Märkten zu kommen. Damit ein Endverbraucher effektiv ein Fahrzeug bei einem beliebigen zugelassenen Händler des Vertriebsnetzes in einem beliebigen Mitgliedstaat kaufen könne, müsse es ihm möglich sein, einen gewerblichen oder nichtgewerblichen Vermittler in Anspruch zu nehmen, der zuvor den Auftrag erhalten habe, ein bestimmtes Fahrzeug zu erwerben und sich gegebenenfalls ausliefern zu lassen.

28 Genau dies sei der Zweck des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, der dem Endverbraucher die Möglichkeit offenhalten solle, sich von einem zuvor beauftragten, gewerblichen oder nichtgewerblichen Vermittler beliefern zu lassen. Daher müsse diese Vorschrift dahin ausgelegt werden, daß sie dem Vertriebsnetz gestatte, sich zum einen gegen die Tätigkeit von Parallelimporteuren, die, ohne autorisiert zu sein, als Wiederverkäufer aufträten, und zum anderen gegen Vermittler zu schützen, die nicht zuvor durch einen Endverbraucher oder die durch einen nichtautorisierten Wiederverkäufer oder in der Weise beauftragt worden seien, daß das in Auftrag gegebene Fahrzeug nicht bestimmt worden sei. Diese Vorschrift gestatte aber nicht, als Schutzmaßnahme die Ausführung der Bestellung bestimmter Fahrzeuge durch einen ordnungsgemäß bevollmächtigten Vermittler oder deren Lieferung zu verweigern, wenn dieser im Namen und für Rechnung seiner Kunden tätig werde und die Grenzen seiner Befugnisse nicht überschreite. Der in der Bekanntmachung vom 12. Dezember verwendete Ausdruck "eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit" beziehe sich daher nicht auf die Geschäftstätigkeit des gewerblichen Vermittlers, sondern ausschließlich auf falsche Vermittlungsverträge oder auf mißbräuchliche Verhaltensweisen beauftragter Vermittler, falls sie nicht überhaupt gegen die Grundprinzipien der Verordnung Nr. 123/85 verstosse.

29 Es entspreche der gewerblichen Natur der Tätigkeit der Beschwerdeführerin, daß sie nicht nur für ihre Vermittlertätigkeit werbe, sondern auch eine Auswahl der Fahrzeugmarken und -typen, für die sie ihre Dienste anbiete, treffen könne, so daß sie in den Augen der Kundschaft als alternative Quelle der Bedarfsdeckung für Kraftfahrzeuge und insbesondere Peugeot-Fahrzeuge erscheine. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen zeige eine statistische Aufschlüsselung, daß die Beschwerdeführerin zum einen ihre Tätigkeit nicht auf die Marke Peugeot konzentriere und daß sie zum anderen zu keinem Zeitpunkt durch ihre Werbemaßnahmen Unklarheiten bezueglich der wirklichen Natur ihrer gewerblichen Tätigkeit geschaffen habe. Die Beschwerdeführerin habe in ihren Werbeprospekten sogar systematisch die Besonderheiten der Vertragsbeziehung zwischen Auftraggeber und Vermittler herausgestellt. Zu der vorübergehenden Zusammenarbeit der Beschwerdeführerin mit der Ladenkette Carrefour sei allein bewiesen, daß ein einziges Peugeot-Fahrzeug, das vor der Auslieferung gestanden habe, mit ausdrücklicher Zustimmung des Kunden zehn Tage lang in den Geschäftsräumen von Carrefour ausgestellt worden sei. Die Titelseite der von Carrefour herausgegebenen, unter ihrem eigenen Namen vertriebenen Werbebroschüre der Beschwerdeführerin sei zwar etwas mehrdeutig; die umfassende, abschließende Reaktion der Klägerinnen hierauf habe aber "den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt".

30 Bezueglich der von der Beschwerdeführerin übernommenen Risiken hätten die Klägerinnen keinen Beweis für ihre Behauptung erbracht, daß diese zusätzlich zu den üblichen Risiken eines Vermittlers Bestellungs-, Zwischenlagerungs- und Kreditrisiken trage. Die Beschwerdeführerin übernehme kein Risiko rechtlicher oder wirtschaftlicher Art, das für Kauf und Weiterverkauf typisch sei, d. h. eine zweifache Eigentumsübertragung und Eigentümerrisiken enthalte. Das Tätigwerden der Beschwerdeführerin als Vermittlerin beschränke sich auf die Schaffung einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Vertragshändler, zu der insbesondere die unmittelbare Rechnungsstellung des Händlers an den erstgenannten, die Zulassung und die Versicherung des Fahrzeugs auf den Namen des Auftraggebers, Eigentums- und Gefahrübergang, sobald die Zahlung an den Verkäufer bewirkt sei, und schließlich die Vergütung des Vermittlers durch eine Provision gehörten. Der Kredit, den die Beschwerdeführerin ihren Kunden eine Zeitlang zur Verfügung stelle, führe nicht dazu, daß diese neben dem für jede Dienstleistung typischen Kreditrisiko das Risiko des Nichtverkaufs trage, das für die Tätigkeit des Wiederverkäufers kennzeichnend sei. Im übrigen trage die Beschwerdeführerin keinerlei wirtschaftliches Risiko, das mit etwaigen Kurs- oder Preisschwankungen zusammenhänge.

31 Die Kommission bestreitet schließlich, daß der Hinweis der Klägerinnen auf das Urteil Binon (a. a. O.) erheblich sei. Die Würdigung der Vermittlertätigkeit für Rechnung von Lieferanten von Erzeugnissen oder Erbringern von Dienstleistungen ° wie in der Rechtssache Binon ° unter dem Blickwinkel des Artikels 85 Absatz 1 könne unmöglich mit der Würdigung der Vermittlungstätigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen jeweils einmaliger Geschäfte für Rechnung einzelner Käufer unter dem Blickwinkel des Artikels 85 Absatz 3 EWG-Vertrag und der Verordnung Nr. 123/85 verglichen werden.

32 Die Beschwerdeführerin weist als Streithelferin darauf hin, daß Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 von der Kommission erlassen worden sei, um den Erwerb von Fahrzeugen durch Verbraucher zum niedrigsten Preis innerhalb der Gemeinschaft möglich zu machen. Angesichts der Zeit und der Mittel, die notwendig seien, um in den zwölf Mitgliedstaaten den Peugeot-Händler ausfindig zu machen, der für ein bestimmtes Fahrzeug den niedrigsten Preis verlange, sowie der vielfältigen Schritte, die eine Paralleleinfuhr mit sich bringe, könne nur die Einschaltung eines gewerblichen Vermittlers wie der Beschwerdeführerin die durch Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 bezweckte marktregulierende Funktion erfuellen und verhindern, daß diese Vorschrift zum toten Buchstaben werde. In den Urteilen des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64 (Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 321) und vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssache 100/80 bis 103/80 (Musique diffusion française/Kommission, Slg. 1983, 1825) würden Parallelimporte verhindernde Alleinvertriebsvereinbarungen verurteilt; die Peugeot-Vertragshändler hätten nie versucht, durch gegenseitige Belieferung Nutzen aus den Preisunterschieden bei Fahrzeugen in den Mitgliedstaaten zu ziehen. Unter diesen Umständen dürfe der Begriff der den Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit nicht so ausgelegt werden, daß Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 inhaltsleer werde. Dieser Begriff erfasse zudem nur die mißbräuchlichen und die wahre Eigenschaft als Wiederverkäufer verschleiernden Verhaltensweisen eines Wirtschaftsteilnehmers, der sich als Vermittler ausgebe, und erfasse keineswegs eine Tätigkeit wie die ihre, für die im wesentlichen die Artikel 1984 f. des französischen Zivilgesetzbuchs über den Auftragsvertrag maßgebend seien.

33 Der Streithelfer BEUC führt aus, daß der Vorteil, der sich für den Verbraucher aus dem gemäß Artikel 85 Absatz 3 freigestellten Vertriebsnetze ergebe, illusorisch wäre, wenn der Anwendungsbereich des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, wie die Klägerinnen behaupteten, von einer wirtschaftlichen und geschäftlichen Würdigung der Tätigkeit des Vermittlers abhinge. Es sei Zweck dieser Vorschrift, dem Lieferanten Sicherheit darüber zu verschaffen, daß der Endverbraucher, wenn er ein Fahrzeug kaufe, ein unmittelbares Vertragsverhältnis zu einem Händler eingehe, der Mitglied des Allein- oder Selektivvertriebsnetzes sei. Damit solle insbesondere dem Verbraucher für den Fall der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs ein vertraglicher Anspruch gegen ein Mitglied des Vertriebsnetzes gesichert werden.

° Würdigung durch das Gericht

34 Die Kontrolle der Rechtmässigkeit der streitigen Entscheidung im Rahmen des von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrundes erfordert die Feststellung, ob die Kommission zu Recht davon ausgehen durfte, daß das Rundschreiben der Klägerinnen vom 9. Mai 1989 an die Vertragshändler in Frankreich, Belgien und Luxemburg und dessen Beachtung durch diese den Rahmen der in der Verordnung Nr. 123/85 vorgesehenen Freistellung überschritten und eine nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verbotene Vereinbarung oder zumindest eine abgestimmte Verhaltensweise darstellten.

35 "Als Durchführungsverordnung zu Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag beschränkt sich die Verordnung Nr. 123/85 darauf, den Wirtschaftsteilnehmern des Kraftfahrzeugsektors bestimmte Möglichkeiten an die Hand zu geben, diese Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 zu entziehen, obwohl sie bestimmte Arten von Alleinvertriebs- und Wettbewerbsverbotsklauseln enthalten" (Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache VAG France, Randnr. 12). Wie in der zweiten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 123/85 ausgeführt, bezwecken oder bewirken nämlich "die in den Artikeln 1 bis 3 dieser Verordnung genannten Verpflichtungen... zwar regelmässig Verhinderungen, Einschränkungen oder Verfälschungen des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes und sind regelmässig geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen; gleichwohl kann das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages auf diese Verpflichtungen ° wenn auch nur unter einschränkenden Voraussetzungen ° nach Artikel 85 Absatz 3 für nicht anwendbar erklärt werden."

36 Gemäß Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 ist die nach Artikel 85 Absatz 3 bewilligte Freistellung auch dann anwendbar, wenn sich der Händler verpflichtet, "Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Waren Endverbrauchern, die einen Vermittler eingeschaltet haben, nur zu verkaufen, wenn der Vermittler vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugs und bei Abholung durch diesen auch zur Abnahme bevollmächtigt wurde".

37 In Anbetracht des allgemeinen Verbotes wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dürfen Ausnahmevorschriften einer Gruppenfreistellungsverordnung nicht extensiv und nicht so ausgelegt werden, daß die Wirkungen der Verordnung über das hinausgehen, was zum Schutz der Interessen, deren Wahrung sie dienen soll, erforderlich ist (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 22. März 1984 in der Rechtssache 90/83, Paterson u. a., Slg. 1984, 1567, Randnr. 16).

38 Somit kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Auslegung des Begriffs der schriftlichen Bevollmächtigung im Sinne des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 an.

39 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe insbesondere Urteil vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ecco, Slg. 1984, 107, Randnr. 11) ist den Begriffen einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die zu ihrer Auslegung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel eine autonome, einheitliche Auslegung zu geben, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und der mit der betreffenden Regelung verfolgten Zielsetzung zu ermitteln ist. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß der Gemeinschaftsrichter bei der Ermittlung von Inhalt und Bedeutung einer solchen Gemeinschaftsvorschrift auf das Recht der Mitgliedstaaten zurückgreift (siehe Urteil des Gerichts vom 18 Dezember 1992 in der Rechtssache T-85/91, Khouri/Kommission, Slg. 1992, II-2637, Randnr. 32).

40 Wie das Gericht bereits in seinem Urteil Peugeot I, a. a. O., Randnr. 33, entschieden hat, ergibt sich aus der Struktur des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, daß diese Nummer das Tätigwerden eines Vermittlers unter der Voraussetzung ermöglichen soll, daß zwischen dem Händler und dem Endverbraucher eine unmittelbare Vertragsbeziehung besteht. Um das Vertriebsnetz gegen unlauteren Wettbewerb, der von einem nicht zugelassenen Wiederverkäufer ausgehen könnte, zu schützen, ist diese Beziehung durch eine vom Erwerber des Fahrzeugs dem in seinem Namen und für seine Rechnung tätigen Vermittler zuvor erteilte schriftliche Vollmacht zum Ankauf eines bestimmten Fahrzeugs nachzuweisen.

41 Die Vorlage einer zuvor erteilten schriftlichen Vollmacht zum Ankauf des Fahrzeugs und gegebenenfalls zu dessen Abnahme ist die einzige Voraussetzung, die die genannte Vorschrift dem Vermittler auferlegt. Mithin lässt es bereits der Wortlaut des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 nicht zu, einen ordnungsgemäß bevollmächtigten Vermittler allein deswegen auszuschließen, weil er seine Tätigkeit gewerbsmässig ausübt.

42 Ausserdem würde der Ausschluß gewerblich tätiger Vermittler angesichts der Schwierigkeiten, die sowohl die Suche nach einem bestimmten Fahrzeug zum günstigsten Preis innerhalb der Gemeinschaft als auch dessen Lieferung für einen Endverbraucher mit sich bringen kann, Artikel 3 Nr. 11 seine Wirkung nehmen, Parallelimporte behindern und folglich die nationalen Märkte abschotten. Ein solcher Ausschluß würde demnach, wie der Gerichtshof in seinen Urteilen Consten und Grundig/Kommission und Musique diffusion française/Kommission (Randnr. 86) entschieden hat, den grundlegenden Zielsetzungen der Gemeinschaft und insbesondere der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes zuwiderlaufen.

43 Die gewerbliche Ausübung einer Vermittlertätigkeit kann nun aber zum einen die Durchführung geschäftsfördernder Maßnahmen bei den Verbrauchern und die Möglichkeit der Konzentrierung der Bemühungen auf bestimmte Fahrzeugmarken, zum anderen die Übernahme von Risiken mit sich bringen, wie sie für jedes Dienstleistungsunternehmen typisch sind.

44 Zu dem Vorbringen der Klägerinnen, daß die Bekanntmachung vom 12. Dezember (I 3) den Begriff des bevollmächtigten Vermittlers in Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 restriktiv ausgelegt wissen wolle, ist vorab darauf hinzuweisen, daß ein Auslegungsvermerk, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-266/90 (SOBA, Slg. 1992, I-287, Randnr. 19) entschieden hat, die in einer Verordnung enthaltenen zwingenden Vorschriften nicht ändern kann.

45 In der Bekanntmachung vom 12. Dezember heisst es: "[D]ie Unternehmen des Vertriebsnetzes [können] gleichwohl verpflichtet werden, an einen Dritten oder über einen Dritten keine neuen Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Fahrzeuge zu verkaufen, solange dieser wie ein autorisierter Wiederverkäufer neuer Kraftfahrzeuge des Verkaufsprogramms auftritt oder eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit entfaltet. Es obliegt dem Vermittler oder Endverbraucher, dem Händler des Vertriebsnetzes vorher schriftlich darzulegen, daß der Vermittler bei Kauf und Fahrzeugabnahme eines bestimmten Kraftfahrzeugs im Namen und für Rechnung des Endverbrauchers handelt".

46 Zu dem Vorbringen der Klägerinnen, das sich auf diesen Passus der Bekanntmachung vom 12. Dezember stützt, stellt das Gericht zum einen fest, daß dieser Passus nicht nur Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, sondern auch Nr. 10 der gleichen Vorschrift, insbesondere Buchstaben a, auslegen will, dem zufolge vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 auch die Verpflichtung des Händlers ausgenommen ist, an einen Wiederverkäufer Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren nur zu liefern, wenn er ein Unternehmen des Vertriebsnetzes ist. Zum anderen durfte die Kommission bei der Auslegung des Artikels 3 Nrn. 10 und 11 der Verordnung Nr. 123/85 berücksichtigen, daß die praktische Wirksamkeit des Artikels 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 123/85 und damit ein effektiver Schutz des Vertriebsnetzes gegen die Bedrohung durch nicht zugelassene Dritte gesichert werden musste. Die Kommission war daher befugt, in der Bekanntmachung die Voraussetzungen zu verdeutlichen, die der bevollmächtigte Vermittler erfuellen muß, um den Vorschriften des Artikels 3 Nr. 11 dieser Verordnung zu genügen. Diese müssen nämlich so angewandt werden, daß sichergestellt ist, daß die Lieferung von Vertragswaren durch einen Vertragshändler an einen zuvor ordnungsgemäß und schriftlich bevollmächtigten Vermittler nicht als Verstoß des Händlers gegen die Verpflichtung zum Wiederkauf nur innerhalb des Vertriebsnetzes gedeutet werden kann, die ihm gegebenenfalls auf der Grundlage des Artikels 3 Nr. 10 der Verordnung auferlegt werden kann. Zu diesem Zweck konnte die Bekanntmachung vom 12. Dezember, ohne die betreffenden Vorschriften der Verordnung zu verkennen und ihren Anwendungsbereich einzuschränken, die Feststellung treffen, daß die dem Vertriebsnetz zugehörigen Unternehmen verpflichtet werden können, die Bestellungen eines Vermittlers zurückzuweisen, der tatsächlich eine dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit ausübt, und auf die Voraussetzungen des Artikels 3 Nr. 11 hinweisen, die jeder Vermittler erfuellen muß, um diesen Vorschriften zu genügen.

47 Nunmehr ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin, wie die Klägerinnen behaupten, durch die Übernahme von Risiken, wie sie für einen Wiederverkäufer nicht, aber für einen Vermittler typisch sind, den Rahmen des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 23/85 überschritten hat, so daß ihre gewerbliche Tätigkeit als einem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit und nicht als Dienstleistung zu betrachten wäre.

48 Die in der besagten Vorschrift vorgesehene Tätigkeit eines bevollmächtigten Vermittlers setzt die Begründung einer unmittelbaren kaufvertraglichen Beziehung zwischen dem Erwerber des Fahrzeugs (Endverbraucher) und dem Vertriebsnetz voraus. Der Vermittler muß sich, um zulässigerweise als solcher auftreten zu können, ohne daß der Händler ihm den Vertragsschluß verweigern dürfte, auf die Erbringung der Dienstleistung beschränken, einen Kunden, der ein bestimmtes Fahrzeug zum günstigsten Preis kaufen möchte, mit einem dem Vertriebsnetz zugehörigen, zur Lieferung bereiten Händler zusammenzubringen, die notwendige unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den beiden Parteien zu vermitteln und die damit zusammenhängenden Maßnahmen durchzuführen. Der Vermittler handelt unter diesen Umständen lediglich als Vertreter des Endverbrauchers; die Rechtsbeziehungen, die infolge der Handlungen des Vermittlers entstehen, werden somit unmittelbar zwischen dem Auftraggeber und dem betreffenden Dritten, hier dem Händler, begründet, ohne daß der Vermittler an ihnen beteiligt wäre. Im vorliegenden Fall steht fest, daß das Fahrzeug, das Gegenstand der Vermittlung war, von Anfang an unmittelbar, wenn auch vorläufig, auf den Namen des Kunden der Beschwerdeführerin zugelassen war, auf den auch die Rechnung ausgestellt war. Die Beschwerdeführerin als Vermittlerin ist folglich nicht Partei des Kaufvertrages, den sie mit einem Händler des Fahrzeugvertriebsnetzes im Namen und für Rechnung des Endverbrauchers abschließt, und erwirbt zu keinem Zeitpunkt das Eigentum an dem Fahrzeug, das Gegenstand des Geschäftes ist. Demgegenüber gilt für den Händler des Vertriebsnetzes nach Maßgabe des Artikels 2 Absatz 3 des "Konzessionsvertrages" von Peugeot für Belgien, der in der Rechtssache Peugeot I zu den Akten gereicht worden ist, daß er "in seinem eigenen Namen und für eigene Rechnung abschließt und in keiner Weise als Beauftragter des Importeurs oder des Herstellers betrachtet werden darf".

49 Die bei Einschaltung eines Vermittlers bestehende unmittelbare Beziehung zwischen Endverbraucher und Vertriebsnetz wird durch die den Unternehmen des Vertriebsnetzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Nr. 1 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 123/85 als Voraussetzung für die Freistellung auferlegte Verpflichtung bestätigt, Garantieleistungen und unentgeltlichen sowie Kundendienst im Rahmen von Rückrufaktionen unabhängig davon zu leisten, wo das Fahrzeug im Gemeinsamen Markt verkauft wurde. Nach der zwölften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 123/85 sollen diese Vorschriften ° wie auch Artikel 3 Nr. 11 dieser Verordnung ° "verhindern, daß die Freiheit der Verbraucher zum Einkauf überall im Gemeinsamen Markt beeinträchtigt wird". Artikel 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Anlage des Mustervermittlungsvertrages der Beschwerdeführerin bestimmt insoweit: "Die Garantie ist Sache des Herstellers, zu der er sowohl gesetzlich als auch vertraglich verpflichtet ist, und ist vom Vertriebsnetz des Herstellers nach dem jedem Fahrzeug beigegebenen Garantieheft geschuldet und dort zu beanspruchen. Da die Beschwerdeführerin lediglich einen Auftrag zur Einfuhr hat, ist jede technische Garantie ausgeschlossen und ausschließlich Sache des Herstellers und seines Vertriebsnetzes." Diese Abrede ist lediglich eine Umschreibung des Bestehens einer solchen Garantieverpflichtung auf seiten der zum Vertriebsnetz gehörenden Unternehmen, die jede Verpflichtung gleicher Art auf seiten des Vermittlers ausschließt.

50 Angesichts der in den beiden vorstehenden Randnummern dargestellten Umstände ist festzustellen, daß die Beschwerdeführerin als bevollmächtigter Vermittler kein Risiko im Zusammenhang mit der zweifachen Eigentumsübertragung, die kennzeichnend für Kauf und Wiederverkauf eines Erzeugnisses ist, oder im Zusammenhang mit dem Eigentum trägt, insbesondere nicht das Risiko der Weiterverwendung oder des Absatzes, d. h. das Risiko, das Fahrzeug bei Rücktritt des Endverbrauchers abnehmen und gegebenenfalls den finanziellen Nachteil bei Nichtverkauf tragen zu müssen.

51 Zweitens ist allerdings festzustellen, daß die Beschwerdeführerin, wie sich aus den Akten und den mündlichen Erklärungen der Parteien ergibt, zunächst bei den Vertragshändlern, die das Fahrzeug liefern, den Kaufpreis, die Mehrwertsteuer und die Einfuhrkosten des im Vertrag bezeichneten Fahrzeuges vorlegt, die sie sich sodann vom Käufer erstatten lässt. Damit gewährt sie regelmässig bei jedem Geschäft ihren Kunden einen Kredit in Höhe der Auslagen, die sie über den Betrag der bei Abschluß des Vermittlungsvertrages erhaltenen Vermittlungsgebühr hinaus vorstreckt. Die Gewährung dieses Kredits, der auf die wenigen Tage zwischen dem Ankauf und der Bezahlung des Vertragshändlers und der Lieferung an den Käufer, der der Beschwerdeführerin ihre Auslagen erstattet, begrenzt ist, ändert nichts an der rechtlichen Qualifikation eines Vermittlungsvertrages dieser Art, auch wenn sie mit der Tätigkeit des Vermittlers nicht notwendig verbunden ist. Insoweit unterscheidet sich die Lage der Beschwerdeführerin nicht von der jedes anderen Beauftragten, der vertraglich zur Vornahme von Ausgaben und zur Übernahme von Kosten verpflichtet ist, die der Auftraggeber ihm zu ersetzen hat, wie dies nach dem Recht der meisten Mitgliedstaaten der Fall ist.

52 Weiterhin unterscheiden sich die Mittel, über die der Vermittler verfügt, um dem von ihm unter den geschilderten Umständen übernommenen Risiko der Insolvenz des Endverbrauchers oder dessen Weigerung, den Vermittlungsvertrag zu erfuellen, zu begegnen, von denen, die dem Vertragshändler des Netzes zu Gebote stehen. Neben der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts kann der Vermittler sich der klassischen Rechtsbehelfe bedienen, nämlich der Pfändung und Versteigerung fremden Gutes. Im Falle der Beschwerdeführerin findet diese Regelung ihren Ausdruck in der Vertragsstrafenklausel des Artikels 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite des Mustervermittlungsvertrages, wo es heisst: "Sollte der Auftraggeber nach Unterzeichnung und vor Ablauf des Vertrages die Erfuellung verweigern, schuldet er vorbehaltlich der Klage auf Vertragserfuellung eine Vertragsstrafe in Höhe der doppelten Vermittlungsgebühr; die für seine Rechnung aufgegegebene Bestellung kann nicht rückgängig gemacht oder aufgehoben werden." Demgegenüber hat der zugelassene Wiederverkäufer, wie dies normalerweise in den allgemeinen Verkaufsbedingungen für Kraftfahrzeuge der Vertragshändler der verschiedenen Marken geregelt ist, die dem Vermittler verschlossene weitere Möglichkeit, bei Abstandnahme eines Kunden oder Nichtzahlung vom Vertrag zurückzutreten und über das Fahrzeug zu verfügen, oder aber das Fahrzeug wieder in Besitz zu nehmen und für seine Rechnung zu verkaufen, ohne die genannten Rechtsbehelfe zu ergreifen.

53 Drittens stellt das Gericht zu dem von den Klägerinnen behaupteten Wechselkursrisiko vorab fest, daß Schwankungen des Wechselkurses ein für jedes innergemeinschaftliche Geschäft der im vorliegenden Fall fraglichen Art kennzeichnender Faktor sind und daß die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, daß die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als ordnungsgemäß bevollmächtigte Vermittlerin das entsprechende Risiko trägt. Aus den Akten ergibt sich vielmehr, daß der Auftraggeber und nicht die Beschwerdeführerin als Vermittlerin das Wechselkursrisiko trägt. Die Beschwerdeführerin geht nämlich nach ihrem Mustervermittlungsvertrag im Gegensatz zu einem zugelassenen Wiederverkäufer keine Verpflichtung auf der Grundlage eines Festpreises ein, sondern verpflichtet sich lediglich zu einem vorläufigen Preis, der endgültig erst nach Berücksichtigung günstiger oder ungünstiger Wechselkursschwankungen festgelegt wird. In Artikel 2 Absatz 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beschwerdeführerin heisst es hierzu: "Währungs- oder Preisänderungen sind möglich, aber ohne Einfluß auf die Gültigkeit des Vermittlungsvertrages." Weiterhin findet sich im Mustervermittlungsvertrag der Beschwerdeführerin ausdrücklich folgende Regelung: "Für den Fall, daß Eco System ausserstande ist, das Fahrzeug innerhalb der festgelegten Fristen einzuführen, wird die Vermittlungsgebühr unter Ausschluß weitergehender Schadensersatzansprüche an den Auftraggeber zurückgezahlt." Damit kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Beschwerdeführerin bei allzu ungünstigen Wechselkursschwankungen, die vor Ankauf des Fahrzeugs beim Wiederverkäufer den mit dem Auftraggeber vereinbarten vorläufigen Preis übermässig beeinflussen würden, sich auf diese Abrede beruft. Ausserdem lässt sich der angefochtenen Entscheidung entnehmen, ohne daß diese insoweit von den Klägerinnen beanstandet worden wäre, daß die Beschwerdeführerin zugunsten ihrer Kunden und zur Abdeckung der diesen während der Laufzeit des Vermittlungsvertrages drohenden Wechselkursrisiken lediglich ein System von Prämien für Wechselkursänderungen eingerichtet hat, das die Funktion eines Ausgleichsfonds für die Auftraggeber hat. Demnach haben die Klägerinnen nichts vorgetragen, was geeignet wäre, die Feststellung der streitigen Entscheidung, daß "... wirtschaftliche Risiken in bezug auf Wechselkurs- oder Preisschwankungen bei der gegenwärtigen Arbeitsweise von Eco System nicht mehr [gegeben sind]", zu widerlegen.

54 Nach Auffassung der Klägerinnen trägt die Beschwerdeführerin viertens das Verwahrrisiko; sie habe den Auftraggeber bei Verlust oder Beschädigung des Fahrzeugs während der Zeit zwischen der Abholung des Fahrzeugs beim Händler durch die Beschwerdeführerin und der Auslieferung an den Käufer zu entschädigen. Ein solches Risiko ist, wie auch eine Untersuchung des Rechts der Mitgliedstaaten zeigt, wenn es denn bestehen sollte, bei einem Vermittlungsvertrag üblich, zu dem ° wie im vorliegenden Fall ° der Kauf im Namen des Auftraggebers, die Einfuhr, die Weiterbeförderung, die kurzfristige Verwahrung und die Auslieferung eines Fahrzeugs gehören. Auf jeden Fall unterscheidet sich das Risiko, das mit der Aufbewahrung des Fahrzeugs unter den geschilderten Umständen verbunden ist, von den Risiken des Eigentums, das im vorliegenden Fall wie festgestellt aufgrund des Kaufvertrags über das Fahrzeug dem Endverbraucher zukommt.

55 Schließlich ist die Vermittlungsgebühr, die die Beschwerdeführerin als Gegenleistung für ihren Dienst erhält und die nach dem Mustervertrag in einem Prozentsatz des vom Lieferanten des Fahrzeugs in Rechnung gestellten Kaufpreises besteht, eine bei einem Vermittlungsvertrag der vorliegenden Art übliche Form des Entgelts.

56 Demnach trägt die Beschwerdeführerin, die als ordnungsgemäß bevollmächtigter Vermittler auftritt, kein rechtliches oder wirtschaftliches Risiko, das für Kauf und Wiederverkauf kennzeichnend wäre.

57 Es bedarf sodann im Rahmen dieses Klagegrundes der Prüfung, ob die Beschwerdeführerin in der Praxis die Grenzen der Vermittlungsaufträge überschritten hat, die ihr im Einklang mit Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 schriftlich erteilt worden sind.

58 Der einzige Umstand, den die Klägerinnen hierzu vorgebracht haben, ist die Verunsicherung, die eine von der Ladenkette Carrefour unter ihrem eigenen Namen herausgegebene Werbebroschüre in Verbraucherkreisen hervorgerufen haben soll, in die während der kurzfristigen Zusammenarbeit der beiden Unternehmen der Inhalt der von der Beschwerdeführerin veröffentlichten Werbebroschüre übernommen worden sei.

59 Selbst wenn eine solche Vorgehensweise einer Vermarktungstätigkeit nahekommen mag, die nicht zur Tätigkeit eines Vermittlers gehört, ist die Kommission doch im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgegangen, daß eine solche Verunsicherung nur aufgrund der Titelseite der Broschüre hätte entstehen können und daß zumindest auf den Innenseiten die eigentliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin klar angegeben war. Die Reaktion der Klägerinnen ist daher zu Recht als offensichtlich unverhältnismässig eingestuft worden, da punktülle Maßnahmen ausgereicht hätten, um die Verteilung dieser Broschüre zu unterbinden, und es der Versendung des streitigen Rundschreibens nicht bedurft hätte.

60 Demgemäß ist festzustellen, daß die Beschwerdeführerin den Rahmen der ihr von Endverbrauchern übertragenen schriftlichen Vermittlungsaufträge nicht überschritten und daher nicht gegen Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85, der die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Vermittlers festlegt, verstossen hat.

61 Zu dem auf das Urteil Binon, a. a. O., und die Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn gestützten Vorbringen der Klägerinnen, daß ein von einer grossen Zahl von Auftraggebern beauftragter Vermittler zum unabhängigen Wirtschaftsteilnehmer werde, weist das Gericht zum einen darauf hin, daß dieser Rechtsprechung nichts zu entnehmen ist, was auf den vorliegenden Fall eines Vermittlers übertragen werden könnte, der im Namen und für Rechnung von Endverbrauchern und nicht als Vertriebsbeauftragter tätig wird, der mit der Organisation des Einzelhandels im Interesse der Erzeuger (Herausgeber) betraut ist, zum anderen darauf, daß ein rein quantitatives Kriterium wie die Zahl der einem gewerbsmässigen Vermittler erteilten Aufträge für sich allein die Natur seiner Tätigkeit im Hinblick auf Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 nicht zu ändern vermag. Diese Feststellung ist im übrigen mit dem von Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 verfolgten wirtschaftlichen Ziel vereinbar, durch die Aufrechterhaltung von Paralleleinfuhren im Rahmen eines Systems von Vertriebsvereinbarungen für Fahrzeuge die Abschottung der nationalen Märkte zu verhindern und dadurch zur Schaffung eines einheitlichen Marktes beizutragen, wie bereits in Randnummer 42 dieses Urteils ausgeführt.

62 Nach alledem erlaubt Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 es den Mitgliedern eines Vertriebsnetzes für Kraftfahrzeuge nicht, sich mit der Begründung, der Vermittler übe seine Tätigkeit gewerblich aus, zu weigern, Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Waren an Endverbraucher zu verkaufen, die die Dienste eines Vermittlers in Anspruch nehmen, der durch eine zuvor erteilte schriftliche Vollmacht nachweist, daß er im Namen und für Rechnung dieser Verbraucher handelt. Mithin verstösst eine Weigerung des Vertragshändlers, mit dem Auftraggeber einen Kaufvertrag abzuschließen, gegen die Vorschriften der Verordnung Nr. 123/85, soweit der Vermittler die Grenzen der Vollmacht nicht überschreitet, die ihm vom Endverbraucher erteilt worden ist, um ein Fahrzeug zu kaufen und gegebenenfalls abzuholen.

63 Die Kommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß das streitige Rundschreiben durch eine angebliche Zuwiderhandlung der Beschwerdeführerin gegen Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 nicht gerechtfertigt werden konnte. Die Verkaufsverweigerung, die Inhalt dieses Rundschreibens war, überschreitet somit den Rahmen der Freistellung, die dem Vertriebsnetz der Klägerinnen aufgrund dieser Verordnung gewährt worden war.

64 Aus alledem ergibt sich, daß der erste Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 unter Einbeziehung der Bekanntmachung vom 12. Dezember zurückzuweisen ist.

Zum Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit

° Vorbringen der Beteiligten

65 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe, um die Unterschiede zwischen der angefochtenen Entscheidung und ihrer Auslegung des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 in ihrer Bekanntmachung vom 12. Dezember zu rechtfertigen, am 4. Dezember, d. h. zeitgleich mit der angefochtenen Entscheidung, eine neue Bekanntmachung zur Auslegung der Verordnung Nr. 123/85 beschließen wollen. Diese Bekanntmachung habe mit der Festlegung neuer Kriterien für die Begriffsbestimmung des Vermittlers dem Begriff der einem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit jeglichen Sinn genommen. Damit habe die Kommission das berechtigte Vertrauen der Klägerinnen in das Weiterbestehen ihrer Rechtsstellung nach der Verordnung verletzt.

66 Die Kommission habe zugleich das gemeinschaftsrechtliche Rückwirkungsverbot verletzt, da sie die neue Auslegung der Verordnung Nr. 123/85 rückwirkend auf ein Verhalten der Klägerinnen (das Rundschreiben vom 9. Mai 1989) angewandt habe, für das die frühere Auslegung dieser Verordnung habe gelten müssen. Die Rechtsunsicherheit sei zumindest darauf zurückzuführen, daß die Kommission nie eine klare und eindeutige Definition des Begriffs der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit gegeben habe.

67 Die Kommission entgegnet, die Klägerinnen hätten ein von einem Abteilungsleiter der GD IV unterzeichnetes Schreiben vom 15. Juli 1987 erhalten, in dem der Standpunkt der Kommission sowohl in der allgemeinen Frage der Tätigkeit gewerblicher Vermittler als auch zu dem besonderen Fall der Beschwerdeführerin klar zum Ausdruck gebracht worden sei.

68 Mit der neuen Bekanntmachung sei keine rückwirkende Anwendung verbunden, da sie lediglich auf den Grundsatz hinweise, daß Vermittler im Sinne der Verordnung Nr. 123/85 derjenige sei, der im Namen und für Rechnung des Endverbrauchers handle und daher keine mit dem Eigentum zusammenhängenden Risiken übernehme.

69 Die Beschwerdeführerin als Streithelferin begnügt sich mit dem Hinweis, daß das jetzt von den Klägerinnen erneut geltend gemachte Vorbringen bezueglich der Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit bereits im Urteil Peugeot I zurückgewiesen worden sei.

70 Der Streithelfer BEUC macht hierzu geltend, daß die zweite Bekanntmachung der Kommission zur Verordnung Nr. 123/85 ebensowenig wie die Bekanntmachung vom 12. Dezember ein normativer Akt oder dessen authentische Auslegung sei und demnach die besagte Verordnung nicht ändern könne. Die zweite Bekanntmachung sei nicht rückwirkend angewandt worden, da sie den Grundsatz, daß ein Vermittler, der eine vorherige schriftliche Bevollmächtigung nachweise, in den Anwendungsbereich des Artikels 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 123/85 falle, nicht abgeändert habe.

° Würdigung durch das Gericht

71 Die streitige Entscheidung stützt sich nicht auf die ° in ihr auch nirgendwo erwähnte ° neue Bekanntmachung der Kommission vom 4. Dezember 1991 zur Verordnung Nr. 123/85 und durfte sich hierauf übrigens rechtlich auch nicht stützen. Die Klägerinnen können sich daher auch nicht auf die neue Bekanntmachung berufen, um die Rechtmässigkeit der streitigen Entscheidung in Zweifel zu ziehen.

72 Es wird weiter vorgebracht, die Kommission sei in der streitigen Entscheidung von der Auslegung des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 abgewichen, die sie selbst in ihrer Bekanntmachung vom 12. Dezember vertreten habe. Wie das Gericht bereits festgestellt hat (Randnrn. 44 und 46 dieses Urteils), darf jedoch der Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit in dieser Bekanntmachung nicht derart ausgelegt werden, daß die Bedeutung des Begriffs des schriftlich bevollmächtigten Vermittlers im Sinne des Artikels 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 123/85 eingeschränkt wird.

73 Ausserdem hatten die Dienststellen der Kommission, wie das Gericht bereits in seinem Urteil Peugeot I festgestellt hat, den Klägerinnen bereits mit Schreiben vom 15. Juli 1987 ihre Ansicht zum Begriff der dem Wiederverkauf gleichzusetzenden Tätigkeit im Sinne der Bekanntmachung vom 12. Dezember mitgeteilt. In Punkt 3 Absatz 2 dieses Schreibens wird nämlich klar ausgeführt, daß die Tätigkeit eines Vermittlers, der diejenige Form des unternehmerischen Risikos auf sich nimmt, die für ein Dienstleistungsunternehmen kennzeichnend ist, nicht aber ein unternehmerisches Risiko der Art, die der Tätigkeit des Kaufens und Wiederverkaufens eigen ist, nicht als "dem Wiederverkauf gleichzusetzende Tätigkeit" im Sinne der Bekanntmachung angesehen werden kann.

74 Mithin ist festzustellen, daß die Klägerinnen keinen neuen Gesichtspunkt vorgebracht haben, der die Feststellung des Gerichts in seinem Urteil Peugeot I, ein Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit liege nicht vor, widerlegen könnte. Auch der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

75 Nach alledem ist, da die beiden von den Klägerinnen vorgebrachten Klagegründe als unbegründet zurückzuweisen waren, die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

76 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind und die Kommission sowie die Streithelfer Kostenantrag gestellt haben, sind die Klägerinnen gesamtschuldnerisch zur Tragung der Kosten einschließlich der Kosten der Streithelfer zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer.

Ende der Entscheidung

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