Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.06.1995
Aktenzeichen: T-9/93
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Netz von Alleinbezugsverträgen ist nicht immer dann geeignet, den Wettbewerb spürbar zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, wenn die in der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung vorgesehenen Schwellenwerte überschritten sind. Es ist im Einzelfall durchaus möglich, daß auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die diese Schwellenwerte überschreiten, den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb nur geringfügig beeinträchtigen und deshalb nicht von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden.

2. Um festzustellen, ob Alleinbezugsverträge vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden, ist zu prüfen, ob sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der fraglichen Verträge ergibt, daß diese die kumulative Wirkung haben, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Wenn dies nicht der Fall ist, dann können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarungen besteht, den Wettbewerb nicht im Sinne des genannten Artikels beschränken. Ergibt sich hingegen, daß der Markt schwer zugänglich ist, so ist anschließend zu untersuchen, inwieweit die streitigen Vereinbarungen zu der kumulativen Wirkung beitragen, wobei nur solche Verträge verboten sind, die zu einer etwaigen Abschottung des Marktes in erheblichem Maß beitragen.

Bei der Beurteilung des Einflusses der Netze von Ausschließlichkeitsverträgen auf den Marktzugang sind das Verhältnis zwischen der Zahl der vertraglich an die Erzeuger gebundenen Verkaufsstätten und der Zahl der nicht gebundenen Händler, die durch die eingegangenen Verpflichtungen erfassten Mengen und das Verhältnis zwischen diesen Mengen und denjenigen, die über nicht gebundene Händler abgesetzt werden, sowie die Tatsache zu berücksichtigen, daß der Bindungsgrad, der sich aus solchen Netzen ergibt, zwar von gewisser Bedeutung ist, aber nur einen von mehreren Faktoren des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs bildet, in dem die Beurteilung vorzunehmen ist.

3. Die Beurteilung der Auswirkungen eines auf einem Markt von einem Lieferanten geschaffenen Netzes gleichartiger Ausschließlichkeitsverträge auf den Wettbewerb und die daraus in Anwendung von Artikel 85 des Vertrages zu ziehenden Konsequenzen gelten für die Gesamtheit der das Netz bildenden Einzelverträge.

4. Ein Verwaltungsschreiben, mit dem einem Unternehmen, das ein Muster von Liefervereinbarungen zwischen ihm und seinen Einzelhändlern angemeldet hat, die Auffassung der Kommission mitgeteilt wird, daß für sie angesichts der ihr bekannten Tatsachen kein Anlaß bestehe, gegen diese Vereinbarungen einzuschreiten, und daß das Verfahren daher eingestellt werden könne, stellt weder ein Negativattest noch eine Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages im Sinne der Artikel 2 und 6 der Verordnung Nr. 17 dar, wenn es nicht gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung abgesandt worden ist. Es hindert die Kommission, die mit einer von ihr zu prüfenden Beschwerde befasst ist, somit nicht daran, in Anwendung einer Befugnis, die sie sich vorbehalten hat, ein Verfahren zu eröffnen, um die Vereinbarkeit dieser Vereinbarungen mit den Wettbewerbsregeln zu prüfen, wenn sie den Eindruck hat, daß sich die ihrer ersten Beurteilung zugrunde liegenden rechtlichen oder tatsächlichen Umstände wesentlich geändert haben.

5. Alleinbezugsverträge, die stillschweigend verlängert werden und mehr als fünf Jahre laufen können, sind als für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen anzusehen und können daher nicht in den Genuß der in der Verordnung Nr. 1984/83 für bestimmte Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen.

6. Die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages als erste der vier Voraussetzungen aufgestellt wird, die gleichzeitig erfuellt sein müssen, damit eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, bei der die in Artikel 85 Absatz 1 genannten Verbote nicht eingehalten werden, freigestellt werden kann, kann nicht schon in jedem Vorteil gesehen werden, der sich aus der Vereinbarung für die Produktions- oder Vertriebstätigkeit der an ihr beteiligten Unternehmen ergibt. Es müssen unter dem Blickwinkel des Gemeinwohls spürbare objektive Vorteile feststellbar sein, die geeignet sind, die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen.

7. Die Kommission ist nicht befugt, einem Unternehmen, dem sie die Anordnung erteilt, das von ihm geschaffene Netz von Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu beseitigen, zu untersagen, in Zukunft neue derartige Vereinbarungen zu schließen. Eine Rechtsgrundlage für diese Befugnis gibt es nämlich weder in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, der solche Vereinbarungen nicht grundsätzlich verbietet, noch in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17, der die Kommission nur zur Untersagung bestehender Verträge berechtigt, oder in Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83, der den Entzug der Gruppenfreistellung nur bei Alleinbezugsvereinbarungen erlaubt, deren Durchführung zu Wirkungen geführt hat, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind.

Darüber hinaus würde es gegen den ° zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehörenden ° Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen, wenn bestimmte Unternehmen für die Zukunft vom Vorteil einer Gruppenfreistellung ausgeschlossen würden, während andere Unternehmen weiterhin Alleinbezugsvereinbarungen der durch die Entscheidung untersagten Art schließen könnten. Eine solche Untersagung wäre geeignet, entgegen den Zielen des Vertrages die wirtschaftliche Freiheit bestimmter Unternehmen zu beeinträchtigen und den Wettbewerb auf dem Markt zu verzerren.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE ERWEITERTE KAMMER) VOM 8. JUNI 1995. - SCHOELLER LEBENSMITTEL GMBH & CO. KG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ALLEINBEZUGSVERTRAEGE FUER SPEISEEIS - RELEVANTER MARKT - MOEGLICHKEIT VON BEHINDERUNGEN DES MARKTZUGANGS DRITTER - VERWALTUNGSSCHREIBEN - NEGATIVATTEST - LAUFZEIT DER VERTRAEGE - GRUPPENFREISTELLUNG - VERBOT DES KUENFTIGEN ABSCHLUSSES VON AUSSCHLIESSLICHKEITSVERTRAEGEN. - RECHTSSACHE T-9/93.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 7. Mai 1985 bei der Kommission das Muster einer "Liefervereinbarung" zur Regelung ihrer Beziehungen zu ihren Einzelhändlern an. Am 20. September 1985 richtete die Generaldirektion für Wettbewerb der Kommission ein Verwaltungsschreiben an die Rechtsanwälte der Klägerin, in dem es heisst:

"[M]it Datum vom 2. Mai 1985 beantragten Sie in Vertretung der Firma Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 für eine 'Eislieferungs-Vereinbarung' die Erteilung eines Negativattestes.

Vorsorglich meldeten Sie den Vertrag auch nach Artikel 4 der genannten Verordnung an. Einen Mustervertrag, nach dem die zukünftige Vertragsgestaltung der Firma Schöller ausgerichtet werden soll, reichten Sie mit Schreiben vom 25. Juni 1985 nach.

Mit Schreiben vom 23. August 1985 stellten Sie klar, daß die in dem angemeldeten Mustervertrag enthaltene Alleinbezugspflicht zu Lasten des Kunden, die mit einem Wettbewerbsverbot verbunden ist, mit einer Frist von 6 Monaten erstmals spätestens zum Ende des zweiten Vertragsjahres und danach mit gleicher Frist jeweils zum Ende eines jeden Kalenderjahres kündbar ist.

Nach den der Kommission bekannten Tatsachen, die im wesentlichen auf der in Ihrem Antrag enthaltenen Darstellung beruhen, ergibt sich somit, daß die festen Laufzeiten der zukünftig abgeschlossenen Verträge zwei Jahre nicht überschreiten. Die durchschnittliche Laufzeit des gesamten Bestandes Ihrer Mandantin an 'Eislieferungs-Vereinbarungen' wird daher erheblich unter dem Zeitraum von fünf Jahren liegen, von dem in der Verordnung Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 (ABl. Nr. L 173 vom 30.6.83, S. 5) die gruppenweise Freistellung von Alleinbezugsvereinbarungen abhängig gemacht wird.

Auf der Grundlage dieser Tatsachen steht fest, daß die von der Firma Schöller geschlossenen 'Eislieferungs-Vereinbarungen' auch unter Berücksichtigung der Anzahl bestehender gleichartiger Verträge insbesondere nicht bewirken, daß der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet wird. Der Zugang dritter Unternehmen zu der Einzelhandelsstufe bleibt gewährleistet.

Die 'Eislieferungs-Vereinbarungen' der Firma Schöller, die der Anmeldung entsprechen, sind aus diesen Gründen mit den Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrages vereinbar. Es besteht daher für die Kommission kein Anlaß, gegen die angemeldeten Verträge Ihrer Mandantin einzuschreiten.

Sollten sich die juristischen oder tatsächlichen Umstände, die der vorstehenden Beurteilung zugrunde liegen, wesentlich ändern, behält es sich die Kommission jedoch vor, das vorliegende Verfahren wieder aufzunehmen.

Im übrigen möchte ich Ihre Mandantin darauf hinweisen, daß die bereits bestehenden 'Eislieferungs-Vereinbarungen' einer gleichen Beurteilung unterliegen und daher eine Anmeldung dieser Verträge nicht erforderlich ist, wenn die festen Laufzeiten dieser Vereinbarungen nach dem 31. Dezember 1986 höchstens noch zwei Jahre betragen und sie danach mit einer Frist von höchstens sechs Monaten jeweils zum Ende eines jeden Kalenderjahres kündbar sind.

..."

2 Am 18. September 1991 legte die Mars GmbH (nachstehend: Mars) bei der Kommission eine Beschwerde gegen die Klägerin und gegen die Langnese-Iglo GmbH (nachstehend: Langnese) wegen Verstosses gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages ein und beantragte den Erlaß einstweiliger Maßnahmen zur Abwendung des schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens, der ihr dadurch entstehe, daß der Vertrieb ihrer Speiseeiserzeugnisse in Deutschland durch wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die die Klägerin und Langnese mit einer Vielzahl von Einzelhändlern geschlossen hätten, wesentlich behindert werde.

3 Mit Entscheidung vom 25. März 1992 in einem Verfahren aufgrund von Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/34.072 ° Mars/Langnese und Schöller ° einstweilige Maßnahmen) (nachstehend: Entscheidung vom 25. März 1992) untersagte die Kommission der Klägerin und Langnese im Wege einer einstweiligen Maßnahme im wesentlichen, mit Bezug auf die Speiseeiserzeugnisse "Mars", "Snickers", "Milky Way" und "Bounty", soweit diese dem Endverbraucher in Einzelportionen angeboten werden, ihre vertraglichen Rechte aus von ihnen selbst oder zu ihren Gunsten geschlossenen Vereinbarungen insoweit geltend zu machen, als sich Einzelhändler verpflichten, ausschließlich Speiseeis dieser Hersteller zu beziehen, anzubieten und/oder zu verkaufen. Ferner entzog die Kommission den von der Klägerin geschlossenen Ausschließlichkeitsvereinbarungen den Vorteil der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen (ABl. L 173, S. 5), soweit dies zur Durchführung des genannten Verbots erforderlich war.

4 Unter diesen Umständen erließ die Kommission im Anschluß an die Entscheidung vom 25. März 1992 als endgültige Entscheidung über die fraglichen "Liefervereinbarungen" am 23. Dezember 1992 die Entscheidung 93/405/EWG in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag gegen Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG (Sachen IV/31.533 und IV/34.072) (ABl. 1993, L 183, S. 1; nachstehend: Entscheidung), deren verfügender Teil wie folgt lautet:

"Artikel 1

Die von der Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG geschlossenen Vereinbarungen, wonach Einzelhändler mit Sitz in Deutschland verpflichtet sind, zum Zweck des Wiederverkaufs Kleineis(1) ausschließlich von dem genannten Unternehmen zu beziehen (Verkaufsstätten-Ausschließlichkeit), verstossen gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag.

Artikel 2

Eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag für die in Artikel 1 bezeichneten Vereinbarungen wird hiermit versagt.

Artikel 3

Die Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG wird verpflichtet, den Wiederverkäufern, mit denen sie noch laufende Vereinbarungen der in Artikel 1 genannten Art geschlossen hat, innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der vorliegenden Entscheidung den Wortlaut der vorstehenden Artikel 1 und 2 unter Hinweis auf die Nichtigkeit der diesbezueglichen Vereinbarungen mitzuteilen.

Artikel 4

Der Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG wird bis zum 31. Dezember 1997 untersagt, Vereinbarungen der in Artikel 1 bezeichneten Art abzuschließen.

..."

5 Am selben Tag erging eine Entscheidung gegenüber Langnese (Entscheidung 93/406/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag gegen Langnese-Iglo GmbH [Sache IV/34.072] [ABl. L 183, S. 19]).

Verfahren

6 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 10. April 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 25. März 1992 erhoben und mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, auch einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt (Rechtssachen T-28/92 und T-28/92 R).

7 Der Präsident des Gerichts hat mit Beschluß vom 16. Juni 1992 in den Rechtssachen T-24/92 R und T-28/92 R (Langnese-Iglo und Schöller Lebensmittel/Kommission, Slg. 1992, II-1839) im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorläufige Maßnahmen getroffen.

8 Mit Schriftsatz, der am 2. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin dem Gericht gemäß Artikel 99 der Verfahrensordnung mitgeteilt, daß sie ihre Klage zurücknehme. Durch Beschluß des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 1. April 1993 ist die Rechtssache T-28/92 im Register des Gerichts gestrichen worden.

9 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 20. Januar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag, in den die Bestimmungen des Artikels 173 Absatz 2 EWG-Vertrag übernommen wurden, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.

10 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Klägerin ferner gemäß den Artikeln 185 des Vertrages und 104 der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung gestellt (Rechtssache T-9/93 R).

11 Mars hat mit Schriftsatz, der am 3. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im Verfahren T-9/93 R als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Schriftsatz, der am 4. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Mars ferner beantragt, in der Rechtssache T-9/93 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

12 Mit Beschluß vom 19. Februar 1993 in den Rechtssachen T-7/93 R und T-9/93 R (Langnese-Iglo und Schöller/Kommission, Slg. 1993, II-131) hat der Präsident des Gerichts Mars in der Rechtssache T-9/93 R als Streithelferin zugelassen und über den Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Vollzugs entschieden.

13 Mit Beschluß vom 12. Juli 1993 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts Mars als Streithelferin in der Rechtssache T-9/93 zugelassen und einem von der Klägerin gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellten Antrag auf vertrauliche Behandlung stattgegeben.

14 Langnese hat ebenfalls eine Klage auf Nichtigerklärung der an sie gerichteten Entscheidung erhoben (Rechtssache T-7/93). Mars ist auch in dieser Rechtssache als Streithelferin zugelassen worden.

15 Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat die Parteien jedoch mit Schreiben vom 26. September 1994 aufgefordert, einige Fragen schriftlich zu beantworten. Die Klägerin und die Beklagte haben die gestellten Fragen mit Schreiben vom 17. und vom 19. Oktober 1994 beantwortet. Durch Beschluß vom 9. November 1994 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer einem von der Klägerin gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellten Antrag auf vertrauliche Behandlung bestimmter in den Antworten der Parteien auf die gestellten Fragen enthaltener Angaben stattgegeben.

16 Der nach den Beschlüssen vom 12. Juli 1993 und vom 9. November 1994 erforderlichen vertraulichen Behandlung bestimmter Angaben ist in der Sitzung Rechnung getragen worden. Gleiches gilt für das vorliegende Urteil.

17 Die Parteien haben in der Sitzung vom 16. November 1994 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

18 Die Klägerin beantragt,

° die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären,

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen,

19 Die Beklagte beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen,

° der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

20 Die Streithelferin Mars beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen,

° der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

21 Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin drei Klagegründe geltend: erstens Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, da die streitigen Liefervereinbarungen keine spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb hätten, zweitens Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages, da die Kommission eine Einzelfreistellung der streitigen Vereinbarungen abgelehnt habe, und drittens Verstoß gegen Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages

22 Der Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Die Klägerin wirft der Kommission zunächst vor, eine zu enge Abgrenzung des relevanten Marktes vorgenommen zu haben. Ausserdem habe die Kommission die Auswirkungen der Liefervereinbarungen auf den Wettbewerb verkannt. Schließlich berechtige Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 die Kommission auch nicht dazu, alle bestehenden Ausschließlichkeitsvereinbarungen einschließlich derjenigen, die nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, zu untersagen.

Erster Teil des Klagegrundes: Abgrenzung des Marktes

23 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe sowohl den Produktmarkt als auch den räumlichen Markt falsch abgegrenzt.

Produktmarkt

24 Nach der von der Kommission in Randnummer 87 ihrer Entscheidung vorgenommenen Abgrenzung umfasst der Produktmarkt das industriell hergestellte Kleineis in allen Vertriebskanälen mit Ausnahme der Heimdienste.

Vorbringen der Parteien

25 Die Klägerin macht geltend, der relevante Markt umfasse Speiseeis ganz allgemein, unabhängig davon, wie es hergestellt werde (industriell oder handwerklich) und in welcher Portionsmenge und Verpackung es angeboten werde. Es gebe keine erheblichen Unterschiede bei den Eigenschaften, dem Verwendungszweck, den Produktionsmerkmalen und dem Preis, die eine Austauschbarkeit oder Gleichwertigkeit der Erzeugnisse ausschlössen oder die die Annahme rechtfertigen könnten, daß bestimmte Arten von Speiseeis unterschiedlichen Märkten angehörten.

26 Der Begriff des Produktmarkts müsse anhand der Bedürfnisse und aus der Sicht des Verbrauchers bestimmt werden. Nach der Bekanntmachung der Kommission vom 3. September 1986 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fallen (ABl. 1986, C 231, S. 2, Nummern 11 und 12; nachstehend: Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung), müssten die zu einem Markt gehörenden Produkte "untereinander austauschbar sein. Ob dies zutrifft, ist aus der Sicht der Verbraucher zu beurteilen, wobei die Eigenschaften der Produkte, ihre Preislage und ihr Verwendungszweck grundsätzlich gemeinsam zu berücksichtigen sind." Zu Unrecht habe die Kommission daher den Produktmarkt im vorliegenden Fall ausdrücklich nicht "allein" aus der Verbrauchersicht abgegrenzt, sondern eine "differenzierende Betrachtung" vorgenommen. Die entscheidenden Gesichtspunkte für die Abgrenzung des Produktmarkts seien das einheitliche Bedürfnis der Verbraucher nach dem Genuß einer Portion Speiseeis und die Tatsache, daß jede Form des Einzelhandels das Speiseeis im wesentlichen ohne Umgestaltung an die Verbraucher weitergebe.

27 Zum handwerklich hergestellten Eis trägt die Klägerin vor, die Auswahlentscheidung des Verbrauchers sei davon unabhängig, ob der Verkäufer ein handwerklich oder ein industriell hergestelltes Speiseeis zum sofortigen Verzehr ausportioniere. Der erwartete Genuß einer Portion Speiseeis sei in allen Fällen der gleiche. Ausserdem stehe industriell hergestelltes Kleineis in bestimmten gastronomischen Betrieben, die vielfältige Dienstleistungen anböten, z. B. in der Schnellgastronomie, in Imbißstuben, in Zugrestaurants usw., häufig in Wettbewerb mit handwerklich hergestelltem Eis.

28 Zu den verschiedenen Arten von industriell hergestelltem Eis führt die Klägerin aus, industriell hergestelltes Speiseeis sei in allen Darreichungsformen qualitativ identisch. Grösse und Form der Verpackung, in der das Eis den Verbrauchern angeboten werde, seien dabei ohne Bedeutung. Alle diese Eisarten würden über die verschiedenen bestehenden Vertriebswege abgesetzt und dienten aus Verbrauchersicht zur Befriedigung ein und desselben Bedürfnisses. Zur Stützung dieser These fügt die Klägerin hinzu, teilweise böten z. B. Tankstellen Speiseeis in Haushaltspackungen an, und ebenso könnten Bäckereien, Konditoreien oder Kioske sowohl handwerklich als auch industriell hergestelltes Speiseeis aus Großverbraucherpackungen in Einzelportionen ausportionieren und zum sofortigen Verzehr verkaufen. Ausserdem bezögen etwa 14 % all ihrer Kunden, nämlich Einzelhändler, die zum sofortigen Verzehr über die Strasse verkauften, wie z. B. Tankstellen, Kioske u. ä., nur die Artikelkombination Kleineis und in Verpackungen mit mehreren Einzelportionen, sogenannten "Multipacks", verkauftes Speiseeis was beweise, daß die von der Kommission vorgenommene Marktabgrenzung falsch sei.

29 Der Ort, an dem das Eis angeboten und verzehrt werde, sei für die Bedarfsbefriedigung der Verbraucher ebenfalls bedeutungslos. Das Bedürfnis des Verbrauchers nach dem Genuß einer Portion Speiseeis sei dasselbe, gleichgültig ob es in seiner Wohnung, an seinem Arbeitsplatz, auf der Strasse, auf Reisen oder anderswo auftrete. Daher seien alle verschiedenen Arten von Speiseeis ohne Unterscheidung nach den Vertriebswegen, über die sie angeboten würden, einzubeziehen. Somit habe die Kommission das von den Heimdiensten gelieferte Eis zu Unrecht ausgeschlossen.

30 Schließlich sei der Hinweis der Kommission auf die Rechtsprechung, nach der "selbst identische Produkte zu verschiedenen Produktmärkten gehören können, wenn sie eine spezifische Nachfrage befriedigen" (Randnr. 79 der Entscheidung), verfehlt. Es gebe keine "spezifische" Nachfrage der Verbraucher nach den verschiedenen Darreichungsformen, und diese entsprächen auch nicht "unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedürfnissen" im Sinne der Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461).

31 Die Kommission geht bei der Abgrenzung des Marktes von der Sicht des Verbrauchers aus. Dabei sei zunächst das Speiseeis auszuschließen, das als Teil gastronomischer Dienstleistungen angeboten werde, da es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89, Delimitis, Slg. 1991, I-935) einen eigenen Markt bilde. Hierzu gehöre ein Teil des industriell hergestellten Eises für Großverbraucher und des handwerklich hergestellten Speiseeises.

32 Ferner sei wegen des produktspezifischen Zusammenhangs zwischen Kühlmöglichkeit und Verzehr der Ort des Verzehrs bei Speiseeis von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung der wettbewerbsrechtlichen Austauschbarkeit der Produkte; dies gelte um so mehr, als es sich um einen oft impulsartig geweckten kurzfristigen Bedarf handele.

33 Unter diesen Umständen seien auch Multipacks, Haushaltseis und das von Heimdiensten als Haushaltsvorrat für die privaten Kühltruhen gelieferte Kleineis auszuschließen, da diese Produkte für den Bedarf ausser Haus nicht zur Verfügung stuenden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes könnten selbst identische Produkte zu verschiedenen Produktmärkten gehören, wenn sie eine spezifische Nachfrage befriedigten (Urteile vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O., und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461).

34 Die Verbrauchersicht sei allerdings nicht allein ausschlaggebend. Es sei auch den verschiedenen Vertriebswegen, auf denen das Speiseeis zum Verbraucher gelange, und den unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnissen auf den verschiedenen Vertriebsstufen Rechnung zu tragen, da die streitigen Liefervereinbarungen den Zugang von Herstellern und/oder Großhändlern zum Einzelhandel beträfen. Da nämlich nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages jede Einschränkung des Wettbewerbs auf allen Handelsstufen zwischen Erzeuger und Endverbraucher untersagt sei (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125), könne die Sicht des Verbrauchers im vorliegenden Fall für die Beurteilung der wettbewerblichen Auswirkungen der Liefervereinbarungen nicht allein entscheidend sein.

35 Zum Produktmarkt gehöre demnach weder das handwerklich hergestellte Eis, da es auf dem Markt, dessen Angebotsseite aus industriellen Speiseeisherstellern und Großhändlern und dessen Abnahmeseite aus Einzelhändlern bestehe, kein Handelsobjekt sei, noch das sogenannte "Scooping-Eis", da der Einzelhandel bei dieser Art von Eis andere Vertriebsfunktionen erfuelle als bei Kleineis und sich die Vertriebswege dieser beiden Artikelgruppen nur am Rande berührten. Die Nachfragestruktur dürfe bei der Abgrenzung des Marktes berücksichtigt werden (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O.).

36 Das Eis in Großverbraucherpackungen weise ausserdem verschiedene Besonderheiten auf, die seinen Ausschluß vom relevanten Markt rechtfertigten.

37 Die Streithelferin Mars ist der Ansicht, der von der Kommission abgegrenzte Markt sei in zwei Sub-Märkte zu unterteilen, und zwar in den traditionellen Handel und den Lebensmitteleinzelhandel. Dabei gehe es im vorliegenden Verfahren im wesentlichen nur um den Sub-Markt für Kleineis, das im traditionellen Handel vertrieben werde, da der Zugang zu diesem Bereich für Newcomer wegen des Bestehens von Ausschließlichkeitsverträgen versperrt sei.

38 Es sei auch von Bedeutung, daß mehr als 60 % des gesamten Kleineises über den traditionellen Handel vertrieben würden. Ausserdem habe die Kommission eine Reihe erheblicher struktureller Unterschiede zwischen den beiden Sub-Märkten aufgezeigt, die nach deutschem Recht eine Unterteilung rechtfertigen könnten. Dieselben Produkte könnten dann unterschiedlichen Märkten zuzurechnen sein, wenn sie in unterschiedlichen Vertriebskanälen vertrieben würden.

Würdigung durch das Gericht

39 Im Hinblick auf die Frage, ob die Kommission in Randnummer 87 ihrer Entscheidung den Markt zutreffend umschrieben hat, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Abgrenzung des relevanten Marktes für die Untersuchung der Auswirkungen der Ausschließlichkeitsverträge auf den Wettbewerb und insbesondere für die Untersuchung der Möglichkeiten neuer inländischer und ausländischer Wettbewerber, auf dem Speiseeismarkt Fuß zu fassen oder ihren Anteil an diesem Markt zu vergrössern, von entscheidender Bedeutung ist (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 15 und 16).

40 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist dabei die Sicht des Verbrauchers zu berücksichtigen. So hat der Gerichtshof in einer die Anwendung von Artikel 86 des Vertrages betreffenden Rechtssache entschieden, daß sich die Wettbewerbsmöglichkeiten nur nach Maßgabe derjenigen Merkmale der fraglichen Erzeugnisse beurteilen lassen, die sie zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders geeignet und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maß austauschbar erscheinen lassen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215). Zum Begriff des Produktmarkts im besonderen hat der Gerichtshof entschieden, daß dieser Begriff die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen voraussetzt, so daß ein hinreichender Grad von Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O.). Darüber hinaus ergibt sich in bezug auf die Möglichkeit der Berücksichtigung anderer Gesichtspunkte aus der Rechtsprechung, daß sich die Prüfung nicht allein auf die objektiven Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse beschränken kann, sondern daß auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden müssen (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O., Randnr. 37).

41 Das Gericht hat somit die Richtigkeit der von der Kommission vorgenommenen Abgrenzung des Produktmarkts im Lichte dieser Erwägungen zu prüfen. Dabei ist daran zu erinnern, daß die Kommission in Randnummer 80 ihrer Entscheidung ausgeführt hat, daß das Scooping-Eis und das handwerklich hergestellte Speiseeis, die zum Verzehr "aus der Hand" über die Strasse, d. h. nicht im Rahmen einer gastronomischen Dienstleistung, verkauft würden, sowie das am selben Ort verkaufte Kleineis aus Verbrauchersicht gleichartig seien.

42 Die Kommission hat folglich zum einen zu Recht das als Bestandteil einer gastronomischen Dienstleistung angebotene Speiseeis, d. h. einen Teil des industriell hergestellten Eises für Großverbraucher und des handwerklich hergestellten Speiseeises, ausgeschlossen, da der betreffende Markt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnr. 16) einen eigenen Markt bildet, weil der Verzehr von Eis in Restaurants im allgemeinen durch eine Dienstleistung gekennzeichnet ist und nicht so oft von wirtschaftlichen Erwägungen abhängt wie z. B. sein Kauf in einem Lebensmittelgeschäft.

43 Zum anderen ist ° wie von der Kommission vertreten ° auch der in privaten Kühltruhen aufbewahrte Haushaltsvorrat der Verbraucher an Speiseeis auszuschließen, da dieses Eis für die Bedarfsdeckung ausser Haus und insbesondere für einen impulsartig entstehenden Bedarf nicht zur Verfügung steht und mit den über die Strasse verkauften Erzeugnissen nur in gewissem Umfang austauschbar ist (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O., Randnrn. 48 und 49). Es handelt sich um Eis in Familienpackungen, das im allgemeinen als Haushaltsvorrat gekauft wird, und um Kleineis, das nach Hause geliefert wird. Insoweit hat die Kommission den Ort des Verzehrs im vorliegenden Fall zu Recht als entscheidenden Faktor für die Abgrenzung des Marktes angesehen, da es sich um Erzeugnisse handelt, die ausserhalb einer Kühlmöglichkeit nur ganz kurz haltbar sind und deren Verzehr daher zwangsläufig in unmittelbarer Nähe der letzten Möglichkeit einer kühlen Aufbewahrung erfolgen muß.

44 Das in Multipacks verkaufte Eis wird laut der Entscheidung im allgemeinen vom Lebensmittelhandel und von den Heimdiensten angeboten und steht daher nicht für die Deckung eines ausser Haus impulsartig entstehenden Bedarfs zur Verfügung. Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, daß etwa 14 % all ihrer Kunden nur die Artikelkombination Kleineis und Multipacks bezögen. Den Antworten der Klägerin auf die hierzu vom Gericht gestellten Fragen ist jedoch zu entnehmen, daß sich dieser Prozentsatz nicht nur auf Einzelhändler des traditionellen Handels bezieht, sondern auch auf solche des Lebensmittelhandels, und daß 1993 nur eine ganz geringe Zahl von Einzelhändlern des traditionellen Handels die genannte Kombination verkauft hat. Da die Klägerin zudem in der mündlichen Verhandlung die von der Kommission in ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts aufgestellte Behauptung nicht bestritten hat, daß die Multipacks nur etwa 4 % des Gesamtvolumens der Umsätze mit der von der Klägerin angegebenen Abnehmergruppe ausmachten, ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, daß die Multipacks in der Regel nicht zum sofortigen Verzehr bestimmt sind, und hat das in dieser Verpackung angebotene Eis folglich zu Recht vom Produktmarkt ausgeschlossen.

45 In den Randnummern 81 ff. der Entscheidung wird ausgeführt, daß wegen der unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnisse, die nach Ansicht der Kommission auf den verschiedenen Vertriebsstufen und bezueglich der nebeneinander bestehenden Vertriebswege, auf denen die fraglichen Erzeugnisse zum Verbraucher gelangen, vorherrschen, auch das gesamte handwerklich hergestellte Speiseeis, d. h. das ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung über die Strasse verkaufte handwerklich hergestellte Eis, auszuschließen sei, da dieses Eis auf einem Markt, auf dem nur an Einzelhändler verkauft werde, kein Handelsobjekt sei; gleiches gelte für das industriell hergestellte Eis für Großverbraucher, da es gegenüber industriell hergestelltem Kleineis mehrere Besonderheiten aufweise.

46 Hinsichtlich des handwerklich hergestellten Speiseeises ergibt sich aus den Akten, daß dieses Eis im allgemeinen am Ort der Herstellung oder in dessen Nähe angeboten wird. Es wird also nicht von den streitigen Liefervereinbarungen erfasst, da handwerklich hergestelltes Speiseeis ° wie die Klägerin nicht bestreitet ° den verschiedenen Formen des Einzelhandels weder angeboten noch von ihnen nachgefragt wird. Unter diesen Umständen könnte die Einbeziehung dieses Eises in den Produktmarkt an der Beurteilung der möglichen Auswirkungen der streitigen Liefervereinbarungen auf den Wettbewerb, insbesondere bezueglich des Zugangs zu den Einzelhändlern, nichts ändern. Die Kommission hat es daher zu Recht vom Produktmarkt ausgeschlossen.

47 Der Ausschluß des industriell hergestellten Eises für Großverbraucher zum Ausportionieren, des sogenannten "Scooping-Eises", vom Produktmarkt wird in den Randnummern 84 bis 86 der Entscheidung mit drei Erwägungen gerechtfertigt. Erstens heisst es in der Entscheidung, daß der Einzelhandel unterschiedliche Vertriebsfunktionen erfuelle, die durch die unterschiedlichen Produkteigenschaften bedingt seien und dazu führten, daß sich die Vertriebswege dieser beiden Artikelgruppen nur am Rande berührten. Zweitens bewirke der beim Scooping-Eis erforderliche weitere Verarbeitungsvorgang des Ausportionierens, daß Kleineis und Scooping-Eis lediglich in der Gastronomie in nennenswertem Umfang zusammen angeboten würden. Ausserdem seien der Lebensmittelhandel und der traditionelle Fachhandel, die den weitaus grössten Teil des industriell hergestellten Kleineises vertrieben, im allgemeinen auf den Verkauf von Eis in Großverbraucherpackungen nicht eingestellt. Drittens bestuenden auch produktionstechnische Unterschiede zwischen beiden Erzeugnissen.

48 Die Kommission hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die zum Nachweis dafür geeignet wären, daß für die beiden Erzeugnisse verschiedene Nachfragestrukturen im Sinne des Urteils Michelin/Kommission bestehen, die für sich genommen eine Marktabgrenzung rechtfertigen könnten, durch die das über die Strasse verkaufte Scooping-Eis ausgeschlossen wird. Zwar bestehen unterschiedliche Vertriebswege, aber dieser Umstand reicht für sich genommen im vorliegenden Fall nicht aus, um das zu Einzelportionen zum Verzehr ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung ausportionierte Eis für Großverbraucher auszuschließen. Die Klägerin hat insoweit zu Recht geltend gemacht, daß das blosse Ausportionieren in Einzelportionen durch einen Händler im traditionellen Handel keine "gastronomische Dienstleistung" im Sinne des Urteils Delimitis darstelle. Die Kommission hat auch nicht nachgewiesen, daß der Vorgang des Ausportionierens die Wahl des Verbrauchers zwischen einem Scooping-Eis und einem Kleineis in den Verkaufsstätten beeinflusst, in denen diese Eissorten ° im Strassenverkauf ° gemeinsam angeboten werden. Die Kommission hat sogar ausgeführt, daß diese beiden Eissorten aus Verbrauchersicht gleichartig seien (siehe oben, Randnr. 41). Auch daß zwischen beiden Erzeugnissen ein produktionstechnischer Unterschied bestehen mag, reicht für sich genommen nicht aus, um zwei separate Märkte anzunehmen, wenn dieser Unterschied vom Verbraucher nicht als ausschlaggebend angesehen wird.

49 Aus den Akten ergibt sich ferner, daß auch beim Scooping-Eis zumindest ein Teil auf den Strassenverkauf ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung, d. h. auf den traditionellen Fachhandel, entfällt. Aus den Akten ergibt sich ausserdem, daß die zum Verkauf von Scooping-Eis erforderliche Ausstattung nicht nur in Kiosken zu finden ist, sondern auch in Bäckereien, Konditoreien, Süßwarenläden, Eisdielen, Kinos, Schwimmbädern und Tankstellen, wobei diese Verkaufsstätten im übrigen auch Kleineis anbieten können. Die Kommission hat ihrerseits im schriftlichen Verfahren zumindest stillschweigend eingeräumt, daß ein Teil des Eises in Großverbraucherpackungen in Form von Scooping-Eis zum sofortigen Verzehr ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung angeboten wird.

50 Somit stellt sich die Frage, ob die Kommission den Teil des Eises für Großverbraucher, der in Einzelportionen ausportioniert und in mehreren Arten von Verkaufsstätten in Wettbewerb mit Kleineis über die Strasse verkauft wird, hätte mit einbeziehen müssen, weil diese beiden Erzeugnisse aus Verbrauchersicht untereinander austauschbar sind. Aus Randnummer 140 der Entscheidung, gegen die die Klägerin keine Einwände erhoben hat, ergibt sich jedoch, daß das Eis für Großverbraucher im traditionellen Handel mit Hilfe von Ausschließlichkeitsverträgen vertrieben wird. Unter diesen Umständen hat sich durch die Entscheidung, das Scooping-Eis nicht in den relevanten Markt einzubeziehen, an der Beurteilung der Auswirkungen der streitigen Liefervereinbarungen auf den Wettbewerb und insbesondere der Frage, ob der Marktzugang durch diese Vereinbarungen versperrt oder erheblich erschwert wurde, nichts Wesentliches geändert. Die Entscheidung ist somit nicht deshalb für nichtig zu erklären, weil das Scooping-Eis nicht in den Produktmarkt einbezogen wurde.

51 Daher greift die Rüge der Klägerin, die sich auf die Abgrenzung des Produktmarkts bezieht, nicht durch.

Räumlicher Markt

Vorbringen der Parteien

52 Nach Ansicht der Klägerin ergibt sich bei Zugrundelegung der von ihr vorgeschlagenen Umschreibung des Produktmarkts als des gesamten Marktes für Speiseeis die Notwendigkeit, den räumlichen Markt nicht auf den nationalen deutschen Markt zu beschränken, da die Kommission in ihrer Entscheidung berücksichtigt habe, daß die Klägerin, Langnese und Mars nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern tätig seien und daß durch die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes noch vorhandene nationale Unterschiede weiter verringert würden.

53 Für die Kommission ist der räumliche Markt der deutsche Markt. Die Klägerin räume selbst ein, daß nationale Unterschiede fortbestuenden. Darüber hinaus sei der Vertrieb von Speiseeis durchweg national organisiert; dies gelte auch für die streitigen, von der Klägerin geschlossenen Liefervereinbarungen. Im übrigen seien die Marktstrukturen und die Marktpräsenz je nach Mitgliedstaat verschieden. Schließlich seien auch die Herstellungsvorschriften für Speiseeis nicht harmonisiert.

Würdigung durch das Gericht

54 Aus der Entscheidung ergibt sich, ohne daß die Klägerin dem widersprochen hätte, daß der Vertrieb von industriell hergestelltem Eis durchweg national organisiert ist und daß sich die nationalen Eigenheiten in den unterschiedlichen Marktstrukturen, Sortimenten und Preisen widerspiegeln. Auch steht fest, daß die streitigen Vereinbarungen auf nationaler Ebene geschlossen sind. Da die Klägerin ausserdem die Richtigkeit einer auf den deutschen Markt beschränkten räumlichen Marktabgrenzung für den Fall, daß als Produktmarkt der Markt für industriell hergestelltes Kleineis angesehen wird, nicht ausdrücklich bestritten hat, hat die Kommission den deutschen Markt zu Recht und in Einklang mit der Rechtsprechung als relevanten räumlichen Markt angesehen (in diesem Sinn auch Urteil Delimitis, a. a. O., Randnr. 18, und Urteil Michelin, a. a. O., Randnrn. 25 bis 28). Somit greift die Rüge, die sich auf die Abgrenzung des räumlichen Marktes bezieht, nicht durch.

55 Folglich ist der erste, auf eine falsche Abgrenzung des Marktes gestützte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

Zweiter Teil des Klagegrundes: Auswirkung der Alleinbezugsverträge auf den Wettbewerb

Vorbringen der Parteien

56 Die Klägerin trägt vor, unabhängig von der Abgrenzung des relevanten Marktes habe die Kommission den Markt weder gründlich genug noch unter Beachtung der der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu entnehmenden Kriterien analysiert. Zur Stützung dieses Vorbringens führt sie aus, dem Urteil Delimitis sei zu entnehmen, daß die Auswirkungen der auf einem Markt bestehenden Netze von Vereinbarungen auf den Zugang zu diesem Markt vom Verhältnis zwischen der Anzahl der durch Verträge gebundenen Verkaufsstätten und der Zahl der nicht gebundenen Verkaufsstätten, der Dauer der eingegangenen Verpflichtungen und dem Verhältnis zwischen den von den Verpflichtungen erfassten und den von ihnen nicht erfassten Produktmengen abhänge.

57 Die Kommission könne sich nicht auf die Feststellung beschränken, daß ihre Liefervereinbarungen etwa (...) % (mehr als 10 %) der auf dem relevanten Markt vorhandenen Verkaufsstätten und des über sie erzielten Absatzvolumens erfassten.

58 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes komme es nämlich bei der Prüfung der Frage, ob ein Alleinbezugsvertrag Wettbewerbsbeschränkungen bewirke, nicht allein auf die unmittelbar mit dem einzelnen Vertrag verbundenen Wirkungen an, sondern auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem der Vertrag stehe und in dem er zusammen mit anderen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen könne. Zu diesem Gesamtzusammenhang gehörten zum einen die Vereinbarungen, die derselbe Hersteller mit anderen Abnehmern geschlossen habe (Urteile vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, und vom 19. April 1988 in der Rechtssache 27/87, Erauw-Jacquery, Slg. 1988, 1919), und zum anderen die gleichartigen Verträge anderer Hersteller mit ihren Abnehmern (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Dezember 1967 in der Rechtssache 23/67, Brasserie de Hächt, Slg. 1967, 544, und Delimitis, a. a. O.). Ausserdem sei die kumulative Auswirkung gleichartiger Vereinbarungen auf dem Markt nur einer unter mehreren Umständen. Anhand dieser Grundsätze sei die Auswirkung der Lieferverträge auf den Zugang der Wettbewerber zum Markt zu untersuchen.

59 Unter Bezugnahme auf den deutschen Speiseeismarkt trägt die Klägerin hierzu erstens vor, daß der Bindungsgrad, d. h. die im Rahmen der von der Kommission beanstandeten Liefervereinbarungen verkauften Kleineismengen, ausserordentlich gering sei. Selbst wenn man die Marktabgrenzung der Kommission zugrunde lege, erfassten die Alleinbezugsverträge ihrer Wettbewerber kaum mehr als 18 % der auf dem Markt abgesetzten Mengen. Der aus den von ihr geschlossenen Verträgen resultierende Bindungsgrad betrage nur etwa (...) %. Der von der Kommission im Fünfzehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik von 1985 als unbedenklich angesehene Bindungsgrad von 30 % sei also nicht überschritten. Die Kommission habe bei der Berechnung des Bindungsgrads zu Unrecht die Mengen einbezogen, die über Großhändler vertrieben würden, denn diese schlössen Alleinbezugsvereinbarungen im eigenen Namen und in eigener Verantwortung ab.

60 Zweitens habe die Kommission die relativ kurze Laufzeit der Liefervereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt. Nach den Bestimmungen der streitigen Verträge könnten diese nach Ablauf von zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten jeweils zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Zwei Drittel der jeweils laufenden Verträge hätten eine feste Laufzeit von weniger als einem Jahr. Ausserdem werde jedes Jahr etwa ein Drittel sämtlicher Ausschließlichkeitsverträge gekündigt, so daß der Zugang zu den betreffenden Verkaufsstätten jedem Wettbewerber offenstehe.

61 Angesichts dieser Umstände sei der Zugang zum traditionellen Fachhandel durch das bestehende Netz von Ausschließlichkeitsverträgen weder erschwert noch versperrt.

62 Die Kommission stellt in den Randnummern 68 bis 71 ihrer Entscheidung zunächst fest, daß die den Wiederverkäufern von der Klägerin auferlegte Alleinbezugsverpflichtung eine Beschränkung sowohl des Intra-brand-Wettbewerbs als auch des Inter-brand-Wettbewerbs darstelle. Warenangebote, die von anderen Lieferanten ausgingen, könnten vom Wiederverkäufer infolgedessen wegen dessen Bindung an das vertragliche Verbot nicht berücksichtigt werden. Die Alleinbezugsverpflichtungen erschwerten oder verhinderten die Bildung von unabhängigen Vertriebsstrukturen, die für den Zutritt von neuen Wettbewerbern zu dem betreffenden Markt oder den Ausbau einer bereits erreichten Marktstellung erforderlich seien. Das vertragliche Gebot, ausschließlich die Vertragswaren zu beziehen, beinhalte gleichzeitig das Verbot, mit den Vertragswaren in Wettbewerb stehende Waren zu vertreiben. Die Kombination beider Absprachen verstärke im vorliegenden Fall die Wettbewerbsbeschränkung.

63 In Randnummer 105 der Entscheidung stellt die Kommission sodann fest, daß der Umsatz der Klägerin und der Marktanteil, der sich aus den streitigen Liefervereinbarungen ergebe, die in ihrer Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung vorgesehenen Schwellenwerte weit überschritten. Bereits diese Umstände ließen die Schlußfolgerung zu, daß durch die Liefervereinbarungen die Möglichkeiten der inländischen Wettbewerber und der Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten, auf dem relevanten Markt Fuß zu fassen oder ihren Anteil an diesem Markt zu vergrössern, spürbar beschränkt würden und daß die Liefervereinbarungen somit unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fielen. Eine Prüfung der Wirkungen der Netze gleichartiger Verträge, die andere Unternehmen im relevanten Markt abgeschlossen hätten, sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

64 In ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission hinzugefügt, nur wenn das Netz gleichartiger Vereinbarungen des Unternehmens, dessen Verträge der wettbewerbsrechtlichen Prüfung unterlägen, nicht bereits selbst die Voraussetzung der Spürbarkeit erfuelle, sei gemäß der Rechtsprechung auf die kumulativen Wirkungen nebeneinander bestehender Netze zurückzugreifen (Urteile Brasserie de Hächt und Delimitis, a. a. O.).

65 Die Streithelferin Mars räumt ein, daß der Bindungsgrad unabhängig davon, ob man die Marktabgrenzung der Kommission oder die der Klägerin zugrunde lege, zwischen 25 % und 30 % betrage. Diese Zahl spiegele jedoch nicht die wahren Marktverhältnisse im traditionellen Handel wider, da die Berechnungen auf einer Durchschnittszahl beruhten.

66 Nach Ansicht von Mars ist speziell auf die Lage im traditionellen Handel abzustellen, da über 60 % des gesamten Kleineises über diesen Markt vertrieben würden und da die Klägerin nur für diesen Teil des relevanten Marktes Liefervereinbarungen geschlossen habe.

67 Im traditionellen Handel habe der Bindungsgrad 1990 nach ihren Untersuchungen über 70 % betragen. Daneben seien die Marktanteile der Klägerin und der Konzentrationsgrad zu berücksichtigen. Die Klägerin habe 1992 mit Kleineis im traditionellen Handel einen Marktanteil von 33,4 % erzielt. Der Anteil von Langnese habe sich auf 60 % belaufen. Diese beiden grossen Hersteller hätten somit zusammen einen Marktanteil von über 90 %. Es stehe ausser Zweifel, daß die Klägerin und Langnese auf diesem Markt eine beherrschende Stellung einnähmen. Daher könne es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß die Ausschließlichkeitsverträge der Klägerin unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fielen.

68 Zu den von der Klägerin zum Beleg dafür, daß der Zugang zum traditionellen Fachhandel weder versperrt noch erschwert sei, vorgetragenen Hauptargumenten verweist Mars erstens darauf, daß gerade die wirtschaftlich interessantesten Verkaufsstätten durch Ausschließlichkeitsverträge gebunden seien. Zweitens sei die tatsächliche Laufzeit der Verträge viel länger als von der Klägerin geschätzt und betrage wahrscheinlich mehr als zehn Jahre. Die Einzelhändler kündigten nämlich ihre Verträge in der Regel nicht.

69 Zudem stuenden Newcomer auf dem Markt dem Problem gegenüber, daß es sich für den durch einen Ausschließlichkeitsvertrag gebundenen Einzelhändler um eine "Alles-oder-Nichts-Entscheidung" handele. Nur wenige Händler seien bereit, auf das Sortiment des dominierenden Wettbewerbers zu verzichten und zu den weniger bekannten Produkten eines neuen Wettbewerbers zu wechseln.

70 Die schlichte Tatsache, daß ihr Marktanteil im Lebensmitteleinzelhandel bei Multipacks, bei denen es keine Ausschließlichkeitsbindungen gebe, etwa 17 % betrage und damit zehnmal so groß sei wie ihr Marktanteil bei Eisriegeln im traditionellen Handel (etwa 1,7 %), sei ein hinreichender Beweis dafür, daß der Marktzugang zum traditionellen Handel versperrt sei.

Würdigung durch das Gericht

71 Vorab ist festzustellen, daß die Kommission in den Randnummern 68 bis 70 der Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten hat, daß die in den Liefervereinbarungen enthaltene Klausel, nach der sich der Einzelhändler verpflichte, in seiner Verkaufsstätte nur unmittelbar von der Klägerin erworbene Erzeugnisse zu verkaufen, eine Alleinbezugsverpflichtung und ein Wettbewerbsverbot enthalte, die sowohl bei Erzeugnissen derselben Marke als auch bei Erzeugnissen verschiedener Marken zu einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages führen könnten.

72 Unter diesen Umständen hat das Gericht zu prüfen, ob der Kommission tatsächlich und rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die streitigen Liefervereinbarungen die von ihr behauptete spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb auf dem Markt haben.

73 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Klägerin auf dem relevanten Markt eine starke Stellung einnimmt. Laut der Entscheidung erzielte die Klägerin 1991 einen Gesamtumsatz von (...) DM (mehr als einer Milliarde DM), davon (...) DM (mehr als 900 Millionen DM) mit Speiseeis. Der Konzern mit demselben Namen hatte im selben Zeitraum einen konsolidierten Umsatz von (...) DM (mehr als 1,5 Milliarden DM). Hinzu kommt, daß der Südzucker-Konzern, der direkt und indirekt 49 % des Kapitals der Klägerin hält, einen Umsatz von 4,54 Milliarden DM auswies. Gemäß den Randnummern 31 und 35 der Entscheidung belief sich der Anteil der Klägerin am relevanten Markt 1991 im Lebensmittelhandel auf etwa (...) % und im traditionellen Handel auf (...) % (mehr als 25 %). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die letztgenannte Zahl für den Fall bestätigt, daß man der von der Kommission vorgenommenen Marktabgrenzung folgt. In bezug auf die quantitative Bedeutung der streitigen Vereinbarungen auf dem relevanten Markt ist den Akten zu entnehmen, daß die Klägerin durch diese Vereinbarungen auf dem gesamten relevanten Markt, so wie er von der Kommission umschrieben wurde, etwa (...) % (mehr als 10 %) der Verkaufsstätten an sich gebunden hat und daß das von der Klägerin über diese Verkaufsstätten erzielte Absatzvolumen ebenfalls etwa (...) % (mehr als 10 %) des gesamten Absatzvolumens auf diesem Markt ausmacht.

74 Nach Ansicht der Kommission lassen die letztgenannten Angaben die Schlußfolgerung zu, daß durch die Vereinbarungen die Möglichkeiten der inländischen Wettbewerber und der Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten, auf dem relevanten Markt Fuß zu fassen oder ihren Anteil an diesem Markt zu vergrössern, spürbar beschränkt würden, ohne daß die kumulative Wirkung daneben bestehender Netze anderer Speiseeislieferanten geprüft werden müsse, da der Marktanteil, der von den streitigen Vereinbarungen erfasst werde und der bereits etwa (...) % (mehr als 10 %) des relevanten Marktes betrage, und der Umsatz der beteiligten Unternehmen die in der Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung vorgesehenen Schwellenwerte bei weitem überschritten.

75 Die genannte Bekanntmachung dient jedoch nur zur Umschreibung der Vereinbarungen, die nach Ansicht der Kommission keine spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben. Aus ihr lässt sich dagegen nicht mit Sicherheit ableiten, daß ein Netz von Alleinbezugsverträgen immer dann geeignet ist, den Wettbewerb spürbar zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, wenn die darin vorgesehenen Schwellenwerte überschritten sind. Im übrigen ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Nummer 3 der Bekanntmachung, daß es im Einzelfall durchaus möglich ist, daß auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die die aufgeführten Schwellenwerte überschreiten, den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb nur geringfügig beeinträchtigen und deshalb nicht von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden.

76 Zur Klärung der Frage, ob Alleinbezugsverträge vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden, ist nach der Rechtsprechung zu prüfen, ob sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der fraglichen Verträge ergibt, daß diese die kumulative Wirkung haben, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Wenn die Prüfung ergibt, daß dies nicht der Fall ist, dann können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarungen besteht, den Wettbewerb nicht im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beschränken. Ergibt die Prüfung hingegen, daß der Markt schwer zugänglich ist, so ist anschließend zu untersuchen, inwieweit die streitigen Vereinbarungen zu der kumulativen Wirkung beitragen, wobei nur solche Verträge verboten sind, die zu einer etwaigen Abschottung des Marktes in erheblichem Maß beitragen (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 23 und 24).

77 Darüber hinaus ist, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Brasserie de Hächt entschieden hat, die Beurteilung der Auswirkungen eines Ausschließlichkeitsvertrags unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs vorzunehmen, in dem dieser steht und in dem er zusammen mit anderen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen kann.

78 Ferner ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum einen, daß der Einfluß der Netze von Ausschließlichkeitsverträgen auf den Marktzugang namentlich abhängt vom Verhältnis zwischen der Zahl der vertraglich an die Erzeuger gebundenen Verkaufsstätten und der Zahl der nicht gebundenen Händler, von den durch die eingegangenen Verpflichtungen erfassten Mengen und vom Verhältnis zwischen diesen Mengen und denjenigen, die über nicht gebundene Händler abgesetzt werden. Zum anderen ist der Bindungsgrad, der sich aus einem Netz von Alleinbezugsvereinbarungen ergibt, zwar für die Beurteilung der Marktabschottung von gewisser Bedeutung, ist aber nur einer von mehreren Faktoren des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem ein Vertrag oder, wie im vorliegenden Fall, ein Netz von Verträgen zu beurteilen ist (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 19 und 20).

79 Da die Abgrenzung des Marktes zur Festlegung des Rahmens dient, in dem die Auswirkungen der streitigen Vereinbarungen auf den Wettbewerb zu beurteilen sind, ist bei der Bestimmung des Bindungsgrads, d. h. des Prozentsatzes der durch Ausschließlichkeitsverträge gebundenen Verkaufsstätten und des über diese Verkaufsstätten erzielten Absatzvolumens, im vorliegenden Fall auf die Möglichkeiten des Zugangs zu den Einzelhändlern abzustellen, die auf dem gesamten relevanten Markt in der zuvor von der Kommission vorgenommenen Abgrenzung, d. h. sowohl im traditionellen Handel als auch im Lebensmittelhandel, bestehen.

80 Hierzu ist erstens festzustellen, daß sich, wie oben (Randnr. 73) ausgeführt wurde, unter Berücksichtigung des Umfangs der Kleineisverkäufe auf dem relevanten Markt ein auf die von der Klägerin geschlossenen Alleinbezugsverträge zurückzuführender Bindungsgrad von etwa (...) % (mehr als 10 %) ergibt. Zweitens ist zur kumulativen Wirkung, die sich aus weiteren gleichartigen Vereinbarungen auf dem Markt ergibt, festzustellen, daß die von Langnese, dem anderen führenden Eishersteller in Deutschland, geschlossenen gleichartigen Alleinbezugsverträge etwa (...) % des relevanten Marktes erfassen. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 693A0009.1

81 Somit wirken sich die von den beiden grössten Herstellern geschaffenen Netze von Alleinbezugsverträgen auf etwa (...) % des Marktes aus; dies überschreitet den Bindungsgrad von 30 %, den die Kommission bei Übersendung des Verwaltungsschreibens an die Klägerin, das dann in Nummer 19 des Fünfzehnten Berichts über die Wettbewerbspolitik von 1985 kommentiert wurde, als zulässig angesehen hat.

82 Wie oben (Randnr. 78) ausgeführt wurde, ist der Bindungsgrad aber nur einer von mehreren Faktoren des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem ein Netz von Verträgen zu beurteilen ist. Daneben sind die herrschenden Marktbedingungen und insbesondere die tatsächlichen konkreten Möglichkeiten neuer Wettbewerber zu untersuchen, trotz des Bestehens eines Netzes von Alleinbezugsverträgen auf dem Markt Fuß zu fassen.

83 Hinsichtlich der genannten Faktoren hat die Kommission darauf hingewiesen, daß sowohl im Lebensmittelhandel als auch im traditionellen Handel zusätzliche erhebliche Marktzutrittsschranken bestuenden. Den Randnummern 100 und 134 bis 137 der Entscheidung ist insoweit zu entnehmen, daß neuen Wettbewerbern der Marktzutritt dadurch erschwert wird, daß die Klägerin den Einzelhändlern sowohl im Lebensmittelhandel als auch im traditionellen Handel in grosser Zahl Kühltruhen leihweise zur Verfügung stellt (gemäß Randnr. 57 der Entscheidung 1991 insgesamt etwa [...], davon [...] im traditionellen Handel und [...] im Lebensmittelhandel) und dies mit der Verpflichtung für die Einzelhändler verbindet, die Kühltruhen ausschließlich für die Erzeugnisse der Klägerin zu verwenden.

84 Die Kommission ist zu Recht davon ausgegangen, daß es sich dabei um einen Faktor handelt, der zur Erschwerung des Marktzutritts beiträgt. Er hat nämlich zwangsläufig zur Folge, daß jeder neu auf dem Markt auftretende Wettbewerber den Einzelhändler entweder zum Austausch der von der Klägerin aufgestellten Kühltruhe gegen eine andere und damit zum Verzicht auf den Umsatz mit den Erzeugnissen des bisherigen Lieferanten oder zur Aufstellung einer zusätzlichen Kühltruhe bewegen muß, was insbesondere in kleinen Verkaufsstätten aus Platzmangel unmöglich sein kann. Wenn der neue Wettbewerber, wie es bei der Streithelferin der Fall ist, nur eine begrenzte Produktpalette anbieten kann, kann es sich für ihn ausserdem als schwierig erwiesen, den Einzelhändler zur Kündigung seines Vertrages mit dem bisherigen Lieferanten zu bewegen.

85 Ferner ist den Akten zu entnehmen, daß es im traditionellen Handel eine Vielzahl von Einzelhändlern mit einem relativ geringen Durchschnittsumsatz gibt. Zur Errichtung eines rentablen Vertriebssystems muß ein neuer Wettbewerber daher innerhalb eines bestimmten Gebiets eine erhebliche Zahl von Einzelhändlern gewinnen, die über Regional- oder Zentrallager beliefert werden können. Da es keine unabhängigen Zwischenhändler gibt, stellt diese Zersplitterung der Nachfrage eine weitere Marktzutrittsschranke dar. Schließlich hat die Kommission zu Recht berücksichtigt, daß die Erzeugnisse der Klägerin Markenartikel mit hohem Bekanntheitsgrad sind.

86 Unter diesen Umständen ergibt sich aus der Prüfung der Gesamtheit aller auf dem Markt bestehenden gleichartigen Verträge und aus den übrigen, in den Randnummern 83 bis 85 untersuchten wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen dieser Verträge, daß die von der Klägerin geschlossenen Alleinbezugsvereinbarungen geeignet sind, den Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages spürbar zu beeinträchtigen.

87 Wegen der starken Stellung der Klägerin auf dem relevanten Markt und insbesondere ihres Marktanteils tragen diese Vereinbarungen in erheblichem Maß zur Abschottung des Marktes bei.

88 Nach alledem hat die Kommission somit zu Recht die Ansicht vertreten, daß die streitigen Vereinbarungen zu einer spürbaren Beschränkung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt führten.

89 Der zweite Teil des Klagegrundes ist folglich zurückzuweisen.

Dritter Teil des Klagegrundes: die angebliche Verpflichtung der Kommission, die einzelnen Verträge so aufzuteilen, daß ein Teil von ihnen nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fällt

Vorbringen der Parteien

90 Die Klägerin macht geltend, die Kommission könne nur Vereinbarungen verbieten, die unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, und dies nur dann, wenn die Wettbewerbsbeschränkung die Spürbarkeitsgrenze überschreite.

91 Ein solches Ergebnis sei im vorliegenden Fall um so mehr geboten, als die Kommission auch die parallelen Ausschließlichkeitsverträge von Langnese verboten habe, die bei der Prüfung der kumulativen Wirkung gleichartiger Vereinbarungen berücksichtigt worden seien, und weil es nahegelegen hätte, nach Erlaß des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992 in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung in der Rechtssache, die der Erhebung der vorliegenden Klage vorangegangen sei (siehe oben, Randnr. 7), zu prüfen, ob bei Herausnahme der mit den Tankstellen geschlossenen Verträge die Ausschließlichkeitsbindungen in den anderen Verträgen immer noch eine spürbare Wirkung auf den Wettbewerb hätten.

92 Die Kommission trägt vor, sie sei nicht verpflichtet gewesen, einen Schwellenwert festzulegen, unterhalb dessen die Eislieferungsvereinbarungen der Klägerin mit Artikel 85 des Vertrages vereinbar seien.

93 Zur Stützung dieser These führt die Kommission in Randnummer 107 der Entscheidung aus, daß die spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb die Gesamtheit der Liefervereinbarungen der Klägerin erfasse. Bei einem Netz gleichartiger Vereinbarungen eines einzigen Herstellers sei die Spürbarkeit entweder gegeben oder nicht gegeben, ohne daß es möglich wäre, gewisse Teile davon auszunehmen. Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages lasse es nicht zu, Einzelverträge oder Netze von Vereinbarungen so aufzuteilen, daß ein "nicht spürbarer" Teil dem in diesem Artikel vorgesehenen Verbot entzogen werde.

94 Die Klägerin habe im übrigen keine Kriterien aufzeigen können, nach denen eine derartige Aufteilung vorzunehmen wäre. Eine solche Aufteilung wäre auch willkürlich. Artikel 85 Absatz 2 des Vertrages stehe insbesondere bei Netzen von Vereinbarungen aus Gründen der Rechtssicherheit einer Aufteilung entgegen.

Würdigung durch das Gericht

95 Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, kann ein Netz von Alleinbezugsverträgen eines einzigen Herstellers dann dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 entzogen sein, wenn es nicht zusammen mit der Gesamtheit der auf dem Markt vorhandenen gleichartigen Verträge einschließlich der Verträge der anderen Lieferanten in erheblichem Maß dazu beiträgt, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zum Markt zu verschließen (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 23 und 24). Dies bedeutet, daß bei einem Netz gleichartiger Vereinbarungen eines einzigen Herstellers die Beurteilung der Auswirkungen dieses Netzes auf den Wettbewerb für die Gesamtheit der das Netz bildenden Einzelverträge gilt. Hinzu kommt, daß die Kommission bei der Beurteilung der Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen hat und sich nicht auf hypothetische Sachverhalte stützen kann. Wie die Kommission insoweit zu Recht ausgeführt hat, könnte die Aufteilung der streitigen Verträge in verschiedene hypothetische Kategorien im vorliegenden Fall zu willkürlichen Ergebnissen führen.

96 Hinsichtlich der Frage, ob die Kommission die wettbewerbsbeschränkende Wirkung des von der Klägerin geschaffenen Vertragsnetzes im Anschluß an das Verbot eines gleichartigen Netzes von Langnese hätte prüfen müssen, genügt ein Hinweis auf das Urteil Delimitis, wonach die Liefervereinbarungen eines Herstellers in ihrer Gesamtheit unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fallen, falls die Kommission wie hier feststellt, daß die Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Verträge und die übrigen rechtlichen und wirtschaftlichen Begleitumstände den Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages spürbar beeinträchtigen können, und sodann zu Recht die Ansicht vertritt, daß die streitigen Vereinbarungen dieses Herstellers in erheblichem Maß zu dieser Abschottung des Marktes beitragen. An dieser Feststellung kann die Tatsache, daß die Kommission gleichzeitig ein gleichartiges Netz von Verträgen eines anderen Herstellers verbietet, nichts ändern.

97 Der Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992, auf den sich die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens berufen hat und durch den die Anwendung der Entscheidung der Kommission vom 25. März 1992 ausser für die ausschließlichen Verkaufsstätten der Klägerin und von Langnese in Tankstellen ausgesetzt wurde, ist im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung ergangen. Die angeordnete Maßnahme, die nach einer Abwägung der unterschiedlichen Interessen der Parteien des Rechtsstreits getroffen wurde, sollte die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens sowohl für Mars als auch für die Klägerin abwenden. Der Beschluß hatte somit einen besonderen Zweck und kann daher nicht zur Stützung der Ansicht angeführt werden, daß die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob die Einzelverträge unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, zu deren Aufteilung verpflichtet gewesen sei.

98 Ein Bündel gleichartiger Verträge ist somit als Ganzes zu beurteilen, so daß die Kommission zu Recht keine Aufgliederung der Verträge vorgenommen hat. Folglich ist dieser Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

99 Nach alledem greift der Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht durch.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages

100 Die Klägerin trägt vor, falls die streitigen Vereinbarungen unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, könnte für sie entweder eine Gruppenfreistellung nach der Verordnung Nr. 1984/83 oder eine Einzelfreistellung in Betracht kommen. Der Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Die Klägerin ist erstens der Ansicht, daß die Kommission von der Bewertung, die in ihrem Verwaltungsschreiben enthalten sei, das sie nach der Anmeldung der streitigen Vereinbarungen im Jahr 1985 erteilt habe, nicht abgehen könne. Zweitens seien die streitigen Vereinbarungen nicht, wie die Kommission fälschlich meine, im Sinne von Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen, so daß für sie eine Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung Nr. 1984/83 in Betracht komme. Drittens schließlich verstosse die Versagung einer Einzelfreistellung gegen Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages.

Erster Teil des Klagegrundes: die angebliche Verpflichtung der Kommission, nicht von der im Verwaltungsschreiben vorgenommenen Bewertung abzugehen

Vorbringen der Parteien

101 Die Klägerin macht zur Stützung ihrer Ansicht, daß die Kommission bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages nicht von der Bewertung hätte abgehen dürfen, die in dem an sie gerichteten Verwaltungsschreiben enthalten sei, zunächst geltend, die Unternehmen, die ein Verwaltungsschreiben erhielten, dürften durch dessen Erteilung nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie von der Kommission eine förmliche Entscheidung erwirkt hätten. Gemäß Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 könne die Kommission eine förmliche Freistellungserklärung aber nur dann nachträglich widerrufen oder ändern, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Erklärung wesentlichen Punkt geändert hätten oder wenn die Erklärung auf unrichtigen Angaben beruhe oder arglistig herbeigeführt worden sei. Dieser Bestimmung sei insbesondere zu entnehmen, daß die Änderung der Rechtsauffassung für den Widerruf einer Freistellungserklärung nicht ausreiche. Eine solche Beschränkung gelte auch für die in einem Verwaltungsschreiben enthaltene Bewertung.

102 Zu den Ausführungen der Kommission in den Randnummern 149 und 150 der Entscheidung erklärt die Klägerin, ihr Sachvortrag in der Anmeldung sei vollständig gewesen und habe den seinerzeit geltenden Bestimmungen entsprochen. Ausserdem hätten sich die tatsächlichen Umstände seit der Erteilung des Verwaltungsschreibens im Jahr 1985 nicht wesentlich geändert.

103 Im übrigen habe sie in ihrer Anmeldung alle Umstände dargelegt, die die Kommission auch heute für wesentlich halte, nämlich die Marktanteile und die über die gebundenen Verkaufsstätten abgesetzten Mengen. Sie habe für den Gesamtmarkt für industriell hergestelltes Speiseeis einen Bindungsgrad von 17 % errechnet. Wenn die Kommission schon damals eine Begrenzung des Speiseeismarktes auf industriell hergestelltes Kleineis vorgenommen hätte, wie sie es heute tü, hätte sie ihren Angaben entnehmen können, daß sich dann ein höherer Bindungsgrad als die von ihr genannten 17 % ergeben würde. Die Kommission habe damals offenbar Überlegungen in dieser Richtung angestellt, da sie im Fünfzehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik von 1985 von einem Bindungsgrad von 30 % spreche.

104 Die Kommission könne die Wiederaufnahme des Verfahrens auch nicht mit dem Markteintritt von Mars rechtfertigen. Wenn die Kommission Alleinbezugsvereinbarungen prüfe und sie für zulässig halte, sei die Annahme erlaubt, daß sie dabei berücksichtigt habe, ob aktuellen oder potentiellen Wettbewerbern der Zugang zum Markt versperrt sei oder ob ihre Expansionsmöglichkeiten auf dem Markt tatsächlich beeinträchtigt würden. Die Beschwerde von Mars hätte also bei der Prüfung im Jahr 1985, wenn diese sachgerecht erfolgt wäre, gedanklich vorweggenommen werden müssen.

105 Da die Kommission nicht nachgewiesen habe, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der Erteilung des Verwaltungsschreibens in einem für die Erklärung wesentlichen Punkt geändert hätten, sei sie an die in diesem Schreiben vorgenommene Bewertung gebunden.

106 Die Kommission ist der Ansicht, daß sie nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht an das Verwaltungsschreiben gebunden sei. Verwaltungsschreiben könne keine weitergehende Bindungswirkung innewohnen als den förmlichen Entscheidungen, die sie in der Praxis der Anwendung der Wettbewerbsregeln funktional ersetzten. Nach Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 könne sie förmliche Freistellungserklärungen widerrufen oder ändern, "wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Erklärung wesentlichen Punkt geändert haben". Das Verwaltungsschreiben sei ohne formelle Eröffnung des Verfahrens, ohne Veröffentlichung gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 und ohne vorherige Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen ergangen. Da dieses Schreiben Ergebnis einer vorläufigen Prüfung sei, enthalte es entsprechend ständiger Praxis einen ausdrücklichen Vorbehalt der Wiederaufnahme des Verfahrens für den Fall, daß "sich die juristischen oder tatsächlichen Umstände, die der vorstehenden Beurteilung zugrunde liegen, wesentlich ändern".

107 Unter diesen Umständen sei sie in Randnummer 149 ihrer Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, daß Anlaß bestanden habe, das Verfahren wiederaufzunehmen, da die Sachverhaltsdarstellung in der Anmeldung unvollständig gewesen sei, denn sie sei weder auf die Existenz der Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Ausschließlichkeitsvereinbarungen innerhalb der Fachsparte "Eiskrem" noch auf die Bedeutung und den Umfang der Zweckbindungen der im Lebensmittelhandel aufgestellten Kühltruhen hingewiesen worden, die es ihr ermöglicht hätten, weitere Marktzutrittsschranken zu erkennen.

108 In Randnummer 150 ihrer Entscheidung führt die Kommission weiter aus, der Markteintritt von Mars und Jacobs Suchard sei ein neuer tatsächlicher Umstand, der die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertige, da gerade die von Mars gemachten Erfahrungen die Geschlossenheit des Marktes gezeigt und somit zu einer Überprüfung Anlaß gegeben hätten.

109 Im übrigen sei sie aufgrund der Verfahrensgarantien der Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 und 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) gehalten, alle ihr von Beschwerdeführern vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufmerksam zu prüfen (Urteil des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223). Die Klägerin mache daher zu Unrecht geltend, daß die Beschwerde von Mars im Hinblick auf das Verwaltungsschreiben hätte zurückgewiesen werden müssen.

Würdigung durch das Gericht

110 Nach der Rechtsprechung stellt ein Verwaltungsschreiben, wie es an die Klägerin gerichtet wurde, nachdem diese 1985 ihre Liefervereinbarungen angemeldet hatte, weder ein Negativattest noch eine Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages im Sinne der Artikel 2 und 6 der Verordnung Nr. 17 dar, da das Verwaltungsschreiben nicht gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung erlassen wurde (Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in den Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis 3/79, Giry und Guerlain u. a., Slg. 1980, 2327, in der Rechtssache 99/79, Lancôme und Cosparfrance, Slg. 1980, 2511, und in der Rechtssache 37/79, Marty, Slg. 1980, 2481, und vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80, L' Oréal, Slg. 1980, 3775). In den genannten Rechtssachen hat der Gerichtshof darauf abgestellt, daß die fraglichen Verwaltungsschreiben abgesandt worden waren, ohne daß die Veröffentlichungsvorschriften des Artikels 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 beachtet worden waren, und daß sie auch nicht nach Artikel 21 Absatz 1 dieser Verordnung veröffentlicht worden waren.

111 Es handelt sich um ein Schreiben, mit dem der Klägerin die Auffassung der Kommission mitgeteilt wurde, daß für sie kein Anlaß bestehe, gegen die fraglichen Verträge einzuschreiten, da diese Verträge nach den konkreten Umständen mit den Wettbewerbsvorschriften des Vertrages vereinbar seien, und daß das Verfahren daher eingestellt werden könne. Die Tatsache, daß die Kommission die Erteilung dieses Verwaltungsschreibens in ihrem Fünfzehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik von 1985 unter Hinzufügung einiger Kommentare erwähnt hat, ändert nichts an seiner Rechtsnatur.

112 Schließlich ergibt sich aus dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung, daß sie seinerzeit nur eine vorläufige Untersuchung der Marktbedingungen vornahm, die sich im wesentlichen auf die von der Klägerin gelieferten Informationen stützte; dies gilt auch für die Angaben, die zur damals für maßgeblich erachteten Marktabgrenzung und zur Berechnung des Bindungsgrads führten. In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission in ihrem Verwaltungsschreiben im übrigen vorbehalten, das Verfahren wiederaufzunehmen, falls sich die ihrer Beurteilung zugrunde liegenden rechtlichen oder tatsächlichen Umstände wesentlich ändern. Ein solcher Vorbehalt entspricht auch der Verwaltungspraxis der Kommission in diesem Bereich.

113 Hinsichtlich der Frage, ob seit der Erteilung des Verwaltungsschreibens wesentliche tatsächliche Änderungen eingetreten sind, ist den Akten erstens zu entnehmen, daß danach zwei neue Wettbewerber, Mars und Jacobs Suchard, auf dem Markt aufgetreten sind. Ausserdem steht fest, daß es sich bei der Streithelferin Mars um einen besonderen Wettbewerber handelt, der nur eine begrenzte Produktpalette anbietet und eine andere Absatzstrategie verfolgt als seine Hauptkonkurrenten. Zweitens hat die Kommission nach der Einlegung der Beschwerde durch Mars erfahren, daß insbesondere im Lebensmittelhandel zusätzliche Marktzutrittsschranken bestehen, und zwar in bezug auf die Klägerin durch die den Einzelhändlern von ihr auferlegte Verpflichtung, die ihnen von der Klägerin zur Verfügung gestellten Kühltruhen ausschließlich für deren Produkte zu verwenden.

114 Bei diesen Tatsachen handelte es sich um neue Umstände, die insbesondere im Hinblick auf die konkreten Probleme, auf die die Streithelferin gestossen war, eine eingehendere und genauere Untersuchung der Bedingungen für den Marktzutritt rechtfertigten, als sie bei der Erteilung des Verwaltungsschreibens vorgenommen worden war. Dieses Schreiben hinderte die Kommission folglich nicht daran, das Verfahren wiederaufzunehmen, um im konkreten Fall die Vereinbarkeit der streitigen Liefervereinbarungen mit den Wettbewerbsregeln zu prüfen.

115 Diese Lösung steht darüber hinaus in Einklang mit der der Kommission in Anbetracht der Verfahrensgarantien in den Artikeln 3 der Verordnung Nr. 17 und 6 der Verordnung Nr. 99/63 obliegenden Verpflichtung, die ihr von einem Beschwerdeführer vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufmerksam daraufhin zu prüfen, ob sie ein Verhalten erkennen lassen, das geeignet ist, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Urteil Automec/Kommission, a. a. O., Randnr. 79).

116 Folglich ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Anmeldung der Klägerin unvollständig war.

Zweiter Teil des Klagegrundes: die Behauptung, für die streitigen Vereinbarungen komme eine Gruppenfreistellung in Betracht

Vorbringen der Parteien

117 Die Klägerin trägt hierzu vor, ihre Vereinbarungen seien entgegen der Meinung der Kommission nicht "für einen unbestimmten Zeitraum" im Sinne von Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 geschlossen.

118 Wenn ein Vertrag zunächst für einen bestimmten Zeitraum geschlossen und nach dessen Ablauf für einen bestimmten Zeitraum, nämlich ein Jahr, verlängert werde, sei seine Laufzeit nicht offen, sondern bestimmt. Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 schließe nicht aus, daß die für bestimmte Zeiträume geschlossenen Vereinbarungen jeweils für weitere Zeiträume erneuert würden. Darauf, ob die Verlängerung des Vertrages automatisch erfolge oder nur nach einer ausdrücklichen Erklärung des Wiederverkäufers, komme es nicht an, solange das Recht der Parteien ausser Frage stehe, den Vertrag nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums aufzulösen.

119 Die Kommission könne ihr nicht das Recht nehmen, sich auf die in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehene Gruppenfreistellung zu berufen, da sie den gemäß Artikel 14 der genannten Verordnung erfolgten Entzug dieser Freistellung nicht in den verfügenden Teil der Entscheidung aufgenommen habe.

120 Die Kommission trägt vor, wie sie in Randnummer 112 der Entscheidung ausgeführt habe, könne für die Liefervereinbarungen keine Gruppenfreistellung nach der Verordnung Nr. 1984/83 in Betracht kommen, da Vereinbarungen des Typs "Verträge mit fester Laufzeit von maximal zwei Jahren und anschließender automatischer Verlängerung" im Sinne von Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung "für einen unbestimmten Zeitraum" geschlossen seien. Ihre Beendigung hänge von einem ungewissen zukünftigen Ereignis ab, nämlich von der Initiative einer der Parteien. Eine solche Auslegung von Artikel 3 Buchstabe d stehe im übrigen in Einklang mit Nummer 39 ihrer Bekanntmachung vom 22. Juni 1983 zu den Verordnungen (EWG) Nr. 1983/83 und Nr. 1984/83 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen bzw. Alleinbezugsvereinbarungen (ABl. 1984, C 101, S. 2).

121 Die Klägerin könne sich jedenfalls deshalb nicht auf die Verordnung Nr. 1984/83 berufen, weil die Kommission die Gewährung einer Einzelfreistellung gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 17 abgelehnt habe. Dies ergebe sich schon aus dem Wesen der Gruppenfreistellung, da die Gruppenfreistellung nicht davon abhänge, ob die im Vertrag aufgestellten Voraussetzungen für die Freistellung in jedem einzelnen Fall tatsächlich erfuellt seien. Wenn nach einer konkreten Beurteilung der fraglichen Verträge im Hinblick auf die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen eine Einzelfreistellung versagt worden sei, so hindere dies die Klägerin folglich daran, sich auf eine Gruppenfreistellung zu berufen.

Würdigung durch das Gericht

122 Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob sich die Klägerin auf die in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehene Gruppenfreistellung berufen kann, solange die Kommission den Vorteil dieser Freistellung nicht gemäß Artikel 14 der Verordnung im verfügenden Teil der Entscheidung entzogen hat, genügt die Feststellung, daß die den Gegenstand der vorliegenden Klage bildenden Vereinbarungen jedenfalls im Sinne von Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen sind und daher für die dort vorgesehene Freistellung nicht in Betracht kommen.

123 Nach dem Wortlaut von Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 ist die in dieser Verordnung vorgesehene Gruppenfreistellung nämlich nicht anwendbar, wenn die fragliche Vereinbarung für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen wird. Dabei besteht in der Praxis kein Unterschied zwischen einem ausdrücklich für einen unbestimmten Zeitraum geschlossenen Vertrag, bei dem die Parteien die Möglichkeit haben, ihre vertraglichen Beziehungen zu beenden ° der Form, die durch Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 von der in dieser Verordnung vorgesehenen Gruppenfreistellung ausgeschlossen ist °, und einem Vertrag, der sich wie im vorliegenden Fall nach zwei Jahren stillschweigend verlängert, solange ihn nicht einer der Vertragspartner kündigt. In beiden Fällen sind die Vertragspartner nicht verpflichtet, sondern haben lediglich die Möglichkeit, wenn sie dies wollen, ihre Vertragsbeziehung zu überdenken und die anderen auf dem Markt bestehenden Möglichkeiten zu prüfen. Diese Prüfung, deren Vornahme durch Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 durchgesetzt werden soll, kann aber neuen Wettbewerbern den Zugang zu durch keine Verpflichtung gebundenen Einzelhändlern eröffnen. Hinzu kommt, wie die Kommission in Randnummer 113 der Entscheidung ausgeführt hat, als entscheidender Gesichtspunkt bei einer wettbewerbsrechtlichen Beurteilung dieser Verträge, daß die Laufzeit nicht feststeht, da sie von der Initiative einer der Vertragsparteien abhängt.

124 Folglich sind die Verträge, die stillschweigend verlängert werden und mehr als fünf Jahre laufen können, als für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen anzusehen und können daher nicht in den Genuß der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen. Der zweite Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

Dritter Teil des Klagegrundes: Erfuellen die Liefervereinbarungen die Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages?

Vorbringen der Parteien

125 Die Klägerin trägt vor, da die Liefervereinbarungen die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen erfuellten, müsse für sie eine Einzelfreistellung gewährt werden.

126 Sie macht zunächst geltend, daß die Liefervereinbarungen zu einer Verbesserung des Vertriebs von Speiseeis führten. Aufgrund dieser Vereinbarungen sei nämlich eine regelmässige flächendeckende Versorgung selbst der kleinen Verkaufsstätten möglich. Ohne die streitigen Vereinbarungen wäre sie aus Kostengründen gezwungen, die Belieferung von etwa 42 % ihrer Kunden einzustellen, da sie einen zu geringen Jahresumsatz hätten. Die Belieferung der kleinen Verkaufsstätten würde entgegen der Annahme der Kommission nicht von lokalen Herstellern oder Großhändlern übernommen. Für die Großhändler sei die regelmässige flächendeckende Versorgung der kleinen Verkaufsstätten kaum von Interesse, da sie Speiseeis nur als Begleitartikel zur Vervollständigung des Sortiments von Kunden verkauften, die auch andere Tiefkühlkost in grösserer Menge abnähmen.

127 Die Kommission trage im übrigen in der Entscheidung dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, daß zum Verkauf von Speiseeis eine Kühltruhe erforderlich sei. Wenn die Einzelhändler nicht in der Lage oder nicht bereit seien, sich solche Kühltruhen selbst zu beschaffen, könnten sie gegebenenfalls vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden, sofern dieser bei Belieferung der Verkaufsstätte mit bestimmten Mindestumsätzen rechnen könne. Dies setze voraus, daß die fragliche Verkaufsstätte durch einen Alleinbezugsvertrag gebunden sei. Die Bereitstellung von Kühltruhen für die Einzelhändler bewirke eine Öffnung des Marktes.

128 Darüber hinaus bestehe auf dem Markt, so wie die Kommission ihn abgegrenzt habe, ein Wettbewerbsdruck, der die Weitergabe der Vorteile an die Verbraucher sicherstelle, denn die Liefervereinbarungen führten nur zu einem Bindungsgrad von etwa 30 % und die Verpflichtungen selbst seien befristet. Ausserdem stuenden den Verbrauchern aufgrund des Vertriebssystems der Klägerin sowohl flächendeckend eine Vielzahl von Verkaufsstätten als auch in diesen Verkaufsstätten ein vollständiges Sortiment zur Verfügung. Ohne die streitigen Vereinbarungen müsste sich nämlich jeder Hersteller darauf beschränken, dem Einzelhandel nur die besonders stark nachgefragten Artikel anzubieten.

129 Schließlich führten die Ausschließlichkeitsverträge nicht zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages. Die Kommission stütze ihre Behauptung, daß die negative Voraussetzung von Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages schon dann erfuellt sei, wenn auf dem Markt kein wirksamer Wettbewerb bestehe, zu Unrecht auf das Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission (a. a. O.). Der Gesamtzusammenhang des Urteils zeige nämlich, daß diese Voraussetzung erst dann nicht mehr gegeben sei, wenn jede ernstzunehmende Wettbewerbsmöglichkeit praktisch ausgeschlossen sei; davon könne hier keine Rede sein.

130 Auf dem relevanten Markt bestehe jedenfalls ein "wirksamer Wettbewerb". Die Kommission habe bei ihrer Untersuchung fälschlich die völlig ungebundenen Verkaufsstätten im Lebensmittelhandel nicht hinreichend berücksichtigt, über die etwa 39 % des Gesamtvolumens des Marktes abgesetzt würden. Ausserdem deute ein Bindungsgrad von unter 30 % nicht auf einen "Ausschluß" des Wettbewerbs hin. Schließlich lasse allein die Tatsache, daß zwei Anbieter hohe Anteile an einem Markt oder Marktsegment hätten, keine Vermutung für fehlenden oder beschränkten Wettbewerb zu.

131 Die Kommission ist dagegen der Ansicht, daß die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung nicht vorgelegen hätten.

132 Die Liefervereinbarungen trügen nicht zur Verbesserung der Warenverteilung im Sinne von Artikel 85 Absatz 3 bei, denn sie brächten für die Allgemeinheit keine spürbaren objektiven Vorteile im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64 (Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322) mit sich, die geeignet wären, die mit ihnen verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen.

133 Angesichts der Marktstärke der Klägerin kämen die Vorteile, die mit Alleinbezugsvereinbarungen verbunden sein könnten, nämlich eine Stärkung des Inter-brand-Wettbewerbs, im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Der Wettbewerb auf dem Markt werde vielmehr durch die Existenz eines Netzes von Alleinbezugsvereinbarungen, das eine wichtige Marktzutrittsschranke darstelle, eingeschränkt; dadurch werde die Stellung der Klägerin gegenüber ihren Wettbewerbern erheblich gestärkt. Ausserdem wäre die regelmässige flächendeckende Versorgung der Verbraucher bei einem Wegfall der Ausschließlichkeitsvereinbarungen nicht gefährdet.

134 Aus dem Umstand, daß die Ausschließlichkeitsverträge zu einem gleichartigen und transparenten Vertriebssystem führen, lässt sich nach Ansicht der Kommission nicht folgern, daß die Verbraucher an dem durch die Vereinbarungen entstehenden Gewinn angemessen beteiligt werden. Die Unternehmen seien nämlich nicht gezwungen, den aus den Vereinbarungen resultierenden Gewinn weiterzugeben, da der Druck eines wirksamen Wettbewerbs fehle. Darüber hinaus beschränkten die Vereinbarungen die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher, die in den gebundenen Verkaufsstätten nur das Speiseeissortiment eines bestimmten Herstellers vorfänden.

135 Schließlich sei die negative Voraussetzung von Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages erfuellt, da auf dem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb bestehe. Im Lebensmittelhandel stelle die starke Stellung der Klägerin und von Langnese, die zusammen weit über zwei Drittel des in diesem Vertriebskanal erzielten Absatzvolumens realisierten, und die Konzentration der Nachfrage eine erhebliche Marktzutrittsschranke dar. Im traditionellen Handel werde der Marktzutritt weitgehend durch die kumulative Wirkung aller bestehenden Ausschließlichkeitsvereinbarungen verhindert. Etwa (...) % (mehr als 55 %) des Absatzvolumens im traditionellen Handel würden über Alleinbezugsvereinbarungen erzielt. Ausserdem führten auch die von der Klägerin und Langnese flächendeckend zur Verfügung gestellten Kühltruhen zu Wettbewerbsbeschränkungen.

136 Die Streithelferin Mars bezweifelt, daß der Abschluß von Ausschließlichkeitsverträgen und die Errichtung eines herstellereigenen Vertriebssystems für einen wirksamen und rationellen Vertrieb von industriell hergestelltem Speiseeis unabdingbar sei. Die genannten Vertriebssysteme stellten nämlich die absolute Ausnahme dar, denn die sogenannten "Impulsprodukte" würden im allgemeinen vom Hersteller an die Zentrallager des Großhandels geliefert, der dann die Nachfrage der einzelnen Verkaufsstätten bündele und die Ware ausliefere. Nach ihren Informationen habe die Klägerin nur in Deutschland, Dänemark und Italien Ausschließlichkeitsverträge mit den Verkaufsstätten geschlossen.

137 Die Behauptung der Klägerin, daß der Großhandel zur Belieferung des traditionellen Handels nicht bereit oder in der Lage sei, sei falsch. Daß die Großhändler nicht in der Lage seien, die für einen rationellen Vertrieb notwendige Anzahl von Verkaufsstätten zu beliefern, liege daran, daß sehr viele Verkaufsstätten an die streitigen Ausschließlichkeitsverträge gebunden seien.

138 Das von der Klägerin angewandte System schotte den hochprofitablen Markt für sogenanntes "Impulseis" gegen Newcomer nahezu vollständig ab. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes dürfe ein Unternehmen seine Marktposition aber nicht deshalb durch Ausschließlichkeitsverträge absichern, weil es einen Markt aufgebaut habe (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O.).

Würdigung durch das Gericht

139 Um beurteilen zu können, ob die Kommission berechtigt war, eine Einzelfreistellung zu versagen, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß eine Einzelfreistellung u. a. davon abhängt, daß die betreffende Vereinbarung die vier in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen kumulativ erfuellt, so daß sie schon dann zu versagen ist, wenn eine der vier Voraussetzungen nicht vorliegt (siehe z. B. Urteil des Gerichts vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-17/93, Matra Hachette/Kommission, Slg. 1994, II-595, Randnr. 104).

140 Die Kommission verfügt in diesem Bereich über ein weites Ermessen. Die ihr durch Artikel 9 der Verordnung Nr. 17 übertragene ausschließliche Zuständigkeit, eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages zu gewähren, ist notwendigerweise mit komplexen Wertungen wirtschaftlicher Art verbunden. Die gerichtliche Nachprüfung dieser Wertungen muß dem Rechnung tragen und sich deshalb auf die Richtigkeit der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen und deren Subsumtion unter die Begriffe des geltenden Rechts beschränken. Sie erstreckt sich somit in erster Linie auf die Begründung der Entscheidungen, aus der hervorgehen muß, auf welche Tatsachen und Erwägungen sich die genannten Beurteilungen stützen (Urteil Consten und Grundig/Kommission, a. a. O.). Anhand dieser Grundsätze aus der Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die Entscheidung auf unzutreffende Tatsachenfeststellungen gestützt oder mit Rechtsfehlern oder offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet ist (Urteil Matra Hachette/Kommission, a. a. O., Randnr. 104).

141 Ferner ergibt sich aus einer gefestigten Rechtsprechung, daß es im Fall eines Freistellungsbegehrens gemäß Artikel 85 Absatz 3 in erster Linie Sache der betroffenen Unternehmen ist, der Kommission Beweismaterial dafür vorzulegen, daß die Vereinbarung die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages aufgestellten Voraussetzungen erfuellt (siehe z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, und vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19).

142 Die erste der vier in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages aufgestellten Voraussetzungen lautet, daß diejenigen Vereinbarungen freigestellt werden können, die "zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen". Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann die Verbesserung nicht schon in jedem Vorteil gesehen werden, der sich aus der Vereinbarung für die Produktions- oder Vertriebstätigkeit der an ihr beteiligten Unternehmen ergibt. Die Verbesserung muß insbesondere spürbare objektive Vorteile mit sich bringen, die geeignet sind, die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen (Urteil Consten und Grundig/Kommission, a. a. O.).

143 Im vorliegenden Fall ist die Prüfung dieser ersten Voraussetzung Gegenstand der Randnummern 115 bis 121 der Entscheidung. Die Kommission führt aus, der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1984/83 sei zwar zu entnehmen, daß Alleinbezugsvereinbarungen im allgemeinen eine Verbesserung der Warenverteilung zur Folge hätten, indem sie es dem Lieferanten erlaubten, den Absatz seiner Waren genauer und für längere Zeit im voraus zu planen, und dadurch den Wiederverkäufern während der Vertragsdauer die regelmässige Befriedigung ihres Bedarfs sicherten. Aber auch wenn man annehme, daß die Klägerin die Belieferung bestimmter kleiner Verkaufsstätten aus Kostengründen einstellen müsste, falls sie gezwungen wäre, die Ausschließlichkeit der Belieferung dieser Verkaufsstätten aufzugeben, brächten die streitigen Verträge für die Allgemeinheit keine spürbaren und objektiven Vorteile mit sich, die geeignet wären, die mit ihnen verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen.

144 Zur Stützung dieser Behauptung hat die Kommission zum einen geltend gemacht, in Anbetracht der starken Stellung der Klägerin auf dem relevanten Markt hätten die streitigen Vereinbarungen entgegen der in der sechsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1984/83 ausgesprochenen Erwartung den Wettbewerb zwischen Erzeugnissen verschiedener Marken nicht verstärkt. Die Kommission ist in der Tat zu Recht davon ausgegangen, daß das fragliche Netz von Vereinbarungen eine wichtige Marktzutrittsschranke darstellt, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirkt.

145 Zum anderen ergibt sich aus Randnummer 120 der Entscheidung, daß die Belieferung der kleinen Verkaufsstätten, die die Klägerin möglicherweise aus Kostengründen einstellen müsste, nach Ansicht der Kommission entweder von anderen Lieferanten, z. B. von kleineren lokalen Speiseeisherstellern, oder von unabhängigen Zwischenhändlern, die verschiedene Sortimente vertreiben, übernommen würde. Die Kommission weist ausserdem darauf hin, daß die Klägerin, wie sie selbst eingeräumt habe, auch ganz kleine Verkaufsstätten mit einem Jahresumsatz von etwa 300 DM weiter beliefere, wenn sie günstig gelegen seien.

146 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Vertrieb der sogenannten "Impulsprodukte" durch herstellereigene Transportsysteme nach Angaben der Streithelferin Mars die absolute Ausnahme darstellt. Die Parteien sind sich auch darüber einig, daß Unternehmen des Unilever-Konzerns einschließlich Langnese nur in Deutschland, Dänemark und Italien Ausschließlichkeitsverträge mit den Verkaufsstätten geschlossen haben.

147 Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, daß sie aus Kostengründen gezwungen sein werde, die Belieferung einer Reihe kleiner Verkaufsstätten einzustellen, wenn sie die Alleinbezugsvereinbarungen aufgeben müsse; sie hat jedoch nichts vorgetragen, was den Schluß zuließe, daß dadurch die regelmässige flächendeckende Versorgung mit Kleineis gefährdet werden könnte und daß insbesondere die betreffenden kleinen Verkaufsstätten danach nicht ° als schlichte Folge des dann herrschenden freien Wettbewerbs ° durch andere Lieferanten oder durch Großhändler beliefert würden. Sie hat auch nicht in überzeugender Weise dargelegt, worin die besonderen Gegebenheiten in Deutschland bestehen, die zu der Notwendigkeit geführt haben sollen, ein herstellereigenes Vertriebssystem für Speiseeis zu schaffen. Die Klägerin hat daher nicht dargetan, daß die Auffassung der Kommission, daß die streitigen Vereinbarungen die erste in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannte Voraussetzung nicht erfuellten, auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruht. Das Gericht hält die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und ist der Ansicht, daß sich die von der Streithelferin vorgeschlagene Zeugenvernehmung zur Bereitschaft und zur Fähigkeit der Großhändler, die Einzelhändler im traditionellen Handel zu beliefern, oder zu den mit den Ausschließlichkeitsverträgen verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere zur Möglichkeit neuer Wettbewerber, im traditionellen Handel Fuß zu fassen und bekannt zu werden, erübrigt.

148 Da die streitigen Vereinbarungen die erste der in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen nicht erfuellen, ist der dritte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Kommission bei der Beurteilung der anderen in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen einen offenkundigen Fehler begangen hat, denn die Freistellung ist schon dann zu versagen, wenn eine der vier Voraussetzungen nicht vorliegt.

149 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages insgesamt zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 3 der Verordnung Nr. 17

Vorbringen der Parteien

150 Zur Stützung dieses Klagegrundes trägt die Klägerin zunächst vor, Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 gebe der Kommission nicht das Recht, sie zu verpflichten, den Wiederverkäufern, mit denen sie Ausschließlichkeitsvereinbarungen geschlossen habe, den Wortlaut der Artikel 1 und 2 der Entscheidung mitzuteilen. Es sei ihre Sache, wie sie der Entscheidung der Kommission, diese Vereinbarungen zu verbieten, nachkomme.

151 Zu Artikel 4 der Entscheidung trägt die Klägerin vor, die Kommission könne sie nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 nur verpflichten, eine "festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen". Für ein Verbot des Abschlusses neuer Vereinbarungen, die nach Ansicht der Kommission gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen und nicht die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen erfuellen würden, gebe es keine Rechtsgrundlage. Ebensowenig könne die Kommission den Abschluß neuer, nach der Verordnung Nr. 1984/83 freigestellter Vereinbarungen verbieten, ohne zuvor gemäß Artikel 14 der Verordnung den Vorteil dieser Freistellung zu entziehen.

152 Durch Artikel 4 der Entscheidung dürfe jedenfalls nicht der Abschluß neuer Alleinbezugsvereinbarungen verboten werden, die hinsichtlich der Laufzeit so geändert worden seien, daß sie auch unter Zugrundelegung des Standpunkts der Kommission zweifellos von der Verordnung Nr. 1984/83 erfasst würden.

153 Die Kommission hat in Randnummer 154 der Entscheidung ausgeführt, das der Klägerin in Artikel 4 der Entscheidung auferlegte Verbot, bis zum 31. Dezember 1997 neue Liefervereinbarungen der bestehenden, mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für unvereinbar erklärten Art zu schließen, sei dadurch gerechtfertigt, daß die "Abstellungsverfügung... jedoch ins Leere gehen [würde], wenn es SLG [der Klägerin] gestattet wäre, die derzeitigen 'Liefervereinbarungen' unmittelbar durch neue zu ersetzen".

154 Die Kommission widerspricht der Auffassung, daß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 keine tragfähige Rechtsgrundlage sei. Die ihr durch diesen Artikel eingeräumte Befugnis sei auf die wirksamste und den Umständen des Einzelfalls am ehesten angemessene Weise auszuüben (Beschluß des Gerichtshofes vom 17. Januar 1980 in der Rechtssache 792/79 R, Camera Care/Kommission, Slg. 1980, 119).

155 Diese Befugnis umfasse das Recht, den Unternehmen aufzugeben, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, um die Zuwiderhandlung abzustellen. Die dabei auferlegten jeweiligen Verpflichtungen bestimmten sich nach den Erfordernissen der Wiederherstellung der Legalität. Im übrigen ermächtige sie Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 zum Erlaß aller Maßnahmen, die sich als erforderlich für die Abstellung der Zuwiderhandlung erwiesen; dabei könne es sich sowohl um positive als auch um negative Maßnahmen handeln (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den sogenannten "Zellstoffsachen" C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307).

156 Das in Artikel 4 der Entscheidung enthaltene Verbot sei im vorliegenden Fall notwendig, um eine Umgehung des in Artikel 1 der Entscheidung ausgesprochenen Verbots zu verhindern. Die Klägerin könnte sich nämlich mit Hilfe der Verordnung Nr. 1984/83 jederzeit den Vorteil einer Gruppenfreistellung für neue Ausschließlichkeitsverträge verschaffen, wenn Artikel 4 der Entscheidung nicht ergangen wäre. Das Verbot sei akzessorisch und stelle lediglich sicher, daß es nicht zur unnötigen Wiederholung des mit der Versagung der Einzelfreistellung abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens komme. Artikel 4 der Entscheidung gehe nicht über das hinaus, was für die Wiederherstellung eines vertragskonformen Zustands erforderlich sei.

157 Schließlich werde in Artikel 3 der Entscheidung die notwendige Folge aus dem Verbot der Liefervereinbarungen gezogen. Die von der Klägerin vorzunehmende zusätzliche Mitteilung an ihre Vertragspartner mache den Verzicht erst praktikabel, indem sie die erforderliche Klarheit schaffe.

Würdigung durch das Gericht

158 Zunächst ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 bilde keine Rechtsgrundlage für den Erlaß von Artikel 3 der Entscheidung durch die Kommission, der die Klägerin "verpflichtet, den Wiederverkäufern, mit denen sie noch laufende Vereinbarungen der in Artikel 1 genannten Art geschlossen hat, innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der vorliegenden Entscheidung den Wortlaut der vorstehenden Artikel 1 und 2 unter Hinweis auf die Nichtigkeit der diesbezueglichen Vereinbarungen mitzuteilen". Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß es in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 heisst: "Stellt die Kommission... eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 oder 86 des Vertrages fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen." Dieser Artikel verleiht der Kommission auch die Befugnis, eine Mitteilung der in Artikel 3 der Entscheidung vorgeschriebenen Art zu verlangen, um eine wirksame Anwendung der Entscheidung sicherzustellen. Da es sich im übrigen um eine Bestimmung handelt, die der Verwaltungspraxis der Kommission in diesem Bereich entspricht, ist die Rüge der Klägerin, die sich auf die Gültigkeit von Artikel 3 der Entscheidung bezieht, zurückzuweisen.

159 Sodann ist zu der Frage, ob es für Artikel 4 der Entscheidung, durch den der Klägerin untersagt wird, Vereinbarungen der in Artikel 1 der Entscheidung als unvereinbar mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehenen Art abzuschließen, an einer Rechtsgrundlage fehlt, festzustellen, daß der in Randnummer 158 zitierte Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nur das Recht gibt, bestehende Ausschließlichkeitsverträge zu untersagen, die mit den Wettbewerbsregeln unvereinbar sind.

160 In bezug auf die Wiederherstellung eines Netzes von Alleinbezugsverträgen ergibt sich aus der Rechtsprechung zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1, daß die Alleinbezugsverträge eines Lieferanten, deren Beitrag zu einer kumulativen Wirkung unerheblich ist, selbst dann nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fallen, wenn die Prüfung der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Verträge und der übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände ergibt, daß der relevante Markt schwer zugänglich ist (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 23 und 24).

161 Folglich steht Artikel 85 Absatz 1 dem Abschluß von Alleinbezugsverträgen im allgemeinen nicht entgegen, sofern er nicht in erheblichem Maß zu einer Abschottung des Marktes beiträgt. In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, daß das Verbot jeden Abschlusses zukünftiger Verträge notwendig sei, um eine Umgehung des in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung ausgesprochenen Verbots der bestehenden Verträge mit Hilfe der Verordnung Nr. 1984/83 zu verhindern.

162 Die Verordnung Nr. 1984/83, ein allgemein anwendbarer normativer Akt, ermöglicht es den Unternehmen nämlich, für bestimmte Ausschließlichkeitsverträge, die grundsätzlich den in Artikel 85 Absatz 3 genannten Voraussetzungen entsprechen, in den Genuß einer Gruppenfreistellung zu gelangen. Entsprechend der Normenhierarchie ist die Kommission nicht berechtigt, durch eine Einzelfallentscheidung die Rechtswirkungen eines solchen normativen Aktes einzuschränken oder zu begrenzen, es sei denn, dieser enthielte dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 verleiht der Kommission zwar die Befugnis, den Vorteil der Anwendung dieser Verordnung zu entziehen, wenn sie in einem Einzelfall feststellt, daß eine freigestellte Vereinbarung gleichwohl Wirkungen hat, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind; er enthält jedoch keine Rechtsgrundlage, die den Entzug des Vorteils einer Gruppenfreistellung für zukünftige Vereinbarungen ermöglicht.

163 Darüber hinaus würde es gegen den ° zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehörenden ° Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen, wenn bestimmte Unternehmen für die Zukunft vom Vorteil einer Gruppenfreistellung ausgeschlossen würden, während andere Unternehmen ° wie im vorliegenden Fall die Streithelferin ° weiterhin Alleinbezugsvereinbarungen der durch die Entscheidung untersagten Art schließen könnten. Eine solche Untersagung wäre daher geeignet, entgegen den Zielen des Vertrages die wirtschaftliche Freiheit bestimmter Unternehmen zu beeinträchtigen und den Wettbewerb auf dem Markt zu verzerren.

164 Aus den genannten Gründen ist der geltend gemachte Klagegrund begründet. Artikel 4 der Entscheidung ist deshalb für nichtig zu erklären.

165 Nach alledem ist die Klage mit Ausnahme des auf die Nichtigerklärung von Artikel 4 der Entscheidung gerichteten Teils als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

166 Gemäß Artikel 87 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da die Klägerin im vorliegenden Fall mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten sämtliche Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung und der Kosten der Streithelferin mit Ausnahme eines Viertels aller der Beklagten entstandenen Kosten aufzuerlegen. Die Beklagte hat folglich ein Viertel ihrer eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Artikel 4 der Entscheidung 93/405/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag gegen Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG (Sachen IV/31.533 und IV/34.072) wird für nichtig erklärt.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Klägerin trägt sämtliche Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung und der Kosten der Streithelferin mit Ausnahme eines Viertels aller der Beklagten entstandenen Kosten.

4) Die Beklagte trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück