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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: T-9/99
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Entscheidung 1999/60/EG, EMRK


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 85 (jetzt EG Art. 81)
EG-Vertrag Art. 86
Entscheidung 1999/60/EG
EMRK Art. 6
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter können interne Unterlagen der Kommission den Klägern nur dann zugänglich gemacht werden, wenn sie ernsthafte Anhaltspunkte dafür geliefert haben, dass die außergewöhnlichen Umstände des konkreten Falles dies erfordern. Das gilt auch für den Bericht des Anhörungsbeauftragten, der als rein internes Schriftstück der Kommission, das für sie nur den Wert eines Gutachtens hat, nicht dem Zweck dient, neue Beschwerdepunkte zu formulieren oder neue Beweismittel gegen die in ein Verfahren gemäß Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) einbezogenen Unternehmen zu liefern, und deshalb kein entscheidender Faktor ist, den der Gemeinschaftsrichter bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hätte. Diese Beschränkung der Einsichtnahme in interne Unterlagen ist durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Funktionsfähigkeit des betreffenden Organs im Bereich der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages sicherzustellen. Daher ist ein die Vorlage des Berichts des Anhörungsbeauftragten betreffender Antrag auf Beweiserhebung zurückzuweisen, wenn die Kläger nicht dargetan haben, inwiefern zur Wahrung der Verteidigungsrechte ein Interesse an der Vorlage dieses Berichts bestehen könnte.

( vgl. Randnr. 40 )

2. Das den Unternehmen in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) u. a. auferlegte Verbot von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, richtet sich an wirtschaftliche Einheiten, die jeweils in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel bestehen, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird und die an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein kann.

Dabei braucht eine als Gruppe" eingestufte wirtschaftliche Einheit keine eigene Rechtspersönlichkeit zu besitzen. Im Rahmen des Wettbewerbsrechts ist unter dem Begriff des Unternehmens eine im Hinblick auf den jeweiligen Vertragsgegenstand bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird. Gibt es an der Spitze der Gruppe keine juristische Person, der als Verantwortlicher für die Koordinierung von deren Tätigkeit die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Gesellschaften der Gruppe zugerechnet werden können, so ist die Kommission berechtigt, diese Gesellschaften gemeinsam für sämtliche Handlungen der Gruppe haftbar zu machen, um zu verhindern, dass aufgrund der formellen Trennung dieser Gesellschaften, die sich aus ihrer gesonderten Rechtspersönlichkeit ergibt, ihr Verhalten auf dem Markt bei Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht als Einheit angesehen werden könnte.

( vgl. Randnrn. 54, 66 )

3. Grundsätzlich muss die natürliche oder juristische Person, die das fragliche Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft begangen wurde, für diese einstehen, auch wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergeht, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird, eine andere Person für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die für den Betrieb des Unternehmens verantwortlichen juristischen Personen nach der Begehung der Zuwiderhandlung aufgehört hätten, rechtlich zu existieren. Es trifft jedoch zu, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln unter bestimmten Umständen dem wirtschaftlichen Nachfolger einer juristischen Person, die sie begangen hat, auch dann zugerechnet werden kann, wenn diese Person zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, in der diese Zuwiderhandlung festgestellt wird, nicht zu existieren aufgehört hat, damit die praktische Wirksamkeit dieser Regeln nicht durch Änderungen insbesondere an der Rechtsform der betreffenden Unternehmen in Frage gestellt wird.

Die Kommission begeht einen Rechtsfehler, wenn sie für die Geldbuße, die gegen eine Gruppe von Gesellschaften festgesetzt wurde, ein Unternehmen gesamtschuldnerisch haftbar macht, das zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung noch nicht existierte, während die an dieser Zuwiderhandlung beteiligten natürlichen oder juristischen Personen ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in vollem Umfang fortsetzten und nicht erwiesen ist, dass es Machenschaften speziell mit dem Ziel gab, der verhängten Sanktion zu entgehen.

( vgl. Randnrn. 103-104, 106-108 )

4. Bei einer komplexen Zuwiderhandlung, an der mehrere Hersteller über mehrere Jahre beteiligt waren und deren Ziel die gemeinsame Regulierung des Marktes war, kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie die Zuwiderhandlung für jedes Unternehmen zu den einzelnen Zeitpunkten entweder als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, da jedenfalls beide Formen der Zuwiderhandlung von Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) umfasst werden. Die Kommission ist daher berechtigt, eine solche einheitliche Zuwiderhandlung als Vereinbarung und abgestimmte Verhaltensweise" oder als Vereinbarung und/oder" abgestimmte Verhaltensweise zu qualifizieren, wenn diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufweist, die als Vereinbarung anzusehen sind, als auch Einzelakte, die als abgestimmte Verhaltensweise einzustufen sind. Es wäre gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen.

In einem solchen Fall ist die doppelte Qualifizierung nicht so zu verstehen, dass für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, dass er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt; sie bezieht sich vielmehr auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarung und andere als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) anzusehen sind, der ja für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Qualifizierung vorschreibt.

( vgl. Randnrn. 186-187 )

5. Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dies ist der Fall, wenn zwischen mehreren Unternehmen ein Gentlemen's Agreement besteht, das einen derartigen gemeinsamen Willen getreu zum Ausdruck bringt und eine Beschränkung des Wettbewerbs zum Gegenstand hat. Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob sich die Unternehmen für - rechtlich, tatsächlich oder moralisch - verpflichtet hielten, sich absprachegemäß zu verhalten.

Aus der in Artikel 85 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 2 EG) vorgesehenen Sanktion der Nichtigkeit, die für die Fälle gilt, in denen eine tatsächliche rechtliche Verpflichtung besteht, kann kein gegenteiliger Schluss gezogen werden. Die Tatsache, dass diese Sanktion ihrem Wesen nach nur auf Vereinbarungen mit zwingendem Charakter Anwendung finden kann, bedeutet nicht, dass Vereinbarungen, die keinen solchen Charakter haben, von dem in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag aufgestellten Verbot ausgenommen werden müssen.

( vgl. Randnrn. 199-201 )

6. Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise setzt, wie sich schon aus dem Wortlaut von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) ergibt, über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraus. Vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises besteht die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen.

( vgl. Randnrn. 213, 216 )

7. Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teil und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, so kann der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat. Insoweit spielt es keine Rolle, ob sich das fragliche Unternehmen mit anderen Unternehmen zusammenschließt, die eine marktbeherrschende oder zumindest eine starke wirtschaftliche Stellung auf dem Markt haben. Ein Unternehmen, das an Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand teilnimmt, hat, auch wenn es dies unter dem Zwang anderer Teilnehmer mit größerer Wirtschaftsmacht tut, stets die Möglichkeit, bei der Kommission Beschwerde einzulegen, um die fraglichen wettbewerbswidrigen Handlungen zur Anzeige zu bringen, statt weiter an den Treffen teilzunehmen.

( vgl. Randnrn. 223-224, 226 )

8. Ein Unternehmen, das sich an einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch eigene Handlungen beteiligt, die unter den Begriff der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise mit wettbewerbswidrigem Zweck im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) fallen und die zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt sind, kann für die ganze Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legten, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann sowie bereit ist, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. Eine solche Schlussfolgerung läuft nicht dem Prinzip zuwider, wonach die Verantwortlichkeit für solche Zuwiderhandlungen von persönlicher Art ist, und mit ihr wird nicht unter Verletzung der Beweisregeln die Einzeluntersuchung der belastenden Beweise vernachlässigt oder gegen die Verteidigungsrechte der beteiligten Unternehmen verstoßen.

( vgl. Randnr. 231 )

9. Im Rahmen von Verfahren zur Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft sind die Anhänge der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die nicht von der Kommission stammen, keine Schriftstücke" im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, sondern sind als Beweisstücke anzusehen, auf die sich die Kommission stützt und die daher dem Empfänger der Entscheidung so, wie sie sind, zu übermitteln sind, damit dieser ihre Auslegung durch die Kommission, auf die sie sowohl ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch ihre Entscheidung gestützt hat, in Erfahrung bringen kann. Folglich verstößt die Kommission nicht gegen das Anhörungsrecht der betroffenen Unternehmen, wenn sie diese Anhänge in ihrer Originalsprache übermittelt.

Das Gleiche gilt für die Unterlagen, die andere Unternehmen ihren Antworten auf Auskunftsverlangen der Kommission beigefügt hatten; daraus kann kein Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit abgeleitet werden, denn die Originalfassung dieser Unterlagen stellt sowohl für die Kommission als auch für die betroffenen Unternehmen den allein maßgebenden Beweis dar.

( vgl. Randnrn. 327, 329-330 )

10. Die nach Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 im Rahmen des Verfahrens zur Anwendung der Wettbewerbsregeln bestehende Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses ist gegenüber Dritten, die gemäß Artikel 19 Absatz 2 dieser Verordnung zu hören sind, insbesondere also gegenüber Beschwerdeführern, eingeschränkt. An sie kann die Kommission bestimmte unter das Berufsgeheimnis fallende Auskünfte weiterleiten, soweit dies für den ordnungsgemäßen Ablauf der Untersuchung erforderlich ist. Diese Einschränkung gilt allerdings nicht für alle Unterlagen, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen. Artikel 21 der Verordnung Nr. 17, der die Veröffentlichung bestimmter Entscheidungen regelt, verpflichtet die Kommission, den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung zu tragen. Diese Bestimmungen beziehen sich zwar auf Sonderfälle, müssen jedoch als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes aufgefasst werden, der auf das gesamte Verwaltungsverfahren Anwendung findet.

( vgl. Randnr. 364 )

11. Selbst wenn man unterstellt, dass Dienststellen der Kommission unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses für das Durchsickern vertraulicher Informationen verantwortlich waren, die in einem wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft eingeleiteten Verwaltungsverfahren verwendet wurden, so hätte dies jedenfalls keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, sofern nicht erwiesen ist, dass die Entscheidung tatsächlich nicht erlassen worden wäre oder einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn es die fraglichen Vorkommnisse nicht gegeben hätte.

( vgl. Randnr. 370 )

12. Auch wenn die Kommission kein Gericht im Sinne des Artikels 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist und die von ihr verhängten Geldbußen nicht strafrechtlicher Art sind, muss sie im Verwaltungsverfahren die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten.

Die Tatsache, dass die Kommission nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft nicht verpflichtet ist, Entlastungszeugen vorzuladen, deren Anhörung beantragt wird, sondern einen angemessenen Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber hat, ob eine Anhörung dieser Personen möglicherweise von Interesse ist, verstößt nicht gegen die genannten Grundsätze. Die Kommission kann zwar natürliche oder juristische Personen anhören, wenn sie dies für erforderlich hält, ist aber auch bei Belastungszeugen nicht berechtigt, sie ohne ihr Einverständnis vorzuladen.

( vgl. Randnrn. 383, 391-392 )

13. Weder die Verordnung Nr. 99/63 noch der Beschluss 94/810 über das Mandat des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren vor der Kommission stehen dem entgegen, dass der Anhörungsbeauftragte dem Generaldirektor für Wettbewerb den in Artikel 8 des Beschlusses 94/810 vorgesehenen Bericht vorlegt, bevor das Protokoll der Anhörung im Einklang mit Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 und Artikel 7 Absatz 4 des Beschlusses 94/810 von jeder gehörten Person genehmigt wurde. Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 soll den angehörten Personen die Gewähr bieten, dass das Protokoll mit ihren wesentlichen Erklärungen übereinstimmt. Das Protokoll wird den Parteien folglich zur Genehmigung vorgelegt, damit sie die in der Anhörung abgegebenen Erklärungen überprüfen können, und nicht zu dem Zweck, neue Gesichtspunkte vorzubringen, die der Anhörungsbeauftragte berücksichtigen müsste.

( vgl. Randnrn. 407-408 )

14. Der Umstand, dass dem Beratenden Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen und der Kommission eine vorläufige Anhörungsniederschrift vorgelegen hat, kann nur dann einen Fehler des Verwaltungsverfahrens darstellen, der die Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn diese Niederschrift in einer ihre Adressaten in einem wesentlichen Punkt irreführenden Weise verfasst wäre.

( vgl. Randnr. 410 )

15. Der Umstand, dass mehrere Unternehmen gesamtschuldnerisch für eine Geldbuße haftbar gemacht werden, bedeutet hinsichtlich der Anwendung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Obergrenze von 10 % des Umsatzes nicht, dass die Geldbuße für die gesamtschuldnerisch haftenden Unternehmen auf 10 % ihres jeweiligen Umsatzes im letzten Geschäftsjahr beschränkt wäre. Die in dieser Bestimmung festgelegte Obergrenze von 10 % des Umsatzes ist anhand des gesamten Umsatzes aller Gesellschaften zu ermitteln, aus denen die als Unternehmen" im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) auftretende wirtschaftliche Einheit besteht. So kann im Fall eines Unternehmens", das aus einer als wirtschaftliche Einheit auftretenden Gruppe von Gesellschaften besteht, nur der Gesamtumsatz aller zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften die Größe und die Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens widerspiegeln. Innerhalb der durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenze kann die Kommission daher den Umsatz, den sie hinsichtlich des geografischen Gebietes und der betroffenen Produkte als Bemessungsgrundlage für die Geldbuße heranziehen will, frei wählen.

( vgl. Randnrn. 528-529, 541 )

16. Wenn die Kommission den in nationaler Währung ausgedrückten Umsatz eines bestimmten Referenzjahrs als Grundlage für eine wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festgesetzte Geldbuße gewählt hat, ist sie berechtigt, diesen Umsatz zum mittleren Wechselkurs des Referenzjahrs und nicht zu dem Wechselkurs, der am Tag des Erlasses der Entscheidung galt, in Ecu umzurechnen.

( vgl. Randnr. 543 )

17. Die Verordnung Nr. 17 verpflichtet ein Unternehmen, auf das sich eine Untersuchungsmaßnahme bezieht, zur aktiven Mitwirkung, aufgrund deren es alle den Gegenstand der Untersuchung betreffenden Informationen für die Kommission bereithalten muss. Es steht den Unternehmen zwar frei, auf Fragen, die ihnen gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 gestellt werden, zu antworten oder nicht; aus der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b erste Alternative dieser Verordnung vorgesehenen Sanktion ergibt sich jedoch, dass Unternehmen, die sich zur Beantwortung bereit erklärt haben, zutreffende Auskünfte geben müssen.

( vgl. Randnr. 561 )

18. Die Kommission ist nicht verpflichtet, bei der Bemessung einer wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festzusetzenden Geldbuße die schlechte Finanzlage des betroffenen Unternehmens als mildernden Umstand zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

( vgl. Randnrn. 596-597 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 20. März 2002. - HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG und andere gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Kartell - Fernwärmerohre - Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) - Boykott - Geldbuße - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Einrede der Rechtswidrigkeit - Rückwirkungsverbot - Verteidigungsrechte - Mitteilung über Zusammenarbeit. - Rechtssache T-9/99.

Parteien:

In der Rechtssache T-9/99

HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG mit Sitz in Rosenheim (Deutschland),

HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH, Verwaltungsgesellschaft, mit Sitz in Rosenheim,

Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH mit Sitz in Rosenheim,

Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH mit Sitz in Hohenberg (Österreich),

Isoplus Fernwärmetechnik GmbH mit Sitz in Sondershausen (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Krömer und F. Nusterer, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Mölls und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), hilfsweise wegen Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbuße,

erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten P. Mengozzi sowie der Richterin V. Tiili und des Richters R. M. Moura Ramos,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerinnen sind Gesellschaften deutschen und österreichischen Rechts, die in der Fernwärmebranche tätig sind; sie werden von der Kommission der "Gruppe Henss/Isoplus" zugeordnet.

2 Bei den Fernwärmesystemen wird das an einem zentralen Ort erwärmte Heizwasser durch im Erdboden verlegte Rohrleitungen auf die zu heizenden Gebäude verteilt. Da die Temperatur des Heizwassers (bzw. des Wasserdampfes) sehr hoch ist, müssen die Rohrleitungen zur effizienten und sicheren Verteilung gedämmt sein. Die verwendeten vorgedämmten Rohre bestehen in der Regel aus einem Stahlrohr, das von einem Kunststoffrohr umgeben ist, wobei der Zwischenraum zwischen beiden mit einer Schaumstoffdämmung ausgefuellt ist.

3 Fernwärmerohre sind Gegenstand eines umfangreichen Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Die größten Inlandsmärkte der Europäischen Union sind Deutschland mit 40 % des Gesamtverbrauchs in der Gemeinschaft und Dänemark mit 20 %. Mit 50 % der Fertigungskapazität in der Europäischen Union ist Dänemark deren Haupterzeugerland, das alle Mitgliedstaaten beliefert, in denen Fernwärmesysteme genutzt werden.

4 Mit einer Beschwerde vom 18. Januar 1995 teilte das schwedische Unternehmen Powerpipe AB der Kommission mit, dass die übrigen Hersteller und Anbieter von Fernwärmerohren ein Kartell gebildet hätten, mit dem sie den europäischen Markt unter sich aufgeteilt hätten, und dass sie aufeinander abgestimmte Maßnahmen ergriffen hätten, um das Geschäft der Beschwerdeführerin zu schädigen, ihre Aktivitäten auf den schwedischen Markt zu beschränken und/oder sie ganz aus dem Geschäft zu drängen.

5 Am 28. Juni 1995 führten Kommissionsbeamte und Vertreter der Wettbewerbsbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer Entscheidung der Kommission vom 12. Juni 1995 gleichzeitig und unangekündigt Nachprüfungen bei zehn Unternehmen und Unternehmensvereinigungen der Fernwärmebranche durch, zu denen auch einige Betriebe der Klägerinnen gehörten.

6 Anschließend richtete die Kommission an die meisten vom streitgegenständlichen Sachverhalt betroffenen Unternehmen Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

7 Am 20. März 1997 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an einige Klägerinnen und die anderen betroffenen Unternehmen. Eine Anhörung dieser Unternehmen fand sodann am 24. und 25. November 1997 statt.

8 Am 21. Oktober 1998 erließ die Kommission die Entscheidung 1999/60/EG in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch Entscheidung vom 6. November 1998 berichtigt wurde (C[1998] 3415 endg.) (im Folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung); darin stellte sie fest, dass verschiedene Unternehmen, darunter einige der Klägerinnen, an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) mitgewirkt hätten (im Folgenden: Kartell).

9 In der Entscheidung wird ausgeführt, dass sich die vier dänischen Hersteller von Fernwärmerohren Ende 1990 auf die Grundsätze für eine allgemeine Zusammenarbeit auf ihrem Inlandsmarkt geeinigt hätten. An dieser Vereinbarung hätten die dänische Tochtergesellschaft des schwedisch-schweizerischen Industriekonzerns ABB Asea Brown Boveri Ltd, ABB IC Møller A/S (im Folgenden: ABB), die auch unter dem Namen Starpipe bekannte Dansk Rørindustri A/S (im Folgenden: Dansk Rørindustri), die Løgstør Rør A/S (im Folgenden: Løgstør) und die Tarco Energi A/S (im Folgenden: Tarco) teilgenommen (im Folgenden gemeinsam: dänische Hersteller). Eine der ersten Maßnahmen sei die Koordinierung einer Preiserhöhung sowohl auf dem dänischen Markt als auch auf den Auslandsmärkten gewesen. Zur Aufteilung des dänischen Marktes seien Quoten vereinbart und sodann von einer aus den Verkaufsleitern der betreffenden Unternehmen bestehenden "Kontaktgruppe" angewandt und überwacht worden. Bei jedem geschäftlichen Projekt (im Folgenden: Projekt) habe das Unternehmen, dem der Auftrag von der Kontaktgruppe zugeteilt worden sei, die anderen Beteiligten darüber informiert, zu welchem Preis es ein Angebot abzugeben gedenke, und diese hätten dann Angebote mit einem höheren Preis abgegeben, um den vom Kartell vorgesehenen Anbieter zu schützen.

10 Ab Herbst 1991 hätten auch zwei deutsche Hersteller - die Gruppe Henss/Isoplus und die Pan-Isovit GmbH (im Folgenden: Pan-Isovit) - an den regelmäßigen Treffen der dänischen Hersteller teilgenommen. Bei diesen Treffen hätten Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes stattgefunden, die im August 1993 zu Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten für jedes beteiligte Unternehmen geführt hätten.

11 Zwischen all diesen Herstellern seien 1994 Quoten für den gesamten europäischen Markt vereinbart worden. Dieses europaweite Kartell habe eine zweistufige Struktur gehabt. Der "Geschäftsführer-Klub", dem die Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer der am Kartell beteiligten Hersteller angehört hätten, habe die Quoten festgelegt, die jedem Unternehmen sowohl auf dem Gesamtmarkt als auch auf den einzelnen Inlandsmärkten - insbesondere Dänemark, Deutschland, Finnland, Italien, Niederlande, Österreich und Schweden - zugeteilt worden seien. Für bestimmte Inlandsmärkte seien "Kontaktgruppen" eingerichtet worden, die in der Regel aus den jeweiligen Verkaufsleitern bestanden hätten; diesen sei die Aufgabe übertragen worden, die Vereinbarungen durch Zuteilung einzelner Aufträge und durch Koordinierung der Angebote umzusetzen.

12 Zum deutschen Markt heißt es in der Entscheidung, nach einem Treffen der sechs größten europäischen Hersteller (ABB, Dansk Rørindustri, die Gruppe Henss/Isoplus, Løgstør, Pan-Isovit und Tarco) und der Brugg Rohrsysteme GmbH (im Folgenden: Brugg) am 18. August 1994 habe am 7. Oktober 1994 das erste Treffen der Kontaktgruppe für Deutschland stattgefunden. Die Treffen dieser Kontaktgruppe seien noch lange nach den Ende Juni 1995 vorgenommenen Nachprüfungen der Kommission fortgeführt worden, auch wenn sie von diesem Zeitpunkt an außerhalb der Europäischen Union, in Zürich, stattgefunden hätten. Die Treffen in Zürich seien bis zum 25. März 1996 fortgesetzt worden, d. h. bis einige Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem an eine Reihe dieser Unternehmen Auskunftsverlangen der Kommission gerichtet worden seien.

13 Als Bestandteil des Kartells wird in der Entscheidung u. a. die Vereinbarung und Durchführung aufeinander abgestimmter Maßnahmen genannt, um mit Powerpipe das einzige nicht am Kartell beteiligte Unternehmen von Bedeutung auszuschalten. Bestimmte Teilnehmer des Kartells hätten wichtige Mitarbeiter von Powerpipe abgeworben und Powerpipe klargemacht, dass sie sich vom deutschen Markt zurückziehen solle. Nachdem Powerpipe im März 1995 den Zuschlag für ein bedeutendes deutsches Projekt erhalten habe, habe in Düsseldorf ein Treffen stattgefunden, an dem die sechs genannten Hersteller und Brugg teilgenommen hätten. Bei diesem Treffen sei ein kollektiver Boykott der Kunden und Zulieferer von Powerpipe beschlossen worden, der anschließend durchgeführt worden sei.

14 Die Kommission legt in ihrer Entscheidung die Gründe dar, aus denen nicht nur die ausdrückliche Aufteilung der Marktanteile unter den dänischen Herstellern ab Ende 1990, sondern auch die Wettbewerbsverstöße ab Oktober 1991 insgesamt als eine verbotene "Vereinbarung" im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag betrachtet werden könnten. Das "dänische" und das "europaweite" Kartell seien nur Ausprägungen eines einzigen Kartells, das in Dänemark begonnen habe, dessen längerfristiges Ziel aber von Beginn an die Ausdehnung der Kontrolle der Teilnehmer auf den gesamten Markt gewesen sei. Die fortdauernde Vereinbarung zwischen den Herstellern habe eine merkliche Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten gehabt.

15 Aus diesen Gründen enthält die Entscheidung folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

ABB Asea Brown Boveri Ltd, Brugg Rohrsysteme GmbH, Dansk Rørindustri A/S, die Gruppe Henss/Isoplus, KE KELIT Kunststoffwerk Ges.mbH, Oy KWH Pipe AB, Løgstør Rør A/S, Pan-Isovit GmbH, Sigma Tecnologie Di Rivestimento S.r.l. und Tarco Energi A/S haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen, indem sie in der in der Begründung ausgeführten Weise und dem genannten Umfang an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor der vorisolierten Rohre mitgewirkt haben, die im November/Dezember 1990 von den vier dänischen Herstellern eingeleitet und anschließend auf andere nationale Märkte ausgeweitet wurden und Pan-Isovit sowie Henss/Isoplus einbezogen haben, und Ende 1994 aus einem umfassenden Kartell bestanden, das sich auf den gesamten Gemeinsamen Markt erstreckte.

Die Dauer der Zuwiderhandlungen war wie folgt:

...

- im Falle [der Gruppe] Henss/Isoplus zwischen Oktober 1991 bis [wenigstens März/April 1996]

...

Die wesentlichen Merkmale der Zuwiderhandlungen waren:

- Aufteilung der nationalen Märkte und schließlich des gesamten europäischen Marktes anhand von Quoten;

- Zuteilung von nationalen Märkten an einzelne Hersteller und Vorkehrungen für den Rückzug anderer Hersteller;

- Vereinbarung von Preisen für vorgedämmte Rohre und für einzelne Vorhaben;

- Zuteilung einzelner Vorhaben an ausgewählte Hersteller und Manipulierung der Ausschreibungsverfahren für diese Vorhaben, um zu gewährleisten, dass der vorgesehene Hersteller den Zuschlag erhält;

- Vereinbarung und Durchführung aufeinander abgestimmter Maßnahmen, um das Kartell vor dem Wettbewerb des einzigen großen Nichtmitglieds Powerpipe AB zu schützen, dessen Geschäft zu behindern und zu schädigen bzw. dieses Unternehmen aus dem Markt zu verdrängen.

...

Artikel 3

Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen folgende Geldbußen festgesetzt:

...

d) Henss/Isoplus-Gruppe eine Geldbuße von 4 950 000 ECU,

wofür die nachstehend aufgeführten Unternehmen gesamtschuldnerisch haften, nämlich

- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG;

- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH Verwaltungsgesellschaft;

- Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH (vormals Dipl.-Kfm. Walter Henss GmbH Rosenheim);

- Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Sondershausen;

- Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH - Stille Gesellschaft;

- Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH, Hohenberg,

...

Artikel 5

Diese Entscheidung ist gerichtet an:

...

d) die Gruppe Henss/Isoplus, vertreten durch:

- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG, Aisingerstraße 12, D-83026 Rosenheim;

- HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH Verwaltungsgesellschaft, Aisingerstraße 12, D-83026 Rosenheim.

- Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Aisingerstraße 12, D-83026 Rosenheim;

- Isoplus Fernwärmetechnik Ges.mbH, Furthoferstraße 1A, A-3192 Hohenberg;

- Isoplus Fernwärmetechnik Ges.mbH - Stille Gesellschaft, Furthoferstraße 1A, A-3192 Hohenberg;

- Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Glückaufstraße 34, D-99706 Sondershausen;

..."

16 Die Entscheidung wurde den Klägerinnen mit Schreiben vom 12. November 1998 zugestellt und ging bei ihnen am folgenden Tage ein.

Verfahren und Anträge der Parteien

17 Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 18. Januar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

18 Sieben der neun anderen für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogenen Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben (Rechtssachen T-15/99, T-16/99, T-17/99, T-21/99, T-23/99, T-28/99 und T-31/99).

19 Mit besonderem Schriftsatz, der am 10. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Artikel 3 Buchstabe d und 4 der angefochtenen Entscheidung und einen Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung dieser Bestimmungen gestellt (Rechtssache T-9/99 R). Mit Beschluss vom 9. Juli 1999 hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen (HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, II-2429). Das dagegen eingelegte Rechtsmittel ist durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P(R) (HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705) zurückgewiesen worden.

20 Das schriftliche Verfahren ist am 30. September 1999 abgeschlossen worden.

21 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert, schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind diesen Aufforderungen nachgekommen.

22 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 20. Oktober 2000 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

23 Die Klägerinnen beantragen,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, die Geldbuße herabzusetzen;

- die Beklagte zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

24 Die Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Beziehungen zwischen den Unternehmen, die der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet wurden

25 Zu den Unternehmen, die die Kommission der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet hat und die am vorliegenden Verfahren beteiligt sind, gehört die HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: HFB KG), eine am 15. Januar 1997 errichtete Kommanditgesellschaft deutschen Rechts. Ihr persönlich haftender Komplementär ist die HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH, Verwaltungsgesellschaft (im Folgenden: HFB GmbH), eine ebenfalls am 15. Januar 1997 errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Kommanditisten der HFB KG, die nur in Höhe ihrer Einlage haften, sind Herr und Frau Henss sowie Herr und Frau Papsdorf. Herr Henss ist Mehrheitskommanditist der HFB KG und hält auch die Anteilsmehrheit an der HFB GmbH.

26 Die Klägerin Isoplus Fernwärmetechnik Vertriebsgesellschaft mbH (im Folgenden: Isoplus Rosenheim), die vor dem 1. Januar 1997 als Dipl.-Kfm. Walter Henss GmbH (im Folgenden: Henss Rosenheim) firmierte, ist eine Gesellschaft deutschen Rechts. Nachdem die Geschäftsanteile von Herrn und Frau Henss an Isoplus Rosenheim und die Geschäftsanteile von Herrn und Frau Papsdorf an der Dipl.-Kfm. Walter Henss Fernwärmerohrleitungsbau GmbH, Berlin (im Folgenden: Henss Berlin), in die HFB KG eingebracht worden waren, hielt die HFB KG 100 % der Anteile an diesen beiden Unternehmen und nahm am 3. Dezember 1997 eine Verschmelzung von Henss Berlin mit Isoplus Rosenheim vor.

27 Die Isoplus Fernwärmetechnik Gesellschaft mbH, Hohenberg (im Folgenden: Isoplus Hohenberg), ist ein österreichisches Unternehmen, an dem Herr Henss über einen Treuhänder die Mehrheit der Geschäftsanteile hält.

28 Die Isoplus Fernwärmetechnik GmbH, Sondershausen (im Folgenden: Isoplus Sondershausen), ist ein deutsches Unternehmen, dessen Anteile nominell alle von Isoplus Hohenberg gehalten werden; diese hält sie in gewissem Umfang treuhänderisch für Dritte.

29 Isoplus Rosenheim ist auf dem Fernwärmemarkt hauptsächlich als Vertriebsgesellschaft tätig. Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen sind Produktionsunternehmen. Die HFB KG und die HFB GmbH treten nur als Beteiligungsgesellschaften auf.

30 Die Kommission hat die Unternehmen Isoplus Rosenheim, Henss Berlin, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in ihrer Entscheidung als faktischen Konzern "Henss/Isoplus" angesehen. Sie hat an diese vier Unternehmen die Mitteilung der Beschwerdepunkte gesandt, nachdem sie festgestellt hatte, dass sie alle mit Herrn Henss verbunden seien, der an den Treffen des Geschäftsführer-Clubs teilgenommen habe. Der Entscheidung zufolge hat die Kommission erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte von einem in das Handelsregister aufgenommenen "Einbringungsvertrag" vom 15. Januar 1997 erfahren, aus dem sich ergebe, dass die Eheleute Henss und Papsdorf ihre Beteiligungen in die HFB KG eingebracht hätten.

31 Durch diesen Einbringungsvertrag habe die Kommission erfahren, dass Herr Henss auch Eigentümer einer stillen Gesellschaft, der Isoplus Fernwärmetechnik Ges. mbH - Stille Gesellschaft (im Folgenden: Isoplus stille Gesellschaft), sei, deren Beteiligungen von einem Treuhänder gehalten worden seien.

32 In Bezug auf Isoplus Hohenberg habe die Kommission durch den Einbringungsvertrag erfahren, dass Herr Henss an dieser Gesellschaft über Treuhänder eine Beteiligung gehalten habe, obwohl die Rechtsberater der Klägerinnen dies im Verwaltungsverfahren in Abrede gestellt hätten. Im vorliegenden Verfahren ist zwischen den Parteien nicht mehr streitig, dass Herr Henss tatsächlich die Mehrheit des Stammkapitals von Isoplus Hohenberg hielt.

33 Bezüglich der Beteiligung von Isoplus Hohenberg an Isoplus Sondershausen habe die Kommission durch den Einbringungsvertrag erfahren, dass ein Drittel des Stammkapitals von Isoplus Sondershausen, das Isoplus Hohenberg als Treuhänder für Herrn und Frau Papsdorf gehalten habe, an die HFB KG abgetreten worden sei. Im vorliegenden Verfahren geben die Klägerinnen an, dass Isoplus Hohenberg ein weiteres Drittel des Stammkapitals von Isoplus Sondershausen treuhänderisch gehalten habe. Die Klägerinnen räumen ein, dass dies der Kommission im Verwaltungsverfahren nicht mitgeteilt worden sei.

Zum Antrag auf Beweiserhebung

34 Gemäß Artikel 68 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragen die Klägerinnen, Herrn Boysen, Herrn B. Hansen, Herrn N. Hansen, Herrn Hybschmann, Herrn Jespersen und Herrn Volandt als Zeugen zu vernehmen "zum Nachweis dafür, dass die Kläger[innen] bzw. die "Gruppe Henss/Isoplus" vor Oktober 1994 an einem rechtswidrigen Verhalten/Maßnahmen und dergleichen im Sinn des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag nicht beteiligt waren". Die Klägerinnen erklären sich insoweit bereit, einen Vorschuss zur Deckung der voraussichtlichen Kosten zu hinterlegen.

35 Ferner beantragen sie, der Kommission die Vorlage der gesamten Verfahrensakten einschließlich der Beilagen sowie des Berichts des Anhörungsbeauftragten in der vorliegenden Rechtssache aufzugeben.

36 Nach Artikel 68 § 1 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien nach Anhörung der Parteien und des Generalanwalts die Vernehmung von Zeugen über bestimmte Tatsachen anordnen. Nach Artikel 68 § 1 Absatz 3 hat die Partei in ihrem Antrag die Tatsachen zu bezeichnen, über die die Vernehmung stattfinden soll, und die Gründe anzugeben, die die Vernehmung rechtfertigen.

37 Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen zwar in ihren Schriftsätzen, insbesondere in den Nummern 20, 40, 50, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 94, 96, 125 und 142 der Klageschrift, bestimmte Personen genannt, die als Zeugen für die dort geschilderten Tatsachen auftreten können; die Namen der sechs Personen, deren Vernehmung durch das Gericht ausdrücklich beantragt wird, befinden sich jedoch nicht darunter. Für diese sechs Personen haben die Klägerinnen daher in keiner Weise die Tatsachen bezeichnet, über die die Zeugenvernehmung angeordnet werden soll.

38 Daher ist der Antrag auf Zeugenvernehmung zurückzuweisen, ohne dass die Zweckmäßigkeit der Anhörung der sechs genannten Personen geprüft zu werden braucht.

39 Zur Vorlage der Verfahrensakten ist festzustellen, dass die Kommission von sich aus mit Schreiben vom 26. Juli 1997 die Verwaltungsakten in allen fraglichen Rechtssachen übermittelt hat. Die Klägerinnen wurden darüber und über die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Akten bei der Kanzlei unterrichtet. Unter diesen Umständen hat sich der Antrag der Klägerinnen auf Vorlage der Akten erledigt.

40 Der Bericht des Anhörungsbeauftragten, dessen Vorlage die Klägerinnen beantragt haben, ist ein rein internes Schriftstück der Kommission, das für sie nur den Wert eines Gutachtens hat; er dient nicht dem Zweck, neue Beschwerdepunkte zu formulieren oder neue Beweismittel gegen die Unternehmen zu liefern, und ist deshalb kein entscheidender Faktor, den der Gemeinschaftsrichter bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hätte (Beschluss des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1986 in der Rechtssache 212/86 R, ICI/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 5 bis 8; Urteile des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnrn. 53 und 54, und vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-9/89, Hüls/Kommission, Slg. 1992, II-499, Randnrn. 86 und 87). Nach ständiger Rechtsprechung können interne Unterlagen der Kommission den Klägerinnen nur dann zugänglich gemacht werden, wenn sie ernsthafte Anhaltspunkte dafür geliefert haben, dass die außergewöhnlichen Umstände des konkreten Falles dies erfordern (Beschluss des Gerichtshofes vom 18. Juni 1986 in den Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1986, 1899, Randnr. 11; Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-35/92, Deere/Kommission, Slg. 1994, II-957, Randnr. 31; Beschluss des Gerichts vom 10. Dezember 1997 in den Rechtssachen T-134/94, T-136/94 bis T-138/94, T-141/94, T-145/94, T-147/94, T-148/94, T-151/94, T-156/94 und T-157/94, NMH Stahlwerke u. a./Kommission, Slg. 1997, II-2293, Randnr. 35). Diese Beschränkung der Einsichtnahme in interne Unterlagen ist durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Funktionsfähigkeit des betreffenden Organs im Bereich der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages sicherzustellen (Beschluss NMH Stahlwerke u. a./Kommission, Randnr. 36). Da die Klägerinnen nicht dargetan haben, inwiefern zur Wahrung der Verteidigungsrechte ein Interesse an der Vorlage des Berichts des Anhörungsbeauftragten bestehen könnte, ist ihr Antrag auch insoweit zurückzuweisen, als er die Vorlage dieses Berichts betrifft.

41 Aus diesen Gründen gibt das Gericht dem Beweiserhebungsantrag der Klägerinnen nicht statt.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

42 Die Klagegründe lassen sich nach ihrem Gegenstand gliedern: erstens Klagegründe in Bezug auf die Gruppe Henss/Isoplus, zweitens Klagegründe in Bezug auf die HFB KG und die HFB GmbH, drittens Klagegründe in Bezug auf die Isoplus stille Gesellschaft und viertens Klagegründe in Bezug auf alle Klägerinnen.

I - Klagegründe in Bezug auf die Gruppe Henss/Isoplus

43 Bezüglich der Gruppe Henss/Isoplus machen die Klägerinnen drei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens die falsche Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, zweitens eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften und drittens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht rügen.

A - Erster Klagegrund: Falsche Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag durch Zuordnung der Klägerinnen zur "Gruppe Henss/Isoplus"

1. Vorbringen der Parteien

44 Die Klägerinnen führen aus, die Kommission habe Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag falsch angewandt, da sie sie der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet habe, gegen die wegen Beteiligung an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen eine Geldbuße verhängt worden sei, für die alle Klägerinnen gesamtschuldnerisch hafteten.

45 Unternehmen im Sinne der Artikel 85 EG-Vertrag und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) könnten nur natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften sein, die so zu behandeln seien, als hätten sie eigene Rechtspersönlichkeit ("quasijuristische Personen"). Die von der Kommission angenommene Gruppe Henss/Isoplus besitze aber keine eigene Rechtspersönlichkeit oder Quasi-Rechtspersönlichkeit.

46 Mangels einer Mutter- oder Holdinggesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit könnten die Klägerinnen auch weder als Konzern im Sinne des Gesellschaftsrechts noch - wie die Kommission in den Randnummern 15 und 157 der Entscheidung annehme - als "faktischer Konzern" im Sinne rechtlich selbständiger Unternehmen angesehen werden, deren Verhalten ein anderes Unternehmen wirtschaftlich bestimmen könne.

47 Von den beiden Holdingunternehmen sei die HFB GmbH ausschließlich als Kommanditist der HFB KG tätig. Die HFB KG habe zwar zur Zeit des Erlasses der Entscheidung 100 % des Stammkapitals von Isoplus Rosenheim gehalten, besitze aber nur ein Drittel des Stammkapitals von Isoplus Sondershausen. Zudem sei die HFB KG entgegen den Ausführungen in Randnummer 159 der Entscheidung weder selbst noch über Treuhänder Gesellschafter von Isoplus Hohenberg oder stiller Gesellschafter im Rahmen einer solchen Gesellschaft mit Isoplus Hohenberg als "Geschäftsinhaberin" gewesen.

48 Die Kommission übersehe bei ihrer Behauptung, dass die der Gruppe Henss/Isoplus zugeordneten Unternehmen alle derselben einheitlichen Leitung durch Herrn Henss unterstanden hätten, dass Herr Henss zwar Mehrheitsgesellschafter von Henss Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim) und über Treuhandgesellschaften Mehrheitsgesellschafter von Isoplus Hohenberg gewesen sei, aber weder Gesellschafter von Henss Berlin noch von Isoplus Sondershausen. Herr Henss könne als Gesellschafter auch kein Unternehmen im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag sein.

49 Von einer Beherrschung von Isoplus Sondershausen durch Isoplus Hohenberg könne im Hinblick auf deren Treuhänderstellung nicht gesprochen werden. Isoplus Hohenberg habe bis zum 21. Oktober 1998 nur ein Drittel des Gesellschaftskapitals von Isoplus Sondershausen im eigenen Namen und ein weiteres Drittel als Treuhänder gehalten. Mit Rücksicht auf das Geschäftsgeheimnis hätten Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen die Kommission nicht von dieser Treuhänderstellung von Isoplus Hohenberg unterrichtet. Im Übrigen belieferten Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen teilweise dieselben Märkte, was bei einem Konzern in der Regel nicht der Fall sei.

50 Die Eigenschaft als "Konzern" könne auch nicht, wie die Kommission meine, aus der Erwähnung der "Fa. Henss GmbH, Isoplus-Gruppe" in einem Vermerk von Herrn Henss vom 21. April 1995 (Zusatzdokument Nr. 17 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) geschlossen werden, da es sich um eine Erklärung im Namen von Henss Rosenheim handele, in der das Komma vor dem Begriff "Isoplus- Gruppe" nur bedeute, dass das Unternehmen Henss Rosenheim zu der losen Gruppe gehört habe, zu der die anderen Kartellteilnehmer die Klägerinnen aufgrund der Handelsvertretungsverträge zwischen ihnen zusammengefasst hätten. Die Existenz eines Bevollmächtigten oder Sprechers einer solchen Gruppe mache diese noch nicht zu einem Konzern.

51 Im Übrigen enthalte die Entscheidung keine Gesichtspunkte, auf deren Grundlage die Klägerinnen ohne Vorliegen eines zumindest faktischen Konzerns wechselseitig für ihr jeweiliges wettbewerbswidriges Verhalten haften würden.

52 Die Beklagte trägt vor, der Begriff des Konzerns bezeichne die von den vier am Kartell beteiligten Gesellschaften Henss Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim), Henss Berlin, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen gebildete wirtschaftliche Einheit; diese Unternehmen hätten insbesondere hinsichtlich der Beteiligung am Kartell derselben einheitlichen Kontrolle unterlegen. Herr Henss sei Geschäftsführer von Henss Berlin und Henss Rosenheim gewesen und habe über direkte oder indirekte Beteiligungen die letztgenannte Gesellschaft sowie Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen beherrscht. Außerdem habe er auf den Treffen des Geschäftsführer-Clubs, bei denen die Unternehmen der Gruppe eine einheitliche Quote erhalten hätten, die Interessen jedes dieser Unternehmen gleichermaßen definiert und vertreten.

53 Da alle personellen, materiellen und immateriellen Faktoren, die formal den Unternehmen der Gruppe Henss/Isoplus zugeordnet gewesen seien, einer größeren Einheit angehört hätten, deren wirtschaftliche Zwecke einheitlich bestimmt worden seien, habe im Sinne des Wettbewerbsrechts ein einziges Unternehmen in Form eines "Konzerns" vorgelegen. Diese Schlussfolgerung werde nicht dadurch beeinträchtigt, dass diese Einheit nicht von einem Holdingunternehmen geleitet worden sei. Es komme ferner nicht darauf an, ob die leitende natürliche oder juristische Person auch im eigenen Namen unternehmerisch tätig sei.

2. Würdigung durch das Gericht

54 Das den Unternehmen in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag u. a. auferlegte Verbot von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, richtet sich an wirtschaftliche Einheiten, die jeweils in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel bestehen, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird und die an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein kann (Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-11/89, Shell/Kommission, Slg. 1992, II-757, Randnr. 311, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II-1989, Randnr. 87).

55 Im vorliegenden Fall wurden zur Zeit der Zuwiderhandlung die Gesellschaften Henss Berlin und Henss Rosenheim (im Folgenden auch: Henss-Gesellschaften) sowie die Gesellschaften Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen (im Folgenden auch: Isoplus-Gesellschaften) in der einen oder anderen Weise von Herrn Henss beherrscht.

56 Es ist unstreitig, dass Herr Henss stets 90 % der Geschäftsanteile von Henss Rosenheim hielt, wobei die übrigen Anteile von seiner Ehefrau gehalten wurden, und dass er der Geschäftsführer dieses Unternehmens war, bis es am 1. Januar 1997 in Isoplus Rosenheim umbenannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt traten Herr Henss und seine Ehefrau ihre Anteile an die HFB KG ab, deren Mehrheitsaktionär Herr Henss jedoch blieb und die als Muttergesellschaft von Isoplus Rosenheim fungiert und deren gesamtes Gesellschaftskapital hält.

57 In Bezug auf Henss Berlin ist unstreitig, dass Herr Henss bei ihrer Gründung im August 1990 90 % des Gesellschaftskapitals erwarb. Als am 1. Januar 1997 sämtliche Anteile an Henss Berlin auf die HFB KG übertragen wurden, befanden sie sich in den Händen von Herrn Papsdorf, dem Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim, und dessen Ehefrau. Auch wenn aus den Akten nicht hervorgeht, wann sie diese Anteile von Herrn Henss übernahmen, steht fest, dass Herr Henss ab Februar 1994 selbst Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim war. Zudem ist erwiesen, dass Henss Berlin schon im Dezember 1990 beim Abschluss eines Handelsvertretungsvertrags mit Isoplus Hohenberg durch Herrn Henss als "einzigen Geschäftsführer" vertreten wurde.

58 In Bezug auf Isoplus Hohenberg bestreiten die Klägerinnen in ihrer Klageschrift nicht mehr, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile zumindest ab Oktober 1991 über einen Treuhänder von Herrn Henss gehalten wurde.

59 Im Fall von Isoplus Sondershausen wurden sämtliche Geschäftsanteile nominell von Isoplus Hohenberg gehalten. Auch wenn diese nur ein Drittel der Anteile für eigene Rechnung hielt, steht fest, dass ein weiteres Drittel der Anteile für Rechnung von Herrn Papsdorf, dem damaligen Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim, und dessen Ehefrau gehalten wurde, die ihre Beteiligung durch den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 an die HFB KG abtraten.

60 Darüber hinaus vertrat Herr Henss bei den Treffen des Geschäftsführer-Clubs die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften. Aus den Notizen einiger Teilnehmer an den Gesprächen über die Aufteilung des deutschen Marktes geht hervor, dass Marktanteile für "Isoplus" (vgl. Anhänge 39, 40, 44, 45 und 49 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), für "Isoplus/Henss" (vgl. Anhänge 48 und 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) oder für "Isoplus" und "Henze" (vgl. Anhang 37 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) vorgesehen waren. Zudem heißt es in der Einladung, die ABB als Vorsitzende des Herstellerverbandes "European Heating Pipe Manufacturers Association" (EuHP) für das Treffen am 11. August 1992 versandte (Anhang 38 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), ausdrücklich, dass Herr Henss dort "Isoplus" vertrete. Schließlich steht fest, dass den Henss- und den Isoplus-Gesellschaften bei der Verteilung europaweiter Quoten durch das Kartell eine einzige Quote zugeteilt wurde.

61 Unter diesen Umständen hat die Kommission die Handlungen der Vertriebsgesellschaften Henss Berlin und Henss Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim) sowie der Produktionsunternehmen Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen im Rahmen des Kartells zu Recht als das Verhalten einer einzigen wirtschaftlichen Einheit unter einheitlicher Kontrolle angesehen, die dauerhaft einen gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck verfolgte.

62 Zudem wird das Vorliegen einer einzigen, gemeinsame Interessen verfolgenden wirtschaftlichen Einheit durch interne Unterlagen der fraglichen Gesellschaften bestätigt. So wird im Protokoll einer Beiratssitzung der Isoplus-Gesellschaften vom 3. Februar 1994 (Zusatzdokument Nr. 21 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) eine "Isoplus-Gruppe" erwähnt, deren Umsatz insbesondere von "Hohenberg" und "Sondershausen" zusammen mit "Henss" gebildet wurde. Ferner ergibt sich aus dem Vermerk von Herrn Henss vom 21. April 1995, dass er sich bereit erklärte, im Namen der "Fa. Henss GmbH, Isoplus-Gruppe" an einem Plan zur Übernahme von Powerpipe teilzunehmen (Zusatzdokument Nr. 17 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).

63 Im Übrigen kann dem Vorbringen der Klägerinnen, die Verbindung zwischen den Henss-Gesellschaften und den Isoplus-Gesellschaften sei damit zu erklären, dass Erstere die Handelsvertreter Letzterer seien, nicht gefolgt werden. Henss Rosenheim war im gesamten fraglichen Zeitraum auch als Handelsvertreter der deutschen Tochtergesellschaft von ABB, ABB Isolrohr GmbH (im Folgenden: ABB Isolrohr), tätig. In Anbetracht der Zuteilung einer einzigen europaweiten Quote für die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften und der Rolle, die Herr Henss sowohl als Vertreter aller dieser Gesellschaften bei den Geschäftsführer-Treffen als auch als deren Geschäftsführer oder Gesellschafter spielte, liegt es auf der Hand, dass die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften auf dem Markt gemeinsam als eine wirtschaftliche Einheit auftraten.

64 Zu der Tatsache, dass Herr Henss die Interessen von Henss Berlin ebenso vertrat wie die von Henss Rosenheim, ist noch darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf das Projekt in Leipzig-Lippendorf aus dem Protokoll eines Kartelltreffens am 10. Januar 1995, an dem Herr Henss teilnahm, hervorgeht (Anhang 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), dass beschlossen wurde, dieses Projekt ABB Isolrohr, Pan-Isovit und "Henz" zukommen zu lassen, ohne dass angegeben wird, ob es sich um Henss Berlin oder Henss Rosenheim handelte. Es ist unstreitig, dass das Angebot für dieses Projekt sodann von Henss Berlin und nicht von Henss Rosenheim abgegeben wurde, obwohl Herr Henss nominell nicht Anteilseigner des ersteren, wohl aber des letzteren Unternehmens war. Zudem sind in einer von ABB erstellten Projektliste vom 22. März 1995 die drei Unternehmen ABB, Pan-Isovit und "Isoplus" als Favoriten für das Projekt in Leipzig-Lippendorf aufgeführt (Anhang 71 der Mitteilung der Beschwerdepunkte); auch dies bestätigt, dass die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften der gleichen wirtschaftlichen Einheit zugerechnet wurden.

65 Dass Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen auf demselben Markt tätig waren, schließt ihre Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe nicht aus. Im Übrigen trat Isoplus Sondershausen im Verwaltungsverfahren vor der Kommission noch als 100%ige Tochtergesellschaft von Isoplus Hohenberg auf.

66 Entgegen der Behauptung der Klägerinnen braucht eine als "Gruppe" eingestufte wirtschaftliche Einheit keine eigene Rechtspersönlichkeit zu besitzen. Im Rahmen des Wettbewerbsrechts ist unter dem Begriff des Unternehmens eine im Hinblick auf den jeweiligen Vertragsgegenstand bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 170/83, Hydrotherm, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11). Gibt es an der Spitze der Gruppe keine juristische Person, der als Verantwortlicher für die Koordinierung von deren Tätigkeit die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Gesellschaften der Gruppe hätten zugerechnet werden können, so ist die Kommission berechtigt, diese Gesellschaften gemeinsam für sämtliche Handlungen der Gruppe haftbar zu machen, um zu verhindern, dass aufgrund der formellen Trennung dieser Gesellschaften, die sich aus ihrer gesonderten Rechtspersönlichkeit ergibt, ihr Verhalten auf dem Markt bei Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht als Einheit angesehen werden könnte (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 140).

67 Da die Kommission die Gruppe Henss/Isoplus als das Unternehmen angesehen hat, das die Zuwiderhandlung beging, für die die Gesellschaften der Gruppe zur Verantwortung gezogen werden, ist es im vorliegenden Fall unerheblich, ob Herr Henss persönlich als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag angesehen werden kann.

68 Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen.

B - Zweiter Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch die Nennung der Gruppe Henss/Isoplus im verfügenden Teil der Entscheidung

1. Vorbringen der Parteien

69 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe die insbesondere in der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen wesentlichen Formvorschriften dadurch verletzt, dass sie die "Gruppe Henss/Isoplus" als Adressaten der Entscheidung angegeben habe. Der Gruppe Henss/Isoplus komme mangels Rechtspersönlichkeit bzw. Quasi-Rechtspersönlichkeit keine Parteifähigkeit in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag in Verbindung mit der Verordnung Nr. 17 und insbesondere vor dem Gericht erster Instanz zu.

70 In Artikel 1 der Entscheidung führe die Kommission aus, dass die "Gruppe Henss/Isoplus" gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen habe. In Artikel 2 der Entscheidung heiße es dann, dass die in Artikel 1 genannten Unternehmen die beschriebene Zuwiderhandlung unverzüglich einzustellen hätten, falls dies noch nicht erfolgt sein sollte. In Artikel 3 der Entscheidung werde hinzugefügt: "Gegen die nachstehend angeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen folgende Geldbußen festgesetzt:... d) Henss/Isoplus-Gruppe eine Geldbuße von 4 950 000 ECU, wofür die nachstehend aufgeführten Unternehmen gesamtschuldnerisch haften..." Schließlich sei die Entscheidung nach Artikel 5 Buchstabe d an die "Gruppe Henss/Isoplus, vertreten durch...", gerichtet. Die Kommission habe somit verfahrensrechtlich die Gruppe Henss/Isoplus als Adressaten der Entscheidung angesehen und nicht die in Artikel 5 der Entscheidung genannten Unternehmen, die nur im Hinblick auf ihre gesamtschuldnerische Haftung für die Geldbuße der Henss/Isoplus-Gruppe aufgenommen worden seien.

71 Die vorliegende Klage könne nicht dahin verstanden werden, dass die Klägerinnen mit ihrer Erhebung anerkennen würden, dass die Entscheidung in diesem Punkt verständlich sei. Sie wollten damit vielmehr ihre eigenen Rechte und vorsorglich die Rechte der von der Kommission so genannten "Gruppe Henss/Isoplus" geltend machen. Ihre Anträge würden daher sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Gruppe Henss/Isoplus gestellt, unter dem die Kommission sie zusammengefasst habe.

72 Die Beklagte führt aus, die Adressaten der Entscheidung seien, soweit hier von Belang, die in Artikel 5 der Entscheidung eindeutig identifizierten Gesellschaften. Die Klägerinnen hätten die Entscheidung auch in diesem Sinne aufgefasst, da sie im eigenen Namen die Klageschrift eingereicht und sich selbst als Adressaten der Entscheidung bezeichnet hätten.

73 Bezüglich der Bezeichnung "Henss/Isoplus" oder "Gruppe Henss/Isoplus" in der Entscheidung müsse unterschieden werden zwischen der Frage, welches Unternehmen, gegebenenfalls in Form eines Konzerns, eine Zuwiderhandlung begangen habe, und der Frage, welche natürliche oder juristische Person als Träger von Rechten und Pflichten für einen derartigen Verstoß formal zur Verantwortung zu ziehen sei. Auch wenn die in Artikel 5 Buchstabe d der Entscheidung enthaltene Formulierung "Gruppe Henss/Isoplus, vertreten durch...", nicht besonders glücklich sei, könne ihr nicht entnommen werden, dass die Gruppe Henss/Isoplus als solche Schuldner der Geldbuße sei, da in dieser Bestimmung auf genau die Gesellschaften Bezug genommen werde, die in Artikel 3 Buchstabe d der Entscheidung als Gesamtschuldner der Geldbuße aufgeführt seien.

74 Schließlich sei die Entscheidung durch getrennte Schreiben den fünf Klägerinnen bekannt gegeben worden und nicht der "Gruppe Henss/Isoplus".

2. Würdigung durch das Gericht

75 Wie oben in Randnummer 66 festgestellt, ist die Kommission mangels einer juristischen Person an der Spitze der Gruppe Henss/Isoplus, der als Verantwortlicher für die Koordinierung von deren Tätigkeit die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Gesellschaften der Gruppe hätten zugerechnet werden können, berechtigt, diese Gesellschaften gemeinsam für sämtliche Handlungen der Gruppe haftbar zu machen.

76 Insoweit wird in Artikel 1 der Entscheidung die "Gruppe Henss/Isoplus" zu den Unternehmen gezählt, die die dort beschriebene Zuwiderhandlung begangen haben. In Artikel 2 der Entscheidung heißt es, dass die "in Artikel 1 genannten Unternehmen" die Zuwiderhandlung unverzüglich einzustellen hätten, falls dies noch nicht erfolgt sein sollte.

77 In den Artikeln 3 und 5 der Entscheidung hat die Kommission dann angegeben, welche juristischen Personen für die von der "Gruppe Henss/Isoplus" begangene Zuwiderhandlung einstehen müssen und deshalb gesamtschuldnerisch für die gegen diese Gruppe festgesetzte Geldbuße haften.

78 Da die Gruppe Henss/Isoplus keine Rechtspersönlichkeit besitzt, können die Artikel 3 und 5 der Entscheidung nur so verstanden werden, dass die Entscheidung an die Klägerinnen in ihrer Eigenschaft als Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus gerichtet wird. Aus der Nennung der Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus folgt, dass es dieser nicht an Rechtsschutz mangeln kann. Sie kann ihre Interessen nämlich gegebenenfalls über diese Gesellschaften verteidigen.

79 Im Übrigen steht außer Zweifel, dass die Klägerinnen als Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus die Adressaten der Entscheidung waren, da diese jeder von ihnen gesondert und nicht der lediglich in Artikel 1 der Entscheidung als Zuwiderhandelnde genannten Gruppe Henss/Isoplus bekannt gegeben wurde.

80 Da die Entscheidung an die Klägerinnen in ihrer Eigenschaft als Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus gerichtet wurde, ist der von ihnen geltend gemachte Klagegrund einer Verletzung der Verordnung Nr. 17 zurückzuweisen.

C - Dritter Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

1. Vorbringen der Parteien

81 Die Klägerinnen rügen, dass die Kommission die Begründungspflicht aus Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) verletzt habe, da die Entscheidung keine Begründung dafür enthalte, dass die "Gruppe Henss/Isoplus" Partei in einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 und deshalb Adressat einer Entscheidung gemäß dieser Verordnung sein könne. Die Ausführungen der Kommission in Randnummer 160 der Entscheidung, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte an den Henss/Isoplus-Konzern gerichtet worden sei und dass wegen des Fehlens einer Holdinggesellschaft die vier namentlich genannten Betriebsgesellschaften für amtliche und rechtliche Zwecke als Vertreter des Konzerns anzusehen gewesen seien, seien in Anbetracht ihrer Angaben in Randnummer 15 der Entscheidung, dass es sich bei der Gruppe Henss/Isoplus um einen "De-facto-Konzern" ohne eigene Rechtspersönlichkeit und ohne Parteifähigkeit handele, unzureichend.

82 Die Beklagte führt aus, sie habe in den Randnummern 157 bis 160 der Entscheidung dargelegt, dass die unter dem Namen "Gruppe Henss/Isoplus" zusammengefassten Unternehmen als faktischer Konzern gehandelt hätten, so dass die Klägerinnen gesamtschuldnerisch für die Geldbuße haften müssten. Da die Gruppe Henss/Isoplus nicht Verfahrenspartei gewesen sei, habe es insoweit auch keiner Begründung bedurft.

2. Würdigung durch das Gericht

83 Die Klägerinnen stützen sich auf eine Auslegung der Entscheidung, nach der die Gruppe Henss/Isoplus als die in das Verwaltungsverfahren einbezogene Person angesehen wurde. Diese Auslegung ist aber als falsch zurückgewiesen worden, da in den Artikeln 3 und 5 der Entscheidung die Gesellschaften genannt sind, die gesamtschuldnerisch für die Geldbuße haften, die wegen der von der Gruppe Henss/Isoplus begangenen Zuwiderhandlung festgesetzt wurde, und an die in ihrer Eigenschaft als Gesellschaften dieser Gruppe sich die Entscheidung deshalb richtet (siehe oben, Randnrn. 75 bis 80).

84 Zu der von der Gruppe Henss/Isoplus begangenen Zuwiderhandlung und der Tatsache, dass die Klägerinnen als Gesellschaften dieser Gruppe für die Umsetzung der Entscheidung verantwortlich gemacht wurden, ist auf deren Randnummern 157 bis 160 zu verweisen.

85 Zunächst hat die Kommission in Randnummer 157 der Entscheidung ausgeführt: "Die Henss/Isoplus-Unternehmen handeln faktisch als Konzern." Zur Stützung dieser Behauptung hat sie darauf verwiesen, dass Herr Henss Mehrheitsaktionär von Isoplus Hohenberg, die das gesamte Kapital von Isoplus Sondershausen halte, und Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer von Henss Rosenheim sowie Geschäftsführer (nicht aber eingetragener Gesellschafter) von Henss Berlin sei, die als Handelsvertreter für Isoplus in Deutschland tätig seien. In derselben Randnummer ihrer Entscheidung stellt die Kommission Folgendes fest: "Aus der Tatsache, dass Herr Dr. Henss persönlich Henss/Isoplus auf den Treffen des Geschäftsführer-Clubs vertreten hat, geht eindeutig hervor, dass es ungeachtet der eigentumsrechtlichen Verbindungen Herr Dr. Henss ist, der Isoplus kontrolliert, und dass die Henss- und Isoplus-Unternehmen zusammen einen De-facto-Konzern bildeten." Sie fügt hinzu: "In der Branche war allgemein bekannt, dass Henss die treibende Kraft hinter Isoplus war."

86 In Randnummer 158 der Entscheidung führt die Kommission aus, da es, als die Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt worden sei, ihres Wissens keine Muttergesellschaft gegeben habe, an die sie hätte gerichtet werden können, sei diese Mitteilung an den Henss/Isoplus-Konzern ergangen, vertreten durch die vier in der Gemeinschaft ansässigen Hauptunternehmen Isoplus Hohenberg, Isoplus Sondershausen, Henss Rosenheim und Henss Berlin. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei ausdrücklich aufgeführt worden, "dass sie an den Henss/Isoplus-Konzern gerichtet war und wegen des Fehlens einer Holdinggesellschaft die vier genannten Betriebsgesellschaften für amtliche und rechtliche Zwecke als Vertreter des Konzerns anzusehen waren" (Randnr. 160 Absatz 4 der Entscheidung).

87 Schließlich erklärt die Kommission, nachdem sie durch den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 von der Gründung der Holdinggesellschaften HFB GmbH und HFB KG, auf die die Beteiligungen an Isoplus Rosenheim und Isoplus Hohenberg übergegangen seien, und der Gründung der Isoplus stille Gesellschaft erfahren habe, habe sie die Entscheidung nicht nur an Isoplus Hohenberg, Isoplus Sondershausen und Isoplus Rosenheim gerichtet, sondern auch an die HFB GmbH und die HFB KG sowie an die Isoplus stille Gesellschaft (Randnr. 160 der Entscheidung).

88 Folglich hat die Kommission die Gründe dargelegt, aus denen sie die Henss- und Isoplus-Unternehmen als De-facto-Konzern angesehen hat. Ferner hat sie erläutert, dass die Gruppe mangels einer ihre Existenz zum Ausdruck bringenden Holdinggesellschaft zu Zwecken der Zustellung und der Zahlung der Geldbuße über die zu ihr gehörenden Gesellschaften habe erfasst werden müssen.

89 Daher ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

II - Klagegründe in Bezug auf die HFB GmbH und die HFB KG

90 In Bezug auf die HFB GmbH und die HFB KG machen die Klägerinnen drei Klagegründe geltend, die erstens die falsche Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, zweitens eine Verletzung der Verteidigungsrechte und drittens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht betreffen.

A - Vorbringen der Parteien

91 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe die HFB GmbH und die HFB KG im Rahmen der Gruppe Henss/Isoplus zu Unrecht als Gesamtschuldner mit den übrigen Klägerinnen zur Zahlung der Geldbuße verpflichtet.

92 Der Entscheidung zufolge habe die Zuwiderhandlung spätestens im März/April 1996 geendet. Da die HFB GmbH und die HFB KG erst am 15. Januar 1997 gegründet worden seien und rechtlich erst mit ihrer am 10. und 27. Februar 1997 erfolgten Eintragung in das Handelsregister entstanden seien, hätten sie sich daran nicht beteiligen können. Da sie rechtlich vor 1997 nicht bestanden hätten, könnten sie auch nicht für etwaige wettbewerbswidrige Verhaltensweisen anderer Unternehmen der Gruppe Henss/Isoplus haftbar gemacht werden. Aufgrund der Unschuldsvermutung dürften Geldbußen gegen Unternehmen in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag gemäß der Verordnung Nr. 17 nur bei erwiesener schuldhafter oder zumindest fahrlässiger Beteiligung verhängt werden.

93 Nur wenn ein Unternehmen in ein anderes umgewandelt oder - jeweils im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge - eingegliedert werde, könne mangels Änderung der wirtschaftlichen Identität des Unternehmens dieses neue Unternehmen für Wettbewerbsverstöße des alten haftbar gemacht werden. Die HFB KG habe ihre Beteiligungen an Isoplus Rosenheim und Isoplus Sondershausen von natürlichen Personen, nämlich von Herrn und Frau Henss (Isoplus Rosenheim) sowie von Herrn und Frau Papsdorf (Isoplus Sondershausen) erworben. Ein Unternehmen könne aber nicht als Rechtsnachfolger natürlicher Personen haftbar gemacht werden, die Anteile an der Gesellschaft besäßen, die die Zuwiderhandlung begangen habe, und als bloße Anteilseigner selbst kein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag dargestellt hätten.

94 Entgegen dem Vorbringen der Kommission habe es keineswegs unzählige ständige Ausformungen der Gruppe Henss/Isoplus unter der Leitung von Herrn Henss gegeben. Beweggrund für die Errichtung der HFB GmbH und damit auch der HFB KG sei eine etwaige leichtere Veräußerung diverser Beteiligungen an Fernwärmetechnikunternehmen als Einheit gewesen. Gewisse Stammkapitalerhöhungen und Einbringungsmaßnahmen hätten ausschließlich bilanzielle Gründe gehabt. Diese Kapitalerhöhungen und Maßnahmen seien nach Beendigung der Zuwiderhandlung und teilweise sogar nach Erlass der Entscheidung erfolgt.

95 Die Beklagte trägt vor, die HFB GmbH und die HFB KG könnten für die Zuwiderhandlungen der Gruppe Henss/Isoplus unabhängig davon mitverantwortlich gemacht werden, dass sie nicht selbst gegen Wettbewerbsregeln verstoßen hätten und auch nicht Gesamtrechtsnachfolgerinnen von Unternehmen seien, die derartige Verstöße begangen hätten.

96 Eine juristische Person könne nämlich für Zuwiderhandlungen einer Gesellschaft, deren Kontrolle sie übernommen habe, verantwortlich gemacht werden, auch wenn diese Zuwiderhandlungen vor Erlangung der Kontrolle stattgefunden hätten (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-308/94, Cascades/Kommission, Slg. 1998, II-925). Da die Kommission die HFB GmbH und die HFB KG für die fraglichen Verstöße habe mitverantwortlich machen können, habe sie sie auch in den Kreis der Schuldner der Geldbuße einbeziehen können (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in den Rechtssachen T-339/94 bis T-342/94, Metsä-Serla u. a./Kommission, Slg. 1998, II-1727).

97 Sie habe dadurch, dass sie die HFB GmbH und die HFB KG für die Zuwiderhandlungen haftbar gemacht habe, keineswegs gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. Im vorliegenden Fall hätten die Umstrukturierungen, über die die HFB GmbH und die HFB KG von Herrn Henss bestimmte Beteiligungen und damit die unmittelbare Kontrolle über Isoplus Rosenheim erworben hätten, Umschichtungen innerhalb ein und desselben Unternehmens dargestellt, die von dessen einheitlicher Leitung kontrolliert worden seien.

98 Dass die Gesellschafter als solche keine Unternehmen seien, sei ohne Belang. Unternehmen könnten aus verschiedenen Komponenten bestehen, von denen einige Betriebsfunktionen und andere Leitungsfunktionen wahrnähmen. Im vorliegenden Fall habe die letztere Funktion in den Händen von Herrn Henss gelegen und liege auch weiterhin dort; Herr Henss habe jedoch einen Teil dieser Funktion an die HFB KG delegiert, die er selbst kontrolliere.

99 Die Kommission wäre berechtigt gewesen, auch Herrn Henss persönlich für die Zuwiderhandlungen von Isoplus Rosenheim zur Verantwortung zu ziehen, da diese Gesellschaft während des Zeitraums der Zuwiderhandlungen ihre Politik nicht unabhängig von ihm habe bestimmen können; dies gelte umso mehr, als andere Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus ebenfalls an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten. Da Herr Henss die HFB GmbH über seine Kapitalbeteiligung kontrolliere und nach wie vor deren Geschäftsführer sei, müssten sich diese Gesellschaft und auch die HFB KG sein Wissen um die Zuwiderhandlungen der erworbenen Gesellschaft zurechnen lassen. Überdies könnte der Wert der erworbenen Anteile durch die Zuwiderhandlung beeinflusst worden sein.

100 Schließlich seien das legitime Interesse der Kommission, in die Vermögenswerte des Konzerns unabhängig von Restrukturierungen der vorliegenden Art vollstrecken zu können, sowie die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die ihr im Fall einer Vollstreckung gegen Privatpersonen entstehen könnten. Eine Restrukturierung wie sie mit der Gründung der HFB GmbH und der HFB KG erfolgt sei, bei der Herr Henss als Veräußerer und Erwerber auf beiden Seiten des Geschäfts gestanden habe, dürfe nicht dazu führen, dass die Kommission die Möglichkeit verliere, gegen den neuen Inhaber der betreffenden Kapitalbeteiligungen vorzugehen.

B - Würdigung durch das Gericht

101 Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission die Henss- und Isoplus-Gesellschaften als De-facto-Konzern eingestuft, der als das an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen angesehen wurde. Wegen des Fehlens einer die Gruppe Henss/Isoplus vertretenden Muttergesellschaft oder einer für die Koordinierung der Tätigkeit dieser Gruppe verantwortlichen Gesellschaft hat die Kommission die Verantwortung für die Zuwiderhandlung den Gesellschaften auferlegt, aus denen die Gruppe zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bestand; dazu gehören auch die HFB GmbH und die HFB KG.

102 Da aber die HFB GmbH und die HFB KG noch nicht bestanden, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, kann ihnen die Verantwortung dafür nicht mit der Begründung auferlegt werden, dass sie die beanstandeten Tätigkeiten der übrigen Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus angeregt oder koordiniert hätten (vgl. dazu Urteil Shell/Kommission, Randnr. 312).

103 Die Verantwortung für die Zuwiderhandlung kann der HFB GmbH und der HFB KG auch nicht allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe Henss/Isoplus zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung auferlegt werden. Grundsätzlich muss die natürliche oder juristische Person, die das fragliche Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, für diese einstehen, auch wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergeht, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird, eine andere Person für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist (Urteile des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P, Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnr. 78, und in der Rechtssache C-297/98 P, SCA Holding/Kommission, Slg. 2000, I-10101, Randnr. 27). Auch wenn man im vorliegenden Fall unterstellt, dass die HFB GmbH und die HFB KG als Holdinggesellschaften für die gesamte Gruppe Henss/Isoplus oder einen Teil davon fungieren, trat diese Situation erst nach der Zuwiderhandlung ein, so dass diesen beiden Gesellschaften die Zuwiderhandlungen der Gruppe Henss/Isoplus vor deren vollständigem oder teilweisem Erwerb nicht zugerechnet werden können.

104 Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die für den Betrieb des Unternehmens verantwortlichen juristischen Personen nach der Begehung der Zuwiderhandlung aufgehört hätten, rechtlich zu existieren (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 145). Die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung verantwortlichen Gesellschaften bestehen aber unstreitig noch immer.

105 Nach den Akten macht die Kommission die HFB GmbH und die HFB KG vor allem deshalb gesamtschuldnerisch für die von der Gruppe Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung haftbar, weil sie von Herrn Henss die von diesem ausgeübte Kontrolle über die Unternehmen der Gruppe und insbesondere die direkte Kontrolle über Isoplus Rosenheim erlangt haben. Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission in der Entscheidung Herrn Henss nicht persönlich für die von der Gruppe Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht hat, so dass der HFB GmbH und der HFB KG nicht als wirtschaftlichen Nachfolgern eine Verantwortung auferlegt werden kann, die bewusst zuvor nicht festgestellt wurde.

106 Es trifft zu, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln unter bestimmten Umständen dem wirtschaftlichen Nachfolger einer juristischen Person, die sie begangen hat, auch dann zugerechnet werden kann, wenn diese Person zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, in der diese Zuwiderhandlung festgestellt wird, nicht zu existieren aufgehört hat, damit die praktische Wirksamkeit dieser Regeln nicht durch Änderungen insbesondere an der Rechtsform der betreffenden Unternehmen in Frage gestellt wird (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-134/94, NMH Stahlwerke/Kommission, Slg. 1999, II-239, Randnr. 127). Im Unterschied zu der Rechtssache, die zum Urteil NMH Stahlwerke/Kommission führte, haben jedoch im vorliegenden Fall die an der Zuwiderhandlung beteiligten natürlichen und juristischen Personen ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in vollem Umfang fortgesetzt, während die HFB GmbH und die HFB KG zur Zeit der Zuwiderhandlung noch nicht existierten.

107 Zudem kann aus den dem Gericht im schriftlichen Verfahren und später in der mündlichen Verhandlung gelieferten Informationen nicht geschlossen werden, dass es Machenschaften speziell mit dem Ziel gab, den wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln verhängten Sanktionen zu entgehen (vgl. Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 146).

108 Folglich ist festzustellen, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen hat, als sie die HFB KG und die HFB GmbH gesamtschuldnerisch für die Geldbuße wegen der Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an der Zuwiderhandlung haftbar machte. Daher braucht über den zweiten und den dritten die HFB GmbH und die HFB KG betreffenden Klagegrund, mit denen eine Verletzung der Verteidigungsrechte und der Begründungspflicht gerügt werden, nicht mehr entschieden zu werden.

109 Die Artikel 3 Buchstabe d und 5 Buchstabe d der Entscheidung sind daher für nichtig zu erklären, soweit sie die HFB KG und die HFB GmbH betreffen.

III - Klagegründe in Bezug auf die Isoplus stille Gesellschaft

A - Vorbringen der Parteien

110 Die Klägerinnen und insbesondere Isoplus Hohenberg rügen, dass die Kommission die Entscheidung auch an die Isoplus stille Gesellschaft als Unternehmen der Gruppe Henss/Isoplus gerichtet habe. Die Isoplus stille Gesellschaft sei nach österreichischem Recht weder eine juristische Person noch eine Handelsgesellschaft gewesen, sondern lediglich eine Innengesellschaft, die als solche nicht selbständig Träger von Rechten und Pflichten habe sein können; verpflichtet worden sei nur der Geschäftsinhaber. Außerdem sei die Isoplus stille Gesellschaft im September 1997 ohne Liquidation aufgelöst worden; ihre Aktiva seien zum Zweck der Kapitalverstärkung auf Isoplus Hohenberg übertragen worden.

111 In diesem Rahmen sei zunächst gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstoßen worden, da die Entscheidung an eine stille Gesellschaft gerichtet worden sei, die kein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag sei, weil sie keine juristische oder quasijuristische Person sei, und daher nicht Adressat einer Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag habe sein können.

112 Ferner seien wesentliche Formvorschriften verletzt worden, da die Kommission in ihrer Entscheidung eine Geldbuße gegen ein Unternehmen festgesetzt habe, dem als stille Gesellschaft keine Parteifähigkeit im Sinne des österreichischen Rechts zukomme und das daher nicht habe gerichtlich vorgehen können. Außerdem könne eine solche Entscheidung nicht an ein Unternehmen gerichtet werden, das unabhängig von seiner rechtlichen Qualifikation zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung rechtlich nicht mehr existiert habe, da es aufgelöst worden sei.

113 Die Isoplus stille Gesellschaft habe auch keine Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten. Im Rahmen der Anhörung vom 24. und 25. November 1997 hätten die Frage, ob einer stillen Gesellschaft nach österreichischem Recht Rechtspersönlichkeit oder Quasi-Rechtspersönlichkeit und damit im Prozessrecht Parteifähigkeit zukomme, sowie der Umstand der Auflösung der stillen Gesellschaft nicht erörtert werden können, da der Anhörungsbeauftragte trotz eines entsprechenden Antrags ihres Rechtsvertreters keine getrennte Anhörung zu diesen Punkten durchgeführt habe. In ihrer Antwort vom 30. März 1998 auf das Auskunftsverlangen vom 24. Februar 1998 (im Folgenden: Schreiben vom 30. März 1998) sei auf die Problematik dieser stillen Gesellschaft daher nicht eingegangen worden. Erst mit Schreiben an die Kommission vom 22. Oktober 1998 sei diese Problematik in den Raum gestellt worden.

114 Schließlich habe die Kommission gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, da die Entscheidung keine Erläuterungen dazu enthalte, warum eine stille Gesellschaft österreichischen Rechts Adressat einer Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag sein könne.

115 Die Beklagte trägt vor, die Isoplus stille Gesellschaft habe, wie Isoplus Hohenberg selbst angebe, beim Erlass der Entscheidung bereits nicht mehr existiert. Die Entscheidung sei daher insoweit ins Leere gegangen. Hieraus lasse sich aber kein Klagegrund gegen die Entscheidung ableiten. Dasselbe würde auch gelten, wenn die stille Gesellschaft beim Erlass der Entscheidung noch bestanden hätte. Wie Isoplus Hohenberg selbst einräume, habe diese Gesellschaft keine Rechtspersönlichkeit, so dass die Entscheidung ihr gegenüber keine Rechtswirkung habe entfalten und sie somit auch nicht habe beschweren können.

B - Würdigung durch das Gericht

116 Da die Isoplus stille Gesellschaft zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits aufgelöst war, konnte diese ihr gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten. Folglich hat die Entscheidung keine Rechtswirkungen entfaltet, soweit sie sich an die Isoplus stille Gesellschaft richtete.

117 Da Isoplus Hohenberg, die stets Trägerin aller Rechte und Pflichten in Bezug auf die Isoplus stille Gesellschaft war, selbst zu den Adressaten der Entscheidung gehört, hatte deren Aufnahme in den Kreis der Adressaten der Entscheidung für Isoplus Hohenberg auch keine Rechtswirkungen, die über die Tatsache hinausgingen, dass die Entscheidung an sie gerichtet wurde und dass sie gesamtschuldnerisch für die gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzte Geldbuße haftbar gemacht wurde.

118 Da die Entscheidung ins Leere geht, soweit sie sich an die Isoplus stille Gesellschaft richtet und auf diese bezieht, ist die Klage insoweit gegenstandslos, so dass über sie nicht entschieden zu werden braucht.

IV - Klagegründe in Bezug auf alle Klägerinnen

119 In Bezug auf alle Klägerinnen werden fünf Klagegründe geltend gemacht. Mit dem ersten Klagegrund werden Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gerügt. Der zweite Klagegrund hat die Verletzung der Verteidigungsrechte zum Gegenstand. Mit dem dritten Klagegrund wird geltend gemacht, die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: neue Leitlinien oder Leitlinien), seien rechtswidrig. Der vierte Klagegrund betrifft Verstöße gegen die Regeln über Geldbußen in Wettbewerbssachen und gegen allgemeine Grundsätze sowie Beurteilungsfehler bei der Ermittlung der Geldbuße. Mit dem fünften Klagegrund wird eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt.

A - Erster Klagegrund: Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag

1. Zur Beteiligung an der Zuwiderhandlung vor Oktober 1994

120 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe zu Unrecht eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag in der Zeit von Oktober 1991 bis Oktober 1994 angenommen. Insoweit wenden sie sich erstens gegen die tatsächlichen Feststellungen und die damit zusammenhängende Beweiswürdigung und zweitens gegen die rechtliche Würdigung durch die Kommission.

a) Zu den tatsächlichen Feststellungen und der Beweiswürdigung

Vorbringen der Parteien

121 Die Klägerinnen tragen vor, die tatsächlichen Feststellungen erlaubten nicht die in Randnummer 41 der Entscheidung gezogene Schlussfolgerung, dass sich Henss/Isoplus und Pan-Isovit im Oktober 1991 der Zusammenarbeit zwischen den dänischen Herstellern angeschlossen hätten.

122 Erstens könne aus der Teilnahme von Herrn Henss an verschiedenen Treffen des Geschäftsführer-Clubs mit wettbewerbswidrigem Gegenstand nicht abgeleitet werden, dass die Klägerinnen oder die Gruppe Henss/Isoplus von Oktober 1991 bis Oktober 1994 an einem Kartell teilgenommen hätten.

123 Was die in Randnummer 42 der Entscheidung genannten Treffen des Geschäftsführer-Clubs anbelange, so könne Herr Henss bei den Besprechungen vom 9. oder 10. Oktober 1991, 1. April 1992, 11. November 1992 und 8. oder 9. September 1993 nicht anwesend gewesen sein. Vom 9. bis 12. Oktober 1991 und vom 30. März bis 1. April 1992 habe er sich aus beruflichen Gründen in Budapest befunden. Am Vorabend des 11. November 1992 habe er Brüssel verlasen, um am folgenden Tag Gespräche mit seinen Anwälten am Sitz von Henss Rosenheim und anschließend mit einem potenziellen Kunden zu führen. Vom 8. bis 10. September 1993 habe Herr Henss Termine in Frankfurt, Prag und Opatovice (Tschechische Republik) wahrgenommen. Die Kommission könne nicht behaupten, dass die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren die Teilnahme von Herrn Henss an diesen Treffen nicht bestritten hätten. Eine Aufstellung aller Reisen von Herrn Henss in den Jahren 1991 bis 1996 sei der Kommission bereits in der Antwort der Henss-Gesellschaften vom 22. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 (im Folgenden: Antwort der Henss-Gesellschaften) übermittelt worden. In der Stellungnahme von Henss Rosenheim und Henss Berlin vom 30. Juni 1997 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte sei bestritten worden, dass am 10. Oktober 1991 überhaupt ein Treffen stattgefunden habe.

124 Bezüglich der Teilnahme von Herrn Henss an anderen als den oben genannten Besprechungen mit ABB Isolrohr oder anderen Unternehmen von ABB sei festzustellen, dass zwischen Henss Rosenheim und ABB Isolrohr ein Handelsvertretungsvertrag bestanden habe; Herr Henss habe daher als Geschäftsführer von Henss Rosenheim an verschiedenen Besprechungen teilnehmen müssen, um ABB Isolrohr über den Markt zu informieren.

125 Zweitens sei zu den Preisen auf dem deutschen Markt zu sagen, dass sich Henss Rosenheim Ende 1991 durch Einschaltung ihres Rechtsanwalts und durch Erhebung einer Schiedsgerichtsklage gegen die von ABB Isolrohr angekündigte Preiserhöhung um 6 % für die Lieferungen ihrer Produkte ab 1. Januar 1992 gewehrt habe. Trotz des Abschlusses eines Schiedsvergleichs im Mai 1992 habe die Festsetzung des Agentur- bzw. Verkaufspreises von ABB Isolrohr Ende 1993 wiederum zu Auseinandersetzungen geführt, die Anfang 1994 noch nicht beendet gewesen seien. Daraus folge, dass 1993 und 1994 auf dem deutschen Markt mit Sicherheit kein Preiskartell bestanden habe, jedenfalls aber kein Kartell, an dem die Klägerinnen oder die Gruppe Henss/Isoplus beteiligt gewesen seien. Außerdem sei es nicht zutreffend, wenn die Kommission ausführe, dass die Auseinandersetzungen über die Erhöhung der Agenturpreise eingesetzt hätten, bevor es zu der Preisvereinbarung zum 1. Januar 1992 gekommen sei, und dass Ähnliches für die Auseinandersetzungen von 1993 und 1994 gelte. Nach den Handelsvertretungsverträgen habe ABB Isolrohr zunächst ihre Preiserhöhungen ankündigen müssen, zu denen sich die Handelsvertreter hätten äußern müssen.

126 In Bezug auf die Bemerkung der Kommission in Randnummer 45 der Entscheidung, dass von einem Mitarbeiter von ABB IC Møller für 1992 anhand von Angaben von Herrn Henss und einer Preisliste "K 3" von ABB eine Preisliste für den deutschen Markt erstellt worden sei, sei festzustellen, dass Henss Rosenheim als Handelsvertreter vertraglich verpflichtet gewesen sei, über die allgemeine Preissituation laufend zu berichten. Die K-Preislisten seien lediglich für Handelsvertreter von ABB Isolrohr bestimmte Einkaufslisten gewesen und hätten daher mit den in der Entscheidung erwähnten "Europa-Preislisten" von 1994 und 1995 nichts zu tun. Die Weitergabe von Informationen für die Erstellung von Preislisten sei im Hinblick auf die Rechtsstellung des Handelsvertreters auch unter Berücksichtigung der Bekanntmachung der Kommission vom 24. Dezember 1962 über Alleinvertriebsverträge mit Handelsvertretern (ABl. 1962, Nr. 139, S. 2921) wettbewerbsrechtlich unbedenklich.

127 In ihrer Erwiderung führen die Klägerinnen aus, die Kommission habe nicht dargetan, dass auf der Grundlage einer Buchprüfung im August 1993 eine Vereinbarung über die Marktaufteilung getroffen worden sei. Anhang 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, der in einem Schreiben vom 19. August 1993 an ABB und den EuHP bestehe, das eine Aufstellung der Marktanteile der betreffenden Unternehmen im Jahr 1992 und der vorgesehenen Marktanteile für 1994 enthalte, und auf den sich die Kommission in Randnummer 50 ihrer Entscheidung stütze, könne nicht als Beweis für eine solche Vereinbarung angesehen werden. Dieses Schreiben enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich um das Ergebnis einer Buchprüfung handele. Und selbst wenn eine Buchprüfung stattgefunden haben sollte, gehe aus Anhang 53 nicht hervor, dass die Klägerinnen oder die Gruppe Henss/Isoplus oder auch sonstige Unternehmen mit Ausnahme von ABB IC Møller und des EuHP an dieser Buchprüfung oder der Erstellung dieses Schriftstücks mitgewirkt hätten. Auch aus anderen der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten Unterlagen wie deren Anhängen 44 und 45 ergebe sich nichts, das gegen den Standpunkt der Klägerinnen spreche, da sie nur handschriftliche Aufzeichnungen über Marktanteile enthielten, die keinen Beweis darstellten.

128 Im Übrigen spreche auch der Preisverfall außerhalb des dänischen Marktes zwischen 1990 und 1994 gegen die Annahme eines Kartells auf dem deutschen Markt. Insoweit könne nicht geltend gemacht werden, dass der Preisrückgang allenfalls Zweifel am Erfolg des Kartells wecke. Ab dem Zeitpunkt, zu dem angeblich ein europaweites Kartell tatsächlich gebildet worden sei, hätte nämlich ein moderater Preisanstieg auf dem deutschen Markt und auf anderen Märkten eintreten müssen.

129 Drittens hätten andere vom vorliegenden Verfahren betroffene Unternehmen, insbesondere Løgstør, Tarco und Pan-Isovit, in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestritten, dass ab Herbst 1990 ein fortgesetztes Kartell bestanden habe, und angegeben, dass die Klägerinnen oder die Gruppe Henss/Isoplus nicht am ersten Kartell dänischer Hersteller beteiligt gewesen seien, sondern erst ab Oktober 1994 am zweiten, europaweiten Kartell. In Anbetracht dessen, dass Løgstør und Tarco den Klägerinnen im vorliegenden Verfahren in anderer Hinsicht eine Vielzahl wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorgeworfen hätten, hätten diese Angaben entscheidende Beweiskraft. Das finnische Unternehmen Oy KWH Tech AB (im Folgenden: KWH), das nach Angaben der Kommission am Kartell teilgenommen habe, habe in seiner Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte ebenfalls erklärt, nichts darüber zu wissen, dass die Firmen Henss und Pan-Isovit mit den dänischen Unternehmen seit Anfang der neunziger Jahre kooperiert haben sollten.

130 Was die angebliche Beteiligung am Kartell vor 1994 angehe, so hätten die Unternehmen der Gruppe Henss/Isoplus im Oktober 1991 schon allein aufgrund ihrer Marktposition eine wirtschaftlich untergeordnete Rolle gespielt und seien damit uninteressant für eine Einbeziehung in das dänische Kartell gewesen. Henss Rosenheim und Henss Berlin, die auch Handelsvertreterverträge mit Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen geschlossen hätten, hätten deutlich mehr Umsatz mit ABB-Isolrohr-Produkten gemacht bzw. vermittelt als mit Produkten der Isoplus-Unternehmen. Isoplus Hohenberg sei 1990 erstmals auf dem Markt, vor allem in Österreich, aufgetreten, während Isoplus Sondershausen, die 1991 von Isoplus Hohenberg erworben worden sei, erst 1992 als Produzent vorisolierter Fernwärmerohre auf dem deutschen Markt aufgetreten sei. Zur Behauptung der Kommission in ihrer Klagebeantwortung, der Umsatz der Isoplus-Unternehmen sei höher als der von ABB Isolrohr, sei festzustellen, dass sich der für Isoplus angegebene Umsatz auf den europäischen Markt beziehe, während der für ABB Isolrohr genannte Umsatz nur den deutschen Markt betreffe.

131 Die Teilnahme der zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Unternehmen an einem Kartell vor 1994 sei außerdem in Anbetracht ihres Verhaltens in Bezug auf den dänischen Markt ausgeschlossen. Isoplus Hohenberg habe 1992 beiläufig Kenntnis von einer Kartellabsprache zwischen den dänischen Herstellern erhalten, die es ihnen ermöglicht habe, höhere Preise auf dem dänischen Markt zu verlangen und Isoplus Hohenberg auf dem österreichischen und dem deutschen Markt bei den Preisen unter Druck zu setzen. Aus diesem Grund habe Isoplus Hohenberg in Dänemark die Isoplus Fjernvarmeteknik A/S gegründet, über die sie Preise unter dem in Dänemark üblichen Niveau angeboten habe. Dieses aggressive Auftreten auf dem dänischen Markt habe in Verbindung mit dem Eindringen von Pan-Isovit, die ebenfalls niedrigere Preise angewandt habe, in diesen Markt bewirkt, dass das Kartell der dänischen Hersteller 1993 zusammengebrochen sei.

132 Wie die Kommission in Randnummer 48 ihrer Entscheidung bestätige, habe ABB IC Møller im März 1993 über Vertreter bei Isoplus Hohenberg wegen einer Kooperation, Beteiligung oder Übernahme angefragt. Durch Vermittlung von Herrn Henss habe auch ABB Isolrohr am 15. April 1993 ein Gespräch mit der Geschäftsleitung von Isoplus Hohenberg geführt, in dessen Verlauf Isoplus Hohenberg aufgefordert worden sei, sich vom dänischen Markt zurückzuziehen; falls sie sich weigere, würden ABB IC Møller und Løgstør die anderen dänischen Hersteller veranlassen, in Österreich ebenfalls eine eigene Niederlassung zu gründen, die eine aggressive Preispolitik verfolgen werde. Nachdem Isoplus Hohenberg es bei diesem Gespräch abgelehnt habe, sich vom dänischen Markt zurückzuziehen, seien Tarco und Dansk Rørindustri tatsächlich auf dem österreichischen Markt aufgetreten, wenn auch durch Vertreter. Dies habe dazu geführt, dass auf dem österreichischen Markt 1994 ein aggressiver Preiskampf eingetreten sei, der Isoplus Hohenberg in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten gebracht habe.

133 Insoweit könnten weder das aggressive Auftreten von Isoplus Fjernvarmeteknik noch die Reaktionen von ABB IC Møller darauf als bloße Machtkämpfe innerhalb des Kartells eingestuft werden. In einem rechtswidrigen Preis- und Quotenkartell sei es ausgeschlossen, dass ein Kartellmitglied außerhalb der ihm zugewiesenen Quoten oder Gebiete den Markt störe und Produkte zu Kampfpreisen anbiete.

134 Viertens komme noch hinzu, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften bis Sommer 1995 nicht in den EuHP aufgenommen worden seien, der zu Zwecken des unlauteren Wettbewerbs gegen diese Unternehmen eingesetzt worden sei. Auch dies zeige, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften vor Oktober 1994 nicht an Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 EG-Vertrag teilgenommen hätten. Es hätte aller wirtschaftlichen Vernunft widersprochen, einem Teilnehmer am Kartell die Aufnahme in einen Verband wie den EuHP, dem die anderen Kartellmitglieder angehörten, zu verwehren, da in diesem Verband Informationen ausgetauscht worden seien, die jedes Kartellmitglied habe erhalten können. Es wäre auch widersinnig gewesen, den EuHP gegen Kartellmitglieder einzusetzen oder es diesen zu verwehren, sich auf die Einhaltung der vom Verband geförderten Qualitätsnormen zu berufen. Die Aufnahme in den EuHP im Sommer 1995 sei letztlich deshalb erfolgt, weil die Isoplus-Gesellschaften im Oktober 1994 unter dem Druck der Marktverhältnisse und von ABB dem europäischen Kartell beigetreten seien. Was die Rolle von Herrn Henss anbelange, so erkläre sich sein Eintreten für Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen beim EuHP, das fallweise auch nach dessen offiziellen Sitzungen erfolgt sei, damit, dass Henss Rosenheim auch den Vertrieb der Produkte der Isoplus-Gesellschaften übernommen habe.

135 Schließlich habe sich die Kommission mit pauschalen Tatsachenangaben begnügt und von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen keine Beweiswürdigung vorgenommen; damit habe sie gegen die in Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankerte Unschuldsvermutung verstoßen.

136 Die Beklagte trägt vor, sie habe klar festgestellt, dass sich die Gruppe Henss/Isoplus ab Oktober 1991 an der Zusammenarbeit der dänischen Hersteller in Bezug auf den deutschen Markt beteiligt habe. Da diese Schlussfolgerung auf den in den Randnummern 41 ff. der Entscheidung dargelegten Gesichtspunkten einschließlich derjenigen beruhe, die die Klägerinnen ihres Erachtens entlasteten, habe die Kommission nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.

Würdigung durch das Gericht

137 Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teil und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, so kann nach ständiger Rechtsprechung der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat (vgl. Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 232, vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnr. 98, und vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnrn. 85 und 86).

138 Herr Henss nahm vor Oktober 1994 an einer Reihe von Treffen mit den dänischen Herstellern und Pan-Isovit teil. So ist unstreitig, dass er bei den in Randnummer 42 der Entscheidung genannten Treffen vom 10. Dezember 1991, 6. März 1992, 30. Juni 1992, 11. August 1992, 20. April 1993, 30. Juni 1993 und 18. oder 19. August 1993 anwesend war.

139 Zu den Treffen, an denen Herr Henss nach Angaben der Klägerinnen nicht teilnahm, ist festzustellen, dass die Übersicht über seine Reisen außerhalb Deutschlands, die die Klägerinnen ihrer Antwort vom 22. April 1996 auf das Auskunftsverlangen beigefügt haben und auf die sie sich zum Nachweis der Abwesenheit von Herrn Henss bei bestimmten Treffen stützen, mehrere Ungenauigkeiten aufweist. So ist in der Übersicht für den 10. November 1992 eine Reise nach Brüssel zwecks "Vertragsauflösung" mit "ABB, Herr Bruun??" aufgeführt. Angesichts der an Herrn Henss gerichteten Einladungen für ein Treffen am 10. November 1992 in Brüssel nach einer Sitzung des EuHP (Anhänge 42 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) handelte es sich jedoch höchstwahrscheinlich in Wirklichkeit nicht um ein bilaterales Treffen mit ABB, sondern um ein Treffen mit den übrigen Kartellteilnehmern in Anwesenheit des Koordinators des Kartells, Herrn Brun Hansen, wie durch handschriftliche Notizen, die bei diesem Treffen angefertigt wurden (Anhang 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), sowie durch die Antwort von ABB vom 4. Juni 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 (im Folgenden: Antwort von ABB) bestätigt wird. Ferner enthält die Übersicht für einige Treffen Informationen, mit denen die Anwesenheit von Herrn Henss in Abrede gestellt wird, obwohl sie in der Klageschrift nicht mehr bestritten wird; dies gilt für das Treffen in Kopenhagen am 30. Juni 1993, für den in der Übersicht eine Reise nach Budapest aufgeführt ist, und für das Treffen in Zürich am 18. oder 19. August 1993, an denen der Übersicht zufolge eine "private" Reise stattfand. Zudem hat die Kommission darauf hingewiesen, dass in der Übersicht für den Zeitraum, in dem die Teilnahme am Kartell nicht mehr bestritten wird, bestimmte Angaben über Treffen fehlen, deren Gegenstand das Vorliegen eines Kartells hätte aufdecken können.

140 In diesem Kontext sind für die Zeit von Oktober 1991 bis Oktober 1994 die von der Kommission in den Randnummern 38 ff. der Entscheidung gesammelten Beweise und daraus gezogenen Schlüsse zu prüfen.

141 Erstens ist zu prüfen, ob die Kommission in den Randnummern 34 und 44 ihrer Entscheidung zutreffend die Ansicht vertreten hat, dass sich Henss/Isoplus der Vereinbarung angeschlossen habe, die im Herbst 1991 zwischen den dänischen Herstellern über eine Anhebung der Preise für 1992 außerhalb Dänemarks getroffen worden sei.

142 Dass es eine Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise in Deutschland für 1992 gab, haben sowohl ABB in ihrer Antwort als auch Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte anerkannt, auch wenn ABB erklärt, dass eine solche Vereinbarung bei dem Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 in Frankfurt geschlossen worden sei, während sie nach Angaben von Løgstør bei dem Treffen am 10. Dezember 1991 in Hamburg zustande kam. Zudem sind die von ABB in ihrer oben genannten Antwort geschilderten und in Randnummer 44 der Entscheidung erwähnten entscheidenden Bestandteile der Vereinbarung in kurzen handschriftlichen Vermerken von Løgstør zum Treffen vom 10. Dezember 1991 (Anhang 36 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu finden, in denen u. a. die "Mindestpreisliste für Kunden", Preise "ab Werk + 7 %", "Monatliche Treffen" und die "Liste 13.1.92" erwähnt werden. Auf der Grundlage aller dieser Gesichtspunkte war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass spätestens um den 10. Dezember 1991 zumindest eine Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise in Deutschland getroffen wurde.

143 Zur Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an dieser Vereinbarung ist festzustellen, dass nach den Angaben von Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte das Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 das erste Treffen war, an dem auch die "deutschen Hersteller" teilnahmen, während ABB in ihrer Antwort die Anwesenheit von Herrn Henss bei den Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 und am 10. Dezember 1991 erwähnt. Angesichts dieser Angaben ist die Teilnahme von Herrn Henss an den Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 und am 10. Dezember 1991 hinreichend erwiesen. Die übereinstimmenden Angaben zu seiner Anwesenheit beim erstgenannten Treffen können nicht durch die oben genannte Übersicht über seine Reisen entkräftet werden, da die darin enthaltenen Informationen nicht sehr glaubhaft sind und der dort erwähnte Aufenthalt von Herrn Henss in Budapest vom 9. bis 12. Oktober 1991 jedenfalls nicht ausschließt, dass er am 9. Oktober 1991 noch vor seiner Abreise nach Budapest an einem Treffen teilnahm.

144 Angesichts des Inhalts der Gespräche am 9. oder 10. Dezember 1991 und am 10. Dezember 1991, der durch die Angaben von ABB und Løgstør sowie durch die in Anhang 36 der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Vermerke von Løgstør bestätigt wird, hat die Kommission aus der Anwesenheit von Herrn Henss bei diesen Treffen zutreffend geschlossen, dass er und folglich die Gruppe Henss/Isoplus an der Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise in Deutschland teilnahmen.

145 Zweitens hat die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen, dass die Gruppe Henss/Isoplus in den Jahren 1992 und 1993 am Informationsaustausch über die Marktanteile teilnahm, der Ende 1993 zu einer Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes führte.

146 Zunächst ergibt sich aus einem Vermerk, der von Dansk Rørindustri bei einem Treffen im Jahr 1992 verfasst wurde (Anhang 37 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), und aus ihrer Antwort vom 23. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen, dass Informationen über die 1992 bestehenden und die für das folgende Jahr erwarteten Marktanteile der dänischen Hersteller, von Pan-Isovit und von Henss/Isoplus ausgetauscht wurden. An dem Treffen am 10. November 1992, bei dem nach den dort von Tarco angefertigten Notizen (Anhang 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) Zahlen über die Marktanteile ausgetauscht wurden, nahm Herr Henss teil, wie durch die Einladungsschreiben zu diesem Treffen (Anhänge 42 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und durch Tarco in ihrer Antwort vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen bestätigt wird. Ferner ergibt sich aus dieser Antwort von Tarco, dass die in Anhang 49 der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Zahlenangaben zu den Marktanteilen der Unternehmen auf den verschiedenen nationalen Märkten, einschließlich der Marktanteile von "Isoplus", am 19. April 1993 ausgetauscht wurden, also einen Tag vor dem Treffen am 20. April 1993, an dem Herr Henss unstreitig teilnahm.

147 Überdies hat ABB in Bezug auf die Aufteilung des deutschen Marktes eingeräumt, dass die Hersteller nach einer Buchprüfung zur Ermittlung ihrer Umsatzzahlen für 1992 am 18. August 1993 eine Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes entsprechend den Marktanteilen im Jahr 1992, über die Erstellung einer neuen einheitlichen Preisliste und über die spätere Ausarbeitung eines Planes für Sanktionen getroffen hätten (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Die Verhandlungen über die Verteilung der Marktanteile seien bei den Treffen am 8. oder 9. September 1993 in Kopenhagen und dann in Frankfurt fortgesetzt worden (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996).

148 Hinsichtlich der Buchprüfung zur Ermittlung der Umsatzzahlen für 1992 entspricht die Darstellung von ABB den Schlüssen, die aus einem Vermerk von ABB IC Møller vom 19. August 1993 (Anhang 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu ziehen sind, der eine Tabelle enthält, in der für die dänischen Hersteller sowie für Pan-Isovit und "Isoplus/Henss" Umsatz und Marktanteil für 1992 sowie eine den für 1994 vorgesehenen Marktanteil repräsentierende Zahl angegeben sind. Nach Angaben von ABB wurden die Daten über Umsätze und Marktanteile der betreffenden Unternehmen von einer Schweizer Prüfungsgesellschaft geliefert (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Løgstør hat in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass es eine Buchprüfung durch eine Schweizer Prüfungsgesellschaft gab. Sie behauptet zwar, dass sie nur eine Prüfung der Verkäufe ihres Vertriebshändlers in Deutschland verlangt habe, um zuverlässige Daten über das Gesamtvolumen des deutschen Marktes zu liefern, doch ist es schwer vorstellbar, dass ein Unternehmen mit einer Prüfungsgesellschaft zusammenarbeitet und ihr seine Umsatzzahlen allein deshalb zur Verfügung stellt, um anschließend seinen eigenen Anteil am Gesamtmarkt ermitteln zu können, während die übrigen Unternehmen, die derselben Prüfung zugestimmt haben, davon ausgehen, dass ihnen alle Informationen über die Marktanteile übermittelt werden.

149 Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist die Erstellung einer detaillierten Übersicht, wie sie der Vermerk von ABB IC Møller enthält, ein hinreichender Beleg dafür, dass die Gruppe Henss/Isoplus zum Austausch von Informationen der auf dem deutschen Markt tätigen Unternehmen über ihre bestehenden und voraussichtlichen Marktanteile beigetragen hat. Die Behauptung der Klägerinnen, ABB sei über den Absatz der Henss-Unternehmen wegen des zwischen ihnen bestehenden Handelsvertretungsvertrags informiert gewesen, ändert nichts an der Feststellung, dass ABB über genaue Umsatzzahlen von "Henss/Isoplus" verfügte, deren Richtigkeit nicht in Abrede gestellt worden ist; sie erstreckten sich somit auch auf die Tätigkeiten der Isoplus-Gesellschaften und gingen folglich über die bloße Tätigkeit der Henss-Gesellschaften als Handelsvertreter von ABB hinaus.

150 Da die Mitwirkung der Gruppe Henss/Isoplus an der Erstellung der im Vermerk von ABB IC Møller wiedergegebenen Übersicht erwiesen ist, braucht die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerinnen, es sei nicht dargetan, dass sich diese Übersicht auf die Ergebnisse einer Buchprüfung beziehe, nicht geprüft zu werden.

151 Drittens wird hinsichtlich des Abschlusses einer Grundsatzvereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes die von ABB in ihrer Antwort vertretene These, dass sich die Unternehmen im August 1993 über die Aufteilung des deutschen Marktes geeinigt hätten, auch wenn die genauen Marktanteile jedes Beteiligten noch Gegenstand von Verhandlungen gewesen seien, die von Treffen zu Treffen fortgesetzt worden seien, nicht nur durch die Nennung der Marktanteile für 1994 im oben genannten Vermerk von ABB IC Møller, sondern auch durch einen Vermerk von Pan-Isovit vom 18. August 1993 (Anhang 52 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und durch ein Schriftstück von ABB (Anhang 7 der Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, die zusammengenommen zeigen, dass im August und im September 1993 weiter über die Aufteilung der Marktanteile in Deutschland verhandelt wurde.

152 Zum einen werden solche Verhandlungen durch den oben genannten Vermerk vom 18. August 1993 bestätigt, den Pan-Isovit für ihre Muttergesellschaft über einen Besuch bei Løgstør am 3. August 1993 erstellte und aus dem hervorgeht, dass Pan-Isovit darüber informiert wurde, dass Løgstør "an Preisabsprachen grundsätzlich interessiert [ist], aber nur wenn [ihr] Marktanteil... stimmt", und dass sie "in Absprache mit ABB Anstrengungen [unternimmt,] um Tarco in DK und D unter Kontrolle zu bringen".

153 Zum anderen wird durch das Schriftstück in Anhang 7 der Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass im September 1993 hinsichtlich der Marktaufteilung nur noch die Höhe der individuellen Quoten erörtert zu werden brauchte. Bei dem fraglichen Schriftstück, das ein auf der Buchprüfung in Bezug auf die Umsätze, den bei Überschreitung der zugeteilten Quoten zu leistenden Zahlungen und einer einheitlichen Preisliste beruhendes System zur Aufteilung des deutschen Marktes beschreibt, handelt es sich nach den Angaben, die Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht hat, um einen Vorschlag von ABB, der im September 1993 bei ihr einging und von Pan-Isovit und der Gruppe Henss/Isoplus unterstützt wurde. Die in diesem Vorschlag enthaltenen Prozentsätze der Marktanteile entsprechen den Zahlen im oben genannten Vermerk von ABB IC Møller ("26" für Pan-Isovit, "25" für ABB Isolrohr, "12" für Løgstør, "4" für Dansk Rørindustri), außer bei Tarco und Henss/Isoplus, denen im letztgenannten Schriftstück "17" und "16" zugeteilt werden, während im Vorschlag von ABB "17,7 %" und "15,3 %" aufgeführt sind. Zur Erhöhung des Anteils von Tarco ist festzustellen, dass nach den Angaben in der Antwort von ABB die Zahlen für 1994 im Vermerk von ABB IC Møller "die bei dem Treffen am 18. August [1993] getroffene Vereinbarung widerspiegeln, nach der diese Marktanteile mit geringen Anpassungen im Anschluss an die Erörterungen bei diesem Treffen für 1994 beibehalten werden sollten", und der Gegenstand des Treffens am 8. oder 9. September 1993 "die Fortsetzung der Verhandlungen über die Zuteilung der Marktanteile nach dem Bericht der [Schweizer Prüfungsgesellschaft] gewesen zu sein [scheint]: Tarco bestand offenbar darauf, 18 % des deutschen Marktes zu erhalten." Aus der Übereinstimmung zwischen den Angaben von ABB und der von ABB, Pan-Isovit und Henss/Isoplus im September 1993 vorgeschlagenen Erhöhung des Marktanteils von Tarco gegenüber dem im August 1993 im Vermerk von ABB IC Møller genannten Anteil ist zu schließen, dass es nach den Treffen im August und September 1993 zumindest zwischen bestimmten Unternehmen eine Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes gab, auch wenn die Diskussion über die Quoten noch fortgesetzt wurde.

154 Die aufeinander folgenden Treffen, bei denen die Unternehmen die Aufteilung der Marktanteile erörterten, wären nämlich nicht möglich gewesen, wenn zu dieser Zeit bei den Teilnehmern an diesen Treffen kein gemeinsamer Wille bestanden hätte, die Verkäufe auf dem deutschen Markt durch eine Aufteilung der Marktanteile auf die einzelnen Wirtschaftsteilnehmer zu beschränken.

155 Unter diesen Umständen hat die Kommission aus der Fortsetzung von Treffen über die Aufteilung der Marktanteile im August und September 1993 zutreffend geschlossen, dass es zwischen den Teilnehmern an diesen Treffen eine Vereinbarung gab, die sich zumindest auf eine grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes erstreckte.

156 Eine solche Schlussfolgerung ist nicht mit der von den Klägerinnen angeführten Erklärung von ABB IC Møller unvereinbar, sie sei überzeugt, dass es vor 1994/95 keine Vereinbarung zwischen den auf dem deutschen Markt tätigen Lieferanten über die Marktanteile in Deutschland gegeben habe (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Diese Erklärung ist im Zusammenhang mit den übrigen Abschnitten des fraglichen Schriftstücks zur Erörterung der Aufteilung des deutschen Marktes zu sehen. Darin heißt es, bei dem Treffen am 30. Juni 1993 sei vereinbart worden, eine Prüfungsgesellschaft mit der Prüfung der Verkäufe von 1992 zu beauftragen, auf deren Grundlage eine endgültige Vereinbarung über die Marktanteile geschlossen werde; die Kosten dieser Prüfung würden unter den Gesellschaften anhand ihrer von der Prüfungsgesellschaft ermittelten Marktanteile aufgeteilt. Ferner sei am 18. August 1993 vereinbart worden, die Aufteilung der Marktanteile im Bericht der Prüfungsgesellschaft in groben Zügen für 1994 beizubehalten, womit Tarco nicht einverstanden gewesen sei. Die Zahlen für 1994 spiegelten die bei dem Treffen am 18. August 1993 getroffene Vereinbarung wider, nach der diese Marktanteile mit geringen Anpassungen im Anschluss an die Erörterungen bei diesem Treffen für 1994 beibehalten werden sollten. Die Verhandlungen über die Aufteilung der Marktanteile seien insbesondere bei dem Treffen am 8. oder 9. September 1993 fortgesetzt worden, und am Abend des gleichen Tages habe offenbar ein weiteres Treffen in Frankfurt stattgefunden; aus den von ABB IC Møller geführten Gesprächen gehe aber nicht klar hervor, ob bei diesem Treffen eine Vereinbarung über die Quoten zustande gekommen sei. Zu dieser Zeit habe allerdings die Absicht bestanden, eine schriftliche Vereinbarung mit allen Anbietern auf dem deutschen Markt zu treffen, sobald eine Einigung über die Marktanteile erzielt worden sei, um die Durchführung der Aufteilung zu vereinfachen. Tatsächlich sei keine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet worden, und der Konsens, der sich im September abgezeichnet habe, sei jedenfalls nur von kurzer Dauer gewesen.

157 Daraus folgt, dass es, auch wenn die Teilnehmer an den Verhandlungen zu keiner Vereinbarung über die jedem von ihnen zuzuteilenden Marktanteile kamen, gleichwohl zu einem bestimmten Zeitpunkt einen "Konsens" über die grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes gab.

158 Zur Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an dieser Vereinbarung ist festzustellen, dass Herr Henss unstreitig an den Treffen am 30. Juni 1993 in Kopenhagen und am 18. oder 19. August 1993 in Zürich teilnahm. Zudem sind die Angaben von ABB, dass am 8. oder 9. September 1993 ein Treffen mit Herrn Henss in Frankfurt stattgefunden habe (Antwort vom 4. Juni 1996), nicht mit der Behauptung der Klägerinnen unvereinbar, dass Herr Henss am 8. September 1993 einen Termin in Frankfurt und am 9. September 1993 in Prag gehabt habe. Angesichts der Anwesenheit von Herrn Henss bei den genannten Treffen und der Tatsache, dass die Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes, wie aus dem Vermerk von ABB IC Møller hervorgeht, einen Marktanteil für Henss/Isoplus umfassten, ist es als erwiesen anzusehen, dass die Gruppe Henss/Isoplus an den Verhandlungen teilnahm, die etwa im September 1993 zu einem Konsens über die grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes führten.

159 Viertens hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Gruppe Henss/Isoplus nach dem Treffen am 3. Mai 1994 an einer Vereinbarung über eine Preisliste für den deutschen Markt teilnahm.

160 Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie bei dem Treffen am 3. Mai 1994 vertreten waren. Insoweit wird die Erklärung von ABB, dass es eine Preisliste gab, die nach diesem Treffen bei allen Lieferungen an deutsche Anbieter angewandt werden sollte (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996), durch das Schreiben vom 10. Juni 1994 bestätigt, mit dem der Koordinator des Kartells Herrn Henss und die Geschäftsführer von ABB, Dansk Rørindustri, Løgstør, Pan-Isovit und Tarco zu einem für den 18. August 1994 vorgesehenen Treffen einlud (Anhang 56 der Mitteilung der Beschwerdepunkte); darin heißt es:

"[Der] Termin für die vereinbarte Besprechung über [die] Marktsituation in [der BRD] ist jetzt auf

Donnerstag 11 Uhr, den 18. August 1994,... festgelegt.

Da die Liste vom 9. Mai 1994 in einigen Positionen unvollständig ist und es somit bei Angebotsvergleichen zu erheblichen Konfrontationen und Interpretationsunterschieden geführt hat, erlaube ich mir, die fehlenden Positionen durch beiliegende Liste zu ergänzen."

161 Aus diesem Schreiben geht hervor, dass es eine Preisliste gab, die bei der Abgabe von Angeboten angewandt werden sollte und bereits angewandt wurde, auch wenn dabei Probleme aufgetreten waren. Die Existenz einer solchen Liste wird durch Tarco bestätigt, die eine vom Koordinator des Kartells den Geschäftsführern "vermutlich im Mai 1994" übermittelte Preisliste erwähnt (Antwort von Tarco vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen). Nach den Angaben von ABB wurden sodann bei dem Treffen am 18. August 1994 in Kopenhagen Maßnahmen zur "Verbesserung" des Preisniveaus in Deutschland erörtert (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996); die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie bei diesem Treffen vertreten waren. Unter diesen Umständen durfte die Kommission aus der Anwesenheit der Klägerinnen bei den Treffen am 3. Mai und am 18. August 1994 auf ihre Beteiligung am Preislistensystem schließen.

162 Fünftens ist zur späteren Beteiligung der Klägerinnen am Kartell darauf hinzuweisen, dass sie die Angaben zur Teilnahme von Herrn Henss am Treffen vom 7. Oktober 1994 in Hamburg (Antwort von Tarco vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen) und am Treffen vom 16. November 1994 (Antwort von ABB vom 4. Juni 1996) nicht in Abrede gestellt haben. Nach den Angaben von ABB (Antwort vom 4. Juni 1996) und von Tarco (Antwort vom 31. Mai 1996) war das Treffen am 7. Oktober 1994 aber das erste einer Reihe von Treffen, bei denen die deutsche Kontaktgruppe zusammentrat und in deren Rahmen Verhandlungen über die Preise und die Aufteilung des deutschen Marktes stattfanden. Zum zweiten Treffen geht aus den Angaben von ABB (Antwort vom 4. Juni 1996) und von Pan-Isovit (Antwort vom 17. Juni 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996) hervor, dass es sich um ein Treffen des Geschäftsführer-Clubs handelte, bei dem die betroffenen Unternehmen eine Aufteilung der Marktanteile auf europäischer Ebene beschlossen.

163 Angesichts der Angaben der Klägerinnen in ihren Schriftsätzen, sie hätten im Oktober 1994 erklärt, "noch im Oktober 1994 grundsätzlich diesem rechtswidrigen europaweiten Kartell... beizutreten", ist es als erwiesen anzusehen, dass sie sich durch ihre Anwesenheit bei den Treffen der deutschen Kontaktgruppe ab Oktober 1994 der Zusammenarbeit zwischen den Herstellern anschlossen, die Gegenstand dieser Treffen war.

164 Keines der übrigen von den Klägerinnen vorgetragenen Argumente ist geeignet, diese aus der Anwesenheit von Herrn Henss bei den Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand gezogenen Schlüsse in Frage zu stellen.

165 Das erste Argument, die übrigen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen hätten die Kartellteilnahme der Klägerinnen vor 1994 nicht anerkannt oder nichts von ihr gewusst, ist irrelevant. Nach dem Vorstehenden ergeben sich sowohl der wettbewerbswidrige Charakter der genannten Treffen als auch die Anwesenheit von Herrn Henss bei den entscheidenden Zusammenkünften aus einer Reihe von Beweisen, insbesondere aus mehreren bei den betreffenden Unternehmen gefundenen Schriftstücken und aus Aussagen einiger dieser Unternehmen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Løgstør und Tarco die Anwesenheit der Klägerinnen bei den besagten Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 und am 10. November 1992 ausdrücklich bestätigt haben. Zudem reicht die bloße Tatsache, dass andere Unternehmen bestreiten, dass es auf dem deutschen Markt vor 1994 ein Kartell gab, nicht aus, um ein anderes Licht auf die Beweise für die Teilnahme der Klägerinnen an diesem Kartell zu werfen.

166 Angesichts der Beweise für die Kartellteilnahme der Klägerinnen ab Oktober 1991 kann ihre Teilnahme für die Zeit bis Herbst 1993 nicht unter Hinweis darauf bestritten werden, dass das Kartell ab Oktober 1993 für einige Monate ausgesetzt worden sei. Da die Kommission eine solche "Aussetzung" des Kartells in Randnummer 153 ihrer Entscheidung anerkannt und diesen Zeitraum ausgenommen hat, als sie die Dauer der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung berechnete, kann ihr hinsichtlich des fraglichen Zeitraums nicht vorgeworfen werden, einen Fehler bei der Würdigung der Beweise für diese Beteiligung begangen zu haben.

167 Auch das zweite Argument, es sei nach keiner Preisabsprache tatsächlich zu einer Erhöhung der Marktpreise gekommen, greift nicht durch. Bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag brauchen die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckte (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 390, Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 99, und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-199/92 P, Hüls/Kommission, Slg. 1999, I-4287, Randnr. 178; Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 87). Im Übrigen kann die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, das mit anderen Unternehmen an Treffen teilgenommen hat, bei denen Beschlüsse über die Preise gefasst wurden, nicht an die vereinbarten Preise hält, den wettbewerbswidrigen Zweck dieser Treffen und folglich auch die Beteiligung des betreffenden Unternehmens an den Absprachen nicht beseitigen, sondern würde allenfalls beweisen, dass es die fraglichen Vereinbarungen nicht durchgeführt hat (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89, Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 79).

168 Das dritte, die Rolle von Henss Rosenheim als Handelsvertreter von ABB Isolrohr auf dem deutschen Markt betreffende Argument kann ebenfalls nichts an den Schlussfolgerungen der Kommission zu den oben genannten Tätigkeiten der Gruppe Henss/Isoplus ändern.

169 Die Behauptung der Klägerinnen, sowohl der Informationsaustausch über die Preise als auch die Anwesenheit von Herrn Henss bei den fraglichen Treffen seien darauf zurückzuführen, dass er als Geschäftsführer von Henss Rosenheim verpflichtet gewesen sei, ABB Isolrohr über den Markt zu informieren, ist nicht glaubhaft, denn auch wenn man unterstellt, dass Herr Henss diese Informationen liefern musste, geht aus den Akten hervor, dass ABB Isolrohr selbst bei mehreren der fraglichen Treffen unmittelbar vertreten war. Dass Herr Henss der Handelsvertreter von ABB Isolrohr war, schließt im Übrigen nicht aus, dass er ein gesondertes Interesse in Bezug auf alle Henss/Isoplus-Gesellschaften hatte, die er bei solchen Treffen vertrat.

170 Die Klägerinnen können insoweit ihren Beitritt zu einer Vereinbarung über die Erhöhung der Preise auch nicht unter Hinweis darauf in Abrede stellen, dass es Ende 1991 und Ende 1993 Auseinandersetzungen zwischen Henss Rosenheim und ABB Isolrohr wegen des Preisniveaus auf dem deutschen Markt gegeben habe.

171 Zum einen begann die Auseinandersetzung über die (Henss Rosenheim von ABB Isolrohr in Rechnung gestellten) Agenturpreise für 1992 damit, dass ABB Isolrohr am 11. September 1991 - also vor dem Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991, in dessen Rahmen von den dänischen Herstellern und den deutschen Gesellschaften eine Preiserhöhung erörtert wurde - die Erhöhung ihrer Preise ankündigte. ABB räumt zwar in ihrer Antwort ein, dass ABB Isolrohr im August 1991 versucht habe, Henss Rosenheim mit der Behauptung, dass mit Løgstør und Tarco eine Preiserhöhung abgesprochen worden sei, dazu zu bewegen, sich ihr anzuschließen, doch führt sie in dieser Antwort auch aus, dass eine solche Vereinbarung von den dänischen Herstellern, Pan-Isovit und Henss bei dem Treffen am 10. Oktober 1991 tatsächlich geschlossen worden sei. Was den späteren Konflikt über die Agenturpreise anbelangt, so hat Henss Rosenheim ihre Forderung nach einer Senkung der Agenturpreise mit Schreiben vom 22. September 1993 und vom 7. Oktober 1993 zum Ausdruck gebracht, also kurz nachdem eine Einigung über die Aufteilung des deutschen Marktes erzielt worden war, aber zu einem Zeitpunkt, zu dem sich nach den Angaben in Randnummer 52 der Entscheidung die Umsetzung dieser Vereinbarung als unmöglich erwies und die Preise weiter fielen.

172 Zum anderen geht aus den Akten hervor, dass die Auseinandersetzungen zwischen Henss Rosenheim und ABB Isolrohr allein die Agenturpreise betrafen. Nach dem der Klageschrift beigefügten Vertrag zwischen ABB Isolrohr und Henss Rosenheim bestand die Provision des Handelsvertreters im Differenzbetrag zwischen dem Agenturpreis und dem vom Handelsvertreter festgelegten Preis für den Verkauf an Endabnehmer. Folglich war das Interesse von Henss Rosenheim, sich einer Erhöhung des an ABB Isolrohr zu zahlenden Agenturpreises allein für das von ihrem Handelsvertretungsvertrag erfasste Gebiet zu widersetzen, keineswegs mit ihrem Interesse unvereinbar, auf dem gesamten deutschen Markt eine Erhöhung der Verkaufspreise zu erreichen. Dies wird im Übrigen durch Bemerkungen von ABB Isolrohr in ihrer Antwort auf das Schreiben von Henss Rosenheim vom 7. Oktober 1993 bestätigt, wonach Henss Rosenheim ihren Aktivitäten in den neuen deutschen Bundesländern und im Ausland so viel Aufmerksamkeit widme, dass sich ihre Anstrengungen im Vertragsgebiet verringert habe (der Klageschrift beigefügtes Schreiben vom 29. Oktober 1993).

173 Da die Kartellteilnahme der Gruppe Henss/Isoplus aufgrund der Anwesenheit von Herrn Henss bei einer Reihe von Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand hinreichend erwiesen ist, geht das vierte Argument der Klägerinnen, dass die Gruppe Henss/Isoplus für die übrigen Kartellteilnehmer kein wirtschaftlich interessanter Partner gewesen sei, ins Leere. Im Übrigen kann eine solche Feststellung, wie auch die Kommission hervorhebt, nicht aus der Prüfung der Marktposition der Henss- und Isoplus-Gesellschaften abgeleitet werden.

174 Auch mit dem fünften Argument, dass Isoplus Hohenberg in den dänischen Markt eingedrungen sei und deshalb von den dänischen Herstellern auf dem österreichischen Markt unter Druck gesetzt worden sei, kann die Kartellteilnahme der Klägerinnen nicht in Abrede gestellt werden.

175 Das Vorliegen einer Vereinbarung, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt bezweckt, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eines der Kartellmitglieder auf einem benachbarten Markt ein Wettbewerbsverhalten zeigt, das die wirtschaftlichen Interessen der übrigen Mitglieder schädigen und die auf dem letztgenannten Markt bestehenden wettbewerbswidrigen Vereinbarungen verletzen kann. Überdies hört ein Preiskartell nicht allein dadurch zu existieren auf, dass das eine oder andere der beteiligten Unternehmen versucht, seine Marktposition zu stärken, indem es zu niedrigeren als den vereinbarten Preisen verkauft, und dass einige andere darauf reagieren, namentlich wenn die Unternehmen Verhandlungen ins Auge fassen, die zu einer Marktaufteilung führen sollen, sofern diese Unternehmen nicht ihren gemeinsamen Willen verlieren, sich auf dem Markt im Rahmen des Kartells in bestimmter Weise zu verhalten.

176 Ferner ist zum Eintritt von Isoplus Hohenberg in den dänischen Markt festzustellen, dass die Aktivitäten der Klägerinnen über ihre Tochtergesellschaft in Dänemark nicht der einzige Grund für den zeitweiligen Wirksamkeitsverlust des Kartells auf dem dänischen Markt Ende 1993 waren. Wie aus den Erklärungen von ABB und Løgstør hervorgeht, waren die Spannungen, die zu dieser Zeit zu einem solchen Wirksamkeitsverlust führten, auch auf das aggressive Verhalten von Løgstør zurückzuführen, die einen größeren Marktanteil verlangte (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte; Antwort von ABB vom 4. Juni 1996). Dies wird durch Bemerkungen während der Beiratssitzung der Henss/Isoplus-Gesellschaften am 3. Februar 1994 bestätigt (Zusatzdokument Nr. 21 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte), bei der darüber gesprochen wurde, dass Løgstør mit äußerst niedrigen Preisen einen wichtigen Kunden von ABB abgeworben habe, um ABB dazu zu bewegen, ihr Marktanteile zu überlassen.

177 Aus diesem Schriftstück geht klar hervor, dass die Strategie der Gruppe Henss/Isoplus auf dem dänischen Markt eher dahin ging, sich mit den dänischen Herstellern abzustimmen, als dahin, den freien Wettbewerb auf diesem Markt zu wahren. Unter diesen Umständen hat die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Gruppe Henss/Isoplus nur deshalb in den dänischen Markt eingedrungen sei, um ein stärkeres Druckmittel für die Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes zur Verfügung zu haben (Randnr. 48 der Entscheidung).

178 Zu dem Druck, dem Isoplus Hohenberg ausgesetzt gewesen sein soll, ist festzustellen, dass sich ein Unternehmen, das mit anderen an wettbewerbswidrigen Handlungen zur Festsetzung von Preisen und Quoten teilnimmt, nicht darauf berufen kann, dies unter dem Zwang der übrigen Teilnehmer getan zu haben. Es hätte nämlich, statt an diesen Handlungen teilzunehmen, den ausgeübten Druck bei den zuständigen Behörden zur Anzeige bringen und bei der Kommission eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 einlegen können (Urteil Hüls/Kommission vom 10. März 1992, Randnrn. 123 und 128; Urteil Tréfileurope/Kommission, Randnr. 58). Im Übrigen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Herr Henss im Rahmen seiner Vertretung der Interessen der Henss- und Isoplus-Gesellschaften zu den fraglichen Treffen unter dem Druck eines anderen Unternehmens geladen wurde oder dass die Gruppe Henss/Isoplus gezwungen war, die Ergebnisse dieser Treffen zu akzeptieren. Dass ABB auf Herrn Henss Druck ausgeübt haben soll, wird durch einen von ABB ihrer Antwort beigefügten Vermerk des Geschäftsführers von ABB IC Møller vom 4. Juni 1992, in dem es heißt, es sei für ABB wichtig, "Henss "steuern/kontrollieren" zu können", nicht bestätigt, denn aus demselben Vermerk ergibt sich, dass dessen Gegenstand das weitere Vorgehen nach einem Anruf von Herrn Henss war, in dem dieser sich selbst zu einer besseren Zusammenarbeit mit ABB Isolrohr bereit erklärt hatte.

179 Das sechste Argument, dass sich der EuHP bis 1994 geweigert habe, die Henss/Isoplus-Gesellschaften als Mitglieder aufzunehmen, spricht nicht gegen die Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus am Kartell während dieser Zeit. Die Aktivitäten des EuHP deckten sich nämlich unstreitig nicht mit dem Wirkungskreis des Kartells, da die betreffenden Unternehmen eine Trennung zwischen den offiziellen Treffen im Rahmen des EuHP und den Kartelltreffen vornahmen und da einige Kartellmitglieder nie dem EuHP angehörten. So bestreiten die Klägerinnen nicht, dass die Gruppe Henss/Isoplus ab Oktober 1994 am Kartell teilnahm, obwohl keine der Gesellschaften dieser Gruppe vor Sommer 1995 in den EuHP aufgenommen wurde.

180 Schließlich haben die Klägerinnen keine weiteren entlastenden Gesichtspunkte genannt, deren Würdigung die Kommission bei ihrer Untersuchung unterlassen haben soll. Da die Kommission ihre Schlüsse nach einer sachgerechten Würdigung der Beweismittel und auf der Grundlage aller Beweise gezogen hat, die zum einen aus mehreren bei den betroffenen Unternehmen gefundenen Schriftstücken und zum anderen aus Aussagen einiger dieser Unternehmen bestehen, kann nicht geltend gemacht werden, dass die Kommission im vorliegenden Verfahren gegen die Unschuldsvermutung verstoßen habe.

181 Folglich hat die Kommission der Gruppe Henss/Isoplus zu Recht die Beteiligung an einem Kartell in der Zeit von Oktober 1991 bis Oktober 1994 zur Last gelegt.

b) Zur rechtlichen Würdigung

182 Hinsichtlich der rechtlichen Würdigung des für die Zeit bis Oktober 1994 festgestellten Sachverhalts durch die Kommission erheben die Klägerinnen im Wesentlichen sechs Rügen. Erstens rügen sie die Einstufung der Zuwiderhandlung als "miteinander verbundene Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen". Zweitens wenden sie sich dagegen, dass die festgestellten Verhaltensweisen als Vereinbarung angesehen wurden. Drittens beanstanden sie den von der Kommission verwendeten Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Viertens machen sie geltend, die Kommission habe die Rechtsfolgen der Teilnahme an einem Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand falsch beurteilt. Fünftens tragen sie vor, die Kommission habe einen Fehler in Bezug auf die Beweislast für die Beteiligung an einem Gesamtkartell begangen. Sechstens werfen sie der Kommission vor, die individuelle Verantwortung der zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Gesellschaften nicht geprüft zu haben.

i) Zur Einstufung der Zuwiderhandlung als "miteinander verbundene Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen"

Vorbringen der Parteien

183 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Ausführungen der Kommission in den Randnummern 131 und 132 ihrer Entscheidung, dass sie im Fall eines komplexen Kartells von langer Dauer, bei dem die aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und die geschlossenen Vereinbarungen Teil einer Reihe von gemeinsam getätigten Versuchen mit dem Zweck seien, den Wettbewerb zu verhindern oder zu verzerren, das Verhalten der Unternehmen als eine kontinuierliche Zuwiderhandlung werten könne. Die Kommission gehe zu Unrecht davon aus, dass es für sie in einem solchen Fall nicht erforderlich sei, die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder anderen Erscheinungsform - Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zuzuordnen.

184 Weder bei einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag noch bei einem "Gentlemen's agreement", mit dem der Wettbewerb eingeschränkt werden solle, müsse das Vorliegen einer tatsächlichen Wettbewerbsbeschränkung nachgewiesen werden. Bei aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen müsse die Kommission dagegen, falls es sich nicht um eine willentliche Koordinierung des Verhaltens mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung handele, nachweisen, dass die abgestimmten Verhaltensweisen tatsächlich eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt hätten. In Anbetracht des Unterschieds zwischen den Begriffen der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweisen dürfe die Kommission keine einheitliche Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag annehmen, wenn die Verstöße gegen diese Bestimmung verschiedene Formen aufwiesen. Um der Unschuldsvermutung zu genügen, müssten in einer Entscheidung gemäß der Verordnung Nr. 17 alle Tatbestandselemente einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag genau angegeben werden.

185 Die Beklagte weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im fraglichen Zeitraum Teil eines Systems regelmäßiger Sitzungen gewesen seien, die der Regulierung des Marktes durch die Festlegung von Preisen und Quoten gedient hätten. Da sich dieses Verhalten zum Teil in Vereinbarungen und zum Teil in abgestimmten Verhaltensweisen geäußert habe, sei die Kommission berechtigt gewesen, in Artikel 1 der Entscheidung das Vorliegen einer Vereinbarung und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen festzustellen. Damit habe sie weder die Begriffe der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise verkannt noch gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstoßen.

Würdigung durch das Gericht

186 Bei einer komplexen Zuwiderhandlung, an der mehrere Hersteller über mehrere Jahre beteiligt waren und deren Ziel die gemeinsame Regulierung des Marktes war, kann nach ständiger Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie die Zuwiderhandlung für jedes Unternehmen zu den einzelnen Zeitpunkten entweder als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, da jedenfalls beide Formen der Zuwiderhandlung von Artikel 85 EG-Vertrag umfasst werden. Die Kommission ist daher berechtigt, eine solche einheitliche Zuwiderhandlung als "Vereinbarung und abgestimmte Verhaltensweise" oder als Vereinbarung "und/oder" abgestimmte Verhaltensweise zu qualifizieren, wenn diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufweist, die als Vereinbarung anzusehen sind, als auch Einzelakte, die als abgestimmte Verhaltensweise einzustufen sind (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 264). Es wäre gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 263).

187 In einem solchen Fall ist die doppelte Qualifizierung nicht so zu verstehen, dass für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, dass er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt; sie bezieht sich vielmehr auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarung und andere als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen sind, der ja für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Qualifizierung vorschreibt (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 264).

188 Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag stellt den Begriff "aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" neben die Begriffe "Vereinbarungen zwischen Unternehmen" und "Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen", um durch seine Verbotsvorschrift verschiedene Formen der Koordinierung und der Kollusion zwischen Unternehmen zu erfassen (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 64). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass mehrere Handlungen mit ein und demselben wettbewerbswidrigen Ziel, von denen jede für sich betrachtet den Begriff der Vereinbarung, der abgestimmten Verhaltensweise oder des Beschlusses einer Unternehmensvereinigung erfuellt, nicht unterschiedliche Ausdrucksformen einer einzigen Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sein können. Daher kann eine Reihe von Verhaltensweisen mehrerer Unternehmen Ausdruck einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung sein, die teils den Begriff der Vereinbarung und teils den Begriff der abgestimmten Verhaltensweise erfuellt (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 112 bis 114).

189 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen durfte die Kommission davon ausgehen, dass es für sie in einem solchen Fall nicht erforderlich ist, die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder anderen Erscheinungsform - Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zuzuordnen.

190 Der Vergleich zwischen den Begriffen der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zeigt, dass beide in subjektiver Hinsicht Formen der Kollusion erfassen, die in ihrer Art übereinstimmen, und dass sie sich nur in ihrer Intensität und ihren Ausdrucksformen unterscheiden. Somit umfassen diese Begriffe teilweise unterschiedliche Merkmale, sind aber untereinander nicht unvereinbar. Daher braucht die Kommission nicht jede der festgestellten Handlungen als Vereinbarung oder als abgestimmte Verhaltensweise einzustufen, sondern kann einige dieser Handlungen als Vereinbarungen und andere subsidiär als abgestimmte Verhaltensweisen einstufen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 131 und 132).

191 Eine solche Auslegung hat keine inakzeptablen Folgen für die Beweisführung. Zum einen bleibt es dabei, dass die Kommission für jede festgestellte Handlung nachzuweisen hat, dass sie als Vereinbarung, abgestimmte Verhaltensweise oder Beschluss einer Unternehmensvereinigung unter das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. Zum anderen können die Unternehmen, denen eine Teilnahme an der Zuwiderhandlung zur Last gelegt wird, in Bezug auf jede dieser Handlungen gegen die Subsumtion oder die Subsumtionen, die die Kommission vorgenommen hat, einwenden, dass die Kommission nicht die Erfuellung des Tatbestands der verschiedenen geltend gemachten Zuwiderhandlungsformen nachgewiesen habe (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 134 bis 136).

192 Folglich hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie die fragliche Zuwiderhandlung in Artikel 1 der Entscheidung als "miteinander verbundene Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" einstufte, ohne sie der einen oder anderen Erscheinungsform zuzuordnen.

ii) Zur Einstufung der festgestellten Handlungen als Vereinbarung

Vorbringen der Parteien

193 Die Klägerinnen tragen vor, bezüglich des Begriffes der Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ergebe sich aus der in Artikel 85 Absatz 2 EG-Vertrag angeordneten Sanktion der Nichtigkeit, dass für eine solche Vereinbarung eine rechtliche Bindung erforderlich sei. Ein "Gentlemen's agreement" komme daher nicht einer Vereinbarung gleich. Solange zwischen den Unternehmen keine Übereinstimmung bestehe, könne ihr Verhalten nur als Versuch einer Vereinbarung gewertet werden, der im gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht nicht mit einer Geldbuße belegt werden könne.

194 Es habe im fraglichen Zeitraum keine Vereinbarung gegeben, denn erst im Herbst 1994 sei eine Vereinbarung über Preise und Quoten geschlossen worden.

195 Bezüglich der Quotenregelung, die der Kommission zufolge im August oder September 1993 getroffen worden sein solle, habe die Kommission selbst in Randnummer 51 ihrer Entscheidung zu den Zielen auf dem deutschen Markt für 1994 ausgeführt, dass "scheinbar" ein allgemeiner Konsens gefunden worden sei, was heiße, dass kein Konsens vorgelegen habe. Nach den Feststellungen in derselben Randnummer habe Tarco Vorbehalte gegen Quoten gehabt. In Randnummer 52 der Entscheidung stelle die Kommission zudem klar, dass eine solche Vereinbarung tatsächlich nicht zustande gekommen sei. Unabhängig davon, dass die Klägerinnen eine solche Vereinbarung weder geschlossen noch daran mitgewirkt hätten, könne in dem von der Kommission geschilderten Sachverhalt höchstens der Versuch einer Vereinbarung gesehen werden.

196 Die Kommission behaupte in Randnummer 137 ihrer Entscheidung zu Unrecht, dass "embryonale, lose und bruchstückhafte" Vereinbarungen über Märkte außerhalb Dänemarks vor 1994 auf jeden Fall Verstöße gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellten. Embryonale Vereinbarungen seien Vereinbarungen, die noch nicht zustande gekommen seien, da es zwischen den beteiligten Unternehmen noch zu keiner Willenseinigung gekommen sei. Solche bruchstückhaften, embryonalen Abmachungen stellten nur den Versuch von Vereinbarungen dar, der nicht mit Geldbußen belegt werden dürfe.

197 Jedenfalls hätten sich Henss Rosenheim und damit die Gruppe Henss/Isoplus nicht nur den Ergebnissen der in der Entscheidung erwähnten Sitzungen nicht gebeugt, sondern seien sogar offen gegen diese Ergebnisse aufgetreten. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts und die Erhebung einer Schiedsgerichtsklage durch Henss Rosenheim gegen ABB Isolrohr seien nichts anderes als ein im Sinne der Rechtsprechung offenes Auftreten gegen die Ergebnisse dieser Sitzungen.

198 Die Beklagte trägt vor, für die Annahme einer Vereinbarung reiche es nach der Rechtsprechung aus, dass die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten, zum Ausdruck gebracht hätten. Die Parteien müssten keineswegs eine rechtliche Bindung schaffen. In diesem Kontext hätten die im Oktober oder Dezember 1991 beschlossene Preiserhöhung, die im August oder September 1993 getroffene Quotenregelung und die im Mai und August 1994 beschlossene Preisliste den Charakter einer Vereinbarung.

Würdigung durch das Gericht

199 Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86; Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867, Randnr. 120).

200 Dies ist der Fall, wenn zwischen mehreren Unternehmen ein Gentlemen's Agreement besteht, das einen derartigen gemeinsamen Willen getreu zum Ausdruck bringt und eine Beschränkung des Wettbewerbs zum Gegenstand hat (Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, und Tréfileurope/Kommission, Randnr. 96). Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob sich die Unternehmen für - rechtlich, tatsächlich oder moralisch - verpflichtet hielten, sich absprachegemäß zu verhalten (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-347/94, Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751, Randnr. 65).

201 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann aus der in Artikel 85 Absatz 2 EG-Vertrag vorgesehenen Sanktion der Nichtigkeit, die für die Fälle gilt, in denen eine tatsächliche rechtliche Verpflichtung besteht, kein gegenteiliger Schluss gezogen werden. Die Tatsache, dass diese Sanktion ihrem Wesen nach nur auf Vereinbarungen mit zwingendem Charakter Anwendung finden kann, bedeutet nicht, dass Vereinbarungen, die keinen solchen Charakter haben, von dem in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag aufgestellten Verbot ausgenommen werden müssen.

202 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnummer 137 der Entscheidung zu den Vereinbarungen über Märkte außerhalb Dänemarks vor 1994 die Ansicht vertreten, dass es im August 1993 zumindest eine ausdrückliche Vereinbarung über die Erhöhung der Preise in Deutschland ab 1. Januar 1992, über die Preisvorgaben und die Aufteilung von Projekten in Italien und über eine Quotenregelung für die Marktanteile gegeben habe. In Bezug auf die Kartellteilnahme der Klägerinnen vor Oktober 1994 steht fest, dass die Kommission erstens die im Oktober und Dezember 1991 beschlossene Preiserhöhung auf dem deutschen Markt für 1992, zweitens die im August oder September 1993 vereinbarte Quotenregelung und drittens die im Mai und August 1994 beschlossene Preisliste als Vereinbarung angesehen hat.

203 Hierzu ist oben in den Randnummern 137 bis 181 festgestellt worden, dass die Kommission auf der Grundlage aller von ihr gesammelten Beweise die Auffassung vertreten durfte, dass sich die Gruppe Henss/Isoplus der spätestens am 10. Dezember 1991 getroffenen Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise in Deutschland, einer spätestens im September 1993 vereinbarten Aufteilung des deutschen Marktes und einer bei den Treffen im Mai und August 1994 geschlossenen Vereinbarung über eine Preisliste angeschlossen hatte.

204 Insoweit kann der Widerstand von Henss Rosenheim gegen die von ABB Isolrohr festgesetzten Erhöhungen der Agenturpreise nicht als Distanzierung gegenüber den anderen Kartellteilnehmern angesehen werden, da dieser Widerstand nur die im Rahmen der Handelsvertretung durch Henss Rosenheim verwendeten Agenturpreise betraf und nicht die von den betreffenden Unternehmen für den deutschen Markt festgelegten Verkaufspreise.

205 In Bezug auf die im August 1993 vereinbarte Aufteilung des deutschen Marktes kann nicht geltend gemacht werden, dass die Kommission das Fehlen eines gemeinsamen Willens festgestellt habe, als sie in Randnummer 51 der Entscheidung ausführte, dass "scheinbar" ein Konsens über die Quotenregelung gefunden worden sei. An dieser Stelle kann das Wort "scheinbar" nur so verstanden werden, dass die Kommission ihre Überzeugung zum Ausdruck bringen wollte, dass nach den Umständen des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt ein allgemeiner Konsens über eine Quotenregelung gefunden worden war. Ebenso konnte die Tatsache, dass Tarco Vorbehalte hinsichtlich ihres Marktanteils äußerte, die Kommission nicht an der Feststellung hindern, dass eine grundsätzliche Vereinbarung zustande gekommen war. Aus der Antwort von ABB geht hervor, dass sich Tarco bei den Verhandlungen über eine Preisabsprache im April und Mai 1993 "weigerte, an einer Preisabsprache ohne gleichzeitige Einigung über die Marktanteilsquoten mitzuwirken", weil es ihr "nicht gelungen war, ohne aggressiven Preiswettbewerb Aufträge zu erhalten". Wie oben in Randnummer 153 ausgeführt, kam der Standpunkt von Tarco in der Forderung nach einer höheren Quote als den auf der Grundlage der Buchprüfung vorgesehenen 17 % zum Ausdruck, was in einem späteren Vorschlag zur Einräumung eines höheren Marktanteils führte. Aus diesem Standpunkt von Tarco kann aber nicht geschlossen werden, dass sie sich einer Aufteilung des deutschen Marktes grundsätzlich widersetzt hätte.

206 Entgegen der Behauptung der Klägerinnen kann der von der Kommission geschilderte Sachverhalt nicht als bloßer Versuch einer Vereinbarung eingestuft werden. Aus den aufeinander folgenden Treffen, bei denen Gespräche über die Aufteilung der Marktanteile geführt wurden, ergibt sich, dass die fraglichen Unternehmen zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten. Wie oben in den Randnummern 151 bis 157 ausgeführt, beherrschte ein gemeinsamer Wille, den Wettbewerb auf dem deutschen Markt durch feste Marktanteile jedes Wirtschaftsteilnehmers zu beschränken, im Jahr 1993 für gewisse Zeit die Verhandlungen, auch wenn es keine Einigung über alle Gesichtspunkte gab, die Gegenstand der Verhandlungen waren.

207 In diesem Kontext können die Ausführungen der Kommission in Randnummer 137 der Entscheidung, wonach "es durchaus zutreffen mag, dass [die Vereinbarungen] embryonal, lose und bruchstückhaft waren", nicht dahin verstanden werden, dass es hinsichtlich des von der Kommission als Vereinbarung eingestuften Sachverhalts bei den betreffenden Unternehmen noch keinen gemeinsamen Willen gegeben habe, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten. Die Ausführungen der Kommission, die zugleich angibt, dass sich die Vereinbarungen nicht immer auf alle den Gegenstand der Verhandlungen bildenden Gesichtspunkte und alle denkbaren Einzelheiten erstreckt und einen sporadischen und keinen kontinuierlichen Charakter gehabt hätten, schließen nicht aus, dass die betreffenden Unternehmen eine Einigung über einen oder mehrere Punkte erzielten, mit denen eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem fraglichen Markt bezweckt wurde.

208 Folglich ist die Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.

iii) Zum Begriff der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen

Vorbringen der Parteien

209 Die Klägerinnen tragen zu den aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen vor, falls es sich nicht um eine willentliche Koordinierung des Verhaltens mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung handele, habe die Kommission nachzuweisen, dass die aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen tatsächlich eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt hätten. Im vorliegenden Fall habe die Kommission jedoch für den Zeitraum vor Oktober 1994 selbst eingeräumt, dass die Preise außerhalb des dänischen Marktes, vor allem auf dem deutschen Markt, ab Oktober 1990 kontinuierlich gefallen seien.

210 Die Beklagte führt aus, sie habe sich auf die Definition der abgestimmten Verhaltensweisen in der Rechtsprechung gestützt. In diesem Kontext habe sie in Randnummer 138 der Entscheidung festgestellt, dass im vorliegenden Fall der Austausch von Geschäftsinformationen, die normalerweise als vertraulich angesehen würden, die Voraussetzungen einer abgestimmten Verhaltensweise erfuelle. Dass es im fraglichen Zeitraum in Deutschland einen Preisverfall gegeben habe, spreche in rechtlicher Hinsicht nicht gegen die Existenz abgestimmter Verhaltensweisen, sondern könne allenfalls Zweifel am Erfolg des Kartells begründen. Im Übrigen habe sie Beweismittel vorgelegt, die sich direkt auf die kollusiven Kontakte zwischen den Parteien bezögen.

Würdigung durch das Gericht

211 Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der abgestimmten Verhaltensweise um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 26, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, Randnr. 158).

212 Nach dieser Rechtsprechung sind die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat nimmt den Wirtschaftsteilnehmern zwar nicht das Recht, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten auf intelligente Weise anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die Fühlungnahme bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder der erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht dessen normalen Bedingungen entsprechen (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 173 und 174, vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, Randnrn. 159 und 160, und Rhône-Poulenc/Kommission, Randnr. 121).

213 Zudem setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise, wie sich schon aus dem Wortlaut von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ergibt, über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraus (vgl. Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 118, und Hüls/Kommission, Randnr. 161).

214 In diesem Kontext sind die Ausführungen der Kommission in Randnummer 138 Absatz 2 der Entscheidung zu beurteilen, wo es heißt: "Selbst wenn der Begriff der "Vereinbarung" auf einzelne Stufen des Verhandlungsprozesses, der zur umfassenden Vereinbarung führt, nicht anwendbar ist, fällt das fragliche Verhalten als abgestimmte Verhaltensweise dennoch unter das Verbot des Artikels 85." Die Kommission kennzeichnet die regelmäßigen Treffen als "Forum für... den Austausch normalerweise vertraulicher geschäftlicher Informationen[, das] zwangsläufig ein bestimmtes Maß an gegenseitigem Einverständnis, Reziprozität und bedingter oder partieller Einigung über [das] Verhalten bewirkt haben muss", und hebt hervor, dass "die Beteiligten keinesfalls umhin [konnten], die bei diesen regelmäßigen Treffen erhaltenen Informationen direkt oder indirekt zu berücksichtigen".

215 Für die Zeit vor Oktober 1994 bestätigen mehrere Schriftstücke, dass die Gruppe Henss/Isoplus 1992 und 1993 mehrfach an einem Informationsaustausch über die Marktanteile teilnahm. Dabei handelt es sich, wie oben in den Randnummern 146, 148 und 149 ausgeführt, um die Schriftstücke in den Anhängen 37, 44, 49 und 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte.

216 Vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises besteht die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 121, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, Randnr. 162). Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet, wie es hier der Fall war (vgl. Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 121, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, Randnr. 162).

217 Zudem fällt nach der Rechtsprechung eine abgestimmte Verhaltensweise selbst dann unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, wenn auf dem Markt keine wettbewerbswidrigen Wirkungen eintreten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen ebenso wie Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn mit ihnen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird. Ferner setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, dass sich dieses Verhalten konkret in einer Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt (vgl. Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 122 bis 124, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, Randnrn. 163 bis 165).

218 Nach dem Vorstehenden hat die Kommission, soweit sie der Gruppe Henss/Isoplus für die Zeit vor Oktober 1994 die Mitwirkung an "miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen" vorwirft, keinen Rechtsfehler begangen, als sie den Austausch geschäftlicher Informationen hilfsweise als abgestimmte Verhaltensweise einstufte.

219 In diesem Punkt ist die Rüge der Klägerinnen daher ebenfalls zurückzuweisen.

iv) Zu den Rechtsfolgen der Teilnahme an einem Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand

Vorbringen der Parteien

220 Die Klägerinnen tragen vor, die Rechtsprechung, wonach ein Unternehmen, das sich den Ergebnissen von Sitzungen mit wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beuge, für eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zur Verantwortung gezogen werden könne, sofern es sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert habe, sei einschränkend auszulegen, wie die Urteile des Gerichts vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89 (BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389) und des Gerichtshofes vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P (BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865) zeigten, nach denen eine gewisse Zurückhaltung der Kommission, bestimmte in der Akte enthaltene Schreiben von Kunden des Unternehmens mit beherrschender Stellung offen zu legen, berechtigt sei.

221 In Kartellen, an denen Unternehmen mit marktbeherrschender oder zumindest mit starker wirtschaftlicher Stellung beteiligt seien, bedeute die Tatsache, dass sich wirtschaftlich schwächere Unternehmen nicht offen vom kartellwidrigen Ergebnis einer Sitzung distanzierten, keineswegs, dass diese Unternehmen gleichwohl kartellrechtlich das Ergebnis dieser Sitzung verantworten müssten. Für unbedeutendere Unternehmen sei es nämlich oft leichter, bei Sitzungen, zu denen sie vom Marktführer aufgrund dessen wirtschaftlicher Dominanz geladen würden, vorerst zu schweigen und dann nicht nach den gefassten Beschlüssen zu handeln.

222 Die Beklagte macht geltend, für die rechtliche Beurteilung eines Kartells spiele es keine Rolle, ob sich ein Unternehmen freiwillig oder unter Zwang daran beteilige, da es stets die Möglichkeit habe, das Kartellverhalten anzuzeigen. Die angeführten Urteile beruhten auf der Überlegung, dass die Kommission möglichst vermeiden sollte, selbst Ursachen für Wettbewerbsverstöße zu setzen, und änderten nichts an der Rechtsprechung, nach der ein Unternehmen, das sich den Ergebnissen von Sitzungen mit wettbewerbswidrigem Zweck nicht beuge, zur Verantwortung gezogen werden könne, sofern es sich nicht offen vom Inhalt dieser Sitzungen distanziert habe.

Würdigung durch das Gericht

223 Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teil und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, so kann, wie oben in Randnummer 137 ausgeführt, der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat.

224 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen spielt es insoweit keine Rolle, ob sich das fragliche Unternehmen mit anderen Unternehmen zusammenschließt, die eine marktbeherrschende oder zumindest eine starke wirtschaftliche Stellung auf dem Markt haben.

225 Zum einen betrifft die von den Klägerinnen angeführte Rechtsprechung die Pflicht der Kommission, im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zur Anwendung des Wettbewerbsrechts die Vertraulichkeit bestimmter Unterlagen in den Verwaltungsakten zu beachten. In diesem Kontext ist entschieden worden, dass die Kommission den Unternehmen, denen zur Last gelegt wurde, ihre beherrschende Stellung missbraucht zu haben, die Einsicht in bestimmte Korrespondenzen mit dritten Unternehmen wegen ihres vertraulichen Charakters verweigern durfte, da dies ein Unternehmen, an das eine Mitteilung von Beschwerdepunkten gerichtet wird und das eine beherrschende Stellung auf dem Markt einnimmt, dazu veranlassen könnte, Vergeltungsmaßnahmen gegen Konkurrenzunternehmen, Lieferanten oder Kunden zu ergreifen, die an der Untersuchung der Kommission mitgewirkt haben (Urteil vom 1. April 1993, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Randnr. 33, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil vom 6. April 1995, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Randnrn. 26 und 27). Da diese Rechtsprechung den ganz anderen Kontext der Pflicht der Kommission zur Gewährung von Akteneinsicht betrifft, liefert sie keine relevanten Anhaltspunkte für die Frage, inwieweit die Ergebnisse von Treffen mit wettbewerbswidrigem Charakter den an diesen Treffen teilnehmenden Unternehmen zugerechnet werden können.

226 Zum anderen hat ein Unternehmen, das an Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand teilnimmt, auch wenn es dies unter dem Zwang anderer Teilnehmer mit größerer Wirtschaftsmacht tut, stets die Möglichkeit, bei der Kommission Beschwerde einzulegen, um die fraglichen wettbewerbswidrigen Handlungen zur Anzeige zu bringen, statt weiter an den Treffen teilzunehmen (siehe oben, Randnr. 178).

227 Folglich hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie sich im vorliegenden Fall auf die Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag stützte, nach der ein Unternehmen, das an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren, als Teilnehmer an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache angesehen werden kann.

v) Zur Beweislast für die Beteiligung an einem Gesamtkartell

Vorbringen der Parteien

228 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Behauptung der Kommission in Randnummer 134 der Entscheidung, es sei "nicht erforderlich nachzuweisen, dass jeder angeblich an der Vereinbarung Beteiligte in jedem einzelnen Aspekt oder jeder einzelnen Ausprägung während seiner Zugehörigkeit zum gemeinsamen Plan beteiligt war, dazu seine ausdrückliche Zustimmung gab oder sich dieser Aspekte oder Ausprägungen überhaupt bewusst war". Diese Rechtsauffassung werde durch die Rechtsprechung nicht gedeckt und widerspreche vor allem Artikel 6 Absatz 2 EMRK und dem Schuldprinzip als allgemeinem Rechtsgrundsatz. Sie führe letztlich zu einer Umkehr der Beweislast.

229 Ein Unternehmen könne auch dann, wenn feststehe, dass es nur an einem oder mehreren Bestandteilen eines Gesamtkartells unmittelbar mitgewirkt habe, für dieses Kartell zur Verantwortung gezogen werden, sofern es gewusst habe oder zwangsläufig hätte wissen müssen, dass die Absprache, an der es sich beteiligt habe, Teil eines Gesamtplans gewesen sei und dass sich dieser Gesamtplan auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckt habe (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 140). Auch wenn diese Rechtsprechung im Wesentlichen zu Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ergangen sei und daher nicht ohne weiteres auf aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne dieser Bestimmung übertragen werden könne, bedeute sie doch, dass in der Entscheidung der Kommission dezidierte Feststellungen dazu enthalten sein müssten, welche Art der Vereinbarung getroffen worden sei und was das betroffene Unternehmen tatsächlich gewusst habe bzw. zwangsläufig hätte wissen müssen. Vor allem werde die Zurechnung zu einem Gesamtkartell weder für einen Zeitraum vor demjenigen, in dem das betreffende Unternehmen an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe, noch für einen Markt erfolgen können, auf dem es nie tätig gewesen sei.

230 Die Beklagte führt aus, Randnummer 134 der Entscheidung betreffe den einheitlichen Charakter des Kartells, nicht jedoch den Umfang des Vorwurfs, der gegenüber jedem einzelnen Unternehmen erhoben werde. Aus der Entscheidung folge eindeutig, dass die Kommission von der Frage, ob ein einziger fortdauernder Verstoß vorliege, deutlich das Problem getrennt habe, in welchem Umfang jedes einzelne Unternehmen für das Kartell zur Verantwortung gezogen werde.

Würdigung durch das Gericht

231 Nach der Rechtsprechung kann ein Unternehmen auch dann, wenn feststeht, dass es nur an einem oder mehreren Bestandteilen eines Gesamtkartells unmittelbar mitgewirkt hat, für dieses Kartell zur Verantwortung gezogen werden, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass die Absprache, an der es sich beteiligte, Teil eines Gesamtplans war und dass sich dieser Gesamtplan auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckte (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II-813, Randnr. 121, und Urteil Gruber + Weber/Kommission, Randnr. 140). Ebenso kann ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die ganze Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legten, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. Eine solche Schlussfolgerung läuft nicht dem Prinzip zuwider, wonach die Verantwortlichkeit für solche Zuwiderhandlungen von persönlicher Art ist, und mit ihr wird nicht unter Verletzung der Beweisregeln die Einzeluntersuchung der belastenden Beweise vernachlässigt oder gegen die Verteidigungsrechte der beteiligten Unternehmen verstoßen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 203).

232 Nach Ansicht der Klägerinnen geht aus Randnummer 134 Absatz 6 der Entscheidung hervor, dass die Kommission die aus dieser Rechtsprechung hervorgehenden Grundsätze nicht beachtet habe.

233 Dieses Vorbringen beruht jedoch auf einem falschen Verständnis von Randnummer 134 der Entscheidung.

234 Der fragliche Abschnitt gehört zu den Erwägungen unter der Überschrift "Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen", in deren Rahmen die Kommission zunächst ihre Auslegung der Begriffe "Vereinbarung" und "aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" darstellt (Randnrn. 129 und 130 der Entscheidung) und dann die Gründe erläutert, aus denen sie sich für berechtigt hielt, das Verhalten der Unternehmen als eine kontinuierliche Zuwiderhandlung zu werten, ohne die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder anderen Erscheinungsform - Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zuordnen zu müssen (Randnrn. 131 bis 133 der Entscheidung). Sodann führt sie in Randnummer 134 der Entscheidung aus, es sei möglich, dass es nicht über alle Bestandteile des Kartells einen Konsens gegeben habe, dass keine förmliche Einigung über sämtliche Fragen zustande gekommen sei und dass die Beteiligten im Kartell unterschiedlich stark engagiert seien; keiner dieser Faktoren bedeute jedoch, dass das entsprechende Verhalten keine Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 darstelle, wenn es einen einzigen gemeinsamen und fortdauernden Zweck gebe. Nach dem letztgenannten Abschnitt wird noch darauf hingewiesen, dass dem Kartell im Lauf der Zeit Mitglieder beitreten oder es verlassen könnten, ohne dass es so zu behandeln wäre, als wäre jede Änderung des Kreises der Beteiligten gleichbedeutend mit einer neuen Vereinbarung.

235 Der von den Klägerinnen angeführte Abschnitt kann folglich nur als Klarstellung der Bedingungen verstanden werden, unter denen ein Kartell nach Ansicht der Kommission als einheitliche fortdauernde Zuwiderhandlung angesehen werden kann, ohne dass sich die Kommission jedoch zu der Frage äußert, inwieweit eine solche Zuwiderhandlung den daran beteiligten Unternehmen zugerechnet werden kann.

236 Diese Auslegung der Entscheidung wird auch durch deren Randnummer 148 Absatz 2 Buchstabe b bestätigt, wo es ausdrücklich heißt: "Es wird nicht behauptet, dass jeder Adressat dieser Entscheidung in jedem Aspekt an den dargelegten wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligt war oder während der gesamten Dauer des Verstoßes beteiligt war. Die Rolle der einzelnen Unternehmen und der Umfang ihrer Mitwirkung werden in dieser Entscheidung vollständig beschrieben..."

237 Zur Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an der Zuwiderhandlung, von der die Kommission ausgeht, ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen im Rahmen dieser Rüge nicht angegeben haben, inwiefern die Kommission ihnen eine Mitwirkung an einem Gesamtkartell für einen Zeitraum vor ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung oder für einen Markt, auf dem sie nie tätig waren, zur Last gelegt haben soll. Insoweit ist an die obige Feststellung zu erinnern, dass die Kommission der Gruppe Henss/Isoplus in der Entscheidung zutreffend eine Beteiligung an der Zuwiderhandlung ab Oktober 1991 zur Last gelegt hat und dass eine solche Beteiligung für die Zeit vor Oktober 1994 nur in ihrem Beitritt zum Kartell zwischen den dänischen Herstellern in Bezug auf den deutschen Markt gesehen wurde.

238 Folglich ist die Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.

vi) Zur individuellen Verantwortung der der Gruppe Henss/Isoplus zugeordneten Gesellschaften

Vorbringen der Parteien

239 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Behauptung der Kommission, sie müsse nicht die Mitwirkung jedes Unternehmens der Gruppe Henss/Isoplus an deren Verhalten auf dem Markt vor Oktober 1994 nachweisen. Da die Klägerinnen insoweit als rechtlich selbständig anzusehen seien, weil es keine Gruppe Henss/Isoplus gegeben habe, fehle es in der Entscheidung an Feststellungen zu der Frage, weshalb jede einzelne Klägerin für die Beteiligung am rechtswidrigen Kartell verantwortlich gemacht werde. Außerdem habe die Kommission bei der Verwendung der Bezeichnung "Henss" in ihrer Entscheidung nicht klargestellt, ob damit Herr Henss persönlich, die Gruppe Henss/Isoplus oder eine Henss-Gesellschaft wie Henss Rosenheim oder Henss Berlin gemeint sei.

240 Bezüglich Isoplus Hohenberg tragen die Klägerinnen vor, dass es sich um eine Gesellschaft österreichischen Rechts handele, dass Österreich erst seit 1. Januar 1995 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft sei und dass die Wettbewerbsregeln von Artikel 53 des EWR-Abkommens erst seit 1. Juli 1994 gälten. Auch unter Berücksichtigung der Problematik des Territorialitätsprinzips im Wettbewerbsrecht sei darauf hinzuweisen, dass in der Entscheidung Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Isoplus Hohenberg nach Artikel 85 EG-Vertrag oder Artikel 53 des EWR-Abkommens für wettbewerbswidrige Praktiken vor Oktober 1994 fehlten.

241 Die Beklagte führt aus, die vier Betriebsgesellschaften seien als Einheit, vertreten durch Herrn Henss, aufgetreten. Ihre Beteiligung habe einem offenkundigen Interesse entsprochen, da sie sich auf dem deutschen Markt betätigt hätten, dessen Preise auf niedrigerem Niveau angesiedelt gewesen seien. Aus diesen Gründen sei auch das Vorbringen zurückzuweisen, die Kommission habe, da Isoplus Hohenberg in Österreich ansässig sei, deren Teilnahme am Kartell nicht hinreichend belegt.

Würdigung durch das Gericht

242 Wie oben in den Randnummern 54 bis 66 ausgeführt wurde, hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften als eine wirtschaftliche Einheit am Kartell teilnahmen, die in der Entscheidung mit "Gruppe Henss/Isoplus" oder "Henss/Isoplus" bezeichnet wird. Folglich war es nicht immer relevant, in der Entscheidung anzugeben, ob mit dem Wort "Henss" eine Henss-Gesellschaft oder die Gruppe Henss/Isoplus gemeint ist. Ebenso gelten Bezugnahmen auf Herrn Henss in der Entscheidung auch für seine Eigenschaft als Vertreter aller Henss- und Isoplus-Gesellschaften, die er kontrollierte und im Rahmen des Kartells vertrat.

243 Für die Zeit vor 1994 ist darauf hinzuweisen, dass Herr Henss, auch wenn er bei den Treffen des Geschäftsführer-Clubs für die Gesellschaften Henss Rosenheim und Henss Berlin im Rahmen ihrer Handelsvertreterverträge auf dem deutschen Markt aufgetreten sein mag, dennoch zugleich die eigenen Interessen dieser beiden Gesellschaften und der Gesellschaften Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen vertrat. Wie oben in Randnummer 60 festgestellt wurde, geht aus den Notizen anderer Teilnehmer hervor, dass alle Henss- und Isoplus-Gesellschaften bei den Gesprächen über die Aufteilung des deutschen Marktes als Einheit unter der Bezeichnung "Isoplus" oder "Isoplus/Henss" zusammengefasst wurden.

244 Folglich hat die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass jede der Henss- und Isoplus-Gesellschaften zur Gruppe Henss/Isoplus gehörte und als solche für die von dieser Gruppe begangene Zuwiderhandlung verantwortlich ist.

245 Isoplus Hohenberg gehörte schon vor 1994 zur Gruppe Henss/Isoplus. Da die Kommission aus diesem Grund Isoplus Hohenberg die von der Gruppe Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung in Form eines Kartells, das sich für diese Gruppe auf den deutschen Markt erstreckte, zur Last gelegt hat, kann nicht geltend gemacht werden, die Kommission habe ihr Handlungen zugerechnet, die wegen ihres Sitzes außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs von Artikel 85 EG-Vertrag vorgenommen worden seien.

246 Folglich ist die vorliegende Rüge ebenfalls zurückzuweisen.

2. Zur Beteiligung an den aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe

Vorbringen der Parteien

247 Die Klägerinnen wenden sich gegen die tatsächlichen Feststellungen und die Rechtsausführungen, die unter Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu dem Schluss geführt hätten, dass sie an aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zur Ausschaltung von Powerpipe oder an einem Boykott dieses Unternehmens teilgenommen hätten.

248 Ihnen sei auch im Zusammenhang mit der Handelsvertretertätigkeit von Henss Rosenheim für ABB Isolrohr weder der strategische Plan von ABB zur Verdrängung von Powerpipe vom Markt noch die ab 1993 von ABB - teilweise gemeinsam mit Løgstør - begonnenen und durchgeführten Abwerbungen von Mitarbeitern von Powerpipe bekannt gewesen. Außerdem seien sie nie auf den schwedischen Markt vorgedrungen, auf dem Powerpipe tätig sei.

249 Was ihr Verhalten gegenüber Powerpipe anbelange, so habe Powerpipe Anfang 1994 Vorschläge für eine gegen das Kartell der dänischen Hersteller gerichtete Zusammenarbeit zwischen ihr und den Henss/Isoplus-Unternehmen unterbreitet. Herr Henss habe diese Vorschläge allerdings abgelehnt. Diese Kontakte zeigten im Übrigen, dass die Klägerinnen auf jeden Fall bis 1994 an keinem rechtswidrigen Verhalten gegen Powerpipe beteiligt gewesen seien, da solche Kontakte andernfalls nicht möglich gewesen wären.

250 Das Projekt in Neubrandenburg, auf das Powerpipe nach den Angaben in Randnummer 95 der Entscheidung zugunsten von Henss Berlin habe verzichten sollen, sei Anfang Oktober 1994 ausgeschrieben worden, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerinnen durch ABB massiv unter Druck gesetzt worden seien, dem europaweiten Kartell beizutreten, jedoch noch keine endgültige Antwort gegeben hätten. Das Angebot von Henss Berlin für das Projekt in Neubrandenburg habe zunächst nichts mit der Teilnahme der Klägerinnen am europaweiten Kartell zu tun gehabt, die erst am 1. Januar 1995, nach der Festlegung der Quoten am 16. November 1994, in Kraft getreten sei.

251 Das Telefonat zwischen Herrn Henss und Powerpipe über das Projekt in Neubrandenburg habe sich im Wesentlichen an das von den Klägerinnen zuvor abgelehnte Kooperationsangebot angeschlossen, um letztlich durch eine etwaige Vergabe des Projekts in Neubrandenburg an Henss Berlin eine entsprechende Kooperation doch noch möglich zu machen. Außer diesem und einem weiteren Telefonat, in dem ein Mitarbeiter von Isoplus Hohenberg möglicherweise darauf hingewiesen habe, dass die Gespräche über die Kooperation fortgeführt werden könnten, falls dieses Projekt Henss Berlin zugeschlagen werde, hätten die Klägerinnen mit Powerpipe keinen Kontakt aufgenommen und hätten auch keine anderen Hersteller wie Løgstør oder ABB aufgefordert, irgendwie Druck auf Powerpipe auszuüben. Da zu diesem Zeitpunkt die europaweite Kartellvereinbarung noch nicht endgültig fertig gestellt gewesen sei, sei es für die Klägerinnen gar nicht möglich gewesen, im Rahmen eines solchen Kartells Druck auszuüben.

252 Nach Ansicht der Klägerinnen steht ihre Sachverhaltsdarstellung nicht in Widerspruch zum Inhalt des Telefax, das Herr Henss am 25. Oktober 1994 an Powerpipe gesandt habe (Anhang 133 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Bei den Anhängen 126 bis 132 der Mitteilung der Beschwerdepunkte handele es sich um Aktennotizen von Dezember 1994 über Telefonate, die im Oktober 1994 geführt worden sein sollten und von denen es keine wörtlichen Übertragungen gebe. Die Klägerinnen hätten insoweit bereits im Verwaltungsverfahren dargetan, dass verschiedene von Powerpipe vorgelegte Dokumente nicht echt und richtig sein könnten.

253 Es treffe zu, dass in Bezug auf das Projekt in Leipzig-Lippendorf im Rahmen des europaweiten Kartells eine Bietergemeinschaft, bestehend aus ABB Isolrohr, Pan-Isovit und Henss Berlin (mit Produkten von Isoplus Sondershausen), gebildet worden sei, um den Auftrag für dieses Projekt zu erhalten. Es habe aber im Zusammenhang mit der Durchführung der Auftragsvergabe überhaupt keine rechtswidrige Vorgehensweise oder rechtswidrige abgestimmte Verhaltensweise seitens Henss Berlin und Isoplus Sondershausen gegeben.

254 Der Grund dafür, dass der betreffende Auftraggeber, die VEAG, ersucht worden sei, bei Isoplus Sondershausen eine Werksbesichtigung durchzuführen, habe darin gelegen, dass, nachdem sich ergeben habe, dass Powerpipe das beste Angebot abgegeben habe, vor der endgültigen Auftragsvergabe nochmals eingehend habe überprüft werden müssen, ob Powerpipe auch qualitätsmäßig in der Lage sei, diesen Auftrag durchzuführen, wobei diese Überprüfungen gleichzeitig auch bei dem zweitbesten Bieter hätten durchgeführt werden müssen. Die Richtigkeit dieser Angaben ergebe sich auch aus der Antwort der VEAG vom 29. September 1995 auf das Auskunftsverlangen vom 18. August 1995, in der es heiße, dass die VEAG auch bei Powerpipe eine Werksbesichtigung durchgeführt habe. Aus dieser Antwort ergebe sich ferner, dass der Gesamtauftrag Leipzig-Lippendorf an einen Generalunternehmer vergeben worden sei, wobei allerdings bezüglich der Verlegung der vorisolierten Fernwärmerohre samt Nachisolierung im Auftrag vorgesehen gewesen sei, dass der Generalunternehmer einen Subauftrag abzuschließen habe. Da der Generalunternehmer den Zuschlag von der VEAG Ende März 1995 erhalten habe, müssten der Vertragsschluss mit Powerpipe und damit der Zuschlag an Powerpipe etwas später erfolgt sein.

255 Bezüglich der Sitzung vom 24. März 1995, bei der nach Angaben der Kommission ein Boykott von Powerpipe erörtert worden sein solle, seien die Beweismittel für den Besprechungstermin oder zumindest für die dort angeblich beschlossenen Boykottmaßnahmen anfechtbar, da sich dieser Termin aus der Aufstellung der Treffen der deutschen Kontaktgruppe in Anlage 2 zur Antwort von Brugg vom 9. August 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 9. Juli 1996 (im Folgenden: Antwort von Brugg) ergebe, während aus der Stellungnahme von Brugg zur Mitteilung der Beschwerdepunkte hervorgehe, dass sie an Besprechungen, die das Projekt in Leipzig-Lippendorf oder allgemeine Maßnahmen gegen Powerpipe zum Inhalt gehabt hätten, nicht teilgenommen habe. Außerdem sei in dieser Aufstellung für den 24. März 1995 bezüglich der Gruppe Henss/Isoplus die Anwesenheit von Herrn Papsdorf und Herrn Putz, nicht jedoch von Herrn Henss vermerkt.

256 Herr Henss habe von ABB oder Løgstør nicht gefordert, irgendwelche Boykottmaßnahmen gegen Powerpipe durchzuführen. Sofern ein Boykott tatsächlich von ABB und Løgstør beschlossen worden sei, sei Herr Henss für die Isoplus-Unternehmen an dieser Vereinbarung und den entsprechenden Gesprächen nicht beteiligt gewesen. Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen seien außerdem wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen, irgendeine Art von Druck auf ihre Lieferanten auszuüben. Die Lieferanten von Isoplus Hohenberg hätten sich im Wesentlichen in Österreich befunden und seien als Lieferanten für Powerpipe gar nicht in Frage gekommen. Auch die wirtschaftliche Macht von Isoplus Sondershausen habe nicht ausgereicht.

257 Außerdem sei die der Gruppe Henss/Isoplus zugeschriebene Boykottabsicht nur schwer mit der Tatsache in Einklang zu bringen, dass die Isoplus-Gesellschaften, als bei der Durchführung des Projekts in Leipzig- Lippendorf diverse Probleme aufgetreten seien, die Firma Mannesmann Seiffert im Rahmen der Mängelbeseitigung gegenüber dem Auftraggeber VEAG mit Fernwärmerohren beliefert hätten. Gerade dies habe dazu geführt, dass Mannesmann Seiffert und die VEAG gegenüber Powerpipe auf Schadensersatzforderungen verzichtet hätten.

258 Auch im Zusammenhang mit dem Projekt in Leipzig-Lippendorf hätten die Klägerinnen bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass verschiedene von Powerpipe vorgelegte Dokumente nicht echt und richtig sein könnten.

259 Folglich könnten die Klägerinnen nicht für aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zur Ausschaltung von Powerpipe oder einen Boykott von Powerpipe verantwortlich gemacht werden. Soweit bezüglich des Projekts in Neubrandenburg Vorwürfe gegen die Gruppe Henss/Isoplus erhoben würden, könne ihr Verhalten nur als Versuch einer wettbewerbswidrigen Praxis gewertet werden, für den nach Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag keine Sanktion vorgesehen sei. Auf jeden Fall habe diese Maßnahme wettbewerbsrechtlich keine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt, weil Powerpipe den Auftrag sowieso erhalten habe. Zum Projekt in Leipzig-Lippendorf sei festzustellen, dass in der Entscheidung insoweit Ausführungen zu einer Vereinbarung oder einem Gentlemen's agreement über Boykottmaßnahmen sowie zum genauen Kreis der beteiligten Unternehmen fehlten. Da das im Herbst 1994 gebildete Kartell keine Boykottmaßnahmen oder rechtswidrigen Verhaltensweisen gegenüber Powerpipe umfasst habe, könne den Klägerinnen im Zusammenhang mit Powerpipe kein wettbewerbswidriges Verhalten zur Last gelegt werden. Schließlich könnten die Klägerinnen nicht für Handlungen auf dem schwedischen und dem dänischen Markt zur Verantwortung gezogen werden, von denen sie weder Kenntnis gehabt hätten noch hätten haben müssen.

260 Die Kommission trägt vor, die Darstellung des Sachverhalts in der Entscheidung entspreche den zum Nachweis angeführten Unterlagen, die zeigten, dass sich Henss/Isoplus an einem Boykott von Powerpipe beteiligt habe. Die Klägerinnen könnten nicht behaupten, dass es sich nur um den Versuch einer Wettbewerbsbeschränkung gehandelt habe. Die Maßnahmen gegen Powerpipe seien Teil eines Planes zur Aufteilung der Märkte gewesen und hätten der Absicherung dieses Planes gegenüber einem außerhalb des europaweiten Kartells stehenden Unternehmen gedient.

Würdigung durch das Gericht

261 Zu den aufeinander abgestimmten Maßnahmen zur Verdrängung von Powerpipe vom Markt ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission der Gruppe Henss/Isoplus in der Entscheidung nicht vorwirft, am strategischen Plan von ABB zur generellen Ausschaltung von Powerpipe oder an der Abwerbung wichtiger Mitarbeiter dieses Unternehmens beteiligt gewesen zu sein.

262 Da die den Klägerinnen zur Last gelegten Tätigkeiten Handlungen zur Vertreibung von Powerpipe vom deutschen Markt sind, können sie sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf dem dänischen und dem schwedischen Markt nicht tätig gewesen seien.

263 Was die Handlungen zur Vertreibung von Powerpipe vom deutschen Markt anbelangt, so hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Gruppe Henss/Isoplus an diesen Handlungen teilnahm, und sich dabei erstens auf die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Projekt in Neubrandenburg im Oktober 1994 gestützt.

264 Die durch interne Vermerke von Powerpipe (Anhänge 126 und 127 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) gestützte Behauptung von Powerpipe, die dem Kartell angehörenden Unternehmen hätten vereinbart, dass das Projekt in Neubrandenburg an Henss/Isoplus gehen solle, wird durch die Erklärung von Løgstør untermauert, ihr Geschäftsführer habe Kontakt zu Powerpipe aufgenommen, dieser bestätigt, dass es eine gewisse Verständigung zwischen den Wirtschaftsteilnehmern dieser Branche gebe, und ihr vorgeschlagen, zu einer gütlichen Einigung mit Henss zu kommen (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte). Selbst wenn das Projekt in Neubrandenburg nicht zuvor der Gruppe Henss/Isoplus zugeteilt worden sein sollte, zeigen zudem die von Løgstør unternommenen Schritte, dass die dem Kartell angehörenden Unternehmen im Oktober 1994 zu der Überzeugung gekommen waren, dass die Gruppe Henss/Isoplus diesen Auftrag erhalten sollte.

265 Insoweit können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass sie damals dem Kartell der dänischen Hersteller noch nicht angehört hätten. Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission dargetan, dass die Gruppe Henss/Isoplus ab Oktober 1991 an einem Kartell auf dem deutschen Markt mitwirkte, sich bei den Treffen im Mai und August 1994 an einer Vereinbarung über eine Preisliste beteiligte und am 7. Oktober 1994 am ersten Treffen der deutschen Kontaktgruppe teilnahm. Zudem räumen die Klägerinnen in ihrer Klageschrift ein, im Oktober 1994 erklärt zu haben, "noch im Oktober 1994 grundsätzlich diesem rechtswidrigen europaweiten Kartell... beizutreten" (siehe oben, Randnrn. 137 bis 181).

266 Angesichts dieser Feststellungen ist die Behauptung der Klägerinnen zurückzuweisen, dass die Gespräche mit Powerpipe zur Zeit der Abgabe von Geboten für das Projekt in Neubrandenburg den Aufbau einer gegen das Kartell der dänischen Hersteller gerichteten Kooperation betroffen hätten. Mit den Angaben der Klägerinnen lässt sich auch der Inhalt des Telefax nicht erklären, das Herr Henss am 25. Oktober 1994 an den Geschäftsführer von Powerpipe schickte und in dem er ausführte (Anhang 133 der Mitteilung der Beschwerdepunkte): "[D]a Sie sich bis 16.00 Uhr nicht gemeldet haben, muss ich Ihnen mitteilen, dass das Gespräch mit den gewünschten Personen nicht zustande kommen wird und eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit von allen Beteiligten abgelehnt wird." Diese Korrespondenz ergibt nur in Verbindung mit den Vermerken von Powerpipe und insbesondere dem in Anhang 128 der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Vermerk Sinn, wonach Henss Powerpipe ein Ultimatum für den Verzicht auf das Projekt in Neubrandenburg gestellt habe, der die Vorbedingung für die Herstellung des Kontakts zu ABB und Løgstør gewesen sei. Entgegen der Behauptung der Klägerinnen kann der Beweiswert der Vermerke von Powerpipe zu ihren Telefonaten mit der Gruppe Henss/Isoplus nicht allein deshalb in Frage gestellt werden, weil sie erst im Dezember 1994 verfasst wurden, zumal ihr Inhalt durch die Erklärung von Løgstør bestätigt wird, dass Henss starken Druck auf sie ausgeübt habe, damit sie Powerpipe davon überzeuge, sich vom Projekt in Neubrandenburg zurückzuziehen (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).

267 Zweitens ist zum Verhalten der Klägerinnen bei der Vergabe des Projekts in Leipzig-Lippendorf festzustellen, dass die Schlussfolgerungen der Kommission auf den Ergebnissen des Treffens in Düsseldorf am 24. März 1995 beruhen.

268 Die Klägerinnen bestreiten insoweit nicht, dass es innerhalb des Kartells eine Vereinbarung gab, nach der das Projekt in Leipzig-Lippendorf ABB, Henss/Isoplus und Pan-Isovit zugedacht war.

269 Ferner ergibt sich aus den Aufzeichnungen von Tarco über das Treffen am 24. März 1995 (Anhang 143 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), dass die Vergabe des Projekts in Leipzig-Lippendorf an Powerpipe Anlass zur Erörterung einer Reihe von Maßnahmen war. In diesen Aufzeichnungen heißt es:

"[Powerpipe] hat offenbar den Zuschlag für [das Projekt] Leipzig-Lippendorf erhalten.

- Keine Belieferung von L-L, IKR, Mannesmann-Seiffert, VEAG durch irgendeinen Hersteller.

- Alle Auskunftsersuchen über das Projekt sind [X] mitzuteilen.

- Keiner unserer Zulieferer darf für [Powerpipe] arbeiten; wenn sie dies tun, wird die künftige Zusammenarbeit eingestellt.

- Wir werden versuchen zu verhindern, dass [Powerpipe] Lieferungen von (z. B.) Kunststoff erhält.

- EuHP soll prüfen, ob wir uns darüber beschweren können, dass eine nicht qualifizierte Firma den Zuschlag erhielt."

270 Der wettbewerbswidrige Charakter der bei diesem Treffen erörterten Maßnahmen wird auch durch die Erklärung von Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass Henss auf kollektive Maßnahmen gegen Powerpipe gedrängt habe.

271 Zur Teilnahme der Gruppe Henss/Isoplus am Treffen vom 24. März 1995 ist festzustellen, dass die Anwesenheit von Herrn Putz und Herrn Papsdorf durch die Tabelle in Anlage 2 zur Antwort von Brugg bestätigt wird. Angesichts der Aufzeichnungen von Tarco über dieses Treffen und der Tatsache, dass Brugg ihre eigene Anwesenheit bei diesem Treffen ausdrücklich eingeräumt hat, versuchen die Klägerinnen vergeblich - ohne ihre Anwesenheit bei dem Treffen förmlich zu bestreiten -, den Beweiswert der genannten Tabelle unter Hinweis darauf in Frage zu stellen, dass Brugg während des Verwaltungsverfahrens bestritten habe, an Maßnahmen gegen Powerpipe oder an Treffen zum Projekt in Leipzig-Lippendorf teilgenommen zu haben.

272 Nimmt ein Unternehmen an einem Treffen mit offensichtlich wettbewerbswidrigem Zweck teil, ohne sich offen von dessen Inhalt zu distanzieren, so gibt es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme, dass es dem Ergebnis des Treffens zustimmt und sich daran halten wird (vgl. die oben in Randnr. 137 angeführte Rechtsprechung). Unter solchen Umständen reicht die Tatsache, dass bei dem Treffen, an dem das fragliche Unternehmen teilnahm, eine rechtswidrige Absprache erörtert wurde, als Beweis für seine Beteiligung an dieser Absprache aus.

273 Da bei dem Treffen am 24. März 1995 wettbewerbswidrige Maßnahmen erörtert wurden, sind alle Unternehmen, die an diesem Treffen teilnahmen, ohne sich offen zu distanzieren, als Beteiligte an der aus den fraglichen Maßnahmen bestehenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise anzusehen.

274 Folglich hat die Kommission einen stichhaltigen Nachweis für die Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an einer Vereinbarung zur Schädigung von Powerpipe erbracht, da die Klägerinnen nicht dargetan haben, dass sie sich vom Ergebnis des fraglichen Treffens distanziert hatten.

275 Insoweit greift das Argument nicht durch, an dem Treffen vom 24. März 1995 hätten keine hochrangigen Vertreter der fraglichen Unternehmen, sondern nur deren Verkaufsleiter teilgenommen. Zur Anwendung von Artikel 15 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17, der die Kommission ermächtigt, gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Geldbußen festzusetzen, wenn sie "vorsätzlich oder fahrlässig" Zuwiderhandlungen begangen haben, bedarf es keiner Handlung und nicht einmal einer Kenntnis der Inhaber oder Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens von der Zuwiderhandlung, sondern es genügt die Handlung einer Person, die berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 97).

276 Da sich die Verantwortung der Klägerinnen für die aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe bereits daraus ergibt, dass Vertreter der Gruppe Henss/Isoplus an dem Treffen vom 24. März 1995 teilnahmen, ohne sich offen von den beschlossenen Maßnahmen zu distanzieren, spielt es auch keine Rolle, ob die Gruppe Henss/Isoplus damals versuchte, bei Kontakten mit der VEAG diese davon zu überzeugen, sich von Powerpipe zu trennen, ob es die Klägerinnen waren, die von ABB oder Løgstør verlangten, Boykottmaßnahmen durchzuführen, und ob das Projekt in Leipzig-Lippendorf zum Zeitpunkt des Treffens vom 24. März 1995 oder des Besuchs der VEAG in der Fabrik von Isoplus Sondershausen bereits an Powerpipe vergeben worden war, was die Klägerinnen bestreiten. Auch wenn der Vertrag zwischen der VEAG und Powerpipe möglicherweise erst nach dem genannten Treffen unterzeichnet wurde, geht jedenfalls aus dem Schreiben der VEAG vom 21. März 1995 an den Generalunternehmer des Projekts (Anhang 142 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) sowie aus der Antwort der VEAG vom 29. September 1995 hervor, dass die Entscheidung des Auftraggebers zugunsten von Powerpipe am 21. März 1995 gefallen war, also vor dem fraglichen Treffen und vor dem Besuch der VEAG in der Fabrik von Isoplus Sondershausen.

277 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann das Verhalten der Gruppe Henss/Isoplus nach dem Treffen vom 24. März 1995 nicht als Distanzierung von den Ergebnissen dieses Treffens eingestuft werden. Im Licht der Tatsache, dass die Gruppe zu dem Konsortium gehörte, dem das Kartell das Projekt in Leipzig-Lippendorf zugedacht hatte, und somit ein so großes Interesse an der Angelegenheit besaß, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie sich auf ein passives Verhalten beschränkte, ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben genannten Antwort der VEAG Vertreter von Isoplus Ende März während des Besuchs bei Isoplus Sondershausen versuchten, Zweifel an den technischen und finanziellen Möglichkeiten von Powerpipe zu wecken. Nach Angaben der Klägerinnen nahm Herr Henss persönlich an diesem Besuch teil. Zudem geht aus den handschriftlichen Notizen auf einem Telefax (Zusatzdokument Nr. 8 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte), in dem ein Anbieter Lieferungen zur Durchführung des Projekts in Leipzig-Lippendorf forderte, hervor, dass diese an Pan-Isovit gerichtete Forderung Gegenstand von Gesprächen zwischen dessen Geschäftsführer, Herrn Henss und dem Geschäftsführer von ABB Isolrohr war. Die Notizen lauten:

"Herren Feldmann Dr. Henss

Ihre Reaktion auf dieses Fax? :)

lehmann Pan-Isovit

Bitte auch mit Henss besprechen

Mit H. Henss gespr. Zur Diskussion 4.[?]5.95

H. Feldmann nicht err. [Unterschrift unleserlich] 2.5.95"

278 Dieser Meinungsaustausch fand zwischen den drei Unternehmen statt, die als "Favoriten" für das fragliche Projekt ausgewählt worden waren. Nach Angaben von Løgstør fand aber am 5. Mai 1995 ein Treffen des Geschäftsführer-Clubs statt, bei dem ABB und Isoplus auf einem abgestimmten Vorgehen gegen Powerpipe bestanden hätten, um ihr jede Belieferung zu erschweren (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte). Diese verschiedenen Anhaltspunkte führen zu dem Schluss, dass Herr Henss, statt sich von den Maßnahmen zu distanzieren, die Powerpipe schädigen konnten, selbst in die Erörterung solcher Maßnahmen einbezogen blieb.

279 Diese Schlussfolgerung wird auch durch das Argument der Klägerinnen nicht in Frage gestellt, sie wären wegen der geografischen Lage von Isoplus Hohenberg und der fehlenden Möglichkeit, auf die Lieferanten von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen Druck auszuüben, ohnehin zu einem Boykott von Powerpipe nicht in der Lage gewesen.

280 Ein Boykott kann einem Unternehmen auch dann zugerechnet werden, wenn es sich nicht tatsächlich an dessen Durchführung beteiligt hat oder beteiligen konnte. Andernfalls würden Unternehmen, die Boykottmaßnahmen zugestimmt haben, aber keine Gelegenheit hatten, selbst zu ihrer Durchführung beizutragen, von jeder Verantwortung für ihre Beteiligung an der Vereinbarung befreit.

281 Ein Unternehmen, das sich an einer komplexen einheitlichen Zuwiderhandlung durch eigene Handlungen beteiligt hat, die den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfuellen und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollen, kann für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legen, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann und bereit ist, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 203).

282 Da die Gruppe Henss/Isoplus bei dem Treffen am 24. März 1995 vertreten war, kannte sie die Maßnahmen, mit denen die Geschäftstätigkeit von Powerpipe behindert werden sollte. Da sie sich nicht von diesen Maßnahmen distanzierte, gab sie den anderen Teilnehmern an dem Treffen Anlass zu der Annahme, dass sie dessen Ergebnis zustimme und sich daran halten werde und dass sie bereit sei, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

283 Schließlich können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass die innerhalb des Kartells erörterten Maßnahmen jedenfalls nicht zu einer Beschränkung des Wettbewerbs geführt hätten, da Powerpipe die fraglichen Aufträge erhalten habe, und daraus ableiten, dass diese Maßnahmen allenfalls als versuchte Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag eingestuft werden könnten.

284 Insoweit braucht die Kommission nicht den Beweis zu erbringen, dass eine Vereinbarung Auswirkungen hatte, wenn sich ergibt, dass die Vereinbarung eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckte (Urteile Consten und Grundig/Kommission, S. 390, Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 99, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, Randnr. 178; Urteil CB und Europay/Kommission, Randnr. 87). Ferner setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, dass sich dieses Verhalten konkret in einer Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt (vgl. Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 122 bis 124, und Hüls/Kommission, Randnrn. 163 bis 165). Aus dem Vorstehenden folgt aber, dass es im Rahmen des Kartells, u. a. in Bezug auf die Vergabe der Projekte in Neubrandenburg und Leipzig-Lippendorf, solche Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen gab.

285 Überdies sind die von den Mitgliedsunternehmen des Kartells beschlossenen wettbewerbswidrigen Maßnahmen gegen Powerpipe im Zusammenhang mit der Vereinbarung zu beurteilen, die es damals auf dem europäischen Markt gab und mit der die übrigen Unternehmen auf diesem Markt gezwungen werden sollten, sich ebenfalls dem Kartell anzupassen. Unabhängig davon, dass die Maßnahmen, die bei dem Treffen am 24. März 1995 beschlossen wurden, selbst als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise der Teilnehmer dieses Treffens angesehen werden können, war die Kommission berechtigt, in Randnummer 143 ihrer Entscheidung die Ansicht zu vertreten, dass die Maßnahmen zur Schädigung von Powerpipe oder zu deren Vertreibung vom Markt einen Aspekt des Kartells auf dem europäischen und dem deutschen Markt dargestellt hätten, an dem die Gruppe Henss/Isoplus mitgewirkt habe.

286 Aus all diesen Gründen ist der Klagegrund der Klägerinnen auch hinsichtlich der Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe zurückzuweisen.

B - Zweiter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

1. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Beteiligung an der Zuwiderhandlung von Oktober 1993 bis März 1994

Vorbringen der Parteien

287 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, sie habe in Artikel 1 der Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EG-Vertrag auch für den Zeitraum von Oktober 1993 bis März 1994 festgestellt, obwohl sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt habe, die Aussetzung der Absprachen in diesem Zeitraum berücksichtigen zu wollen.

288 Nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) ziehe die Kommission in ihrer Entscheidung nur die Beschwerdepunkte in Betracht, zu denen die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Gelegenheit zur Äußerung gehabt hätten. Wenn daher die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte den beteiligten Unternehmen ankündige, dass sie beabsichtige, im Zusammenhang mit der Dauer des Verstoßes festzustellen, dass die kartellwidrigen Absprachen für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt worden seien, könne sie in der Entscheidung nicht ohne ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem Ergebnis kommen, dass es in diesem Zeitraum dennoch ein wettbewerbswidriges Verhalten gegeben habe.

289 Vorliegend habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt, sie beabsichtige "festzustellen, dass die Beteiligung der verschiedenen Unternehmen am Verstoß von folgender Dauer war:... Isoplus ab Oktober 1991 und mit Ausnahme des oben genannten Zeitraums der Aussetzung bis mindestens März oder April 1996". Ferner habe die Kommission dort angegeben, dass die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßenden Absprachen "[f]ür den Zeitraum von sechs Monaten vom Oktober 1993 bis zum März 1994... als suspendiert gelten [können]". In Artikel 1 der Entscheidung werde aber in Bezug auf Henss/Isoplus als Dauer der Zuwiderhandlung die Zeit von Oktober 1991 bis März/April 1996 angegeben, ohne den Sonderstatus des Zeitraums von Oktober 1993 bis März 1994 zu erwähnen.

290 Die Kommission behaupte zu Unrecht, sie habe an ihrer Darstellung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgehalten, dass die Aussetzung der Tätigkeiten für sechs Monate nichts am kontinuierlichen Charakter der Zuwiderhandlung ändere. In der Zusammenfassung der Beschwerdepunkte habe sie nämlich nicht ausdrücklich mitgeteilt, dass sie auch in diesem Zeitraum einen Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag festzustellen beabsichtige. Die der Zusammenfassung der Beschwerdepunkte hinsichtlich des Zeitraums der Zuwiderhandlung vorangegangenen Überlegungen seien insoweit unbeachtlich.

291 Die Kommission führe zwar in Randnummer 153 der Entscheidung aus, dass die Absprachen möglicherweise von Oktober 1993 bis etwa März 1994 ausgesetzt worden seien. Den Feststellungen in Artikel 1 der Entscheidung komme jedoch ausschlaggebende Bedeutung gegenüber der Begründung in Randnummer 153 der Entscheidung zu, da die Gründe der Entscheidung die in den Artikeln 1 bis 5 enthaltene Entscheidung selbst nicht ändern könnten. Auch wenn der verfügende Teil einer Entscheidung der Kommission im Licht der Gründe auszulegen sei, gehe bei Widersprüchen zwischen beiden der verfügende Teil vor. Die Begründung könne niemals den verfügenden Teil einer Entscheidung der Kommission korrigieren.

292 Zur Behauptung der Kommission, den besonderen Charakter dieses sechsmonatigen Zeitraums bei der Ermittlung der Geldbuße berücksichtigt zu haben, sei in Randnummer 178 der Entscheidung nichts zu finden. Die unterschiedliche Gewichtung der Dauer der Zuwiderhandlung in Randnummer 178 der Entscheidung habe in Wirklichkeit ihre Ursache darin, dass den Unternehmen Tarco, Dansk Rørindustri und Pan-Isovit im Gegensatz zur Gruppe Henss/Isoplus eine Zuwiderhandlung bereits ab November/Dezember 1990 zur Last gelegt worden sei.

293 Die Beklagte führt aus, in der Entscheidung werde die gleiche These wie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vertreten, nach der es sich um einen vorübergehend ausgesetzten kontinuierlichen Verstoß handele. Sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der Entscheidung werde festgestellt, dass die Aussetzung der Absprachen in der Zeit von Oktober 1993 bis März 1994 nichts am kontinuierlichen Charakter der Zuwiderhandlung ändere. Im Übrigen habe sie dem besonderen Charakter dieses Sechsmonatszeitraums bei der Gewichtung der Dauer der Zuwiderhandlung im Rahmen der Berechnung der Geldbuße Rechnung getragen.

Würdigung durch das Gericht

294 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts ist, das unter allen Umständen, insbesondere aber in allen Verfahren, die zu Sanktionen führen können, zu beachten ist, selbst wenn es sich dabei um ein Verwaltungsverfahren handelt, verlangt, dass die betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt werden, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände angemessen Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 11; Urteil Shell/Kommission, Randnr. 39).

295 Nach der Rechtsprechung müssen die Beschwerdepunkte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Mitteilung der Beschwerdepunkte nämlich den ihr durch die Gemeinschaftsverordnungen zugewiesenen Zweck erfuellen, der darin besteht, den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen, damit sie sich sachgerecht verteidigen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307, Randnr. 42; Urteil Mo och Domsjö/Kommission, Randnr. 63).

296 Da die Dauer der Zuwiderhandlung zu den Kriterien gehört, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigen sind, muss die Kommission, wenn sie die Verhängung von Geldbußen beabsichtigt, als wesentlichen Faktor die Dauer angeben, die sie aufgrund der ihr bei Abfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte verfügbaren Informationen festgestellt hat. Die Kommission darf den auf diese Weise angegebenen Zeitraum ausdehnen, wenn zusätzliche, im Lauf des Verwaltungsverfahrens gewonnene Informationen dies rechtfertigen, vorausgesetzt, die Unternehmen hatten Gelegenheit, sich dazu zu äußern (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 15).

297 Im vorliegenden Fall ist zunächst zu klären, ob und in welchem Umfang die Kommission in ihrer Entscheidung der Gruppe Henss/Isoplus vorwirft, an der Zuwiderhandlung in der Zeit von Oktober 1993 bis März 1994 teilgenommen zu haben.

298 In Artikel 1 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Entscheidung wird Henss/Isoplus eine Zuwiderhandlung "zwischen Oktober 1991 bis [wenigstens März/April 1996]" zur Last gelegt.

299 Ferner heißt es in Randnummer 152 Absatz 1 der Entscheidung: "Für den Zeitraum von sechs Monaten vom Oktober 1993 bis zum März 1994 können die Absprachen als suspendiert gelten, wobei (nach Aussage von ABB) zweiseitige und dreiseitige Gespräche fortgesetzt wurden." In Randnummer 153 der Entscheidung wird hinzugefügt: "Die Beteiligung der verschiedenen Unternehmen am Verstoß war demnach von folgender Dauer:... c) Isoplus ab Oktober 1991 und mit Ausnahme des oben genannten Zeitraums der Aussetzung bis mindestens März oder April 1996..."

300 Aus den Gründen der Entscheidung geht somit klar hervor, dass die Kommission, als sie der Gruppe Henss/Isoplus die Beteiligung an einem Kartell für den gesamten Zeitraum von Oktober 1991 bis März/April 1996 zur Last legte, gleichwohl berücksichtigte, dass dieses Kartell während der genannten sechs Monate ausgesetzt war. Nach gefestigter Rechtsprechung ist der verfügende Teil der Entscheidung im Licht ihrer Gründe zu verstehen (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 122 bis 124). Außerdem wird der Gruppe Henss/Isoplus ihre Beteiligung an der fraglichen Zuwiderhandlung nach Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung "in der in der Begründung ausgeführten Weise und dem genannten Umfang" vorgeworfen.

301 Im Übrigen wird die Tatsache, dass die Kommission einen Zeitraum der Aussetzung des Kartells berücksichtigt hat, durch die Beurteilung der Dauer der den Klägerinnen zur Last gelegten Zuwiderhandlung im Rahmen der Berechnung der Geldbuße bestätigt. Der Ausgangspunkt der Geldbuße der Gruppe Henss/Isoplus wurde aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung von Oktober 1991 bis März/April 1996 um den Faktor 1,25 erhöht, während bei ABB, Løgstør, Dansk Rørindustri und Tarco wegen ihrer Beteiligung am Kartell von November/Dezember 1990 bis März/April 1996 eine Erhöhung um den Faktor 1,4 vorgenommen wurde. Auch wenn die Entscheidung in Bezug auf die Geldbuße von Henss/Isoplus keine speziellen Erläuterungen zu diesem Punkt enthält, geht aus ihren Randnummern 170, 175 und 178 zusammen genommen hervor, dass sowohl bei Henss/Isoplus als auch bei den genannten anderen Unternehmen eine stärkere Erhöhung erfolgt wäre, wenn der Zeitraum der Aussetzung keine Berücksichtigung gefunden hätte. Aus den Randnummern 175 und 178 der Entscheidung ergibt sich, dass die Dauer der Zuwiderhandlung bei Løgstør, Dansk Rørindustri und Tarco anhand der bei ABB herangezogenen Dauer ermittelt wurde. Zu der bei ABB herangezogenen Dauer heißt es aber in Randnummer 170 der Entscheidung, dass die Aussetzung der Vorkehrungen zwischen 1993 und Anfang 1994 zu den Faktoren gehöre, die von der Kommission berücksichtigt worden seien, als sie bei einer mehr als fünfjährigen Zuwiderhandlung die Erhöhung wegen der Dauer auf 1,4 festgesetzt habe.

302 Unter diesen Umständen zeigt sich, dass die Kommission in ihrer Entscheidung eine Aussetzung der Tätigkeiten des Kartells von Oktober 1993 bis März 1994 berücksichtigt hat, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Einschätzung in den Randnummern 140 und 141 der Entscheidung zutrifft, dass dieses Kartell gleichwohl eine kontinuierliche Zuwiderhandlung dargestellt habe.

303 Somit entspricht die Dauer der in der Entscheidung angenommenen Beteiligung, d. h. der gesamte Zeitraum von Oktober 1991 bis März/April 1996 mit Ausnahme des sechsmonatigen Zeitraums der Aussetzung, der den Klägerinnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Last gelegten Dauer, zu der sie sich äußern konnten.

304 In der Mitteilung der Beschwerdepunkte heißt es nämlich unter der Überschrift "Dauer des Verstoßes": "Für den Zeitraum von sechs Monaten vom Oktober 1993 bis zum März 1994 können die Absprachen als suspendiert gelten, wobei nach Aussage von ABB zweiseitige und dreiseitige Gespräche fortgesetzt wurden." Ferner führt die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte unter der gleichen Überschrift aus, sie beabsichtige daher "festzustellen, dass die Beteiligung der verschiedenen Unternehmen am Verstoß von folgender Dauer war:... Isoplus ab Oktober 1991 und mit Ausnahme des oben genannten Zeitraums der Aussetzung bis mindestens März oder April 1996".

305 Des Weiteren hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass ihres Erachtens die Aussetzung der Tätigkeiten des Kartells nicht daran hindere, vom Vorliegen einer kontinuierlichen Zuwiderhandlung auszugehen. Folglich konnten sich die Klägerinnen auch zu dieser Einschätzung äußern.

306 Die Rüge der Klägerinnen ist somit zurückzuweisen, soweit sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung von Oktober 1993 bis März 1994 betrifft.

2. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Anwendung der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen

Vorbringen der Parteien

307 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, ihnen kein rechtliches Gehör gewährt zu haben, da sie zur Frage der Anwendung der Leitlinien nicht hätten Stellung nehmen können.

308 In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 19. März 1997 habe die Kommission im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verhängung von Geldbußen Ausführungen gemacht, die ihrer Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung entsprochen hätten. Die Klägerinnen hätten sich zur Berechnungsmethode in den neuen Leitlinien, die erst am 14. Januar 1998 veröffentlicht worden seien, nicht äußern können, obwohl die Leitlinien in rechtswidriger Weise von der Ermittlung der Geldbußen nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 abwichen. In ihrem Schriftsatz vom 30. März 1998 hätten Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen aber unter Bezugnahme auf das Rückwirkungsverbot erklärt, dass die Leitlinien im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gebracht werden könnten.

309 Die Beklagte trägt vor, wenn die Festsetzung einer Geldbuße in Betracht komme, genüge es, wenn sie im Verwaltungsverfahren darauf hinweise, dass sie aufgrund von Schwere und Dauer des Verstoßes eine Geldbuße zu verhängen gedenke; dies habe sie in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte getan. Die Wahrung des rechtlichen Gehörs setze nicht voraus, dass sie die Kriterien und Erwägungen der Bemessung bereits im Verwaltungsverfahren angebe.

Würdigung durch das Gericht

310 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die gegen die Klägerinnen festgesetzte Geldbuße unstreitig anhand der in den Leitlinien angekündigten allgemeinen Methode für die Berechnung von Geldbußen ermittelt hat.

311 Nach ständiger Rechtsprechung erfuellt die Kommission ihre Verpflichtung zur Wahrung des Anhörungsrechts der Unternehmen, wenn sie in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen festzusetzen seien, und die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte wie Schwere und Dauer der vermuteten Zuwiderhandlung sowie den Umstand anführt, ob diese "vorsätzlich oder fahrlässig" begangen worden sei. Damit macht sie gegenüber den Unternehmen die Angaben, die diese für ihre Verteidigung nicht nur gegen die Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern auch gegen die Festsetzung einer Geldbuße benötigen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 21).

312 Folglich sind bei der Bemessung der Geldbußen die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen gegenüber der Kommission dadurch gewahrt, dass sie sich zu Dauer, Schwere und Vorhersehbarkeit des wettbewerbswidrigen Charakters der Zuwiderhandlung äußern können. Außerdem verfügen die Unternehmen bezüglich der Bemessung der Geldbußen über eine zusätzliche Garantie, weil das Gericht mit Befugnis zu uneingeschränkter Nachprüfung entscheidet und u. a. die Geldbuße gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 aufheben oder herabsetzen kann (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 235).

313 Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in der den Klägerinnen übersandten Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert hat, von welcher Dauer der Zuwiderhandlung sie in ihrem Fall auszugehen beabsichtigte.

314 Sodann hat sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Gründe, aus denen es sich im vorliegenden Fall ihres Erachtens um einen besonders schweren Verstoß handelt, sowie die erschwerenden Umstände dargelegt: Manipulation der Ausschreibungsverfahren, aggressive Durchsetzung des Kartells, um die Befolgung durch alle an den Vereinbarungen Beteiligten zu gewährleisten und den einzigen nicht daran teilnehmenden Konkurrenten von Bedeutung auszuschalten, sowie Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach den Untersuchungen.

315 Zugleich hat die Kommission dort ausgeführt, dass sie bei der Bemessung der Geldbuße der einzelnen Unternehmen u. a. deren Rolle bei den wettbewerbswidrigen Praktiken, alle wesentlichen Unterschiede bei der Dauer ihrer Beteiligung, ihre Bedeutung in der Fernwärmebranche, ihren Umsatz in diesem Sektor, gegebenenfalls ihren Gesamtumsatz, um Größe und Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens zu erfassen und die nötige Abschreckungswirkung zu gewährleisten, und schließlich alle mildernden Umstände berücksichtigen werde.

316 Zudem hat die Kommission in Bezug auf die Klägerinnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angekündigt, sie werde berücksichtigen, dass Henss/Isoplus eine aktive Rolle dabei gespielt habe, die Einhaltung der Kartellabsprachen durch die anderen Hersteller zu gewährleisten.

317 Damit hat die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben, auf die sie sich bei der Berechnung der Geldbuße der Gruppe Henss/Isoplus stützen würde, so dass das Anhörungsrecht der Klägerinnen insoweit gebührend beachtet wurde.

318 Da die Kommission die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben hatte, auf die sich ihre Berechnung der Geldbußen stützte, brauchte sie nicht zu erläutern, in welcher Weise sie jeden dieser Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße heranziehen würde. Angaben zur Höhe der beabsichtigten Geldbußen wären nämlich, solange den Unternehmen keine Gelegenheit gegeben wurde, zu den gegen sie in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen, eine nicht sachgerechte Vorwegnahme der Entscheidung der Kommission (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 21, und Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 19).

319 Folglich war die Kommission auch nicht verpflichtet, den betroffenen Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens mitzuteilen, dass sie eine neue Methode für die Berechnung der Geldbußen anzuwenden beabsichtigte.

320 Insbesondere brauchte die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht auf die Möglichkeit einer Änderung ihrer Politik bezüglich des Niveaus der Geldbußen hinzuweisen, eine Möglichkeit, die von allgemeinen wettbewerbspolitischen Erwägungen abhing, die mit den Besonderheiten der vorliegenden Fälle nicht in unmittelbarem Zusammenhang standen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 22). Die Kommission ist nämlich nicht verpflichtet, die Unternehmen zu warnen, indem sie ihnen ihre Absicht mitteilt, das allgemeine Niveau der Geldbußen anzuheben (Urteil Solvay/Kommission, Randnr. 311).

321 Folglich verpflichtete das Anhörungsrecht der Klägerinnen die Kommission nicht dazu, ihnen ihre Absicht mitzuteilen, in ihrem Fall die neuen Leitlinien anzuwenden.

322 Aus all diesen Gründen ist die Rüge einer Verletzung des Anhörungsrechts in Bezug auf die Anwendung der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen zurückzuweisen.

3. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Übersetzung bestimmter Dokumente

Vorbringen der Parteien

323 Die Klägerinnen sind der Ansicht, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, da die Kommission ihnen nicht alle Dokumente in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt habe. So hätten sie keine Übersetzung bestimmter Schriftstücke erhalten, die der Mitteilung der Beschwerdepunkte, der ergänzenden Mitteilung und den Antworten anderer Unternehmen auf Auskunftsverlangen der Kommission beigefügt gewesen seien.

324 Die Überlegungen des Gerichtshofes in seinem Urteil vom 24. November 1998 in der Rechtssache C-274/96 (Bickel und Franz, Slg. 1998, I-7637), das den Anspruch der Unionsbürger auf Durchführung eines Strafverfahrens in ihrer Muttersprache betreffe, müssten auch für ein nach der Verordnung Nr. 17 durchgeführtes Verfahren vor der Kommission gelten, das als Strafverfahren im Sinne der Artikel 5 und 6 EMRK einzustufen sei. Im Verfahren vor der Kommission gelte der Grundsatz der Waffengleichheit, der verlange, dass nicht nur die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Entscheidung, sondern auch deren sämtliche Beilagen in der offiziellen Sprache am Sitz des betroffenen Unternehmens oder in der von diesem gewünschten Verfahrenssprache zugestellt würden. Auf jeden Fall müsse es eine Verpflichtung zur Übersetzung der übermittelten Unterlagen für Schriftsätze anderer Unternehmen und des Beschwerdeführers geben, weil die Kommission selbst diese Schriftstücke in die verschiedenen Amtssprachen der Gemeinschaft übersetzen müsse.

325 Die Beklagte führt aus, die Verfahrensunterlagen im Sinne der Verordnung Nr. 17, d. h. die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Entscheidung, seien den Betroffenen im Einklang mit Artikel 3 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385) in deutscher Sprache zugestellt worden. Die nicht von der Kommission stammenden Schriftstücke, die der Information und der Verteidigung der Klägerinnen dienen sollten, seien ihnen dagegen in der Originalfassung zu übermitteln gewesen. Somit gebe es keine Rechtsgrundlage für die Behauptung der Klägerinnen, die Kommission müsse diese Schriftstücke in die verschiedenen Amtssprachen der Gemeinschaft übersetzen.

Würdigung durch das Gericht

326 Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten nicht nur für die Unterlagen im Anhang der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sondern auch für die Anhänge zu den Antworten anderer Unternehmen auf Auskunftsverlangen der Kommission eine Übersetzung erhalten müssen.

327 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Anhänge der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die nicht von der Kommission stammen, keine "Schriftstücke" im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1, sondern sind als Beweisstücke anzusehen, auf die sich die Kommission stützt und die daher dem Empfänger der Entscheidung so, wie sie sind, zu übermitteln sind, damit dieser ihre Auslegung durch die Kommission, auf die sie sowohl ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch ihre Entscheidung gestützt hat, in Erfahrung bringen kann (Urteil Tréfilunion/Kommission, Randnr. 21, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-338/94, Finnboard/Kommission, Slg. 1998, II-1617, Randnr. 53). Folglich hat die Kommission, als sie diese Anhänge in ihrer Originalsprache übermittelte, nicht gegen das Anhörungsrecht der betroffenen Unternehmen verstoßen.

328 Die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die den Klägerinnen in deutscher Sprache übersandt wurde, enthält einschlägige Auszüge aus den ihr beigefügten Anhängen. Bei dieser Art der Darlegung konnten die Klägerinnen somit genau erkennen, auf welchen Sachverhalt und auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Kommission gestützt hatte. Sie waren folglich in der Lage, ihre Rechte angemessen zu verteidigen (vgl. auch Urteil Tréfilunion/Kommission, Randnr. 21).

329 Das Gleiche gilt für die Unterlagen, die andere Unternehmen ihren Antworten auf Auskunftsverlangen der Kommission beigefügt hatten. Zum einen verpflichtet keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts die Kommission, eine Übersetzung solcher nicht von ihr stammender Unterlagen zu liefern. Zum anderen müssen sie, da sie der Information und der Verteidigung der betroffenen Unternehmen dienen sollen, diesen so, wie sie sind, übermittelt werden, damit die Unternehmen die Auslegung der Unterlagen durch die Kommission, auf die sie ihre Entscheidung gestützt hat, beurteilen können.

330 Dadurch wird nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen, denn wie die Kommission ausgeführt hat, stellt die Originalfassung der Unterlagen sowohl für sie als auch für die betroffenen Unternehmen den allein maßgebenden Beweis dar.

331 Die Klägerinnen versuchen vergeblich, aus dem Urteil Bickel und Franz eine andere als die vorstehende Auslegung herzuleiten. Der Gerichtshof hat sich in diesem Urteil für die nicht diskriminierende Anwendung einer Sprachenregelung ausgesprochen, die das Recht auf Durchführung eines Strafverfahrens in der Muttersprache der Betroffenen verleiht. Die Frage, ob die schriftlichen Beweise zur Wahrung der Verteidigungsrechte in die Verfahrenssprache übersetzt werden müssen, wurde dort jedoch nicht angesprochen.

332 Aus diesen Gründen ist die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die fehlende Übersetzung von Dokumenten zurückzuweisen.

4. Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Fristen zur Stellungnahme

Vorbringen der Parteien

333 Die Klägerinnen tragen vor, ihre Verteidigungsrechte seien dadurch verletzt worden, dass die Kommission ihnen keine angemessenen Fristen zur Stellungnahme zum gesamten Akteninhalt gewährt habe.

334 Nach der Übermittlung der Beschwerdepunkte habe die Kommission mit Schreiben vom 22. Mai 1997 zahlreiche weitere Unterlagen mit nicht in deutscher Sprache verfassten Beilagen zugestellt, wobei die den Adressaten der Beschwerdepunkte gesetzte Frist für die Abgabe ihrer Stellungnahme am 30. Juni 1997 abgelaufen sei. Ein Antrag der Klägerinnen auf Verlängerung dieser Frist sei von der Kommission nicht beantwortet worden, so dass die Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist abgegeben worden sei. Sodann seien den Klägerinnen mit Schreiben der Kommission vom 19. September 1997 die Antworten anderer betroffener Unternehmen auf die Beschwerdepunkte und deren Beilagen übermittelt worden, die nicht ins Deutsche übersetzte Unterlagen enthalten hätten; die Kommission habe sie aufgefordert, dazu bis 10. Oktober 1997 Stellung zu nehmen. Die Klägerinnen hätten außerdem Schreiben der Kommission vom 24. September und 9. Oktober 1997 mit ebenfalls nicht übersetzten Unterlagen erhalten. Sie hätten am 12. und 17. November 1997 Stellung genommen und dabei diese Vorgehensweise der Kommission gerügt. Trotz der Einwände der Klägerinnen in der Anhörung vom 24. und 25. November 1997 habe der Anhörungsbeauftragte alle so übermittelten Beweismittel zugelassen. Außerdem seien die letzten schriftlichen Stellungnahmen der anderen Unternehmen den Klägerinnen nicht zur Kenntnis gebracht worden.

335 Wenn man der Auffassung der Kommission folge, dass die Beilagen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und zu deren Ergänzungen nicht in der Sprache am Sitz des Unternehmens zuzustellen seien, müssten die zahlreichen Dokumente in fremder Sprache im Fall der Klägerinnen zunächst ins Deutsche übersetzt werden, was gewisse Zeit in Anspruch nehme.

336 Zur Behauptung der Kommission, die Klägerinnen seien gleichwohl imstande gewesen, auch zu den später übermittelten Unterlagen eine Stellungnahme abzugeben, sei festzustellen, dass sie zur Wahrung ihrer Rechte gezwungen gewesen seien, innerhalb der gesetzten knappen Frist kurze Stellungnahmen abzugeben, die nicht mit der entsprechenden Sorgfalt und Detailliertheit hätten ausgearbeitet werden können. Sie hätten jedoch jeweils die zu knappen Fristen ausdrücklich gerügt.

337 Schließlich habe der Vertreter der Kommission bei der Anhörung dem Rechtsanwalt von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen den diesem damals gänzlich unbekannten Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 vorgelegt und dazu verschiedene Erläuterungen verlangt. Die Klägerinnen hätten dagegen protestiert, dass der Anhörungsbeauftragte dieses Beweismittel zugelassen habe, zu dem ihnen keine Äußerungsfrist eingeräumt worden sei.

338 Die Beklagte macht geltend, die gewährten Fristen seien ausreichend gewesen. Dem Schreiben vom 22. Mai 1997 hätten nur sehr wenige Schriftstücke beigelegen, und es sei ohne weiteres möglich gewesen, hierzu vor Ablauf der Frist Stellung zu nehmen. Das Gleiche gelte für die Stellungnahme zu den von der Kommission nicht verwendeten Schriftstücken, die die Unternehmen untereinander ausgetauscht hätten. Die Stellungnahmen anderer Unternehmen zu den von der Kommission übermittelten Unterlagen habe sie den Klägerinnen nicht zugänglich machen müssen, da sich die Entscheidung nicht auf sie stütze.

339 Die Klägerinnen räumten ein, dass sie ihre Stellungnahme fristgerecht abgegeben hätten. Sie hätten genügend Zeit gehabt, um auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu antworten und auf die Schreiben der Kommission vom 19. und 24. September und vom 9. Oktober 1997 sowie auf die dort in Bezug genommenen Unterlagen einzugehen. Die Klägerinnen hätten auch im Lauf des Verwaltungsverfahrens, das erst durch die mündliche Anhörung abgeschlossen worden sei, nicht mehr darauf bestanden, weitere schriftliche Erklärungen abzugeben. Im Übrigen sei die Anhörung vom 21./22. Oktober auf den 24./25. November 1997 verlegt worden, so dass hinreichend Zeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme bestanden habe.

340 Die Klägerinnen könnten nicht behaupten, sie hätten sich zum Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 nicht angemessen äußern können. Die Entscheidung stütze sich auf diesen Vertrag nur insoweit, als er zum Nachweis dafür beitrage, dass die Klägerinnen einen Konzern unter der Leitung von Herrn Henss bildeten. Zum letztgenannten Punkt seien die damaligen Betriebsgesellschaften im schriftlichen Verfahren ausdrücklich befragt worden und hätten sich dahin gehend geäußert, dass sie das Bestehen eines Konzerns, insbesondere jegliche Beteiligung von Herrn Henss an Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen, abgestritten hätten. Die Frage, ob Herr Henss diese Gesellschaften kontrolliert habe und insbesondere ob der Einbringungsvertrag hierzu etwas aussagen würde, habe auch in der Anhörung ohne weiteres beantwortet werden können.

341 In den Abschnitten ihrer Schreiben vom 8. und 9. Dezember 1997, in denen die Klägerinnen auf den Einbringungsvertrag eingegangen seien, hätten sie nur gerügt, dass die Kommission ihn in der Anhörung offen gelegt habe, ohne auf die Frage der von Herrn Henss ausgeübten Kontrolle einzugehen. Selbst wenn also das fragliche Verfahren nicht für eine ordnungsgemäße Stellungnahme zu diesem Punkt ausgereicht hätte, wären dennoch die Verteidigungsrechte gewahrt.

Würdigung durch das Gericht

342 Die Klägerinnen machen geltend, ihnen sei keine ausreichende Frist eingeräumt worden, um sich erstens zu den vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten übersandten Unterlagen, zweitens zu den anschließend übersandten Unterlagen, in Bezug auf die sie die Kommission zur Äußerung bis 10. Oktober 1997 aufgefordert habe, und drittens zum Einbringungsvertrag zu äußern, der in der Anhörung vorgelegt worden sei, ohne dass sie zuvor eine Frist zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme erhalten hätten.

343 Was erstens die am 22. Mai 1997 mit Schreiben der Kommission übersandten Unterlagen angeht, so handelt es sich dabei um Schriftstücke, die diesem Schreiben zufolge von gewisser Bedeutung für den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 20. März 1997 behandelten Sachverhalt sein konnten. Da die Kommission für die Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten eine Frist von vierzehn Wochen bis zum 1. Juli 1997 gesetzt hatte, hatten die Klägerinnen nach Erhalt des Schreibens vom 22. Mai 1997 noch über einen Monat Zeit, ihren Standpunkt zu den fraglichen zusätzlichen Unterlagen auszuarbeiten.

344 Nach Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63, durch den sichergestellt werden soll, dass den Adressaten der Beschwerdepunkte eine für die sachdienliche Ausübung ihrer Verteidigungsrechte ausreichende Frist gewährt wird, muss die Kommission bei der Festsetzung dieser Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muss, dem für die Äußerung erforderlichen Zeitaufwand und der Dringlichkeit des Falles Rechnung tragen. Die gewährte Frist ist konkret nach Maßgabe der Schwierigkeit des Einzelfalls zu beurteilen. So hat der Gemeinschaftsrichter in einigen umfangreichen Rechtssachen eine Frist von zwei Monaten für die Abgabe von Stellungnahmen zu den Beschwerdepunkten als ausreichend angesehen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 272 und 273, und Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 94 bis 99).

345 Eine Frist von über einem Monat musste somit zur Abgabe von Stellungnahmen zu den am 22. Mai 1997 übersandten Unterlagen ausreichen, da es sich um nur wenige Unterlagen handelte (Anhänge X1 bis X9), deren Relevanz zudem im Begleitschreiben erläutert wurde. Auch aus der Beschwerde von Powerpipe, die mit ihren Anlagen ebenfalls dem Schreiben vom 22. Mai 1997 beigefügt war, waren die inkriminierendsten Passagen bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zitiert worden.

346 Was zweitens die anschließend übersandten Schriftstücke angeht, so verfügten die Klägerinnen über eine angemessene Frist bis zur Anhörung. Im Schreiben vom 19. September 1997, mit dem die Antworten anderer Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wurden, führte die Kommission aus, falls die Unternehmen zu diesen Antworten Stellung nehmen wollten, sollten ihre Stellungnahmen bis zum 10. Oktober 1997 eingehen; sie hätten auf alle Fälle in der Anhörung Gelegenheit, sich zu äußern. Als die Kommission dagegen mit Schreiben vom 24. September 1997 bei Dansk Rørindustri gefundene Unterlagen übersandte, um eine vollständige Akteneinsicht zu ermöglichen, erwähnte sie die Möglichkeit der Stellungnahme nicht und setzte dafür folglich auch keine Frist. Auch als sie mit Schreiben vom 9. Oktober 1997 eine Reihe von Zusatzdokumenten zur Mitteilung der Beschwerdepunkte (Nrn. 1 bis 28) und die Antworten von Løgstør, Powerpipe und DSD auf Auskunftsverlangen der Kommission übersandte, war von der Möglichkeit zur Stellungnahme keine Rede.

347 Da die Klägerinnen jedenfalls spätestens am 24. und 25. November 1997, als die Anhörung stattfand, Gelegenheit hatten, ihre Stellungnahmen zu den von der Kommission am 19. und 24. September sowie am 9. Oktober 1997 übersandten Unterlagen abzugeben, verfügten sie über eine Frist von fünf Wochen bis zwei Monaten, um sich zu diesen Unterlagen zu äußern. Unter den Umständen des vorliegenden Falles reichte eine solche Frist zur sachgerechten Ausübung der Verteidigungsrechte aus.

348 In Bezug auf die am 9. Oktober 1997 übersandten Schriftstücke ist festzustellen, dass die Relevanz all dieser Schriftstücke für die Beschwerdepunkte in den zusammen mit ihnen übersandten Tabellen klar angegeben war und dass die meisten der fraglichen Zusatzdokumente zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, wie im Begleitschreiben erläutert wird, Gegenstand des Austauschs von Unterlagen zwischen den Unternehmen waren.

349 Die Klägerinnen können sich auch nicht darauf berufen, dass sie zum Zeitpunkt des Eingangs der am 19. und 24. September und am 9. Oktober 1997 übersandten Unterlagen noch nicht gewusst hätten, dass sie bis zum 24. und 25. November 1997 Zeit haben würden, um ihre Stellungnahmen auszuarbeiten. Selbst wenn die Klägerinnen ihre Stellungnahmen zu diesen Unterlagen in der Annahme ausgearbeitet haben sollten, dass die Fristen kürzer seien, verfügten sie letztlich über genügend Zeit zur Umgestaltung und Vertiefung ihrer Ausführungen; dies haben Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen im Übrigen getan, indem sie ihre Stellungnahmen vom 14. Oktober 1997 am 12. November 1997 durch zusätzliche Stellungnahmen ergänzten.

350 Was drittens den von der Kommission in der Anhörung vorgelegten Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 anbelangt, so können die Klägerinnen nicht behaupten, dass sie nicht in der Lage gewesen seien, sich sachgerecht zu äußern.

351 Wie sich aus dem Protokoll der Anhörung und den Randnummern 159 und 160 der Entscheidung ergibt, hat die Kommission diesen Einbringungsvertrag bei der Anhörung der Gesellschaften Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen herangezogen, um nachzuweisen, dass Herr Henss an Isoplus Hohenberg und Isoplus stille Gesellschaft beteiligt war und dass es eine Muttergesellschaft, die HFB KG, gab, die nach der Abtretung der von den Eheleuten Henss und Papsdorf gehaltenen Anteile Beteiligungen an Isoplus Rosenheim, Isoplus Sondershausen, Isoplus Hohenberg und Isoplus stille Gesellschaft hielt.

352 Auch wenn die Klägerinnen keine Gelegenheit hatten, ihre Stellungnahmen zum Einbringungsvertrag vor dessen Vorlage durch die Kommission in der Anhörung vorzubereiten, hatten sie im vorliegenden Fall bereits im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit, sich zu den Schlüssen zu äußern, die die Kommission aus den in diesem Vertrag enthaltenen Informationen ziehen konnte. Die Kommission hatte in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte - zu einem Zeitpunkt, zu dem sie den Einbringungsvertrag noch nicht entdeckt hatte - ausgeführt, dass Isoplus Hohenberg anscheinend von Herrn Henss kontrolliert werde, der aber im örtlichen Handelsregister nicht als Gesellschafter aufgeführt sei, und dass es keine Holdinggesellschaft gebe, die als Vertreter des Isoplus-Konzerns angesehen werden könnte. Die Klägerinnen konnten der Mitteilung der Beschwerdepunkte daher zum einen entnehmen, dass die Errichtung der HFB KG sowie die Einbringung von Anteilen in diese Gesellschaft für die Kommission von Interesse wäre, da es sich um Bestätigungen ihrer These handelte, dass die Henss- und Isoplus-Gesellschaften zum gleichen Konzern gehören, und zum anderen, dass die Kommission dies noch nicht wusste. Gleichwohl lieferten Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen der Kommission in ihren Stellungnahmen vom 30. Juni 1997 zu den Beschwerdepunkten weiterhin unzutreffende Informationen über diesen Punkt und insbesondere zur Beteiligung von Herrn Henss an Isoplus Hohenberg.

353 Die Klägerinnen haben jedenfalls nach der Anhörung mit Schreiben vom 8. und 9. Dezember 1997 und vom 13. Februar 1998 zu diesem Schriftstück und zu den Umständen, unter denen es ihnen vorgelegt wurde, Stellung genommen. Somit hat die Kommission die Klägerinnen nicht daran gehindert, sich sachgerecht zu dem fraglichen Schriftstück zu äußern.

354 Aus alledem folgt, dass die Klägerinnen über die nötige Zeit verfügten, um ihren Standpunkt zu den von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkten und Umständen vorzutragen.

355 Folglich greift die Rüge nicht durch, soweit sie die Fristen zur Stellungnahme betrifft.

5. Zur Verletzung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen

Vorbringen der Parteien

356 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission und der Anhörungsbeauftragte hätten die Berufs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des Artikels 20 der Verordnung Nr. 17, zu denen auch Details der Gesellschaftsverhältnisse und deren wirtschaftliche und rechtliche Gründe gehörten, nicht gewahrt.

357 Der Anhörungsbeauftragte habe es den Klägerinnen in der Anhörung nicht ermöglicht, die Rechtsbeziehungen zwischen Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen auf der einen und Isoplus Rosenheim (damals die Gesellschaften Henss Rosenheim und Henss Berlin) auf der anderen Seite vertraulich zu erörtern. Vielmehr sei der Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 im Beisein sämtlicher Adressaten der Entscheidung und der Beschwerdeführerin vorgelegt worden. Mangels Vertraulichkeit habe das eine oder andere Detail dazu weder vom Rechtsvertreter von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen noch vor allem von Herrn Henss als Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim mitgeteilt werden können. Die fehlende Vertraulichkeit sei auch in den Schreiben der Rechtsvertreter von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen sowie des Rechtsvertreters von Isoplus Rosenheim vom 8. und 9. Dezember 1997 gerügt worden.

358 Bei dem Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 handele es sich um eine rechtswidrig und irrtümlich zum Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg gelangte und zwischenzeitlich aus der Urkundensammlung des Handelsregisters herausgenommene Urkunde. Sie enthalte unter Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 fallende Details über gesellschaftsrechtliche Verflechtungen. In dieser Urkunde sei es um Treuhandverhältnisse gegangen, die vor allem aus Gründen des Wettbewerbs nicht hätten offen gelegt werden sollen; als Geschäftsgeheimnis seien sie stets vertraulich zu behandeln, weil der tatsächliche Eigentümer oder Gesellschafter in der Öffentlichkeit nicht bekannt sein solle. Die Klägerinnen hätten in ihrer Klageschrift die näheren Umstände dargelegt, aus denen ein legitimes Interesse an der Geheimhaltung dieser Treuhandverhältnisse bestanden habe.

359 Die im Wettbewerbsverfahren vor der Kommission einschließlich des Anhörungsverfahrens zu wahrende Geheimhaltung und Vertraulichkeit sei vorliegend nicht gewährleistet worden, da 1998 Auszüge aus der Anhörung in dänischen Zeitungen erschienen seien. Meldungen über vertrauliche Teile des Verfahrens seien schon im Frühjahr 1996 in der Presse erschienen, wie die Klägerinnen schon damals in der Antwort der Henss-Gesellschaften und in der Antwort von Isoplus Hohenberg vom 24. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 (im Folgenden: Antwort von Isoplus Hohenberg) gerügt hätten.

360 Die Beklagte trägt vor, sie habe im Zusammenhang mit der Erörterung des Einbringungsvertrags vom 15. Januar 1997 nicht gegen Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 verstoßen, da dieser Vertrag im Handelsregister für jedermann zugänglich gewesen sei. Außerdem habe Herr Henss in der Anhörung selbst diese Einschätzung bestätigt und hinzugefügt, dass Geschäftsgeheimnis nur die Strategien seien, die mit Hilfe der Konzernstruktur verwirklicht werden sollten.

361 Im Übrigen hätten die Klägerinnen nicht dargetan, weshalb die im Einbringungsvertrag enthaltenen Informationen ein Geschäftsgeheimnis darstellen sollten. Das Interesse an der Geheimhaltung von Informationen, durch deren Weitergabe an Dritte die Interessen des Auskunftgebers beeinträchtigt werden könnten, sei nur geschützt, soweit es sich um ein legitimes Interesse handele.

362 Selbst wenn die Kommission in der Anhörung das Geschäftsgeheimnis verletzt hätte, würde dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung an sich führen. Diese angebliche Verletzung, d. h. die Tatsache, dass andere Unternehmen von den tatsächlichen Beteiligungsverhältnissen innerhalb der Gruppe Henss/Isoplus erfahren hätten, habe den Inhalt der Entscheidung nicht beeinflusst. Es sei noch darauf hinzuweisen, dass die Dienststellen der Kommission nichts über den Inhalt der Anhörung nach außen hätten verlauten lassen.

Würdigung durch das Gericht

363 Gemäß Artikel 214 EG-Vertrag (jetzt Artikel 287 EG) sind die Beamten und sonstigen Bediensteten der Organe verpflichtet, in ihrem Besitz befindliche Auskünfte, die unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben. Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 führt diese Vorschrift für den Bereich des Unternehmensrechts durch; sein Absatz 2 lautet: "Die Kommission und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sowie ihre Beamten und sonstigen Bediensteten sind verpflichtet, Kenntnisse nicht preiszugeben, die sie bei Anwendung dieser Verordnung erlangt haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen; die Artikel 19 und 21 bleiben unberührt."

364 Die Artikel 19 und 21 der Verordnung Nr. 17, deren Geltung somit unberührt bleibt, regeln die Verpflichtungen der Kommission im Rahmen der Anhörungen und der Veröffentlichung von Entscheidungen. Daraus ergibt sich, dass die Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses nach Artikel 20 Absatz 2 gegenüber Dritten, die gemäß Artikel 19 Absatz 2 zu hören sind, insbesondere also gegenüber Beschwerdeführern, eingeschränkt ist. An sie kann die Kommission bestimmte unter das Berufsgeheimnis fallende Auskünfte weiterleiten, soweit dies für den ordnungsgemäßen Ablauf der Untersuchung erforderlich ist. Diese Einschränkung gilt allerdings nicht für alle Unterlagen, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen. Artikel 21, der die Veröffentlichung bestimmter Entscheidungen regelt, verpflichtet die Kommission, den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung zu tragen. Diese Bestimmungen beziehen sich zwar auf Sonderfälle, müssen jedoch als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes aufgefasst werden, der auf das gesamte Verwaltungsverfahren Anwendung findet (Urteil des Gerichtshofes vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, 1965, Randnrn. 27 und 28).

365 Zum Ablauf der Anhörung heißt es in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63, dass die Sitzung nichtöffentlich ist, dass die Personen einzeln oder in Anwesenheit anderer geladener Personen gehört werden und dass im letzten Fall den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung zu tragen ist.

366 Die Klägerinnen haben nicht darzutun vermocht, inwieweit die Kommission bei der Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in Anwesenheit des beschwerdeführenden Unternehmens sowie anderer Unternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden war, Geschäftsgeheimnisse preisgegeben haben soll.

367 Was den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 anbelangt, so beschränken sich die Klägerinnen auf die Behauptung, dass er irrtümlich in das Handelsregister gelangt sei, ohne anzugeben, wer für diesen Irrtum verantwortlich ist, und dass seine Aufnahme rechtswidrig gewesen sei, ohne insoweit den geringsten Beweis zu liefern. Unter diesen Umständen kann der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie von diesem Beweismittel Gebrauch gemacht hat. Was den öffentlichen Charakter der in diesem Vertrag enthaltenen Informationen anbelangt, so hat Herr Henss in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim in der Anhörung bestätigt, dass es sich um eine öffentliche Urkunde handelte, und hinzugefügt, dass nur die mit der Strategie der beteiligten Unternehmen zusammenhängenden Gründe für die darin beschriebenen Vorgänge ein Geschäftsgeheimnis seien. Weder der Geschäftsführer der Unternehmen Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen noch deren Rechtsanwalt haben dem widersprochen.

368 Zum Fehlen einer vertraulichen Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen genügt der Hinweis, dass die Klägerinnen nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür liefern, dass die Kommission bei dieser Anhörung Dritten Angaben zugänglich gemacht hat, die unter das Geschäftsgeheimnis fallen. Insoweit kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, von den Klägerinnen übermittelte vertrauliche Informationen verbreitet zu haben. Wie sich aus dem Protokoll der Anhörung ergibt, hat die Kommission in ihren Fragen an Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen zu deren Verflechtungen mit den Henss-Gesellschaften nur Angaben zur Position dieser Gesellschaften gemacht, auf die deren Rechtsanwalt in seinem einleitenden Vortrag bei der Anhörung hingewiesen hatte, sowie - im Verlauf der Anhörung - aus öffentlichen Registern entnommene Angaben.

369 Zur Verbreitung vertraulicher Informationen, die im Verwaltungsverfahren benutzt wurden, in der Presse ist festzustellen, dass die Klägerinnen keine näheren Angaben zu den vertraulichen Informationen gemacht haben, die während des Verwaltungsverfahrens in den genannten Presseartikeln veröffentlicht worden sein sollen.

370 Selbst wenn man unterstellt, dass für das Durchsickern der von der Presse wiedergegebenen Informationen Dienststellen der Kommission verantwortlich waren, was diese aber weder eingeräumt noch die Klägerin nachgewiesen hat, so hätte dies jedenfalls keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, da nicht erwiesen ist, dass die Entscheidung tatsächlich nicht erlassen worden wäre oder einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn es die fraglichen Vorkommnisse nicht gegeben hätte (Urteil United Brands/Kommission, Randnr. 286). Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen keinen Anhaltspunkt geliefert, aus dem ein solcher Schluss gezogen werden könnte.

371 Folglich ist die Rüge der Verletzung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen zurückzuweisen.

6. Zur Verletzung der Bestimmungen über die Anhörung von Zeugen

Vorbringen der Parteien

372 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, dadurch gegen Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 und Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 verstoßen zu haben, dass sie die beantragte Zeugenvernehmung nicht durchgeführt habe.

373 Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 99/63 könnten Unternehmen vorschlagen, dass die Kommission Personen höre, die die vorgetragenen Tatsachen bestätigen könnten. Im Rahmen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hätten Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen mit Schreiben vom 30. Juni 1997 beantragt, bestimmte Personen, darunter insbesondere Herrn Henss, von der Kommission hören zu lassen. Isoplus Rosenheim habe mit Schreiben gleichen Datums ebenfalls beantragt, bestimmte Personen als Zeugen zu vernehmen. Mit Schreiben vom 16. September 1997 habe ihnen die Kommission jedoch geantwortet, dass es im Rahmen von Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 Sache der Unternehmen selbst sei, die Anwesenheit der betreffenden Personen während der Anhörung sicherzustellen und sie als Zeugen aufzurufen, da die Kommission kein Gericht sei und nicht die Befugnis habe, Zeugen zur Teilnahme an einer Anhörung zu zwingen; außerdem könne sie keine Vereidigung vornehmen. Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen hätten mit Schreiben vom 30. September 1997 klargestellt, dass die namhaft gemachten Zeugen nicht zu ihren, sondern zu Konkurrenzunternehmen gehörten und daher nicht zum Erscheinen gezwungen werden könnten. Auch alle von Isoplus Rosenheim benannten Zeugen hätten nicht zu den Unternehmen der Klägerinnen, sondern zu Powerpipe und anderen Konkurrenzunternehmen gehört. Dennoch seien die benannten Personen weder von der zuständigen Wettbewerbsabteilung der Kommission noch vom Anhörungsbeauftragten als Zeugen geladen worden. Mangels einer Ladung hätten diese Personen, die nicht erschienen seien, auch nicht von der Kommission als Zeugen zu den Tatsachen vernommen werden können, zu denen sie von den Klägerinnen benannt worden seien.

374 Herr Henss sei, obwohl er als Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim an der Anhörung teilgenommen habe, nicht förmlich vernommen worden, da er vom Anhörungsbeauftragten nicht aufgerufen worden sei. Es sei zwar richtig, dass sich eine förmliche Vernehmung von Herrn Henss infolge der vom Rechtsvertreter von Isoplus Rosenheim in der Anhörung abgegebenen Stellungnahme teilweise erübrigt habe. Gleichwohl habe mangels einer vertraulichen Anhörung das eine oder andere Detail von Herrn Henss nicht erwähnt werden können.

375 Wären die Zeugen von der Kommission geladen und dann vernommen oder angehört worden, so hätten ihre Aussagen dazu geführt, dass die Kommission zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen bzw. die Gruppe Henss/Isoplus weder an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EG-Vertrag vor Ende 1994 noch an Boykottmaßnahmen gegen Powerpipe teilgenommen hätten. Eine Zeugenvernehmung sei auch beantragt worden, um zu bestätigen, dass die europäische Preisliste von 1994 nicht von Herrn Henss oder Henss Rosenheim stamme.

376 Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 stehe im Zusammenhang mit dem allgemeinen Anhörungsrecht sowie mit dem in Artikel 6 EMRK, insbesondere dessen Absatz 3 Buchstabe d, aufgestellten Grundsatz, der das Recht auf Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen sowie das Recht vorsehe, Fragen an Belastungszeugen stellen zu dürfen. Wenn betroffene Unternehmen in einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 Anträge gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 auf Ladung und Anhörung von Personen stellten, sei die Kommission grundsätzlich verpflichtet, diese Personen zu laden und zu vernehmen, auch wenn sie bei deren Nichterscheinen keine Sanktionen gegen sie verhängen könne. Lediglich in bestimmten begründeten Fällen könne die Kommission mittels Einzelentscheidung solche Anträge ablehnen.

377 Auch wenn die Kommission kein "Gericht" im Sinne des Artikels 6 EMRK sei, bedeute dies nicht, dass die übrigen Verfahrensgarantien dieses Artikels auf das Verfahren vor der Kommission nicht anwendbar wären. Ein von der Kommission durchgeführtes Verfahren zur Abstellung eines Wettbewerbsverstoßes und zur Verhängung einer Geldbuße habe strafrechtlichen Charakter im Sinne des Artikels 6 EMRK. Diese Vorschrift sei daher von der Kommission insgesamt, also einschließlich Absatz 3 Buchstabe d, zu beachten.

378 Die Beklagte führt aus, sie werde durch die Verordnung Nr. 99/63 nicht ermächtigt, "Zeugen" im Rechtssinne zu vernehmen. Artikel 3 Absatz 3 dieser Verordnung beziehe sich nicht auf Zeugen, sondern begründe lediglich das Recht der Betroffenen im Hinblick auf die Verwendung bestimmter Beweismittel. Die Kommission sei nicht berechtigt und erst recht nicht verpflichtet, etwaige Entlastungszeugen, die ein betroffenes Unternehmen nicht selbst zu mündlichen Erklärungen bewegen könne, vorzuladen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen habe die Kommission im Übrigen die Anhörung der benannten Personen nicht abgelehnt.

379 Die Kommission sei kein "Gericht" im Sinne von Artikel 6 EMRK. Sie übe die ihr durch die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft übertragene Überwachungsaufgabe unter der Kontrolle des Gerichts und des Gerichtshofes aus. Dass die einschlägigen Verfahrensregeln, namentlich die Verordnung Nr. 17, nicht die Befugnis vorsähen, Entlastungszeugen zum Erscheinen zu verpflichten, verstoße jedenfalls nicht gegen den Gedanken der Waffengleichheit in Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d EMRK. Im Verfahren vor der Kommission gebe es nämlich auch keinen "Belastungszeugen", denn die wesentlichen Beweismittel, auf die die Kommission ihre Beschwerdepunkte stützen könne, seien Dokumente und Auskünfte, die sie gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sowie von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen könne.

380 Außerdem habe das Gericht im Rahmen der Kontrolle, die es über die Kommission bezüglich der Erfuellung ihrer Aufgaben ausübe, die Möglichkeit, Zeugen, insbesondere Entlastungszeugen, zum Erscheinen zu verpflichten. De facto seien die Waffen vor dem Gericht ungleich verteilt, und zwar zugunsten der betroffenen Unternehmen, da die Unternehmen dort Aussagen von Zeugen anführen könnten, um die in der Entscheidung der Kommission erhobenen Vorwürfe zu entkräften, während sich die Kommission nicht auf Zeugenaussagen berufen könne, um Vorwürfe zu stützen, die nicht schon durch die in der Entscheidung und der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Beweismittel belegt würden.

Würdigung durch das Gericht

381 Beantragen Personen oder Personenvereinigungen ihre Anhörung, so ist diesem Antrag nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 stattzugeben, wenn sie ein ausreichendes Interesse glaubhaft machen. Nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 99/63 gibt ihnen die Kommission Gelegenheit, sich schriftlich innerhalb einer von ihr bestimmten Frist zu äußern. Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63 verpflichtet die Kommission, Personen, die dies in ihrer schriftlichen Äußerung beantragt haben, Gelegenheit zur mündlichen Erläuterung zu geben, wenn sie ein ausreichendes Interesse glaubhaft machen oder wenn die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld gegen sie festsetzen will. Nach Artikel 7 Absatz 2 kann die Kommission auch in anderen Fällen Personen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung geben.

382 Gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und den Artikeln 5 und 7 der Verordnung Nr. 99/63 ist die Kommission nur dann zur Anhörung von Personen oder Personenvereinigungen, die ein ausreichendes Interesse glaubhaft machen, verpflichtet, wenn diese tatsächlich ihre Anhörung beantragen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. Juli 1987 in der Rechtssache 43/85, Ancides/Kommission, Slg. 1987, 3131, Randnr. 8). Im vorliegenden Fall haben die von den Klägerinnen als Zeugen benannten Personen aber nie selbst den Wunsch geäußert, gehört zu werden.

383 Nach Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 99/63 können die von einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen "auch vorschlagen, dass die Kommission Personen hört, die die vorgetragenen Tatsachen bestätigen können". Für einen solchen Fall ergibt sich aus Artikel 7 der Verordnung Nr. 99/63, dass die Kommission einen angemessenen Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber hat, ob eine Anhörung der Personen, deren Aussage für die Ermittlung des Sachverhalts wichtig sein kann, möglicherweise von Interesse ist (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 18). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nämlich nicht, dass die Kommission von den Betroffenen benannte Zeugen anhört, wenn sie den Sachverhalt für hinreichend geklärt hält (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Mai 1984 in der Rechtssache 9/83, Eisen und Metall Aktiengesellschaft/Kommission, Slg. 1984, 2071, Randnr. 32).

384 Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen nichts vorgetragen, das dafür sprechen könnte, dass die Kommission durch die unterlassene Anhörung der benannten Personen die Untersuchung der Sache pflichtwidrig eingeschränkt und so die Möglichkeit für die Klägerinnen begrenzt hätte, die verschiedenen Aspekte der in den Beschwerdepunkten der Kommission aufgeworfenen Probleme erläutern zu lassen (vgl. Urteil VBVB und VBBB/Kommission, Randnr. 18).

385 Die Klägerinnen haben in ihrer Klageschrift nicht angegeben, inwiefern die Anhörung der genannten Zeugen hätte belegen können, dass die Gruppe Henss/Isoplus oder die Klägerinnen nicht ab 10. Oktober 1991, sondern erst ab Ende 1994 an einem europaweiten Kartell teilnahmen. Selbst wenn die beantragte Zeugenaussage bestätigt hätte, dass weder Herr Henss noch Isoplus Hohenberg oder Isoplus Sondershausen vor ihrem Beitritt zum EuHP von diesem Verband interne Informationen erlangten, hätte dies die von der Kommission gegenüber den Klägerinnen erhobenen Vorwürfe nicht entkräften können. Das Gleiche gilt für die Frage, ob Herr Henss oder Henss Rosenheim an der Erstellung der im Rahmen des europaweiten Kartells verwendeten Preisliste mitwirkte. Zudem war die Kommission angesichts der oben in den Randnummern 264 bis 277 aufgeführten Beweise zu der Annahme berechtigt, dass es der beantragten Zeugenanhörung zu der Frage, ob Powerpipe Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen zur Teilnahme an einem rechtswidrigen Kartell aufgefordert hatte, nicht bedurfte.

386 Soweit vorgeschlagen wurde, Herrn Henss als Zeugen zu hören, ist hinzuzufügen, dass er als Geschäftsführer von Isoplus Rosenheim an der Anhörung teilnahm, aber weder von deren Rechtsanwalt noch vom Rechtsanwalt von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen zur Zeugenaussage aufgefordert wurde. Wie dem Protokoll der Anhörung zu entnehmen ist, äußerte sich Herr Henss nur bei der Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen im Anschluss an eine vom Anhörungsbeauftragten gestellte Frage zum Einbringungsvertrag.

387 Ferner ergibt sich aus dem Anhörungsprotokoll, dass die Klägerinnen nicht verlangten, Herrn Bech, einen Mitarbeiter von Løgstør, dessen Vernehmung ebenfalls beantragt worden war, zu hören, obwohl auch er an der Anhörung teilnahm.

388 Nach alledem hat die Kommission, als sie den Vorschlägen zur Anhörung von Zeugen keine Folge leistete, Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 und die Bestimmungen der Verordnung Nr. 99/63 korrekt angewandt.

389 Schließlich stützen sich die Klägerinnen auf Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d EMRK, der lautet: "Jeder Angeklagte hat insbesondere die folgenden Rechte:... d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken".

390 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission kein Gericht im Sinne des Artikels 6 EMRK (Urteile Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 81, Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 7, und Shell/Kommission, Randnr. 39). Im Übrigen bestimmt Artikel 15 Absatz 4 der Verordnung Nr. 17 ausdrücklich, dass die Entscheidungen der Kommission, mit denen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht Geldbußen festgesetzt werden, nicht strafrechtlicher Art sind (Urteil Tetra Pak/Kommission, Randnr. 235).

391 Auch wenn die Kommission kein Gericht im Sinne des Artikels 6 EMRK ist und die von ihr verhängten Geldbußen nicht strafrechtlicher Art sind, muss sie jedoch im Verwaltungsverfahren die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 8, und Shell/Kommission, Randnr. 39).

392 Die Tatsache, dass die Kommission nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft nicht verpflichtet ist, Entlastungszeugen vorzuladen, deren Anhörung beantragt wird, verstößt nicht gegen die genannten Grundsätze. Die Kommission kann zwar natürliche oder juristische Personen anhören, wenn sie dies für erforderlich hält, ist aber auch bei Belastungszeugen nicht berechtigt, sie ohne ihr Einverständnis vorzuladen.

393 Aus all diesen Gründen ist die Rüge der unterbliebenen Anhörung von Zeugen zurückzuweisen.

7. Zur Verletzung der Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten

Vorbringen der Parteien

394 Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe gegen den Beschluss 94/810/EGKS, EG der Kommission vom 12. Dezember 1994 über das Mandat des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren vor der Kommission (ABl. L 330, S. 67) verstoßen, da der Anhörungsbeauftragte im vorliegenden Verfahren einen Bericht erstellt habe, obwohl er bei dem größten Teil der Anhörung nicht zugegen gewesen sei.

395 Der Anhörungsbeauftragte Gilchrist, der die mündliche Anhörung vorbereitet und geleitet habe, sei am 31. Dezember 1997 in Pension gegangen. Herr Daout, der ab 1. Januar 1998 das Mandat des Anhörungsbeauftragten übernommen habe, sei zwar bei der Anhörung vom 24. November 1997 zugegen gewesen, habe aber an der Anhörung vom 25. November 1997 nicht teilgenommen. Demzufolge habe Herr Daout der Anhörung von Isoplus Rosenheim und Henss Berlin, die am 24. November 1997 abends stattgefunden habe und am 25. November 1997 fortgesetzt worden sei, nur zum Teil beigewohnt. An der Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen, die ausschließlich am 25. November 1997 stattgefunden habe, habe er überhaupt nicht teilgenommen. Sodann sei der Entwurf des Protokolls über das Anhörungsverfahren mit Schreiben des Anhörungsbeauftragten Daout vom 3. April 1998 versandt worden. Im Anschluss an die Genehmigung des Protokollentwurfs habe der Anhörungsbeauftragte den Bericht nach Artikel 8 des Beschlusses 94/810 über den Ablauf der Anhörung verfasst.

396 Diese Vorgehensweise habe die Verteidigungsrechte der Klägerinnen verletzt. Sollte der neue Anhörungsbeauftragte nach der Genehmigung des Protokolls den Bericht nach Artikel 8 des Beschlusses 94/810 verfasst haben, so habe er dies getan, obwohl er bei dem überwiegenden Teil des Termins und insbesondere bei der Anhörung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen nicht zugegen gewesen sei. In diesem Fall habe sich der Anhörungsbeauftragte kein persönliches Bild von der Gruppe Henss/Isoplus und allen Klägerinnen machen und namentlich keine Fragen stellen können. Mangels eines objektiven Berichts des Anhörungsbeauftragten nach Artikel 8 des Beschlusses 94/810 habe es an einer objektiven Grundlage für die Entscheidungsfindung der Kommission bei der angefochtenen Entscheidung gefehlt.

397 Sollte der pensionierte Anhörungsbeauftragte den fraglichen Bericht verfasst haben, wie die Kommission vortrage, so sei hilfsweise ebenfalls eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften des Beschlusses 94/810 und der Verordnung Nr. 99/63 geltend zu machen, da der Bericht vor Genehmigung des Protokolls der Anhörung und ohne Kenntnisnahme und Bearbeitung unmittelbarer weiterer Stellungnahmen von Isoplus Hohenberg, Isoplus Sondershausen und Isoplus Rosenheim verfasst worden sei. Auch in diesem Fall liege kein umfassender und korrekter Bericht vor, so dass die Entscheidungsfindung keinen objektiven Charakter habe.

398 Ungeachtet des Umstands, dass der Bericht des Anhörungsbeauftragten über die Anhörung oder das bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführte Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 den betroffenen Unternehmen nicht zur Einsicht oder Stellungnahme übermittelt werden müsse, komme diesem Bericht des unabhängigen Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren zur Feststellung von Zuwiderhandlungen gleichwohl entscheidende Bedeutung zu, wie die Kommission auch einräume, wenn sie zugebe, dass dieser Bericht die Funktion eines für sie nicht bindenden Gutachtens habe.

399 Die Beklagte führt aus, Herr Gilchrist habe den in Artikel 8 des Beschlusses 94/810 vorgesehenen Bericht verfasst. Dass der Anhörungsbeauftragte seinerzeit nicht über das genehmigte Protokoll der Anhörung verfügt habe, sei ohne Belang, da dieses Protokoll der Information von Personen diene, die bei der Anhörung nicht zugegen gewesen seien, namentlich der Mitglieder des Beratenden Ausschusses und der Kommission. Da der Anhörungsbeauftragte kraft seiner Funktion während der gesamten Anhörung zugegen sein müsse, sei das Protokoll nicht zu seiner Information bestimmt gewesen. Der Bericht des Anhörungsbeauftragten spiegele den Stand der Erörterungen zum Zeitpunkt der Anhörung wider. Er habe lediglich die Funktion eines Gutachtens, an das die Kommission nicht gebunden sei.

400 Der mündlichen Anhörung gehe üblicherweise die Abgabe schriftlicher Stellungnahmen zu den Beschwerdepunkten voraus; sie stelle daher ein fortgeschrittenes Stadium der Diskussion dar. Da die Anhörung ende, sobald die Sitzung geschlossen werde, beschränke sich das Protokoll auf die Wiedergabe des Inhalts dieser Sitzung. Die Möglichkeit für die Parteien, die Richtigkeit dieser Wiedergabe zu überprüfen, stelle daher keine Fortsetzung der mündlichen Anhörung dar.

401 Der Bericht des Anhörungsbeauftragten schließe keineswegs aus, dass die Kommission Äußerungen nach der Anhörung berücksichtige. Artikel 8 des Beschlusses 94/810 sehe nämlich ausdrücklich vor, dass der Anhörungsbeauftragte die Einholung weiterer Auskünfte anregen könne, wenn die nachträglich eingeführten Gesichtspunkte eine neue Anhörung erforderlich gemacht hätten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen.

402 Die zeitweise Abwesenheit von Herrn Daout bei der Anhörung habe auf die Gültigkeit der Entscheidung keinen Einfluss, da er damals noch nicht als Anhörungsbeauftragter amtiert habe.

Würdigung durch das Gericht

403 Nach Artikel 2 Absatz 1 des Beschlusses 94/810 hat der Anhörungsbeauftragte die Aufgabe, für einen geregelten Ablauf der Anhörung Sorge zu tragen und dadurch zur Objektivität sowohl der Anhörung als auch der späteren Entscheidung beizutragen. In diesem Zusammenhang wacht der Anhörungsbeauftragte insbesondere darüber, dass alle für die Beurteilung des Falles erheblichen Umstände tatsächlicher Art, gleichgültig ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig sind, bei der Ausarbeitung von Entwürfen zu kartellrechtlichen Entscheidungen der Kommission angemessen berücksichtigt werden.

404 Nach Artikel 8 des Beschlusses 94/810 berichtet der Anhörungsbeauftragte dem Generaldirektor für Wettbewerb über den Ablauf der Anhörung und über seine diesbezüglichen Schlussfolgerungen; er kann sich zu dem weiteren Verlauf des Verfahrens äußern und u. a. die Einholung von weiteren Auskünften, den Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte oder die Mitteilung zusätzlicher Beschwerdepunkte anregen.

405 Ferner ergibt sich sowohl aus Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 als auch aus Artikel 7 Absatz 4 des Beschlusses 94/810, dass die wesentlichen Erklärungen jeder gehörten Person aufgenommen und gegebenenfalls von ihr durchgelesen und genehmigt werden. Nach der letztgenannten Bestimmung obliegt es dem Anhörungsbeauftragten, dafür zu sorgen.

406 Im vorliegenden Fall wurde der in Artikel 8 des Beschlusses 94/810 vorgesehene Bericht von Herrn Gilchrist verfasst, der ihn am 26. November 1997 der Kommission übergab. Folglich ist die Rüge der Klägerinnen dahin zu verstehen, dass sie sich dagegen wenden, dass der Anhörungsbeauftragte diesen Bericht vor der Genehmigung des Protokolls der Anhörung und ohne Kenntnisnahme ihrer dazu abgegebenen Stellungnahmen verfasst hat.

407 Weder die Verordnung Nr. 99/63 noch der Beschluss 94/810 stehen dem entgegen, dass der Anhörungsbeauftragte den in Artikel 8 des Beschlusses 94/810 vorgesehenen Bericht vorlegt, bevor das Protokoll der Anhörung im Einklang mit Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 und Artikel 7 Absatz 4 des Beschlusses 94/810 von jeder gehörten Person genehmigt wurde. Wie bereits ausgeführt, ist der Bericht des Anhörungsbeauftragten ein rein internes Schriftstück der Kommission, das nicht dazu dient, das Vorbringen der Unternehmen zu vervollständigen oder zu korrigieren, und das deshalb kein entscheidender Faktor ist, den der Gemeinschaftsrichter bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hätte (siehe oben, Randnr. 40).

408 Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 soll den angehörten Personen die Gewähr bieten, dass das Protokoll mit ihren wesentlichen Erklärungen übereinstimmt (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 29, und Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 51/69, Bayer/Kommission, Slg. 1972, 745, Randnr. 17). Das Protokoll wird den Parteien folglich zur Genehmigung vorgelegt, damit sie die in der Anhörung abgegebenen Erklärungen überprüfen können, und nicht zu dem Zweck, neue Gesichtspunkte vorzubringen, die der Anhörungsbeauftragte berücksichtigen müsste.

409 Die Klägerinnen haben nicht dargetan, inwiefern der vorläufige Charakter des Protokolls, über das der Anhörungsbeauftragte zum Zeitpunkt der Erstellung seines Berichts verfügte, ihn daran gehindert hätte, dem Generaldirektor für Wettbewerb unter Bedingungen Bericht zu erstatten, die zur Objektivität des Verfahrens beitrugen.

410 Nach der Rechtsprechung kann der Umstand, dass dem Beratenden Ausschuss und der Kommission eine vorläufige Anhörungsniederschrift vorgelegen hat, nur dann einen Fehler des Verwaltungsverfahrens darstellen, der die Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn diese Niederschrift in einer ihre Adressaten in einem wesentlichen Punkt irreführenden Weise verfasst wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, 733, Randnr. 17). Da die Kommission neben der vorläufigen Niederschrift über die Bemerkungen und Stellungnahmen der Unternehmen zu dieser Niederschrift verfügte, ist davon auszugehen, dass die Mitglieder der Kommission vor Erlass der Entscheidung über alle erheblichen Umstände informiert waren (vgl. Urteil Petrofina/Kommission, Randnr. 44). Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass die verschiedenen bei der Ausarbeitung der endgültigen Entscheidung zusammenwirkenden Stellen nicht korrekt über das Vorbringen der Unternehmen zu den ihnen von der Kommission mitgeteilten Beschwerdepunkten und den von der Kommission zur Erhärtung dieser Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismitteln informiert worden seien (vgl. Urteil Petrofina/Kommission, Randnr. 53, und Urteil vom 10. März 1992, Hüls/Kommission, Randnr. 86).

411 Der Gerichtshof hat im Übrigen entschieden, dass sich Verfahrensfehler bei der Erstellung des Protokolls nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung auswirken können, wenn bei der Anhörung abgegebene Erklärungen unzutreffend wiedergegeben wurden (Urteile ICI/Kommission, Randnr. 31, und Bayer/Kommission, Randnr. 17). Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen nicht dargelegt, inwiefern das Protokoll den Inhalt der Anhörung nicht korrekt und genau wiedergeben soll (vgl. Urteil Petrofina/Kommission, Randnr. 45). Dagegen ist unstreitig, dass die von den Klägerinnen insbesondere hinsichtlich der Anwesenheit von Herrn Daout bei der Anhörung vorgeschlagenen Korrekturen des Protokolls in dessen endgültige Fassung aufgenommen wurden.

412 Nach alledem hat sich die Tatsache, dass der Anhörungsbeauftragte seinen Bericht in der vorliegenden Rechtssache vor der Genehmigung des Protokolls der Anhörung verfasst hat, nicht auf die Rechtmäßigkeit der daraus hervorgegangenen Entscheidung ausgewirkt.

413 Somit ist die Rüge der Verletzung der Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten zurückzuweisen.

414 Folglich ist der Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte in vollem Umfang zurückzuweisen.

C - Dritter Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Leitlinien

1. Allgemeine Ausführungen zur Einrede der Rechtswidrigkeit

415 Die Klägerinnen erheben nach Artikel 184 EG-Vertrag (jetzt Artikel 241 EG) eine Einrede der Rechtswidrigkeit in Bezug auf die Leitlinien. Sie tragen vor, aus der Begründung der Entscheidung ergebe sich, dass die Leitlinien die Rechtsgrundlage der Entscheidung darstellten. Auch aus Pressemeldungen der Kommission ergebe sich die Anwendung der Leitlinien im vorliegenden Verfahren. Eine Einrede der Rechtswidrigkeit könne über den Wortlaut von Artikel 184 EG-Vertrag hinaus, der ausdrücklich nur Verordnungen erwähne, gegenüber allen Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane geltend gemacht werden, die, obwohl nicht in Form einer Verordnung ergangen, gleichartige Wirkungen entfalteten, was bei den Leitlinien vorliegend der Fall sei.

416 Nach ständiger Rechtsprechung ist Artikel 184 EG-Vertrag Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer sie unmittelbar und individuell betreffenden Entscheidung die Gültigkeit derjenigen früheren Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane zu bestreiten, die - auch wenn es sich nicht um eine Verordnung handelt - die Rechtsgrundlage für die streitige Entscheidung bilden, falls die betreffende Partei nicht das Recht hatte, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, Randnrn. 39 und 40).

417 Da Artikel 184 EG-Vertrag nicht den Zweck hat, einer Partei zu gestatten, die Unanwendbarkeit eines Rechtsakts allgemeinen Charakters mit jeder beliebigen Klage geltend zu machen, muss der allgemeine Rechtsakt, dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, unmittelbar oder mittelbar auf den streitgegenständlichen Fall anwendbar sein, und es muss ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen Einzelentscheidung und dem betreffenden allgemeinen Rechtsakt bestehen (Urteile des Gerichtshofes vom 31. März 1965 in der Rechtssache 21/64, Macchiorlati Dalmas e Figli/Hohe Behörde, Slg. 1965, 242, 259, und vom 13. Juli 1966 in der Rechtssache 32/65, Italien/Rat und Kommission, Slg. 1966, 458, 487; Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 1993 in den Rechtssachen T-6/92 und T-52/92, Reinarz/Kommission, Slg. 1993, II-1047, Randnr. 57).

418 In den ersten beiden Absätzen der Leitlinien hat die Kommission Folgendes angekündigt: "Die in diesen Leitlinien dargelegten Grundsätze sollen dazu beitragen, die Transparenz und Objektivität der Entscheidungen der Kommission sowohl gegenüber den Unternehmen als auch gegenüber dem Gerichtshof zu erhöhen, sowie den Ermessensspielraum bekräftigen, der vom Gesetzgeber der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen innerhalb der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes der Unternehmen eingeräumt wurde.... Das neue Verfahren für die Festsetzung des Betrages der Geldbuße beruht auf folgendem Schema..." Folglich enthalten die Leitlinien - auch wenn sie nicht die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung darstellen, die auf den Artikeln 3 und 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 beruht - eine allgemeine und abstrakte Regelung des Verfahrens, das sich die Kommission zur Ermittlung der in der Entscheidung festgesetzten Geldbußen auferlegt hatte, und schaffen damit Rechtssicherheit für die Unternehmen.

419 Überdies ist unstreitig, dass die Kommission die Geldbuße der Klägerinnen anhand der allgemeinen Methode festgesetzt hat, die sie sich in den Leitlinien auferlegt hat.

420 Somit besteht im vorliegenden Fall ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen Einzelentscheidung und dem allgemeinen Rechtsakt, um den es sich bei den Leitlinien handelt. Da die Klägerinnen nicht die Nichtigerklärung der Leitlinien als des allgemeinen Rechtsakts verlangen konnten, können diese Gegenstand einer Einrede der Rechtswidrigkeit sein.

421 Somit ist die Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien zu prüfen, die sich erstens auf die Unzuständigkeit der Kommission, zweitens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, drittens auf die Verletzung der Verteidigungsrechte und viertens auf die Verletzung des Rückwirkungsverbots stützt.

2. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund der Unzuständigkeit der Kommission

Vorbringen der Parteien

422 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe mit dem Erlass der Leitlinien die Grenzen des ihr durch den Vertrag und die Verordnung Nr. 17 eingeräumten Ermessens überschritten. Nach Artikel 87 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 83 EG) sei nur der Rat befugt, Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag niedergelegten Grundsätze zu erlassen. In Artikel 24 der Verordnung Nr. 17 werde die Kommission zwar zum Erlass von Ausführungsbestimmungen ermächtigt, nicht aber zum Erlass von Vorschriften über die Festsetzung von Geldbußen nach Artikel 15 dieser Verordnung.

423 Die Kommission könne zwar in Bereichen, in denen das Primärrecht ihr die Befugnis zur Entscheidung von Einzelfällen und bei diesen Entscheidungen einen Ermessensspielraum zugewiesen habe, die Ausübung dieses Ermessens strukturieren und Mitteilungen veröffentlichen, um auf diese Weise ihre späteren Einzelfallentscheidungen vorzubereiten. Mit dem Erlass der Leitlinien habe die Kommission jedoch die Grenzen einer solchen Mitteilung überschritten. In ihren Leitlinien habe sie nicht nur die bestehende Rechtslage und vorweg die Handhabung ihres Ermessens dargestellt, sondern eine Ergänzung des bestehenden Gemeinschaftsrechts durch Schaffung eigenständiger Verpflichtungen bezweckt. Die Kommission habe in den Leitlinien für die Festsetzung der Geldbuße nicht den Umsatz der betroffenen Unternehmen, d. h. ihre Wirtschaftskraft, berücksichtigt, obwohl aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nach der Auslegung, die er in der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis der Kommission vor dem Erlass der Leitlinien gefunden habe, folge, dass die Schwere der Tat und die Dauer des Verstoßes auch anhand der Umsatzzahlen zu ermitteln seien.

424 In Nummer 1 der Leitlinien werde ein Ausgangsbetrag für die Berechnung der Geldbuße definiert, der zunächst unabhängig vom Umsatz der betroffenen Unternehmen festzulegen sei und sich mit gewissen Sockelbeträgen in "minder schwere Verstöße", "schwere Verstöße" und "besonders schwere Verstöße" gliedere. Anhand der Dauer des Verstoßes würden darauf dann Zuschläge vorgenommen, wiederum ohne Berücksichtigung des Umsatzes des betroffenen Unternehmens. Erst danach werde gemäß Nummer 4 der Leitlinien geprüft, ob der so ermittelte Betrag nicht die Grenze von 10 % des Umsatzes in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 übersteige. Diese Vorgehensweise führe letztlich dazu, dass zwingende Umstände des Einzelfalls im Zusammenhang mit Art und Dauer des Verstoßes bei den einzelnen Unternehmen keine Berücksichtigung mehr finden könnten, falls durch die Ermittlung des Ausgangsbetrags nach diesem Schema die Grenze von 10 % des Umsatzes bereits erreicht oder überschritten werde.

425 So hätten im vorliegenden Fall wegen der Anwendung der Leitlinien bestimmte Umstände keine Berücksichtigung gefunden, weil gegen die Klägerinnen die Hoechstgeldbuße von 10 % ihres Umsatzes festgesetzt worden sei.

426 Außerdem werde die mit den Leitlinien verbundene Einführung weiterer erschwerender Umstände, z. B. des Erfordernisses, die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, vom Gemeinschaftsrecht nicht gedeckt, weder durch die Verordnung Nr. 17 noch durch allgemeine Rechtsgrundsätze.

427 Die Beklagte entgegnet, sie habe ihr Ermessen nicht dadurch überschritten, dass sie Ausgangsbeträge und Aufschläge für die Festsetzung von Geldbußen ohne Berücksichtigung des Umsatzes der betroffenen Unternehmen festgelegt habe.

428 Der Rechtsprechung und ihrer Verwaltungspraxis sei keineswegs zu entnehmen, dass der Gesamtumsatz als Indikator der Wirtschaftskraft eines Unternehmens stets in die Berechnung der Geldbußen einfließen müsse. Die Dauer des Verstoßes könne als solche nicht direkt mit den Umsätzen des Unternehmens in Verbindung gebracht werden. Bei der Schwere des Verstoßes seien die Umstände des Einzelfalls, der Kontext der Zuwiderhandlung und die Notwendigkeit zu berücksichtigen, die abschreckende Wirkung des Vorgehens der Kommission sicherzustellen. In diesem Rahmen hätten Rechenfaktoren wie die Umsätze des betroffenen Unternehmens keinen zwingenden Charakter, dürften aber berücksichtigt werden. Es könne auch nicht behauptet werden, dass die Berechnung der Geldbußen anhand des Umsatzes der betroffenen Unternehmen einer Verwaltungspraxis der Kommission entspreche, denn häufig seien dabei andere Faktoren als der Umsatz herangezogen worden. Dies ergebe sich aus mehreren wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen, mit denen sich in einigen Fällen auch die Gemeinschaftsgerichte befasst hätten.

429 Außerdem erlaubten es die Leitlinien durchaus, die Wirtschaftskraft des Unternehmens zu berücksichtigen. Da die Kommission in den Leitlinien auf die Notwendigkeit einer abschreckenden Wirkung der Geldbuße verweise, sei sie befugt, den Ausgangsbetrag entsprechend anzupassen. Sodann erinnere sie in den Leitlinien daran, dass nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 der Endbetrag der Geldbuße 10 % des Gesamtumsatzes des betroffenen Unternehmens nicht übersteigen dürfe. Schließlich werde in den Leitlinien im Einklang mit der Rechtsprechung, dass Umsätze mit dem betreffenden Produkt berücksichtigt werden könnten, um das Ausmaß der Zuwiderhandlung zu ermitteln, der Grundsatz aufgestellt, dass dieser Gesichtspunkt in Rechnung gestellt werden könne, um die Möglichkeit zu haben, das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen.

430 Von der Möglichkeit - gegen die sich die Klägerinnen wendeten -, im Fall erschwerender Umstände die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, sei im vorliegenden Fall kein Gebrauch gemacht worden. Gleichwohl liege dieses Kriterium durchaus im Ermessen der Kommission.

Würdigung durch das Gericht

431 In Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt es: "Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig... gegen Artikel 85 Absatz (1)... des Vertrages verstoßen..." Weiter heißt es dort: "Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen."

432 Als die Kommission in ihren Leitlinien ankündigte, welche Methode sie bei der Berechnung von Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 anwenden will, hat sie das ihr durch den Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen nicht überschritten.

433 Nach Nummer 1 Absatz 1 der Leitlinien wird bei der Berechnung der Geldbußen der Grundbetrag nach Maßgabe der Schwere und der Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet.

434 Gemäß den Leitlinien wählt die Kommission als Ausgangspunkt einen anhand der Schwere des Verstoßes ermittelten Betrag (im Folgenden: allgemeiner Ausgangspunkt). Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen (Nr. 1 Teil A Absatz 1). Dabei werden die Verstöße in drei Gruppen unterteilt: "minder schwere Verstöße", bei denen Geldbußen zwischen 1 000 und 1 Million ECU in Betracht kommen, "schwere Verstöße", bei denen die Geldbußen zwischen 1 Million und 20 Millionen ECU liegen können, und "besonders schwere Verstöße", für die Geldbußen oberhalb von 20 Millionen ECU vorgesehen sind (Nr. 1 Teil A Absatz 2, erster bis dritter Gedankenstrich). Innerhalb dieser einzelnen Kategorien und insbesondere bei den als "schwer" und "besonders schwer" eingestuften Verstößen ermöglicht die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes (Nr. 1 Teil A Absatz 3).

435 Ferner ist nach den Leitlinien die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße zu berücksichtigen, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, und die Geldbuße ist auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. 1 Teil A Absatz 4).

436 Darüber hinaus kann der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über ausreichende Ressourcen an juristischem und wirtschaftlichem Sachverstand verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind (Nr. 1 Teil A Absatz 5).

437 Innerhalb der drei oben genannten Kategorien kann es in bestimmten Fällen angebracht sein, den festgesetzten Betrag zu gewichten, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren (Nr. 1 Teil A Absatz 6).

438 Bei der Berücksichtigung der Dauer eines Verstoßes ist nach den Leitlinien zu unterscheiden zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der anhand der Schwere ermittelte Betrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag um bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag für jedes Jahr des Verstoßes um bis zu 10 % erhöht werden kann (Nr. 1 Teil B Absatz 1, erster bis dritter Gedankenstrich).

439 Anschließend enthalten die Leitlinien eine Liste von Beispielen für erschwerende und mildernde Umstände, die zu einer Erhöhung oder Herabsetzung des Grundbetrags führen können, und nehmen dann auf die Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 1996 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) Bezug.

440 Als allgemeine Bemerkung wird hinzugefügt, dass der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf- oder Abschläge) gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen dürfe (Nr. 5 Buchstabe a). Ferner kann es den Leitlinien zufolge nach Durchführung der genannten Berechnungen je nach Fall angezeigt sein, im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der vorgesehenen Geldbußen einige objektive Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. einen besonderen wirtschaftlichen Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile und die besonderen Merkmale der betreffenden Unternehmen wie ihre tatsächliche Steuerkraft in einem gegebenen sozialen Umfeld (Nr. 5 Buchstabe b).

441 Folglich wird die Berechnung der Geldbußen auch nach der in den Leitlinien beschriebenen Methode anhand der beiden in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Kriterien - Schwere des Verstoßes und Dauer der Zuwiderhandlung - unter Beachtung der dort festgelegten Obergrenze in Bezug auf den Umsatz jedes Unternehmens vorgenommen.

442 Entgegen der Behauptung der Klägerinnen ist die Kommission bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen beruhen, oder für den Fall, dass gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz oder ihren Umsatz auf dem relevanten Produktmarkt zum Ausdruck kommen.

443 Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54; Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 33; vgl. auch Urteil Buchmann/Kommission, Randnr. 163).

444 Zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung können die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, sowie Größe und Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den es auf den Markt ausüben konnte. Daraus ergibt sich zum einen, dass bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes herangezogen werden darf, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, und der somit einen Anhaltspunkt für deren Ausmaß liefern kann. Zum anderen folgt daraus, dass weder der einen noch der anderen dieser Umsatzzahlen eine im Verhältnis zu den übrigen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf und dass die Festsetzung der Geldbußen nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 120 und 121; Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 94, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373, Randnr. 176).

445 Nach der Rechtsprechung ist die Kommission berechtigt, eine Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung zu berechnen, ohne die verschiedenen Umsatzzahlen der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen. So hat der Gemeinschaftsrichter eine Berechnungsmethode für zulässig erachtet, bei der die Kommission zunächst den Gesamtbetrag der festzusetzenden Geldbußen ermittelt und ihn dann auf die betroffenen Unternehmen aufteilt, wobei sie auf deren Aktivitäten in der fraglichen Branche (Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 48 bis 53) oder auf den Umfang ihrer Beteiligung, ihre Rolle im Kartell und ihre jeweilige Bedeutung auf dem Markt, berechnet anhand des durchschnittlichen Marktanteils in einem Referenzzeitraum, abstellt.

446 Folglich ist die Kommission, als sie in ihren Leitlinien eine Methode zur Berechnung der Geldbußen darlegte, die nicht auf dem Umsatz der betroffenen Unternehmen beruht, nicht von der Auslegung des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 durch die Rechtsprechung abgewichen.

447 Auch wenn die Leitlinien nicht vorsehen, dass die Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des Umsatzes auf dem relevanten Produktmarkt der betroffenen Unternehmen berechnet werden, schließen sie nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern.

448 Bei der Anwendung der Leitlinien kann der Umsatz der betroffenen Unternehmen eine Rolle spielen, wenn die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schädigen, und das Erfordernis zu berücksichtigen sind, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, oder wenn der Tatsache Rechnung zu tragen ist, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über ausreichende Ressourcen an juristischem und wirtschaftlichem Sachverstand verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind (siehe oben, Randnr. 436). Der Umsatz der betroffenen Unternehmen kann auch bei der Ermittlung des jeweiligen Gewichts und damit der tatsächlichen Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb eine Rolle spielen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von ganz unterschiedlicher Größe beteiligt waren (siehe oben, Randnr. 437). Ferner kann der Umsatz der Unternehmen einen Anhaltspunkt für die eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile oder andere besondere Merkmale der Beteiligten an dem Verstoß geben, die je nach den Umständen zu berücksichtigen sind (siehe oben, Randnr. 440).

449 Zudem kann nach den Leitlinien der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise gegebenenfalls dazu führen, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, ohne dass dieser Abstufung eine arithmetische Formel zugrunde liegt (Nr. 1 Teil A Absatz 7).

450 Entgegen der Behauptung der Klägerinnen gehen die Leitlinien nicht über das in der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Maß hinaus. Die Klägerinnen machen geltend, die Leitlinien erlaubten es der Kommission, anhand der Schwere der Zuwiderhandlung einen so hohen Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbuße festzusetzen, dass sich im Hinblick darauf, dass die Geldbuße nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keinesfalls die Obergrenze von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigen dürfe, andere Faktoren wie die Dauer der Zuwiderhandlung oder mildernde oder erschwerende Umstände bisweilen nicht mehr auf die Höhe der Geldbuße auswirken könnten.

451 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der vorsieht, dass die Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen kann, ist die Geldbuße, die letztlich gegen ein Unternehmen festgesetzt wird, herabzusetzen, falls sie 10 % von dessen Umsatz übersteigt, unabhängig von Zwischenberechnungen, mit denen Dauer und Schwere der Zuwiderhandlung Rechnung getragen werden soll.

452 Folglich verbietet Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht, bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzuziehen, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigt, sofern die gegen dieses Unternehmen letztlich festgesetzte Geldbuße nicht über dieser Obergrenze liegt.

453 In einem solchen Fall kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sich bestimmte bei ihrer Berechnung berücksichtigte Faktoren nicht auf den Endbetrag der Geldbuße auswirkten, da dies die Folge des in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 aufgestellten Verbotes der Überschreitung von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens ist.

454 Schließlich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen das durch die Verordnung Nr. 17 eingeräumte Ermessen auch nicht dadurch überschritten, dass sie in ihren Leitlinien die Möglichkeit vorgesehen hat, als erschwerenden Umstand das Erfordernis zu berücksichtigen, die Geldbuße zu erhöhen, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, sofern dieser Betrag objektiv ermittelt werden kann (Nr. 2, fünfter Gedankenstrich).

455 Der Gewinn, den die Unternehmen aus ihrem Verhalten ziehen konnten, gehört nämlich zu den Faktoren, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle spielen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 129; Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 127).

456 Die Abschreckungswirkung der Geldbußen würde verringert, wenn Unternehmen, die eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht begangen haben, damit rechnen könnten, dass ihr Verhalten mit einer Geldbuße belegt wird, die unter dem aufgrund dieses Verhaltens zu erwartenden Gewinn liegt. Soweit die Kommission in der Lage ist, die Höhe dieses rechtswidrigen Gewinns zu schätzen, hat sie daher die Möglichkeit, die Geldbußen so hoch anzusetzen, dass sie einen solchen Gewinn übersteigen.

457 Nach der Rechtsprechung darf die Kommission im Übrigen das Niveau von Geldbußen anheben, um ihre abschreckende Wirkung zu verstärken, wenn die in Frage stehenden Praktiken wegen des Gewinns, den betroffene Unternehmen daraus ziehen können, immer noch verhältnismäßig häufig sind, obwohl ihre Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 108, Solvay/Kommission, Randnr. 309, und Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127).

458 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission bei der Ausarbeitung ihrer Leitlinien die Grenzen des ihr nach der Verordnung Nr. 17 zustehenden Ermessens nicht überschritten hat.

459 Somit greift der auf die Unzuständigkeit der Kommission gestützte Teil der Einrede der Rechtswidrigkeit nicht durch.

3. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

Vorbringen der Parteien

460 Die Klägerinnen machen geltend, dass die Leitlinien, selbst wenn sie als rechtmäßige Ermessensausübung der Kommission anzusehen sein sollten, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstießen. Die zu ermittelnde Geldbuße sei hinsichtlich des Prozentsatzes vom Umsatz der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen gleich, der effektive Betrag wegen der unterschiedlichen Höhe ihres Umsatzes entsprechend ihrer Wirtschaftskraft verschieden. Die Leitlinien, die von einem Grundbetrag ausgingen, der unabhängig vom Umsatz und damit der Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens festgelegt werde, führten aber zu einer Benachteiligung von Unternehmen mit geringen oder mittleren Umsätzen gegenüber wirtschaftlich starken Unternehmen.

461 Diese Kritik richte sich gegen die Leitlinien und nicht gegen die Entscheidung. Der methodische Ansatz der Leitlinien führe letztlich dazu, dass kleinere und mittlere Unternehmen bei weniger schwerwiegenden Verstößen von geringer Dauer die höchstmögliche Geldbuße von 10 % ihres Gesamtumsatzes erhalten könnten, während Großunternehmen für schwerere Verstöße von längerer Dauer nur eine Geldbuße von 6 % oder 7 % ihres Gesamtumsatzes erhielten. Der Ansatz führe ferner dazu, dass mildernde oder erschwerende Umstände keine Berücksichtigung mehr finden könnten, wenn schon der Grundbetrag über der Grenze von 10 % des Umsatzes liege.

462 Die Beklagte trägt vor, die Klägerinnen wendeten sich mit ihrer Kritik in Wirklichkeit gegen die Entscheidung und nicht gegen die Leitlinien. Es sei nämlich nicht ersichtlich, wie die von den Klägerinnen angeführten Folgen direkt aus den Leitlinien abgeleitet werden könnten, denn diese hätten die Methode zur Berechnung der Geldbußen und nicht deren allgemeines Niveau oder gar deren Höhe im Einzelfall zum Gegenstand.

463 Die Leitlinien erlaubten es der Kommission jedenfalls, alle einschlägigen Faktoren im Rahmen des ihr bei der Berechnung der Geldbußen zustehenden weiten Ermessens gebührend zu berücksichtigen. Sie sei dabei keineswegs verpflichtet, dem Umsatz der betroffenen Unternehmen die Bedeutung beizumessen, die die Klägerinnen ihm beilegen wollten.

Würdigung durch das Gericht

464 Der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ist dahin zu verstehen, dass die Leitlinien insofern zu einer Ungleichbehandlung führten, als Unternehmen mit kleinen oder mittleren Umsätzen mit Geldbußen belegt werden könnten, die einem höheren Prozentsatz ihres Umsatzes entsprächen als die Geldbußen von Unternehmen mit größerem Umsatz.

465 In Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt es: "Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen."

466 Zudem darf die Kommission nach der Rechtsprechung bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl den Gesamtumsatz des Unternehmens als auch den Teil dieses Umsatzes heranziehen, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, doch darf weder der einen noch der anderen dieser Umsatzzahlen eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden (vgl. die oben in Randnr. 444 genannte Rechtsprechung). Ferner ist nach ständiger Rechtsprechung die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. die oben in Randnr. 443 genannte Rechtsprechung).

467 Folglich braucht die Kommission die Geldbußen nicht in allen Fällen anhand des Umsatzes der betroffenen Unternehmen zu berechnen. Sie ist daher auch nicht verpflichtet, bei der Festsetzung von Geldbußen gegen Unternehmen, die an derselben Zuwiderhandlung beteiligt waren, eine Geldbuße zu verhängen, deren Höhe bei allen Unternehmen dem gleichen Prozentsatz ihres Umsatzes entspricht.

468 Die von den Klägerinnen erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit ist daher zurückzuweisen, soweit sie sich darauf stützt, dass die Leitlinien wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung rechtswidrig seien.

469 Soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, im vorliegenden Fall eine so hohe Geldbuße festgesetzt zu haben, dass sie gegenüber anderen Teilnehmern an derselben Zuwiderhandlung benachteiligt würden, handelt es sich nicht um ein Argument, das die Rechtmäßigkeit der Leitlinien in Frage stellen kann. Auf dieses Argument ist daher bei der Prüfung des Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße einzugehen.

4. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

470 Die Klägerinnen tragen vor, selbst wenn die Leitlinien als rechtmäßige Ausübung des Ermessens der Kommission eingestuft werden sollten, verstießen sie gegen grundlegende Verteidigungsrechte.

471 Die Tatsache, dass in den Leitlinien als erschwerender Umstand bei der Festsetzung der Geldbuße die "Verweigerung der Zusammenarbeit" und "Behinderungsversuche während des Untersuchungsverlaufs" angeführt würden, stelle einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte dar. Das Recht zur Verteidigung in einem Verfahren, das zu einer Entscheidung über die Festsetzung von Geldbußen nach der Verordnung Nr. 17 führe, sei ein Grundrecht und ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, der durch die Einstufung einer "Verweigerung der Zusammenarbeit" als erschwerender Umstand schwer beeinträchtigt werde. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Kommission gegen Rechtsvertreter der Klägerinnen bei den zuständigen Rechtsanwaltskammern Beschwerden eingelegt habe, weil sie die Rechte ihrer Mandanten gewahrt und sich an die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht gehalten hätten. Die gleichen Erwägungen gälten für den Fall, dass unter "Behinderungsversuchen während des Untersuchungsverlaufs" auch das Bestreiten von Tatsachen und das Nichtaufdecken vertraulicher Treuhandverhältnisse verstanden werde, wie es die Kommission tue.

472 Während in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unstreitig als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt sei, dass ein Geständnis oder eine Kooperation mildernde Umstände sein könnten, wirke sich hartnäckiges Leugnen oder die Ausübung der Verteidigungsrechte - nichts anderes sei mangelnde Zusammenarbeit - niemals strafverschärfend oder geldbußenerhöhend aus.

473 Die Beklagte meint, dass die Begriffe "Verweigerung der Zusammenarbeit" und "Behinderungsversuche" als erschwerende Umstände auslegungsfähig seien und daher in Einklang mit den Verteidigungsrechten angewandt werden könnten und müssten. Ob sie diese Rechte respektiert habe, sei eine Frage des Einzelfalls.

Würdigung durch das Gericht

474 Nach den Leitlinien kommt eine Erhöhung des Grundbetrags bei gewissen erschwerenden Umständen wie z. B. "Verweigerung der Zusammenarbeit oder sogar Behinderungsversuche während des Untersuchungsverlaufs" in Betracht (Nr. 2, zweiter Gedankenstrich).

475 Da Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keine abschließende Aufzählung der Kriterien enthält, die die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße heranziehen kann, kann das Verhalten des Unternehmens im Verwaltungsverfahren zu den Gesichtspunkten gehören, die bei dieser Festsetzung zu berücksichtigen sind (Urteile des Gerichtshofes vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87, Sandoz prodotti farmaceutici/Kommission, Slg. 1990, I-45, abgekürzte Veröffentlichung, und vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-298/98 P, Finnboard/Kommission, Slg. 2000, I-10157, Randnr. 56).

476 Entgegen der Behauptung der Klägerinnen kann der bloße Umstand, dass eine Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Kommission dazu führen könnte, dass eine höhere Geldbuße als im Fall der Zusammenarbeit festgesetzt wird, als solcher nicht als Hindernis für die Ausübung der Verteidigungsrechte angesehen werden.

477 Hierzu ist entschieden worden, dass es nicht schon als Ausübung von Druck auf ein von einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung betroffenes Unternehmen angesehen werden kann, wenn die Kommission das Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens darauf hinweist, dass im Fall der Anerkennung der wesentlichen oder aller Tatsachenbehauptungen der Kommission die zu verhängende Geldbuße herabgesetzt werden könnte, wobei der Umfang dieser Herabsetzung nicht angegeben wird, und dass die Kommission dadurch nicht gegen den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstößt, wonach die Verteidigungsrechte gewahrt werden müssen (Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, Randnrn. 313 und 314).

478 Auch gemäß den Leitlinien muss ein Unternehmen, das sich gegen den Standpunkt der Kommission wendet und nur in dem nach der Verordnung Nr. 17 vorgeschriebenen Umfang kooperiert, aus diesem Grund nicht mit einer höheren Geldbuße rechnen. Glaubt die Kommission, eine diesem Unternehmen zuzurechnende Zuwiderhandlung nachgewiesen zu haben, so belegt sie es anhand der Kriterien, zu deren Heranziehung sie berechtigt ist und die der Nachprüfung durch das Gericht oder den Gerichtshof unterliegen, mit einer Sanktion (Urteil Finnboard/Kommission, Randnr. 58). Nach den Leitlinien zieht die Kommission eine Erhöhung der Geldbuße nur bei Verweigerung der Zusammenarbeit oder sogar Behinderungsversuchen während des Untersuchungsverlaufs in Betracht. Die bloße Ausübung der Verteidigungsrechte kann aber keine Verweigerung der Zusammenarbeit im Sinne von Nummer 2, zweiter Gedankenstrich, der Leitlinien darstellen.

479 Zudem kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie Leitlinien für die Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen aufstellt, um die Gleichbehandlung der betroffenen Unternehmen besser zu gewährleisten (Urteil Finnboard/Kommission, Randnr. 57).

480 Soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, die Verteidigungsrechte bei der Anwendung der Begriffe "Verweigerung der Zusammenarbeit" und "Behinderungsversuche" auf sie verletzt zu haben, genügt der Hinweis, dass es sich nicht um ein Argument handelt, das die Rechtmäßigkeit der Leitlinien in Frage stellen kann. Auf dieses Argument ist daher bei der Prüfung des Klagegrundes der Verletzung grundlegender Verteidigungsrechte bei der Beurteilung der erschwerenden Umstände einzugehen.

481 Die von den Klägerinnen erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit ist daher zurückzuweisen, soweit sie die angebliche Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte betrifft.

5. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der Leitlinien aufgrund einer Verletzung des Rückwirkungsverbots

Vorbringen der Parteien

482 Die Klägerinnen führen aus, die Leitlinien verstießen dadurch, dass sie auf Sachverhalte vor ihrer Veröffentlichung am 14. Januar 1998 anzuwenden seien, gegen den allgemeinen Grundsatz des Rückwirkungsverbots strafrechtlicher Bestimmungen. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz sei in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu sehen. Das Verbot der Rückwirkung strafrechtlicher Bestimmungen ergebe sich auch aus Artikel 7 EMRK und dem dort normierten Gesetzlichkeitsprinzip. Die Geldbußen nach der Verordnung Nr. 17 seien als Strafen im Sinne von Artikel 6 EMRK zu werten.

483 Die Leitlinien stellten in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Rechtsgrundlage der Entscheidung dar. Die Kommission sei zwar grundsätzlich berechtigt, das allgemeine Geldbußenniveau gegenüber der früheren Praxis anzuheben, wenn sie dies für erforderlich halte, um die abschreckende Wirkung von Geldbußen zu verstärken. Im Fall der Leitlinien handele es sich aber nicht um eine allgemeine Anhebung des Geldbußenniveaus, sondern um eine grundlegend andere Ermittlung der Geldbuße unter Einbeziehung von Umständen und Elementen, die sich weder aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 noch aus den von den Gemeinschaftsgerichten insoweit anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen ausschließlich ableiten ließen.

484 Sollte die Einrede der Rechtswidrigkeit bezüglich der Leitlinien nicht durchgreifen, weil sie keine Verordnung im Sinne von Artikel 184 EG-Vertrag seien, so werde ein Verstoß gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Rückwirkungsverbots als materieller Anfechtungsgrund gegen die Entscheidung geltend gemacht.

485 Die Beklagte trägt vor, die Leitlinien hätten die Rechtsgrundlage für die Verhängung von Geldbußen, Artikel 15 der Verordnung Nr. 17, nicht geändert. Die Leitlinien selbst bildeten weder für Sanktionen noch für deren Verschärfung eine Rechtsgrundlage. Die im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen hätten auch ohne die Leitlinien allein auf der Grundlage der Verordnung Nr. 17 in derselben Höhe und aufgrund derselben Erwägungen festgesetzt werden können.

486 Entgegen der Ansicht der Klägerinnen würden durch die Leitlinien keine von Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 abweichenden Kriterien eingeführt. Das Argument, ihre Anwendung stelle eine Abkehr von der Rechtsprechung oder der bisherigen Verwaltungspraxis dar, sei nicht stichhaltig.

Würdigung durch das Gericht

487 Artikel 7 Absatz 1 EMRK lautet: "Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden."

488 Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (vgl. u. a. Gutachten 2/94 des Gerichtshofes vom 28. März 1996, Slg. 1996, I-1759, Randnr. 33, und Urteil des Gerichtshofes vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-299/95, Kremzow, Slg. 1997, I-2629, Randnr. 14). Dabei lässt er sich von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. In diesem Rahmen kommt der EMRK besondere Bedeutung zu (Urteil Kremzow, Randnr. 14). Im Übrigen heißt es in Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union (nach Änderung jetzt Artikel 6 Absatz 2 EU): "Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben."

489 Das in Artikel 7 EMRK als Grundrecht verankerte Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften ist ein allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz und gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 63/83, Kirk, Slg. 1984, 2689, Randnr. 22).

490 Zwar sind nach Artikel 15 Absatz 4 der Verordnung Nr. 17 Entscheidungen der Kommission, mit denen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht Geldbußen festgesetzt werden, nicht strafrechtlicher Art (Urteil Tetra Pak/Kommission, Randnr. 235); gleichwohl muss die Kommission in jedem Verwaltungsverfahren, das in Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages zu Sanktionen führen kann, die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere das Rückwirkungsverbot beachten (vgl. analog dazu Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 7).

491 Wie oben in den Randnummern 432 bis 441 ausgeführt wurde, hat die Kommission, als sie in ihren Leitlinien ankündigte, welche Methode sie bei der Berechnung von Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 anwenden will, das ihr durch den Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Folglich wurden durch den Erlass der Leitlinien keine neuen Rechtsvorschriften geschaffen, die unter das Rückwirkungsverbot fallen könnten.

492 Die Einführung einer neuen Berechnungsmethode durch die Kommission kann, auch wenn sie in einigen Fällen zu höheren Geldbußen führen mag, ohne jedoch die in der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze zu überschreiten, angesichts des der Kommission in dieser Verordnung eingeräumten Ermessens nicht als eine gegen das Gebot rechtmäßigen Handelns und den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßende rückwirkende Änderung des rechtlichen Rahmens für die Verhängung von Geldbußen angesehen werden.

493 Das Vorbringen, die Berechnung der Geldbußen anhand der in den Leitlinien beschriebenen Methode, insbesondere ausgehend von einem Betrag, der sich grundsätzlich nach der Schwere des Verstoßes richte, könne die Kommission dazu veranlassen, höhere Geldbußen als nach ihrer früheren Praxis zu verhängen, ist insoweit unerheblich. Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen im Rahmen der Verordnung Nr. 17 über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59, vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 53, und Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127).

494 Ferner geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn sich dies als erforderlich erweist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109, Urteil Solvay/Kommission, Randnr. 309, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-304/94, Europa Carton/Kommission, Slg. 1998, II-869, Randnr. 89). Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109).

495 Der auf eine Verletzung des Rückwirkungsverbots gestützte Teil der Einrede der Rechtswidrigkeit ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

496 Folglich ist die gesamte gegen die Leitlinien erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen.

D - Vierter Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler bei der Festsetzung der Geldbuße

1. Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

Vorbringen der Parteien

497 Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, da nach ihren Angaben nur gegen die Gruppe Henss/Isoplus eine Geldbuße verhängt worden sei, die 10 % des Umsatzes des Vorjahrs erreiche, während gegen alle anderen Unternehmen gemessen an ihrem letzten bekannten Jahresumsatz prozentual geringere Geldbußen verhängt worden seien, auch gegen ABB und Løgstør, die nach Ansicht der Kommission eine führende Rolle gespielt hätten.

498 Gegen Pan-Isovit und Tarco seien trotz geringfügig höherer Umsatzzahlen im Jahr 1995 deutlich niedrigere Geldbußen verhängt worden als gegen die Gruppe Henss/Isoplus, obwohl sie während des europaweiten Kartells einen gleich hohen oder geringfügig höheren Marktanteil als die Gruppe Henss/Isoplus gehabt hätten, die Existenz eines europaweiten Kartells und ihre Teilnahme daran vor 1994 bestritten hätten und Tarco lediglich die Teilnahme am dänischen Kartell von 1990 bis 1993 zugegeben habe.

499 Außerdem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor, weil bei den Henss/Isoplus-Unternehmen der Gesamtumsatz als Bemessungsgrundlage für die Geldbuße herangezogen worden sei, während bei Pan-Isovit und Tarco die Umsätze der Holding-Unternehmen nicht berücksichtigt worden seien, so dass die Bemessungsgrundlage ihrer Geldbuße niedriger gewesen sei als bei den Klägerinnen. Gleichwohl ergebe sich aus dem vorliegenden Verfahren und den einschlägigen Unterlagen, dass sowohl die Muttergesellschaft von Pan-Isovit im maßgeblichen Zeitraum, der schweizerische Industriekonzern WMH - Walter Meier Holding AG, als auch die Holding-Gesellschaft von Tarco, der dänische Industriekonzern Tarco A/S, als Leitungsunternehmen von den rechtswidrigen Kartellabsprachen gewusst hätten und auch eingeschaltet gewesen seien.

500 Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Kommission, obwohl Pan-Isovit von Løgstør übernommen worden sei, nicht gegen diesen Rechtsnachfolger vorgegangen sei, wie sie es im Fall der HFB KG und der HFB GmbH getan habe, die rechtlich erst 1997 existent geworden seien.

501 Die Beklagte führt aus, sie sei nicht verpflichtet, alle Schritte der Bußgeldberechnung unter Heranziehung des Gesamtumsatzes als Indikator der Wirtschaftskraft der Unternehmen durchzuführen. Da der Gesamtumsatz jedenfalls für sich genommen kein geeigneter Maßstab zur Ermittlung der Geldbußen sei, lasse sich eine Ungleichbehandlung nicht aus einem bloßen Vergleich der Geldbußen als Prozentsatz des Gesamtumsatzes jedes Unternehmens ableiten. Der Ausgangsbetrag spiegele die Schwere der Zuwiderhandlung, d. h. die Auswirkungen des gesamten Kartells auf den Wettbewerb und die Besonderheiten jedes Teilnehmers, für jedes Unternehmen angemessen wider. Die Kommission habe alle einschlägigen Faktoren gebührend berücksichtigt und gleichmäßig auf alle Unternehmen angewandt.

502 Im Übrigen hätten die Klägerinnen die Erwägungen bezüglich der gegen ABB und Løgstør verhängten Geldbußen nicht beanstandet. Tarco und Pan-Isovit hätten für die Zeit vor 1994 nicht den ihnen von der Kommission vorgeworfenen Sachverhalt bestritten, sondern nur dessen rechtliche Würdigung; dies stehe einer Ermäßigung unter dem Gesichtspunkt der Zusammenarbeit nicht entgegen. Von einer Diskriminierung im Verhältnis zu Pan-Isovit könne keine Rede sein, da dieses Unternehmen durch eine Ermäßigung der Geldbuße habe belohnt werden können, weil es nicht wie die Unternehmen der Gruppe Henss/Isoplus versucht habe, die Kommission in einem wesentlichen Punkt zu täuschen. Außerdem könnten sich die Klägerinnen, selbst wenn die Geldbuße gegen das eine oder andere Unternehmen zu niedrig festgesetzt worden wäre, darauf nicht berufen.

503 Ferner müsse die Tatsache, dass andere Teilnehmer des Kartells von Holdinggesellschaften kontrolliert würden oder dass ihr Mehrheitsgesellschafter gewechselt habe, nicht zu einer Ermäßigung der Geldbuße führen. Der Umstand, dass auch Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus, die Holdingfunktionen ausübten, in den Kreis der Schuldner der Geldbuße einbezogen worden seien, habe nicht zur Erhöhung dieser Buße geführt. Die Klägerinnen hätten auch ihre Behauptung nicht belegt, dass Holdinggesellschaften, die andere Kartellteilnehmer kontrollierten, selbst an diesem Kartell beteiligt gewesen seien.

504 Die Tatsache, dass die Kommission Løgstør nicht zum Gesamtschuldner der Geldbuße von Pan-Isovit gemacht habe, obwohl Løgstør dieses Unternehmen nach den Untersuchungen erworben habe, bedeute keine Diskriminierung der HFB KG; soweit die HFB KG Anteile an Henss/Isoplus-Gesellschaften erworben habe, habe dies nämlich nur die Umstrukturierung des Konzerns dargestellt, der stets das Interesse von Herrn Henss und seinen Geschäftspartnern verkörpert habe.

Würdigung durch das Gericht

505 Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681, Randnr. 25; Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 309).

506 Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, da sie ihnen eine Geldbuße auferlegt habe, mit der sie, gemessen am Prozentsatz des Umsatzes, gegenüber ABB, Løgstør, Pan-Isovit und Tarco, unter Berücksichtigung der Marktanteile und der Kooperation während des Verwaltungsverfahrens sowie im Hinblick auf den bei der Berechnung herangezogenen Umsatz gegenüber Pan-Isovit und Tarco und im Hinblick darauf, dass gegen den Rechtsnachfolger von Pan-Isovit keine Geldbuße festgesetzt worden sei, dieser gegenüber benachteiligt würden.

507 Im vorliegenden Fall handelt es sich nach Ansicht der Kommission um eine sehr schwere Zuwiderhandlung, für die normalerweise eine Geldbuße von 20 Millionen ECU zu verhängen wäre (Randnr. 165 der Entscheidung).

508 Um der unterschiedlichen Größe der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen Rechnung zu tragen, hat die Kommission sie nach ihrer Bedeutung auf dem Markt der Gemeinschaft in vier Kategorien eingeteilt und Anpassungen vorgenommen, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten (Randnr. 166 Absätze 2 bis 4 der Entscheidung). Aus den Randnummern 168 bis 183 der Entscheidung geht hervor, dass bei den vier Kategorien je nach ihrer Bedeutung Ausgangspunkte von 20 Millionen, 10 Millionen, 5 Millionen und 1 Million ECU für die Berechnung der Geldbußen gewählt wurden.

509 Zur Ermittlung der Ausgangspunkte für jede dieser Kategorien hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts erläutert, diese Beträge spiegelten die Bedeutung jedes Unternehmens im Fernwärmesektor unter Berücksichtigung seiner Größe und seines Gewichts im Verhältnis zu ABB und im Kontext des Kartells wider. Dabei habe sie nicht nur den Umsatz der Unternehmen auf dem fraglichen Markt, sondern auch die relative Bedeutung berücksichtigt, die die Mitglieder des Kartells ausweislich der nach Anhang 60 der Mitteilung der Beschwerdepunkte innerhalb des Kartells vereinbarten Quoten und der nach den Anhängen 169 bis 171 der Mitteilung der Beschwerdepunkte für 1995 geplanten und erzielten Ergebnisse jedem von ihnen beimäßen.

510 Zudem hat die Kommission bei jedem Unternehmen die Dauer seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung, etwaige erschwerende und mildernde Umstände und - gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit - seine Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren berücksichtigt.

511 In diesem Zusammenhang kann, erstens, der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass die den Klägerinnen letztlich auferlegte Geldbuße einen höheren Prozentsatz ihres Gesamtumsatzes darstellt als die Geldbußen von ABB, Løgstør, Pan-Isovit oder Tarco. Wie oben in den Randnummern 442 bis 446 ausgeführt wurde, ist die Kommission, wenn sie die Höhe von Geldbußen ermittelt, die wegen einer Zuwiderhandlung festzusetzen sind, an der mehrere Unternehmen beteiligt waren, nicht verpflichtet, Geldbußen festzusetzen, deren Höhe bei allen Unternehmen dem gleichen Prozentsatz ihres Umsatzes entspricht.

512 Soweit sich die Kommission im vorliegenden Fall bei der Bemessung der Geldbußen auf den Umsatz eines Unternehmens auf dem betreffenden Markt gestützt hat, hat das Gericht im Übrigen bereits entschieden, dass sie nicht verpflichtet ist, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung das Verhältnis zwischen dem Gesamtumsatz eines Unternehmens und dem Umsatz bei den Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, zu berücksichtigen (Urteil vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, Randnr. 184). In der vorliegenden Situation, in der sich die Kommission entschieden hat, bei der Beurteilung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung und insbesondere bei der Festlegung der Ausgangspunkte für die Berechnung der Geldbußen eine Reihe relevanter Faktoren zu berücksichtigen, ist sie daher erst recht nicht verpflichtet, den Betrag der Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen zu ermitteln.

513 Das Gleiche gilt, zweitens, für das Argument, die gegen die Klägerinnen festgesetzte Geldbuße benachteilige sie unter Berücksichtigung der Marktanteile gegenüber Pan-Isovit und Tarco. Angesichts der den Klägerinnen zugeteilten Quote und der nach den Anhängen 60 und 169 bis 171 der Mitteilung der Beschwerdepunkte angestrebten Ergebnisse war die Kommission berechtigt, den Klägerinnen bei der Festlegung der Ausgangspunkte für die Berechnung der Geldbußen keine geringere Marktbedeutung zuzumessen als Pan-Isovit und Tarco.

514 Soweit die Klägerinnen eine Benachteiligung bei der Höhe ihrer Geldbuße aus dem Umfang der Zusammenarbeit von Pan-Isovit und Tarco ableiten, ist festzustellen, dass die Herabsetzung der Geldbuße von Tarco um 30 % und der Geldbuße von Pan-Isovit um 20 % deshalb gerechtfertigt ist, weil die Kommission bei diesen Unternehmen wegen ihres Verhaltens im Verwaltungsverfahren Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit angewandt hat. Zudem wirft ihnen die Kommission im Gegensatz zu den Klägerinnen nicht vor, sie in einem wesentlichen Punkt getäuscht zu haben.

515 Im Übrigen muss nach der Rechtsprechung, selbst wenn man unterstellt, dass die Kommission die Geldbußen bestimmter Unternehmen in rechtswidriger Weise herabgesetzt hätte, die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, Randnr. 160, und Mayr-Melnhof/Kommission, Randnr. 334).

516 Dem Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe sich in ihrem Fall, anders als bei Pan-Isovit und Tarco, auf den Gesamtumsatz gestützt, ist entgegenzuhalten, dass die Kommission bei ihrer Berechnung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzten Geldbuße nicht den Gesamtumsatz aller zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften herangezogen hat. Die Kommission hat offenbar einen Umsatz von etwa 49 500 000 ECU zugrunde gelegt, als sie gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Obergrenze von 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festlegte, denn nach Randnummer 180 der Entscheidung beträgt der daraus resultierende Endbetrag der Geldbuße 4 950 000 ECU. Es ist unstreitig, dass die Kommission dabei einen Umsatz heranzog, der aus der Addition des in ECU umgerechneten Umsatzes von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen für 1997 nach Abzug ihres untereinander erzielten Umsatzes bestand. Da sich die Kommission folglich nicht auf einen Betrag stützte, der den Umsatz einer Holdinggesellschaft dieser drei Unternehmen umfasste, können die Klägerinnen nicht geltend machen, insoweit gegenüber Pan-Isovit oder Tarco benachteiligt worden zu sein.

517 Soweit, drittens, die Klägerinnen schließlich vortragen, die Kommission habe Løgstør als Rechtsnachfolger von Pan-Isovit nicht in Anspruch genommen, während sie dies im Fall der HFB KG und der HFB GmbH getan habe, genügt der Hinweis, dass die Kommission aus den oben in den Randnummern 101 bis 107 genannten Gründen einen Rechtsfehler begangen hat, als sie die HFB KG und die HFB GmbH für die Geldbuße wegen der Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an der Zuwiderhandlung haftbar machte. Da die Entscheidung somit für nichtig zu erklären ist, soweit sie diese beiden Gesellschaften betrifft, braucht der Klagegrund eines insoweit begangenen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht mehr geprüft zu werden.

518 Folglich ist der Klagegrund zurückzuweisen.

2. Zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 in Bezug auf die gesamtschuldnerische Haftung der fünf Klägerinnen

Vorbringen der Parteien

519 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe zu Unrecht eine Geldbuße gegen sie als Gesamtschuldner festgesetzt. Nehme man nicht an, dass es sich bei der Gruppe Henss/Isoplus um einen Konzern, Quasi-Konzern oder "De-facto-Konzern" handele, so sei individuell gegen jede einzelne Klägerin eine Geldbuße zu verhängen. Ihre Situation sei mit der in der Rechtssache Metsä-Serla u. a./Kommission nicht vergleichbar, in der die klagenden Gesellschaften für das wettbewerbswidrige Handeln der Unternehmensvereinigung Finnboard verantwortlich gewesen seien, so dass bei jeder von ihnen ein vorsätzlicher Verstoß gegen Artikel 85 EG-Vertrag habe festgestellt werden können.

520 Aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ergebe sich, dass bei der Inanspruchnahme mehrerer Unternehmen für Geldbußen auch für die gesamtschuldnerische Haftung jedes mithaftenden Unternehmens die Obergrenze von 10 % des Umsatzes im letzten Geschäftsjahr gelte. Im vorliegenden Fall sei den Klägerinnen als Gesamtschuldnern die Zahlung eines Betrages auferlegt worden, der bei jeder von ihnen die 10%-Grenze ihres Umsatzes übersteige. Wenn daher nur eine von ihnen insolvent werde, bedeute dies zwangsläufig, dass die anderen Unternehmen eine höhere Geldbuße als 10 % ihres Umsatzes zahlen müssten, was der Intention und dem Wortlaut von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 widerspreche. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass in der Rechtssache Metsä-Serla u. a./Kommission der Betrag der gesamtschuldnerischen Haftung individuell in unterschiedlicher Höhe für jede Klägerin festgelegt worden sei, so dass bei jeder einzelnen die Obergrenze eingehalten worden sei.

521 Die Beklagte trägt vor, die vier Henss/Isoplus-Gesellschaften seien für die Zwecke von Artikel 15 der Verordnung Nr.17 als einheitliches Unternehmen zu behandeln gewesen, da sie während des Zeitraums der Zuwiderhandlung unter einheitlicher Leitung daran teilgenommen hätten, ohne dass nach dem Grad ihrer Beteiligung unterschieden werden könnte. Die Kommission sei daher berechtigt gewesen, die in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Hoechstgrenze auf die kumulierten Umsätze aller drei zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung verbliebenen Betriebsgesellschaften anzuwenden und ihnen die Geldbuße gesamtschuldnerisch aufzuerlegen. Die Haftung der HFB KG und der HFB GmbH leite sich aus derjenigen der Betriebsgesellschaften ab; sie hätten daher als Teil desselben Unternehmens in den Kreis der Gesamtschuldner einbezogen werden können.

Würdigung durch das Gericht

522 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, sie als Gesamtschuldner für die von der Gruppe Henss/Isoplus begangene Zuwiderhandlung haftbar gemacht zu haben.

523 Da die Entscheidung, wie bereits ausgeführt, insofern einen Rechtsfehler enthält, als die HFB KG und die HFB GmbH als Gesamtschuldner für die gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzte Geldbuße haftbar gemacht wurden (siehe oben, Randnrn. 101 bis 108), braucht der vorliegende Klagegrund nicht mehr geprüft zu werden, soweit er diese beiden Gesellschaften betrifft.

524 In Bezug auf Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen wurde oben in den Randnummern 54 bis 68 festgestellt, dass die Handlungen der Gesellschaften Henss Berlin und Henss Rosenheim (jetzt Isoplus Rosenheim) sowie der Gesellschaften Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen im Rahmen des Kartells als das Verhalten einer einzigen wirtschaftlichen Einheit unter einheitlicher Kontrolle anzusehen sind, die dauerhaft einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, der den verschiedenen zu ihr gehörenden Gesellschaften gemeinsam ist.

525 Da Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in Bezug auf ihre Handlungen im Rahmen des Kartells als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln sind, sind sie gemeinschaftlich für das ihnen vorgeworfene Verhalten verantwortlich (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto chemioterapico und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 41).

526 Die gesamtschuldnerische Haftung dieser Gesellschaften ist im vorliegenden Fall umso mehr gerechtfertigt, als es zur Zeit der Zuwiderhandlung keine juristische Person an der Spitze aller Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus gab, der als Verantwortlicher für die Tätigkeit der Gruppe die Zuwiderhandlung hätte zugerechnet werden können. Wie das Gericht entschieden hat, ist die Kommission in einer Situation, in der es wegen der familienorientierten Zusammensetzung des Konzerns und der Streuung des Aktienbesitzes unmöglich oder überaus schwierig ist, die juristische Person zu ermitteln, der an der Spitze des Konzerns als Verantwortlicher für die Koordinierung von dessen Tätigkeit die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Konzerngesellschaften hätten zugerechnet werden können, berechtigt, die Tochtergesellschaften gemeinsam für sämtliche Handlungen des Konzerns haftbar zu machen, um zu verhindern, dass aufgrund der formellen Trennung dieser Gesellschaften, die sich aus ihrer gesonderten Rechtspersönlichkeit ergibt, ihr Verhalten auf dem Markt bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht als Einheit angesehen werden könnte. Es liegt auf der Hand, dass diese Erwägungen, die eine Situation betreffen, in der es unmöglich oder überaus schwierig war, die juristische Person zu ermitteln, der an der Spitze eines Konzerns die Zuwiderhandlungen der verschiedenen Konzerngesellschaften hätten zugerechnet werden können, erst recht für den Fall gelten, dass es keine solche juristische Person gibt.

527 Ferner ist nach der Rechtsprechung Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 dahin auszulegen, dass ein Unternehmen gesamtschuldnerisch mit einem anderen Unternehmen, das vorsätzlich oder fahrlässig eine Zuwiderhandlung begangen hat, für die Zahlung einer gegen dieses Unternehmen festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht werden kann, sofern die Kommission im selben Rechtsakt darlegt, dass die Zuwiderhandlung auch bei dem Unternehmen, das gesamtschuldnerisch für die Geldbuße haften soll, hätte festgestellt werden können (Urteile Metsä-Serla u. a./Kommission, Randnrn. 42 bis 45, und Finnboard/Kommission, Randnrn. 27, 28 und 34 bis 38). In der Rechtssache, die zu den Urteilen Metsä-Serla u. a./Kommission und Finnboard/Kommission führte, ging es um die Wirtschaftsvereinigung Finnboard, gegen die eine Geldbuße festgesetzt worden war, für die die Mitgliedsunternehmen der Vereinigung gesamtschuldnerisch hafteten. Insoweit vertrat der Gemeinschaftsrichter die Auffassung, dass die Kommission berechtigt war, alle Klägerinnen gesamtschuldnerisch mit Finnboard haftbar zu machen, da die wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zwischen den betreffenden Unternehmen so ausgestaltet waren, dass Finnboard nur als ihr Hilfsorgan handelte, ihre Weisungen zu befolgen hatte und sich auf dem Markt nicht unabhängig von ihnen verhalten konnte, so dass Finnboard de facto mit jedem ihrer Mitgliedsunternehmen eine wirtschaftliche Einheit bildete (Urteil Metsä-Serla u. a./Kommission, Randnrn. 58 und 59). Im vorliegenden Fall handelten die Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen als Hilfsorgane für den faktischen Konzern Henss/Isoplus, hatten die Weisungen ihrer einheitlichen Leitung zu befolgen und konnten sich auf dem Markt nicht unabhängig verhalten. Es steht außer Frage, dass unter solchen Umständen jede dieser Gesellschaften gesamtschuldnerisch für die festgestellte Zuwiderhandlung der Gruppe Henss/Isoplus haftbar gemacht werden kann, bei der es sich um das Unternehmen handelt, das die Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag begangen hat.

528 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bedeutet der Umstand, dass mehrere Unternehmen gesamtschuldnerisch für eine Geldbuße haftbar gemacht werden, hinsichtlich der Anwendung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Obergrenze von 10 % des Umsatzes nicht, dass die Geldbuße für die gesamtschuldnerisch haftenden Unternehmen auf 10 % ihres jeweiligen Umsatzes im letzten Geschäftsjahr beschränkt wäre. Die in dieser Bestimmung festgelegte Obergrenze von 10 % des Umsatzes ist anhand des gesamten Umsatzes aller Gesellschaften zu ermitteln, aus denen die als "Unternehmen" im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag auftretende wirtschaftliche Einheit besteht.

529 Nach der Rechtsprechung zu Zuwiderhandlungen von Unternehmensvereinigungen ist die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze von 10 % des Umsatzes gegebenenfalls anhand der Umsätze aller Unternehmen zu berechnen, die Mitglieder der Unternehmensvereinigung sind, jedenfalls soweit die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann (Urteil CB und Europay/Kommission, Randnr. 136, und Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 385). Eine solche Auslegung ist nach Ansicht des Gerichts deshalb gerechtfertigt, weil bei der Festsetzung der Geldbußen u. a. dem Einfluss Rechnung getragen werden kann, den eine Unternehmensvereinigung auf dem Markt ausüben konnte, und dieser vom Umsatz ihrer Mitglieder abhängt, der anders als ihr eigener "Umsatz" ihre Größe und ihre Wirtschaftskraft widerspiegelt (Urteile CB und Europay/Kommission, Randnr. 137, und SPO u. a./Kommission, Randnr. 385). Ebenso kann im Fall eines "Unternehmens", das aus einer als wirtschaftliche Einheit auftretenden Gruppe von Gesellschaften besteht, nur der Gesamtumsatz aller zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften die Größe und die Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens widerspiegeln.

530 So hat das Gericht eine Entscheidung der Kommission gebilligt, mit der sie zwei Schwesterunternehmen gesamtschuldnerisch eine Geldbuße wegen einer Zuwiderhandlung auferlegt und dabei deren Gesamtumsatz herangezogen hatte.

531 Insoweit verlangen die Klägerinnen zu Unrecht, in ihrem Fall die in der Rechtssache Metsä-Serla u. a./Kommission gewählte Lösung anzuwenden, nach der jede Klägerin in Höhe eines bestimmten Betrages für die gegen die Unternehmensvereinigung festgesetzte Geldbuße haftbar gemacht wurde. Diese Lösung hing damit zusammen, dass die Vereinigung Finnboard mit jedem einzelnen ihrer Mitgliedsunternehmen eine wirtschaftliche Einheit bildete. Im vorliegenden Fall handelt es sich dagegen um nur eine wirtschaftliche Einheit, zu der die Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen gehören.

532 Aus diesen Gründen ist die Rüge in Bezug auf die gesamtschuldnerische Haftung von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen zurückzuweisen.

3. Zur fehlerhaften Beurteilung des Umsatzes der betroffenen Unternehmen

Vorbringen der Parteien

533 Die Klägerinnen führen aus, die Kommission hätte, als sie die Geldbuße angepasst habe, damit diese die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze von 10 % des Umsatzes nicht übersteige, nicht von einem Gesamtumsatz der Gruppe Henss/Isoplus von 49 500 000 ECU für 1997 ausgehen dürfen. Sie hätte vielmehr von 49 055 000 ECU ausgehen müssen, da dies der um die internen Umsätze bereinigte Gesamtumsatz von Isoplus Hohenberg, Isoplus Sondershausen und Isoplus Rosenheim sei. Die Kommission sei folglich nur zur Verhängung einer Geldbuße von 4 905 000 ECU berechtigt gewesen.

534 Dabei sei als Umrechnungskurs der von der Europäischen Zentralbank im Mai 1998 für den ECU und den Euro ab 1. Januar 1999 endgültig festgelegte Kurs zugrunde gelegt worden.

535 Im Übrigen könne die Kommission die Geldbuße von 4 950 000 ECU nicht damit rechtfertigen, dass bei der Berechnung des Gesamtumsatzes der Gruppe Henss/Isoplus auch der Umsatz bei Stahlmantelrohren zu berücksichtigen sei. Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 könnten nämlich Umsätze mit einem anderen Produkt, das für einen anderen als den Markt bestimmt sei, auf dem die Zuwiderhandlung begangen worden sei, im vorliegenden Fall nicht in die Berechnung des Gesamtumsatzes der Gruppe Henss/Isoplus einfließen.

536 Die Beklagte hält das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Geldbuße um 45 000 ECU zu hoch ausgefallen sei, für unbegründet. Zum einen verwendeten sie nicht den geeigneten Umrechnungskurs, d. h. den mittleren Umrechnungskurs zwischen Landeswährung und ECU für das Referenzjahr 1997. Zum anderen hätten sie bei Isoplus Rosenheim nicht nur die Umsätze mit Kunststoffmantelrohren, sondern auch die in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 angesprochenen Gesamtumsätze ohne Unterscheidung nach Produktkategorien berücksichtigen müssen.

Würdigung durch das Gericht

537 Bei der Herabsetzung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus festgesetzten Geldbuße auf die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze ist die Kommission von einem Umsatz von etwa 49 500 000 ECU ausgegangen.

538 Sie hat in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt, dabei habe sie sich auf den gesamten von den Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen 1997 erzielten Umsatz abzüglich der internen Verkäufe gestützt, wie er von diesen Gesellschaften im Verwaltungsverfahren mitgeteilt worden sei. Ferner hat sie dort erläutert, dass diese in Landeswährung angegebenen Zahlen anhand des mittleren Umrechnungskurses zwischen Landeswährung und ECU für das Referenzjahr 1997 in ECU umgerechnet worden seien.

539 Der in der Entscheidung als Gesamtumsatz aller drei Gesellschaften herangezogene Betrag entspricht der Summe, die sich nach der von der Kommission geschilderten Methode aus den von den Klägerinnen übermittelten Zahlen ergibt.

540 Insoweit können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, sich auf den Gesamtumsatz von Isoplus Rosenheim gestützt zu haben, statt sich auf den Umsatz mit vorgedämmten Rohren für den Fernwärmemarkt zu beschränken.

541 Nach ständiger Rechtsprechung ist unter dem Umsatz, auf den sich Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zur Bestimmung der Obergrenze, bis zu der gegen ein Unternehmen eine Geldbuße verhängt werden kann, bezieht, der Gesamtumsatz des Unternehmens zu verstehen, da nur dieser einen ungefähren Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss dieses Unternehmens auf den Markt liefern kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 119, Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 376, und vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 160). Innerhalb der durch diese Bestimmung gezogenen Grenze kann die Kommission den Umsatz, den sie hinsichtlich des geographischen Gebietes und der betroffenen Produkte als Bemessungsgrundlage für die Geldbuße heranziehen will, frei wählen.

542 Bei der Umrechnung der in Landeswährung angegebenen Zahlen in Ecu war die Kommission berechtigt, den mittleren Umrechnungskurs zwischen Landeswährung und Ecu für das Referenzjahr 1997 anzuwenden.

543 Wie das Gericht entschieden hat, kann die Kommission, wenn sie den in nationaler Währung ausgedrückten Umsatz eines bestimmten Referenzjahrs als Grundlage für die Geldbuße gewählt hat, diesen Umsatz zum mittleren Wechselkurs des Referenzjahrs und nicht zu dem Wechselkurs, der am Tag des Erlasses der Entscheidung galt, in Ecu umrechnen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-348/94, Enso Española/Kommission, Slg. 1998, II-1875, Randnrn. 336 bis 341).

544 Aus diesen Gründen ist die Rüge einer fehlerhaften Beurteilung des Umsatzes zurückzuweisen.

4. Zur Verletzung der Verteidigungsrechte bei der Beurteilung erschwerender Umstände

Vorbringen der Parteien

545 Die Klägerinnen machen bezüglich der in Randnummer 179 der Entscheidung genannten erschwerenden Umstände geltend, die Kommission habe das Grundrecht auf Verteidigung verletzt, da sie der Gruppe Henss/Isoplus "den systematischen Versuch, die Kommission hinsichtlich der tatsächlichen Beziehungen zwischen den Unternehmen der Gruppe zu täuschen", zur Last gelegt und ihn als "eine bewusste Behinderung der Untersuchungen der Kommission" eingestuft habe.

546 Im Rahmen eines Verfahrens zur Festsetzung von Geldbußen, in dem sich die Frage der Existenz eines Konzerns, Quasi-Konzerns oder faktischen Konzerns stelle, gehöre es zum Recht auf Verteidigung, verschiedene gesellschaftsrechtliche Verhältnisse und Verflechtungen zu bestreiten sowie streng vertrauliche Treuhandverhältnisse nicht aufzudecken. Das Wesen der Treuhandschaft bedeute nämlich, dass der Treugeber nur bestimmten Behörden wie Finanzbehörden und Nationalbanken offen zu legen sei, nicht aber Dritten einschließlich sonstiger Behörden und Gerichte, da in der Geheimhaltung gegenüber Dritten in zahlreichen Fällen gerade die Ursache für die Begründung von Treuhandverhältnissen liege. Die Klägerinnen hätten daher ihre Rechtsvertreter an die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Berufsrechts der Rechtsanwälte binden müssen. Dass dieses Verhalten bei der Bemessung der Geldbuße als erschwerender Umstand gewertet worden sei, verletze somit das Grundrecht auf Verteidigung.

547 Entgegen der Auffassung der Kommission bestehe sehr wohl ein legitimes Interesse an der Geheimhaltung der Treuhandverhältnisse und damit des Mehrheitsgesellschafters von Isoplus Hohenberg und teilweise auch von Isoplus Sondershausen. Aus den Gründen, die Herr Henss der Kommission in einem vertraulichen Gespräch am 3. März 1998 bereits dargelegt und mit Schreiben vom 4. März 1998 bestätigt habe, hätten die Klägerinnen mit ihrem Verhalten nur ihre Verteidigungsrechte ausgeübt.

548 Zur Behauptung der Kommission, "das Unternehmen [hätte] einer angemessenen Geldbuße entgehen und/oder ihre Einziehung erschweren können", wenn die bewusste Behinderung Erfolg gehabt hätte, sei festzustellen, dass auch bei Offenlegung der Treuhandverhältnisse verschiedene Rechtsfragen in Bezug auf die Einstufung der Gruppe Henss/Isoplus als Konzern, Quasi-Konzern oder faktischer Konzern und damit als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag in einem Verwaltungsverfahren hätten geklärt werden müssen. Insoweit gehöre es unstreitig zum Recht der Verteidigung, eine andere Rechtsposition als die Kommission zu vertreten.

549 Die Kommission behaupte ferner zu Unrecht, dass es zu einer erheblichen Herabsetzung der Geldbuße hätte kommen können, wenn der Auffassung der Klägerinnen gefolgt worden wäre. Aufgrund der von der Kommission zugrunde gelegten Annahme, dass die Gruppe Henss/Isoplus ein Konzern oder ein faktischer Konzern gewesen sei, seien bei der Ermittlung des Umsatzes als Bemessungsgrundlage für die Geldbuße die internen Umsätze zwischen den Mitgliedern der Gruppe ausgeschieden. Wie bereits ausgeführt, hätten 49 055 000 ECU als konsolidierter Umsatz von Henss/Isoplus für das Referenzjahr 1997 angesetzt werden müssen. Gehe man dagegen davon aus, dass die Gruppe Henss/Isoplus als solche nicht bestanden habe, sei insoweit der Umsatz jedes einzelnen Unternehmens heranzuziehen, einschließlich der Umsätze zwischen den Klägerinnen, zu denen insbesondere die Umsätze von Isoplus Rosenheim als Vertriebsunternehmen oder Handelsvertreter gehörten. Im letztgenannten Fall würden sich die Bemessungsgrundlagen für die Ermittlung der Geldbußen im Ergebnis nur geringfügig ändern. Dann wären nämlich zu den Umsätzen von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen die Provisionen und Deckungsbeiträge hinzuzurechnen, die bei Isoplus Rosenheim als Handelsvertreter verblieben seien, so dass sich ein Gesamtumsatz von etwa 46 000 000 ECU ergeben würde.

550 Schließlich hätte, wenn das Vorliegen eines Konzerns verneint, aber entgegen der Ansicht der Klägerinnen davon ausgegangen würde, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen einerseits und Isoplus Rosenheim andererseits keine reinen Handelsvertreterbeziehungen gewesen seien, zum Gesamtumsatz als Bemessungsgrundlage für die Geldbuße der Umsatz von Isoplus Rosenheim hinzukommen müssen. In diesem Fall hätten die Umsätze von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen insgesamt - also nicht konsolidiert und um interne Umsätze bereinigt - rund 68 000 000 ECU betragen.

551 Diese Überlegungen zeigten, dass die Geheimhaltung von Treuhandverhältnissen sowie der Umstand, dass die Klägerinnen die Einstufung der Henss- und Isoplus-Gesellschaften als Konzern, Quasi-Konzern oder faktischer Konzern bestritten, nichts mit einer Täuschung zum Zweck der Geldbußenermäßigung zu tun hätten.

552 Die Beklagte führt aus, sie sei von den Rechtsvertretern der Henss-Gesellschaften und der Isoplus-Gesellschaften bewusst über die bedeutsame Frage getäuscht worden, ob Herr Henss auch die Isoplus-Gesellschaften kontrolliert habe. Das Täuschungsmanöver der Klägerinnen habe auch nichts mit der Wahrnehmung von Verteidigungsrechten zu tun gehabt. Im Übrigen bedeute die nach der Verordnung Nr. 17 bestehende Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsverlangen keinen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte. Dies gelte umso mehr, als das Täuschungsmanöver nicht in erster Linie die Existenz des Verstoßes, sondern die Bemessungsgrundlage für die Geldbuße betroffen habe.

553 Bezüglich der Vertraulichkeit der Treuhandverhältnisse ergebe sich aus den von den Klägerinnen angeführten Umständen nicht, dass ein legitimes Interesse daran bestanden habe, die von der Kommission gewünschten Informationen nicht preiszugeben. Die Kommission sei jedenfalls nach Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet, legitime Geheimhaltungsinteressen und insbesondere Geschäftsgeheimnisse zu wahren.

554 Zu der Frage, inwiefern durch die Täuschung der Kommission eine wesentliche Ermäßigung der Geldbuße erreicht werden sollte, sei festzustellen, dass die Geldbuße auch unter Berücksichtigung bestimmter interner Verkäufe zwischen den Klägerinnen geringer als die tatsächliche Geldbuße ausgefallen wäre.

Würdigung durch das Gericht

555 Die Kommission hat der Gruppe Henss/Isoplus "den systematischen Versuch, die Kommission hinsichtlich der tatsächlichen Beziehungen zwischen den Unternehmen der Gruppe zu täuschen", als erschwerenden Umstand zur Last gelegt, der zusammen mit der bewussten Fortführung des Kartells nach Abschluss der Untersuchung und der führenden Rolle bei der Durchsetzung des Kartells dazu führte, dass die Geldbuße der zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften um 30 % erhöht wurde (Randnr. 179 Absatz 3 der Entscheidung).

556 Hierzu ist festzustellen, dass sich einige Informationen, die die Klägerinnen hinsichtlich der Anteilseigner der von der Kommission zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Gesellschaften und hinsichtlich der Verflechtungen in Bezug auf das Eigentum an diesen Gesellschaften übermittelten, als unzutreffend erwiesen haben.

557 Erstens teilte Isoplus Hohenberg im Anschluss an das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996, in dem die Kommission sie um nähere Angaben zu den Treffen mit Konkurrenzunternehmen und insbesondere zu Namen, Unternehmen und Funktion der Teilnehmer an diesen Treffen bat, mit, Herr Henss habe die Isoplus-Gesellschaften bei diesen Treffen nur aufgrund einer Bevollmächtigung durch sie vertreten (ergänzende Antwort von Isoplus Hohenberg vom 10. Oktober 1996, im Folgenden: ergänzende Antwort von Isoplus Hohenberg). Sodann bestritten Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 30. Juni 1997 ausdrücklich, dass die Henss- und die Isoplus-Gesellschaften einen Konzern oder miteinander verbundene Unternehmen unter der Leitung oder Kontrolle von Herrn Henss bildeten, und machten geltend, es gebe in den Akten keinen Beweis dafür, dass Herr Henss Isoplus Hohenberg oder die mit ihr verbundenen Gesellschaften selbst oder auch nur über einen Bevollmächtigten kontrolliert habe. Wie die Klägerinnen vor dem Gericht eingeräumt haben, hat sich aber herausgestellt, dass Herr Henss zumindest ab Oktober 1991 die Mehrheit der Anteile an Isoplus Hohenberg besaß, bis er diese durch den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 an die HFB KG abtrat. Er hielt folglich während dieser Zeit eine indirekte Beteiligung an Isoplus Sondershausen und nahm daher auch als Eigentümer von Isoplus Hohenberg und, indirekt, von Isoplus Sondershausen an den Kartelltreffen teil.

558 Zweitens hat Isoplus Hohenberg in ihrer ergänzenden Antwort vorgetragen, sie habe 100 % des Kapitals von Isoplus Sondershausen gehalten; dies wurde von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt. Diese Angabe hat sich aber als unzutreffend erwiesen, denn zum einen hat die Kommission durch den Einbringungsvertrag erfahren, dass Isoplus Hohenberg ein Drittel des Stammkapitals von Isoplus Sondershausen als Treuhänder für Herrn und Frau Papsdorf hielt, die es im Einbringungsvertrag an die HFB KG abtraten, und zum anderen führen die Klägerinnen in ihrem Schriftsätzen an das Gericht aus, dass Isoplus Hohenberg ein weiteres Drittel dieses Stammkapitals ebenfalls treuhänderisch gehalten habe.

559 Entgegen der Behauptung der Klägerinnen kann ihr Verhalten während des Verwaltungsverfahrens nicht als bloße Ausübung des Rechts angesehen werden, sich gegen die Einstufung der Henss- und Isoplus-Gesellschaften als "Konzern" durch die Kommission zu wehren.

560 Zunächst ist festzustellen, dass sich die Klägerinnen während des Verwaltungsverfahrens nicht darauf beschränkt haben, gegen die Beurteilung des Sachverhalts und die Rechtsauffassung der Kommission vorzugehen, sondern ihr in ihren Antworten auf Auskunftsverlangen und ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte unvollständige und teilweise unzutreffende Auskünfte gegeben haben.

561 Die Verordnung Nr. 17 verpflichtet ein Unternehmen, auf das sich eine Untersuchungsmaßnahme bezieht, zur aktiven Mitwirkung, aufgrund deren es alle den Gegenstand der Untersuchung betreffenden Informationen für die Kommission bereithalten muss (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 27; Urteil des Gerichts vom 8. März 1995 in der Rechtssache T-34/93, Société Générale/Kommission, Slg. 1995, II-545, Randnr. 72). Es steht den Unternehmen zwar frei, auf Fragen, die ihnen gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 gestellt werden, zu antworten oder nicht; aus der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b erste Alternative der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Sanktion ergibt sich jedoch, dass Unternehmen, die sich zur Beantwortung bereit erklärt haben, zutreffende Auskünfte geben müssen.

562 Ferner können sich die Klägerinnen nicht auf den vertraulichen Charakter der Treuhandverhältnisse unter den Anteilseignern von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen berufen, denn nach Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ist die Kommission verpflichtet, Kenntnisse nicht preiszugeben, die sie bei Anwendung dieser Verordnung erlangt hat und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen. Des Weiteren dürfen nach Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 die bei Anwendung der Artikel 11, 12, 13 und 14 erlangten Kenntnisse nur zu dem mit der Auskunft oder Nachprüfung verfolgten Zweck verwertet werden. Angesichts der Pflicht der Kommission, die unter das Berufsgeheimnis fallenden Informationen vertraulich zu behandeln, konnte die Vertraulichkeit der Identität der Treugeber im Rahmen von Treuhandverhältnissen das Verhalten der Klägerinnen nicht rechtfertigen. Im Übrigen ist es nicht ausgeschlossen, dass die von Herrn Henss über die Isoplus-Gesellschaften tatsächlich ausgeübte Kontrolle und die Verflechtungen zwischen ihnen der Kommission hätten mitgeteilt werden können, ohne die Identität der als Treugeber im Rahmen von Treuhandverhältnissen handelnden Dritten aufdecken zu müssen.

563 Da Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen wissen mussten, dass die der Kommission vorenthaltenen Auskünfte zur Beurteilung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen den Gesellschaften erforderlich waren, die die Kommission ab ihrem Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 als einen Konzern ("Henss-Gruppe") behandelt hatte, war die Kommission berechtigt, das Verhalten der Klägerinnen als "systematischen Versuch, die Kommission hinsichtlich der tatsächlichen Beziehungen zwischen den Unternehmen der Gruppe zu täuschen", und als "bewusste Behinderung der Untersuchungen der Kommission" einzustufen. Dass es sich um ein vorsätzliches Verhalten handelte, wird dadurch bestätigt, dass der mit der Verteidigung von Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen betraute Rechtsanwalt wusste, dass die im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben unzutreffend waren, da er selbst, wie die Klägerinnen einräumen, im Rahmen der Treuhandverhältnisse als Bevollmächtigter tätig war.

564 Zu der Erwägung, "das Unternehmen [hätte] einer angemessenen Geldbuße entgehen und/oder ihre Einziehung erschweren können", wenn die bewusste Behinderung Erfolg gehabt hätte, genügt der Hinweis, dass die von Herrn Henss über die Henss- und Isoplus-Gesellschaften ausgeübte Kontrolle einen Faktor darstellt, der unter den Umständen des vorliegenden Falles zu dem Schluss führte, dass die Handlungen dieser Gesellschaften als das Verhalten eines faktischen Konzerns "Henss/Isoplus" anzusehen sind, für das die Gesellschaften Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden können. Folglich lässt sich - ohne dass geprüft werden muss, in welchem Fall die Geldbuße höher ausgefallen wäre - nicht ausschließen, dass die Kommission nicht zu der tatsächlich festgesetzten Geldbuße hätte kommen können, wenn es keinen Beweis dafür gegeben hätte, dass Herr Henss Isoplus Hohenberg und damit teilweise auch Isoplus Sondershausen kontrollierte, was die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren ausdrücklich bestritten hatten.

565 Folglich ist die Rüge einer Verletzung der Verteidigungsrechte bei der Beurteilung erschwerender Umstände zurückzuweisen.

5. Zur Rolle der Klägerinnen im Kartell als erschwerender Umstand

Vorbringen der Parteien

566 Die Klägerinnen beanstanden, dass die Kommission als erschwerenden Umstand zu Lasten von Henss/Isoplus "die von diesem Unternehmen bei der Durchsetzung des Kartells gespielte führende Rolle" angesehen habe. In diesem Zusammenhang wenden sie sich gegen die Behauptungen der Kommission in den Randnummern 75, 121 und 144 der Entscheidung.

567 Die Tätigkeit von Henss Rosenheim und Herrn Henss im Zusammenhang mit ABB sei vor allem im Zeitraum von Oktober 1991 bis Oktober 1994 unter dem Blickwinkel ihrer Eigenschaft als Handelsvertreter von ABB Isolrohr und der damit verbundenen vertraglichen Verpflichtungen zu sehen.

568 Dem Vorwurf, Henss sei "einer der eifrigsten Verfechter der Vereinbarungen zur Marktaufteilung und Manipulation der Bietverfahren" gewesen, sei entgegenzuhalten, dass es den Klägerinnen bei verschiedenen Projekten gelungen sei, anstelle des favorisierten Unternehmens den Auftrag zu erhalten. In diesen Fällen habe das betreffende Unternehmen - z. B. Tarco - den Klägerinnen und vor allem Herrn Henss heftige Vorwürfe gemacht. Daher sei es normal, dass Tarco, wenn sie den favorisierten Klägerinnen Aufträge weggenommen habe, ihrerseits mit Vorwürfen konfrontiert worden sei. Die Kommission selbst habe in diesem Zusammenhang anerkannt, dass nach den Vergleichstabellen der Marktanteile der Kartellteilnehmer für Dezember 1995 Tarco und Løgstør zu Lasten von ABB, der Gruppe Henss/Isoplus und KWH einen erheblich größeren als den vereinbarten Marktanteil erlangt hätten. Dies zeige, dass die Gruppe Henss/Isoplus und die Klägerinnen sicherlich keine führende Rolle gespielt hätten.

569 Auch im Rahmen der Maßnahmen gegen Powerpipe hätten die Klägerinnen keine führende Rolle bei der Umsetzung des Kartells gespielt. Sie hätten sich nicht an der langfristigen Strategie zur Kontrolle des Marktes und zur Ausschaltung von Powerpipe beteiligt, die ABB seit 1992 verfolgt habe und an der Løgstør durch Mitwirkung an der Abwerbung von Mitarbeitern von Powerpipe teilgenommen habe. Die Klägerinnen seien nie auf dem schwedischen Markt präsent gewesen und erstmals Anfang 1993 auf dem dänischen Markt aufgetreten, während Powerpipe ihre Aktivitäten erst 1994 auf Deutschland ausgedehnt habe. Im Zusammenhang mit dem Projekt in Leipzig-Lippendorf habe weder Isoplus Rosenheim noch Herr Henss je Boykottmaßnahmen gegen Powerpipe verlangt.

570 An Sanktionen wegen Nichteinhaltung der im Rahmen des europaweiten Kartells getroffenen Absprachen seien die Klägerinnen nie beteiligt gewesen. Aus Anlage 7 zur Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem dazu von ABB vorgelegten Plan ergebe sich, dass der Gedanke von Sanktionen im europaweiten Kartell weder von den Klägerinnen noch von Herrn Henss gestammt habe.

571 Die als "EU-Liste", "Euro-Liste" oder "Europa-Preisliste" bezeichneten gemeinsamen Preislisten seien zwar nach dem Zustandekommen des europaweiten Kartells auch von den Klägerinnen verwendet worden, aber nicht von ihnen oder von Herrn Henss ausgearbeitet worden. Die Angaben von Løgstør hierzu seien nicht glaubwürdig.

572 Außerdem weise die Kommission in ihrer Entscheidung darauf hin, dass ABB Anführer und Haupttriebfeder des Kartells gewesen und von Løgstør bei der Planung und Durchführung der Kartellstrategie aktiv unterstützt worden sei; diese beiden Unternehmen hätten sich aktiv am Boykott von Powerpipe beteiligt und Druck auf ihre Lieferanten ausgeübt, damit diese Powerpipe nicht belieferten.

573 Gegen eine führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus sprächen auch ihr europaweiter Rang bei den Marktanteilen sowie die Tatsache, dass sie erst im August 1995 in den EuHP aufgenommen worden sei. In Bezug auf die Marktposition von Henss/Isoplus zeigten die Zahlen in den Randnummern 10 bis 15 der Entscheidung, dass die Gruppe Henss/Isoplus im maßgeblichen Zeitraum nach Marktanteilen höchstens die fünftgrößte Gruppe nach ABB, Løgstør, Tarco und Pan-Isovit gewesen sei, und dies nur, wenn die Klägerinnen als wirtschaftliche Einheit betrachtet würden.

574 Die Beklagte trägt vor, die führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus ergebe sich insbesondere aus ihren Aktivitäten bei der Durchsetzung der vereinbarten Aufteilung der Projekte, aber auch bei der Ausarbeitung der kollusiven Preislisten und eines Systems von Sanktionen sowie bei dem Vorgehen gegen Powerpipe. Die Argumente der Klägerinnen zu diesem Punkt wiederholten im Wesentlichen früheres Vorbringen.

575 Es treffe nicht zu, dass ein Handelsvertreter in einem Herstellerkartell keine führende Rolle spielen könne. Die führende Rolle sei der Gruppe Henss/Isoplus insgesamt zugekommen, die im Rahmen der Absprachen zur Marktaufteilung im Rahmen des europaweiten Kartells immerhin 10 % des europäischen Marktes und damit den höchsten Anteil nach ABB und Løgstør erhalten habe. Insoweit seien auch die Quotenabsprachen für den deutschen Markt zu berücksichtigen. Die Kommission habe die führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus jedenfalls nicht aus deren Marktstellung abgeleitet, sondern aus deren Verhalten im Rahmen des Kartells. Schließlich sei die führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus nicht aus den Vorgängen beim Boykott in Zusammenhang mit dem Projekt in Leipzig-Lippendorf abgeleitet worden; sie sei jedoch bei anderen, in den Randnummern 94 bis 97 und 106 der Entscheidung beschriebenen Maßnahmen gegen Powerpipe deutlich geworden. Die Randnummern 121 und 179 der Entscheidung bezögen sich auf die Durchsetzung des Kartells und insbesondere auf die Maßnahmen gegen Powerpipe.

Würdigung durch das Gericht

576 Nach Randnummer 179 der Entscheidung gehört die von der Gruppe Henss/Isoplus bei der Durchsetzung des Kartells gespielte führende Rolle zu den erschwerenden Umständen, auf deren Grundlage die gegen sie festgesetzte Geldbuße um 30 % erhöht wurde.

577 Hierzu ergibt sich aus den Akten, dass die Gruppe Henss/Isoplus, unabhängig von ihrem Marktanteil, aktiv die Einhaltung der im Rahmen des Kartells getroffenen Absprachen überwachte; dies wird durch die in Randnummer 75 der Entscheidung beschriebenen Anhänge 86, 87, 88, 89, 92 und 93 der Mitteilung der Beschwerdepunkte belegt und durch die Erklärungen von Tarco (Antworten vom 26. April 1996 und vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996) und von Løgstør (Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt. Für die Behauptung, Tarco habe damals genauso gehandelt wie die Gruppe Henss/Isoplus, als diese den Zuschlag für ein Tarco zugedachtes Projekt erhalten habe, erbringen die Klägerinnen keinerlei Beweis.

578 Auch wenn die Gruppe Henss/Isoplus die Preislisten nicht erstellt hat, wird ihre Rolle als Initiator - neben ABB - der Preisabsprachen für den deutschen Markt nicht nur durch Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, sondern auch durch Tarco (Antwort vom 26. April 1996) und durch das Telefax des Executive Vice President von ABB vom 28. Juni 1994 (Anhang X8 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, in dem geschildert wird, welche Schritte dieser unternommen hat, damit der Koordinator des Kartells und Herr Henss die Weisungen des Geschäftsführers von ABB IC Møller befolgen. Außerdem wurde Herr Henss nach Angaben von Brugg zur Teilnahme am Kartell aufgefordert (Antwort von Brugg). Zu den Maßnahmen gegen Powerpipe ist oben in den Randnummern 261 bis 286 bereits ausgeführt worden, dass die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass die Gruppe Henss/Isoplus ab dem Zeitpunkt, zu dem Powerpipe auf dem deutschen Markt tätig zu werden begann, insbesondere bei der Abgabe von Angeboten für die Projekte in Neubrandenburg und Leipzig-Lippendorf, eine aktive Rolle spielte.

579 Wie oben in den Randnummern 168 bis 172 und 179 ausgeführt wurde, kann weder die Funktion von Henss Rosenheim als Handelsvertreter noch die Tatsache, dass keine der Gesellschaften der Gruppe Henss/Isoplus vor Sommer 1995 dem EuHP angehörte, ein anderes Licht auf die Rolle der Gruppe Henss/Isoplus innerhalb des Kartells werfen, wie sie sich aus allen Feststellungen der Kommission ergibt.

580 Schließlich hat auch der Umstand, dass sowohl ABB als auch Løgstør die Anführer des Kartells gewesen sein sollen, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Schlussfolgerungen der Kommission, da die Geldbuße von ABB jedenfalls wegen deren Rolle im Kartell um 50 % und auch die Geldbuße von Løgstør um 30 % erhöht wurden, obwohl Løgstør keine versuchte Behinderung der Untersuchung der Kommission zur Last gelegt wurde.

581 Unter diesen Umständen hat die Kommission die führende Rolle der Gruppe Henss/Isoplus bei der Durchsetzung des Kartells zu Recht als erschwerenden Umstand berücksichtigt.

582 Dieser Teil des vierten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

6. Zur Nichtberücksichtigung mildernder Umstände

Vorbringen der Parteien

583 Die Klägerinnen machen Umstände geltend, die ihres Erachtens von der Kommission hätten berücksichtigt werden müssen oder die jedenfalls das Gericht im Hinblick auf eine Herabsetzung der Geldbuße auch dann zu berücksichtigen habe, wenn die an anderen Stellen der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe, die auf diesen Umständen beruhten, zurückgewiesen werden sollten.

584 Erstens sei bei der Beurteilung der Auswirkungen des Kartells zu berücksichtigen, dass die Preise für vorisolierte Fernwärmerohre auf dem europäischen Markt im Zeitraum von 1990 bis 1994 außer in Dänemark ständig gefallen seien. Dieses niedrige Preisniveau habe bei zahlreichen Unternehmen zu großen Verlusten geführt. Die nach Beginn des europaweiten Kartells erfolgte Preiserhöhung sei nicht dramatisch gewesen, so dass aus der Sicht der Abnehmer der fraglichen Erzeugnisse kein echter Schaden entstanden sei. Überdies seien die Klägerinnen auf Märkten tätig gewesen, auf denen es bis 1994 keine Preiserhöhung gegeben habe. Auch 1995 und Anfang 1996 hätten die Kunden der Hersteller und Vertriebsorganisationen von vorisolierten Fernwärmerohren angemessene und seriöse Preise erhalten, die keinesfalls überhöht gewesen seien.

585 Zweitens sei zu berücksichtigen, dass das Auftreten der Klägerinnen auf dem dänischen Markt Anfang 1993 zusammen mit anderen Umständen bewirkt habe, dass das dänische Kartell zusammengebrochen sei und die von 1993 bis Anfang 1994 getroffenen Kartellvereinbarungen teilweise ausgesetzt worden seien.

586 Drittens sei Henss Rosenheim (nunmehr Isoplus Rosenheim) damals als Handelsvertreter für ABB Isolrohr tätig gewesen. Von Oktober 1991 bis Oktober 1994 sei daher das Verhalten von Henss Rosenheim zumindest teilweise dem ABB-Konzern zuzurechnen. Da der ABB-Konzern ebenfalls eine Geldbuße erhalten habe, sei dies im Hinblick auf das Verbot der doppelten Bestrafung als Gesichtspunkt zu berücksichtigen, der zur Herabsetzung der Geldbuße von Isoplus Rosenheim und damit der Gruppe Henss/Isoplus führen müsse. Bestimmte Umsätze von Henss Rosenheim seien nämlich in die Berechnung des Umsatzes sowohl der Gruppe Henss/Isoplus als auch von ABB eingeflossen. Im Rahmen der Bemessung der Geldbuße sei jedenfalls nicht der Handelsvertreter, sondern der Geschäftsherr zu belasten. Für die Zeit nach Oktober 1994 sei darauf hinzuweisen, dass die Teilnahme der Klägerinnen am europaweiten Kartell vor allem auf den von ABB IC Møller ausgelösten massiven Preisverfall und den von ABB und Løgstør ausgeübten Druck zurückzuführen sei.

587 Viertens hätten etwaige von den Klägerinnen zu verantwortende Maßnahmen gegen Powerpipe eine vollkommen untergeordnete Rolle gespielt. Das Verhalten von Herrn Henss oder Henss Rosenheim im Zusammenhang mit dem Projekt in Neubrandenburg sei nicht mehr als ein Versuch gewesen, da die fraglichen Maßnahmen gescheitert seien und Powerpipe den Auftrag erhalten habe.

588 Fünftens sei gegen die Klägerinnen eine Geldbuße verhängt worden, die ihre Zahlungsunfähigkeit herbeiführen könnte. Grundsätzlich sei zu berücksichtigen, ob die Festsetzung einer Geldbuße geeignet wäre, das betroffene Unternehmen insolvent zu machen. Andernfalls bestuende bei der Verhängung einer Geldbuße die Gefahr, dass das betroffene Unternehmen aus dem Markt ausscheide, wodurch auf diesem Markt ein Oligopol oder eine beherrschende Stellung entstehen könnte. Da Pan-Isovit und Tarco von Løgstør übernommen worden seien und KWH sich ebenfalls entschlossen habe, mittelfristig aus dem Markt der vorisolierten Fernwärmerohre auszuscheiden, entstuende auf diesem Markt durch das Verschwinden der Klägerinnen eine Oligopolstellung der beiden "Anführer" des vorliegenden Kartells, ABB und Løgstør.

589 Wie die Klägerinnen bereits in ihren Schreiben an die Kommission vom 27. und 30. März 1998 sowie in der Anhörung ausgeführt hätten, bestehe bei Verhängung einer hohen Geldbuße die Gefahr einer Insolvenz von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen, die zum Verlust von Arbeitsplätzen führen würde und zur Folge hätte, dass zwei Produktionsunternehmen und eine große Vertriebsorganisation vom Markt verschwänden. Diese Insolvenzen hätten die gleichen Konsequenzen für die HFB GmbH und die HFB KG. Die schwierige Situation in Bezug auf die Liquidität habe die Klägerinnen veranlasst, am 10. Februar 1999 beim Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung zu stellen, in dem sie die Gefahr ihrer Insolvenz ausführlich dargestellt hätten. Sie werde durch das Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 4. Februar 1999 (im Folgenden: Gutachten) belegt, das dem Gericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgelegt worden sei. Dieses als Anlage zur Erwiderung eingereichte Gutachten und dessen Beilagen seien nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung als weitere Beweismittel zuzulassen, da es sich um Beweismittel handele, die nach Erhebung der vorliegenden Nichtigkeitsklage am 18. Januar 1999 entstanden seien.

590 Die Kommission könne auch nicht behaupten, bei der Festsetzung der Geldbuße seien mildernde Umstände berücksichtigt worden. Diese Umstände hätten jedenfalls aufgrund der rechtswidrigen Anwendung der Leitlinien keine Berücksichtigung gefunden, da die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße die höchste nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zulässige Geldbuße sei.

591 Die Beklagte trägt vor, die Preisentwicklung auf dem relevanten Markt zwischen 1990 und 1996 sei von ihr gebührend berücksichtigt worden. Auf das Argument, die Gruppe Henss/Isoplus habe das Auseinanderbrechen des dänischen Kartells bewirkt oder sei aufgrund von Druck der Firmen ABB und Løgstør dem Kartell beigetreten, sei bereits an anderer Stelle eingegangen worden. Die Geschäftsbeziehungen zwischen ABB Isolrohr und Henss Rosenheim bedeuteten nicht, dass eine wirtschaftliche Einheit zwischen ABB Isolrohr und Henss/Isoplus bestanden habe. Die Maßnahmen gegen Powerpipe dürften nicht getrennt vom Kartell geprüft werden. Die schwierige finanzielle Situation eines Unternehmens sei nicht als mildernder Umstand bei der Berechnung der Geldbuße anzuerkennen. Im Übrigen zeige der Beschluss HFB u. a./Kommission, dass die in diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen einschließlich des Gutachtens zum Nachweis der schwierigen finanziellen Lage der Klägerinnen nicht ausreichten. Die Beweismittel, die diese Situation zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung schildern sollten, seien unerheblich und verspätet vorgelegt worden. Schließlich sei es nicht möglich, anhand der Leitlinien den genauen Betrag einer Geldbuße zu ermitteln; die Obergrenze von 10 % des Umsatzes beziehe sich jedenfalls auf den Endbetrag der Geldbuße.

Würdigung durch das Gericht

592 Bei der Ermittlung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus zu verhängenden Geldbuße hat die Kommission im Anschluss an ihre Beurteilung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung sowie der erschwerenden Umstände keinen mildernden Umstand herangezogen.

593 Die Preisentwicklung auf dem relevanten Markt im maßgeblichen Zeitraum brauchte die Kommission nicht als einen zur Herabsetzung der Geldbuße führenden mildernden Umstand zu berücksichtigen. Zum einen ergibt sich aus Randnummer 166 Absatz 7 der Entscheidung, dass bei der Festsetzung der Geldbußen im vorliegenden Fall berücksichtigt wurde, dass die Absprachen auf dem deutschen Markt zwischen Ende 1991 und 1993 von beschränkter praktischer Wirkung waren. Zum anderen kann für die Zeit von Ende 1991 bis 1993 der Preisverfall außerhalb Dänemarks und das niedrigere Preisniveau auf dem deutschen gegenüber dem dänischen Markt nicht zu einer Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße führen, da das hohe Preisniveau auf dem dänischen Markt das Ergebnis einer Absprache zwischen den dänischen Herstellern war, von der die Klägerinnen wussten. Das Preisniveau kann umso weniger einen mildernden Umstand darstellen, als die Kommission festgestellt hat, dass die Preise auf dem deutschen Markt ab Ende 1994 erheblich stiegen.

594 Ferner ist oben in den Randnummern 176 und 177 bereits festgestellt worden, dass sich die Klägerinnen nicht auf ihre Rolle beim Zusammenbruch des dänischen Kartells im Jahr 1993 berufen können, da dieser nicht allein auf das Vordringen der Gruppe Henss/Isoplus auf diesen Markt zurückzuführen war. Das Gleiche gilt für die Handelsvertretung von ABB IC Møller, da die Kartellteilnahme der Gruppe Henss/Isoplus weit über ihre Tätigkeit als Vertriebshändler von ABB hinausging. Außerdem kann sich ein Unternehmen, das mit anderen an wettbewerbswidrigen Handlungen teilnimmt, nicht darauf berufen, dies unter dem Zwang der übrigen Teilnehmer getan zu haben, da es den ausgeübten Druck bei den zuständigen Behörden hätte zur Anzeige bringen können (siehe oben, Randnr. 178).

595 Auch das Argument der Klägerinnen, ihr Beitrag zu den Maßnahmen gegen Powerpipe habe nur im Versuch einer Absprache bestanden, ist zurückgewiesen worden (siehe oben, Randnrn. 283 bis 285).

596 Schließlich ist, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Höhe der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße zu deren Insolvenz führen kann und ob die Beweise dafür verspätet vorgelegt wurden, darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, bei der Bemessung der Geldbuße die schlechte Finanzlage eines betroffenen Unternehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (Urteil IAZ u. a./Kommission, Randnrn. 54 und 55; Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-319/94, Fiskeby Board/Kommission, Slg. 1998, II-1331, Randnrn. 75 und 76; Urteil Enso Española/Kommission, Randnr. 316).

597 Da keine Umstände vorliegen, die als mildernde Umstände hätten berücksichtigt werden müssen, können die Klägerinnen nicht behaupten, die Anwendung der Leitlinien im vorliegenden Fall habe verhindert, dass die Heranziehung mildernder Umstände zu einer Herabsetzung der Geldbuße führe, zumal die Leitlinien eine Verringerung der Geldbuße bei Vorliegen mildernder Umstände vorsehen (Absatz 2 und Nr. 3 der Leitlinien).

598 Aus all diesen Gründen ist die vorliegende Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.

7. Zur fehlerhaften Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit

Vorbringen der Parteien

599 Die Klägerinnen tragen vor, sie hätten entgegen den Ausführungen in Randnummer 180 der Entscheidung Anspruch auf eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit.

600 Sie hätten in der ergänzenden Antwort von Isoplus Hohenberg und der gleichzeitigen ebenfalls ergänzenden Antwort der Henss-Gesellschaften ein umfassendes Geständnis abgelegt und ihr eigenes wettbewerbswidriges Verhalten in der Zeit von Ende Oktober 1994 bis Anfang 1996 in vollem Umfang eingeräumt. Darüber hinaus seien der Kommission diverse wichtige Unterlagen zur Verfügung gestellt worden, die vor allem gezeigt hätten, dass wettbewerbswidrige Handlungen auch nach Abschluss der Untersuchung Ende Juni 1995 stattgefunden hätten. Ferner hätten die Klägerinnen der Kommission wichtige, ihr noch nicht zur Verfügung stehende Informationen und Unterlagen über das dänische Kartell in der Zeit von 1989 bis zu dessen Zusammenbruch im Jahr 1993 geliefert. Die Kommission habe sowohl im Rahmen der Anhörung als auch in der Entscheidung eingeräumt, dass diese Informationen und Unterlagen zur Bestätigung des Vorliegens eines Verstoßes beigetragen hätten.

601 Zu den Angaben der Kommission in Randnummer 180 der Entscheidung, dass die Klägerinnen zunächst in ihren Erwiderungen auf das Auskunftsverlangen jegliche Kenntnis von oder Teilnahme an der Zuwiderhandlung bestritten hätten, sei festzustellen, dass sie sich in ihren Antworten im April 1996 grundsätzlich kooperationsbereit erklärt hätten; sie hätten aber auch die schwerwiegenden sowohl straf- als auch zivilrechtlichen Konsequenzen der an die Unternehmen gerichteten Fragen im nationalen Recht dargestellt. Die Unternehmen hätten sich daher insoweit auch auf das Verteidigungsrecht berufen und geltend gemacht, dass im Rahmen von Auskunftsverlangen nicht von ihnen verlangt werden könne, dass sie sich selbst wettbewerbswidriger Handlungen bezichtigten. Zu dieser Zeit hätten die Klägerinnen befürchtet, dass sie unter Umständen, wenn Dritten der Inhalt ihrer Antworten auf die Auskunftsverlangen bekannt werde, von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen würden. Außerdem sei Henss Rosenheim noch Anfang April 1996 von ABB IC Møller mitgeteilt worden, dass sie mit Attacken wirtschaftlicher Art auf dem deutschen Markt zu rechnen habe, und zwar auch für Isoplus-Produkte, wenn gegenüber der Kommission das europaweite Kartell eingeräumt werde. In ihrer Stellungnahme, die die Klägerinnen nach ihrer Besprechung mit der Kommission im September 1996 abgegeben hätten, hätten sie die Gründe für die verspätete Offenlegung eines Wettbewerbsverstoßes von Herbst 1994 bis Anfang 1996 dargetan.

602 Jedenfalls hätten Isoplus Rosenheim und Isoplus Hohenberg bereits in ihren Antworten eingeräumt, dass es Anfang 1995 Gespräche zwischen Anbietern, Herstellern und Lieferanten von vorisolierten Fernwärmerohren über Versuche wettbewerbswidriger Absprachen für den österreichischen Markt gegeben habe. Im Übrigen behaupte die Kommission zu Unrecht, dass die Klägerinnen sie bewusst über ihre Gesellschaftsverhältnisse getäuscht hätten und dass diese Täuschung zu einer niedrigeren Geldbuße hätte führen können.

603 Unter diesen Umständen hätte die Geldbuße der Klägerinnen gemäß Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt werden müssen. Wie sich aus den in Punkt 2 von Abschnitt D aufgezählten Beispielen ergebe, sei die Zusammenarbeit eines Unternehmens mit der Kommission in diesem Abschnitt im Wesentlichen im Sinne des Eingeständnisses von Tatsachen oder der Zurverfügungstellung von Informationen Dritter zu verstehen, die das Verfahren beschleunigten. Es müsse sich somit nicht um gänzlich neue Fakten handeln, sondern es reichten Unterlagen, die der Kommission den Nachweis eines Verstoßes erleichterten und dadurch einen Beitrag dazu leisteten. In diesem Zusammenhang habe die Kommission Pan-Isovit für deren Teilgeständnis einen Nachlass von 20 % gewährt.

604 Selbst wenn das Gericht diese Ansicht zur Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht teilen sollte, hätte das Verhalten der Klägerinnen jedenfalls bei der Bemessung der Geldbuße als mildernder Umstand gewertet werden müssen. Bereits vor der Mitteilung über Zusammenarbeit hätten die Gemeinschaftsgerichte erklärt, dass eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt sei, wenn das Verhalten des Unternehmens es der Kommission ermögliche, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden. In ihren Leitlinien erkenne die Kommission unter Nummer 3 auch an, dass das Eingeständnis von Tatsachen oder eine Kooperation ein mildernder Umstand sein müsse, da die "aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]" ausdrücklich als solcher Umstand genannt werde.

605 Die Beklagte stellt zu den Geständnissen der Klägerinnen fest, dass die meisten Antworten auf ihre Auskunftsverlangen im Juni 1996 vorgelegen hätten, so dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits über die wesentlichen Informationen über das Kartell verfügt habe. Die Henss/Isoplus-Gesellschaften hätten erst im Oktober gewisse Anhaltspunkte geliefert, nachdem sie gewusst hätten, dass das Kartell für die Zeit ab 1994 nicht mehr zu bestreiten sei. Allein aus diesem Grund wäre es gerechtfertigt gewesen, eine geringere Ermäßigung als anderen Unternehmen zu gewähren, selbst wenn wichtige Beweise geliefert worden wären.

606 Es sei richtig, dass die Gruppe Henss/Isoplus ab Oktober 1996 einige das vorhandene Beweismaterial ergänzende Informationen gegeben habe, was unter normalen Umständen zu einer gewissen Ermäßigung der Geldbuße hätte führen können. Die Gruppe habe aber durch bewusste Täuschung der Kommission die Aufklärung des Sachverhalts wesentlich erschwert. Wäre die Kommission nicht zufällig auf den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 gestoßen, so wäre die Geldbuße zu niedrig ausgefallen. Dieses Täuschungsmanöver habe auch nichts mit der Wahrnehmung von Verteidigungsrechten zu tun gehabt.

Würdigung durch das Gericht

607 Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit festgelegt, unter welchen Voraussetzungen gegen Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, keine oder niedrigere Geldbußen festgesetzt werden können (vgl. Abschnitt A 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit).

608 In Abschnitt E 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit heißt es, diese habe berechtigte Erwartungen geweckt, auf die sich die Unternehmen, die der Kommission ein Kartell melden wollten, berufen würden. Angesichts des berechtigten Vertrauens, das die zur Zusammenarbeit mit der Kommission bereiten Unternehmen aus dieser Mitteilung ableiten konnten, war die Kommission daher verpflichtet, sich bei der Beurteilung der Kooperation der Klägerinnen im Rahmen der Bemessung ihrer Geldbuße an die Mitteilung zu halten.

609 Im Übrigen wird in den Leitlinien, soweit sie die Berücksichtigung der aktiven Mitwirkung eines Unternehmens am Verfahren als mildernden Umstand vorsehen, von Fällen gesprochen, die "außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]" liegen (Nr. 3, sechster Gedankenstrich, der Leitlinien). Im vorliegenden Fall steht die Anwendbarkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit aber außer Frage, denn nach Abschnitt A 1 Absatz 1 gilt sie für geheime Absprachen über die Festsetzung von Preisen und Produktions- oder Absatzquoten, die Aufteilung der Märkte oder das Verbot der Ein- oder Ausfuhr.

610 Folglich können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, den Umfang ihrer Zusammenarbeit nicht außerhalb des rechtlichen Rahmens der Mitteilung über Zusammenarbeit als mildernden Umstand berücksichtigt zu haben.

611 In Bezug auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf den Fall der Klägerinnen steht fest, dass dieser weder in den Anwendungsbereich von Abschnitt B der Mitteilung fällt, der Fälle betrifft, in denen ein Unternehmen der Kommission eine geheime Absprache anzeigt, bevor diese eine Nachprüfung vorgenommen hat (und in denen die Geldbuße um mindestens 75 % herabgesetzt werden kann), noch in den Anwendungsbereich von Abschnitt C der Mitteilung, der sich auf ein Unternehmen bezieht, das eine geheime Absprache anzeigt, nachdem die Kommission eine Nachprüfung vorgenommen hat, die keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hat (dann kann die Geldbuße um 50 % bis 75 % herabgesetzt werden).

612 Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit sieht Folgendes vor: "Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle [in den Abschnitten B und C genannten] Voraussetzungen erfuellt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt." Weiter heißt es dort:

"Dies gilt insbesondere, wenn

- ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

- ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet."

613 In diesem Zusammenhang kann weder die Antwort der Henss-Gesellschaften noch die mit Schreiben vom 11. Juni 1996 bestätigte Antwort von Isoplus Hohenberg als Zusammenarbeit mit der Kommission angesehen werden, da diese Unternehmen sich darauf beschränkten, auf versuchte Absprachen ab 1994 hinzuweisen, die nicht zu einem Kartell geführt haben sollten.

614 Zu der von den Klägerinnen insoweit abgegebenen Erklärung, dass das Eingeständnis wettbewerbswidrigen Verhaltens ihre Geschäftsbeziehungen hätte beeinträchtigen können, ist festzustellen, dass dies eine zwangsläufige Folge der Entdeckung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ist und im Übrigen auch für ihre Konkurrenten galt, die gleichwohl von Anfang an bestimmte wettbewerbswidrige Tätigkeiten eingeräumt haben.

615 Soweit Henss Rosenheim, Henss Berlin und Isoplus Hohenberg in ihren ergänzenden Antworten wettbewerbswidrige Tätigkeiten eingeräumt haben, betraf dies - abgesehen von der Existenz des dänischen Kartells, an dem sie nach eigenen Angaben nicht teilnahmen - ihre Beteiligung am europaweiten Kartell von Ende 1994 bis Ende 1995 oder Anfang 1996. Die Henss-Gesellschaften vertraten, auch wenn sie in ihrer ergänzenden Antwort zugaben, am europaweiten Kartell beteiligt gewesen zu sein, sodann in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte den Standpunkt, dass ihre Beteiligung an diesem Kartell ihnen nicht als Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 EG-Vertrag zur Last gelegt werden könne, da sie nur als Handelsvertreter tätig geworden seien. Entgegen der Behauptung der Klägerinnen beschränkte sich dieser auf der Eigenschaft der Henss-Gesellschaften als Handelsvertreter beruhende Standpunkt in der Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht auf die Zeit bis Oktober 1994.

616 Es trifft zu, dass Henss Rosenheim und Henss Berlin mit ihrer ergänzenden Antwort einige relevante Dokumente lieferten, die insbesondere den Beginn des dänischen Kartells im Jahr 1990 betrafen, und die Kommission über Handlungen informierten, die ab 1989 stattgefunden hatten, sowie über die Fortführung des Kartells Ende 1995 oder Anfang 1996 nach Abschluss der Untersuchungen. Die meisten dieser Dokumente wurden auch der ergänzenden Antwort von Isoplus Hohenberg beigefügt, in der ebenfalls auf die Fortführung des Kartells nach Abschluss der Untersuchungen eingegangen wurde. Die Kommission verfügte jedoch zu dieser Zeit hinsichtlich des Beginns des dänischen Kartells im Jahr 1989 oder 1990 über schriftliche Beweise, die Tarco mit ihrer Antwort vom 26. April 1996 übermittelt hatte, sowie über einige Informationen, die ABB in ihrer Antwort gegeben hatte. Hinsichtlich der Fortführung des Kartells nach Abschluss der Untersuchungen hatten ihr Løgstør in ihrer Antwort vom 25. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 und danach ABB in ihrer Antwort und eingehender in ihrer ergänzenden Antwort vom 13. August 1996 Informationen geliefert.

617 Die Klägerinnen haben der Kommission somit vor Übersendung der Beschwerdepunkte Beweismittel geliefert, die zur Feststellung des Vorliegens der fraglichen Zuwiderhandlung beitrugen, da sie die Beweise bestätigten, die die Kommission von anderen in das Verwaltungsverfahren einbezogenen Unternehmen erhalten hatte. Ferner haben sie den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Vorwürfe stützte, teilweise eingeräumt.

618 Gleichwohl ist festzustellen, dass die Klägerinnen in diesem Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse bei den Henss- und Isoplus-Gesellschaften unvollständige und teilweise unzutreffende Auskünfte gegeben haben und damit bewusst Informationen verschwiegen haben, von denen sie wussten, dass die Kommission sie zur Beurteilung der tatsächlichen Beziehungen zwischen den von ihr zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Unternehmen benötigte. Die tatsächlichen Verflechtungen zwischen den zu dieser Gruppe gehörenden Gesellschaften konnten erst ermittelt werden, nachdem die deutschen Wettbewerbsbehörden in einem deutschen Handelsregister den Einbringungsvertrag vom 15. Januar 1997 entdeckt hatten.

619 Unter diesen Umständen ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass die Geldbuße der Gruppe Henss/Isoplus nicht gemäß Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen war.

620 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des fraglichen Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und diese gegebenenfalls zu beenden (Urteile vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, Randnr. 36, vom 10. März 1992, ICI/Kommission, Randnr. 393, Gruber + Weber/Kommission, Randnr. 271, und BPB de Eendracht/Kommission, Randnr. 325).

621 Zudem ist der Begriff der Zusammenarbeit in Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit im Licht der vorhergehenden Bestimmungen zu sehen, wonach die Gemeinschaft ein Interesse daran hat, Unternehmen, die unter den in dieser Mitteilung genannten Voraussetzungen mit der Kommission zusammenarbeiten, Rechtsvorteile zu gewähren, da das Interesse der Verbraucher und Bürger an der Aufdeckung und Untersagung von Kartellen das Interesse an der Auferlegung von Geldbußen gegenüber Unternehmen überwiegt, die mit der Kommission zusammenarbeiten und es ihr auf diese Weise ermöglichen oder ihr dabei helfen, ein Kartell aufzudecken und zu untersagen (Abschnitt A 4 der Mitteilung über Zusammenarbeit).

622 In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Klägerinnen einerseits einen Beitrag zur Untersuchung der Kommission geleistet haben, der für die Entdeckung und Untersagung der den Gegenstand ihres Beitrags bildenden Aspekte der Zuwiderhandlung nicht entscheidend war, und andererseits die gleiche Untersuchung durch unzutreffende Informationen bewusst behindert haben, kann der Beitrag des Unternehmens aber nicht als eine zur Herabsetzung der Geldbuße führende Zusammenarbeit im Sinne von Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit angesehen werden.

623 Nach alledem greift die Rüge einer fehlerhaften Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht durch.

E - Fünfter Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

624 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe die Begründungspflicht aus Artikel 190 EG-Vertrag verletzt, da in der Entscheidung nicht erläutert werde, inwiefern sie bereits vor Oktober 1994 an kartellwidrigen Absprachen im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag teilgenommen haben sollten. Der in der Entscheidung enthaltene Hinweis darauf, dass dies durch Unterlagen belegt werde, ohne diese auch nur annähernd anzugeben, reiche insbesondere deshalb nicht aus, weil die Kommission verschiedene zugunsten der Klägerinnen sprechende Argumente und Umstände pauschal verworfen habe. Außerdem enthalte die Entscheidung keine rechtliche Begründung in Bezug auf die Haftung von Isoplus Hohenberg für eine wettbewerbswidrige Praxis vor Oktober 1994.

625 Sodann habe die Kommission nicht begründet, wie sie den Gesamtumsatz der Gruppe Henss/Isoplus im letzten Geschäftsjahr bei der Bemessung der Obergrenze der Geldbuße ermittelt habe. In Randnummer 179 der Entscheidung werde lediglich ausgeführt, dass der Gesamtumsatz im Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung herangezogen werde und dass die Geldbußen 10 % dieses Umsatzes nicht übersteigen dürften, so dass gegen die Gruppe Henss/Isoplus eine Geldbuße von 4 950 000 ECU festzusetzen sei. Dies ergebe demnach einen Gesamtumsatz der Gruppe Henss/Isoplus von 49 500 000 ECU. Es könne nicht nachvollzogen werden, wie die Kommission auf diesen Betrag komme und insbesondere, welche Umsatzzahlen sie zugrunde gelegt und welche internen Umsätze sie herausgerechnet habe. Auch unter Wahrung des Geschäftsgeheimnisses wäre es der Kommission möglich gewesen, zumindest die Grundsätze der Ermittlung des Gesamtumsatzes anzugeben. In der Entscheidung finde sich auch nichts zur Behauptung der Kommission, dass sie bei der Ermittlung der Umsätze der Gruppe Henss/Isoplus nur die Umsätze von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen herangezogen habe. Auch der im Rahmen der Ermittlung des konsolidierten Umsatzes dieser Klägerinnen angewandte Umrechnungskurs sei der Entscheidung nicht zu entnehmen.

626 Die Beklagte trägt vor, die Beteiligung der Klägerinnen an Zuwiderhandlungen vor 1994 ergebe sich aus den Randnummern 41 bis 61 und 135 bis 142 der Entscheidung.

627 Es treffe nicht zu, dass sie in der Entscheidung nicht angegeben habe, dass nur die Umsätze von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen in die Berechnung der Geldbuße eingegangen seien. Aus den Randnummern 167 und 179 der Entscheidung gehe klar hervor, dass die Geldbuße auf 10 % des Gesamtumsatzes begrenzt worden sei, der demnach das Zehnfache von 4 950 000 ECU habe betragen müssen. Aus den Randnummern 157 bis 160 der Entscheidung gehe weiter hervor, dass die Kommission in diesem Zusammenhang keine anderen als die dort genannten Gesellschaften berücksichtigt habe. Da die Kommission weder für die HFB GmbH noch für die HFB KG Umsatzzahlen erfragt habe und die Klägerinnen auch keine derartigen Zahlen geliefert hätten, habe sich die in Randnummer 179 der Entscheidung genannte Zahl nur auf die Umsätze von Isoplus Rosenheim, Isoplus Hohenberg und Isoplus Sondershausen beziehen können. Aus der Klageschrift ergebe sich im Übrigen, dass die Klägerinnen dies auch erkannt hätten.

Würdigung durch das Gericht

628 Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 190 EG-Vertrag genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63).

629 Die Kommission hat in der Entscheidung klar dargelegt, aus welchen Gründen die Gruppe Henss/Isoplus ihres Erachtens gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstieß, als sie zwischen Oktober 1991 und März/April 1996 an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen mitwirkte.

630 Zur Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung vor Oktober 1994 genügt die Feststellung, dass die relevanten Gesichtspunkte für den Beitritt der zur Gruppe Henss/Isoplus gehörenden Gesellschaften zu dem Kartell, das vom dänischen auf den deutschen Markt ausgedehnt wurde, in den Randnummern 41 bis 52 und 135 bis 138 der Entscheidung genannt sind, in denen für den fraglichen Zeitraum die Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an den Treffen des Geschäftsführer-Clubs und die von der Kommission daraus gezogenen Schlüsse dargestellt sind.

631 Zur Rolle von Isoplus Hohenberg hat die Kommission in Randnummer 157 der Entscheidung die Gründe genannt, aus denen die Henss- und Isoplus-Unternehmen ihres Erachtens faktisch als Konzern handelten, in dem die Henss-Gesellschaften als Handelsvertreter der Isoplus-Gesellschaften in Deutschland tätig waren. Es besteht somit kein Zweifel daran, dass die Ausführungen zur Beteiligung der Gruppe Henss/Isoplus an der Ausdehnung des Kartells auf den deutschen Markt vor Oktober 1994 auch für Isoplus Hohenberg gelten.

632 Zur Berechnung der Geldbuße ist darauf hinzuweisen, dass bei der Ermittlung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere berücksichtigt werden muss, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).

633 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in ihrer Entscheidung zunächst allgemeine Feststellungen zur Schwere der Zuwiderhandlung getroffen (Randnrn. 164 bis 166). Hinsichtlich der gegen die Klägerinnen festzusetzenden Geldbuße führt sie sodann aus, bei der Gruppe Henss/Isoplus sowie bei Tarco, Dansk Rørindustri und Pan-Isovit müsse der Ausgangspunkt für die Ermittlung der Geldbuße angesichts ihrer Bedeutung auf dem Markt und der Auswirkung ihres Verhaltens auf den Wettbewerb bei 5 Millionen ECU liegen (Randnr. 178 Absatz 1 der Entscheidung). Anschließend nennt sie die Gesichtspunkte für die Gewichtung der gegen die Gruppe Henss/Isoplus festzusetzenden Geldbuße anhand der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 178 Absätze 2 und 3 der Entscheidung). Weiter führt sie in Bezug auf die Gruppe Henss/Isoplus aus, dass sie bestimmte erschwerende Umstände berücksichtigt habe und dass es keine mildernden Umstände gebe (Randnr. 179 Absätze 1 bis 5 der Entscheidung). Sie fügt hinzu, da die eigentlich angemessenen Geldbußen den Hoechstbetrag von 10 % des Gesamtumsatzes in dem dem Erlass der Entscheidung vorangehenden Geschäftsjahr übersteigen würden, würden die Geldbußen so festgesetzt, dass sie die zulässige Hoechstgrenze nicht überstiegen, nämlich auf 4 950 000 ECU für Henss/Isoplus (Randnr. 179 Absätze 7 und 8 der Entscheidung). Schließlich nennt sie die Gründe, aus denen die Geldbuße der Gruppe Henss/Isoplus nicht gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt werden könne (Randnr. 180 Absatz 4 der Entscheidung).

634 Bei einer Auslegung der Entscheidung im Licht des jedem Adressaten zur Last gelegten Sachverhalts enthalten ihre Randnummern 178 bis 180 ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten, die bei der Beurteilung von Schwere und Dauer der von der Gruppe Henss/Isoplus begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-248/98 P, KNP BT/Kommission, Slg. 2000, I-9641, Randnr. 42).

635 Die Klägerinnen können sich nicht darauf berufen, dass die Kommission im Vorverfahren die Rechenvorgänge bei der Ermittlung der Geldbuße angegeben und insbesondere mitgeteilt hat, dass die internen Umsätze bei der Berechnung des Gesamtumsatzes der zur Gruppe Henss/Isoplus gezählten Gesellschaften weggelassen wurden und welcher Satz bei der Umrechnung der in Landeswährung angegebenen Zahlen in Ecu zur Anwendung kam.

636 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Tatsache, dass die Kommission im Lauf des Verfahrens Zahlenangaben über die Berechnung der Geldbußen macht, die Feststellung, dass die Entscheidung eine ausreichende und sachgerechte Begründung der heranzuziehenden Faktoren enthält, nicht in Frage stellen, da diese Angaben nur die zahlenmäßige Umsetzung der in der Entscheidung genannten Kriterien darstellen, sofern diese selbst quantifizierbar sind (Urteil KNP BT/Kommission, Randnr. 29).

637 Im Übrigen ergibt sich aus Randnummer 179 der Entscheidung, dass die Kommission bei der Ermittlung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Obergrenze der Geldbuße von einem Umsatz von 49 500 000 ECU ausgegangen ist. Angesichts der Informationen, die den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren hierzu übermittelt wurden, konnten sie die von der Kommission angestellte Berechnung nachvollziehen.

638 Folglich ist der Klagegrund einer unzureichenden Begründung zurückzuweisen.

V - Ergebnis

639 Nach alledem sind die Artikel 3 Buchstabe d und 5 Buchstabe d der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die HFB GmbH und die HFB KG betreffen. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

640 Nach Artikel 87 § 3 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da der Klage nur zum Teil stattgegeben wurde, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, den Klägerinnen ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung sowie 80 % der Kosten der Kommission, die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung eingeschlossen, und der Kommission 20 % ihrer eigenen Kosten, die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung eingeschlossen, aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Artikel 3 Buchstabe d und 5 Buchstabe d der Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) werden in Bezug auf die HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG und die HFB Holding für Fernwärmetechnik Beteiligungsgesellschaft mbH, Verwaltungsgesellschaft, für nichtig erklärt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung und 80 % der Kosten der Kommission, die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung eingeschlossen.

4. Die Kommission trägt 20 % ihrer eigenen Kosten, die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung eingeschlossen.

Ende der Entscheidung

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