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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 28.09.1995
Aktenzeichen: T-95/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 93 Absatz 2
EG-Vertrag Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Begründung einer Entscheidung, mit der die Kommission eine Beschwerde wegen Gewährung einer staatlichen Beihilfe an ein Unternehmen deshalb zurückweist, weil die gerügten Maßnahmen keine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 des Vertrages seien, muß die für die Verneinung des Beihilfecharakters maßgebenden Überlegungen der Kommission so klar und unzweideutig wiedergeben, daß es dem Beschwerdeführer möglich ist, zur Wahrnehmung seiner Rechte die tragenden Gründe für die Zurückweisung der Beschwerde zu erfahren, und daß das Gericht überprüfen kann, wie die Kommission den Begriff der staatlichen Beihilfe gemäß Artikel 92 im gegebenen Fall ausgelegt und angewendet hat.

Eine Entscheidung, die nach einem besonders langen Prüfungsverfahren im Zusammenhang mit einer Beschwerde ergeht, die zunächst als schlüssig angesehen worden war, genügt dieser Begründungspflicht nicht, wenn ein Beschwerdepunkt nicht, und sei es nur unter Hinweis auf den Grundsatz "minima non curat prätor", erörtert wird, wenn unterschiedliche Sozialkosten des nach Ansicht des Beschwerdeführers subventionierten Unternehmens und der Konkurrenzunternehmen festgestellt werden, aber keine Erläuterung gegeben wird, warum dies keine Beihilfe darstelle, wenn ° trotz entsprechender Rügen in der Beschwerde ° keine Prüfung erfolgt, ob das betroffene Unternehmen möglicherweise bei der Überlassung von Mieträumen vom Staat bevorteilt wurde und ob die zwischen Staat und Unternehmen ausgetauschten Leistungen zu Marktpreisen berechnet wurden, und wenn schließlich der Beihilfecharakter eines staatlichen Darlehens nur unter Hinweis auf dessen Verzinslichkeit und ohne Untersuchung der Frage verneint wird, ob nicht in der Höhe des Zinssatzes ein Vorteil für das Unternehmen lag.

Derartige Begründungsmängel können nicht mit angeblichen Defiziten des Sachvortrags in der Beschwerde gerechtfertigt werden. Denn es ist für den Beschwerdeführer wesentlich schwieriger als für die Kommission, die Informationen und Angaben zusammenzutragen, deren es bedarf, um die Stichhaltigkeit einer schlüssig erscheinenden Beschwerde zu belegen. Während sich der Beschwerdeführer regelmässig einer Obstruktionshaltung der von ihm eines Rechtsverstosses verdächtigten Verwaltung gegenübersieht, verfügt die Kommission über wirksamere und geeignetere Mittel, um die für eine sorgfältige und unvoreingenommene Prüfung der Beschwerde erforderlichen Informationen zu sammeln. Beschließt sie, die Beschwerde zurückzuweisen, ohne dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, sich vor Erlaß der endgültigen Entscheidung zu den Ermittlungsergebnissen ihrer Untersuchung zu äussern, so hat sie auch die Rügen zu prüfen, die der Beschwerdeführer mit Sicherheit erhoben hätte, wenn ihm diese Ergebnisse bekanntgeworden wären.

2. Die Verpflichtung der Kommission zur Begründung einer Entscheidung, mit der sie eine Beschwerde, die gegen die angebliche Gewährung einer Beihilfe durch einen Mitgliedstaat an ein Unternehmen gerichtet ist, wegen fehlenden Beihilfecharakters der vom Beschwerdeführer gerügten Maßnahmen im Sinne von Artikel 92 des Vertrages zurückweist, kann unter bestimmten Umständen eine Anhörung des Beschwerdeführers erforderlich machen, wenn die Kommission dessen Stellungnahme zu den Tatsachen, die sie in ihrer Untersuchung ermittelt hat, kennen muß, um ihre Beurteilung der beanstandeten Maßnahmen rechtlich hinreichend zu begründen. Diese Verpflichtung stellt unter solchen Umständen eine notwendige Erweiterung der Verpflichtung der Kommission dar, die Angelegenheit unter Einholung aller erforderlichen Stellungnahmen sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen; ihre Entscheidung, ob sie das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einleitet, bleibt dadurch unberührt.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE ERWEITERTE KAMMER) VOM 28. SEPTEMBER 1995. - CHAMBRE SYNDICALE NATIONALE DES ENTREPRISES DE TRANSPORT DE FONDS ET VALEURS UND BRINK'S FRANCE SARL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - BESCHWERDE EINES WETTBEWERBERS - NICHTEROEFFNUNG DES PRUEFUNGSVERFAHRENS - RECHTE DER VERTEIDIGUNG - NICHTIGKEITSKLAGE. - RECHTSSACHE T-95/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die französische Post (im folgenden: Post) führte den Transport ihrer Gelder und Wertsachen bis 1987 mittels ihrer eigenen Dienststellen durch. Im Jahr 1986 beschloß sie, eine Reihe ihrer Tätigkeiten durch Einschaltung kommerzieller Gesellschaften auszuüben. Demgemäß wurde am 16. Dezember 1986 die Société holding des filiales de la poste (im folgenden: Sofipost) gegründet, die zu 99 % vom französischen Staat kontrolliert wird.

2 Am 16. April 1987 gründete Sofipost die Sécuripost SA (im folgenden: Sécuripost), die sie zu 99,92 % kontrolliert. Der Zweck dieser Gesellschaft ist die Übernahme von Sicherheitswerttransporten und von Aufgaben der Bewachung, des Schutzes und der Überwachung. Die Post ordnete mehr als 200 Beamten an Sécuripost ab.

3 Mit privatrechtlicher Vereinbarung vom 28. September 1987 übertrug die Post an Sécuripost die zuvor von ihr selbst erledigten Aufgaben in den genannten Bereichen. Das Unternehmen sollte seinen Kunden- und Tätigkeitskreis sodann ausweiten.

4 Am 30. September 1987 wurde zwischen dem Minister für Post und Telekommunikation und Sécuripost ein Rahmenvertrag geschlossen.

5 Sofipost gewährte Sécuripost Ende 1987 einen Vorschuß in Höhe von 5 000 000 FF. Dieses Vorschußdarlehen wurde im ersten Quartal 1988 in das Kapital eingebracht.

6 Am 1. Januar 1988 nahm Sofipost eine Erhöhung des Kapitals von Sécuripost vor, die zum einen aus der Einlage des Nettoschätzwerts des in eine Tochtergesellschaft umgewandelten Geschäftsbereichs der Post-Werttransporte in Höhe von 19 225 000 FF und zum anderen aus einer Geldeinlage in Höhe von 9 775 000 FF bestand.

7 Im Laufe des Jahres 1989 stellte Sofipost Sécuripost ein weiteres Vorschußdarlehen in Höhe von 15 000 000 FF zur Verfügung, das zu einem Zinssatz in Höhe des Leitzinssatzes zuzueglich 0,5 % gewährt worden sein soll.

8 Am 4. September 1989 stellten mehrere Gesellschaften und Vereinigungen des französischen Rechts, darunter die Klägerinnen, bei der Kommission zwei Anträge auf Einleitung eines Verfahrens; einer der Anträge war auf Artikel 90 in Verbindung mit den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag gestützt und der andere richtete sich auf die Feststellung eines Verstosses gegen die Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag. Die vorliegende Klage betrifft nur den letztgenannten Antrag.

9 Auf diese Beschwerde hin forderte die Kommission die französische Regierung mit Schreiben vom 14. März 1990 zur Stellungnahme auf.

10 Die französische Regierung antwortete mit Schreiben vom 3. Mai 1990.

11 Am 28. Juni 1991 teilte die Kommission den Klägerinnen mit, daß ihre Beschwerde "eine Reihe wichtiger Grundsatzfragen aufwirft, die im vorliegenden Fall eine eingehende Prüfung durch die zuständigen Dienststellen der Kommission erforderlich machen".

12 Am 9. Oktober 1991 führte die Kommission gegenüber den Klägerinnen weiter aus, daß ihre Angelegenheit "besonders komplex erscheint und im Hinblick auf die umfangreichen Unterlagen, die sowohl von den Beschwerdeführerinnen als auch von den französischen Behörden vorgelegt wurden, zahlreiche Untersuchungen technischer Art erforderlich macht... Wenn der Abschluß der Prüfung nicht in der im Schreiben vom 28. Juni 1991 angegebenen Frist möglich war, so hat dies seinen Grund in der Komplexität der Angelegenheit und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, zu einer allen betroffenen Interessen Rechnung tragenden Entscheidung zu gelangen".

13 Am 5. Februar 1992 erließ die Kommission eine Entscheidung, mit der die Beschwerde der Klägerinnen zurückgewiesen wurde. Sie machte darin insbesondere folgende Ausführungen:

"Die Kommission ist sich des Umstands bewusst, daß durch die Übertragung von Tätigkeiten eines öffentlichen Unternehmens wie der französischen Post auf eine Tochtergesellschaft Beihilfetatbestände im Sinne des Vertrages verschleiert werden können. Wir sind deshalb während der gesamten Prüfung der Akten als Leitkriterium von einem Vergleich des Verhaltens, das dem französischen Staat und Sécuripost zur Last gelegt wird, mit der zu vermutenden Haltung eines Privatunternehmers unter entsprechenden Umständen ausgegangen. Danach ergibt sich aus den Akten nach jetzigem Stand, daß zwar Sécuripost bei ihrer Gründung und Markteinführung unzweifelhaft seitens des Mutterhauses und staatlicherseits Unterstützung erhalten hat, daß aber auf das Vorliegen staatlicher Beihilfen im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages nicht geschlossen werden kann. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß die Umstände, aufgrund deren bei erster Prüfung das Vorliegen unter Artikel 92 Absatz 1 fallender Beihilfen anzunehmen war, von den französischen Behörden ° unter Angebot entsprechenden Beweismaterials im Bedarfsfall ° formell in Abrede gestellt worden sind. Auf der Grundlage der der Kommission vorliegenden Erkenntnisse ist unter diesen Umständen eindeutig festzustellen, daß der der Errichtung von Sécuripost zugrunde liegende Geschäftsvorgang vergleichbar ist mit der Reorganisation, die ein Unternehmen vornimmt, das sich zwecks gesonderter Führung eines Geschäftsbereichs zur Schaffung einer Tochtergesellschaft entschließt."

14 Am 13. April 1992 erhoben die Klägerinnen gegen diese Entscheidung eine Nichtigkeitsklage beim Gerichtshof.

15 Am 22. Juni 1992 widerrief die Kommission ihre Entscheidung vom 5. Februar 1992; die von den Klägerinnen erhobene Klage wurde nach ihrer Rücknahme am 14. September 1992 gestrichen.

16 Am 24. Juli 1992 ergänzten die Klägerinnen ihre bei der Kommission eingereichte Beschwerde.

17 Am 21. Januar 1993 teilte die Kommission den Beschwerdeführerinnen mit, daß sie die Maßnahmen der französischen Regierung gegenüber Sécuripost unter der Nummer NN 5/93 in das Verzeichnis der nicht angemeldeten Beihilfen aufgenommen habe.

18 Am 26. März 1993 ermächtigte die französische Regierung Sofipost, das Eigentum von Sécuripost zu privatisieren.

19 Am 22. April 1993 reichten die Klägerinnen eine weitere Ergänzung der Beschwerde ein.

20 Am 5. Mai 1993 unterrichtete die Kommission die Klägerinnen, daß sie die Untersuchung der Angelegenheit in zwei Teile, den vor der Privatisierung und den danach liegenden, aufgeteilt habe.

21 Am 11. Oktober 1993 forderten die Klägerinnen die Kommission gemäß Artikel 175 EWG-Vertrag auf, auf ihre am 4. September 1989 eingereichte Beschwerde hin eine Entscheidung zu erlassen.

22 Am 31. Dezember 1993 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung, mit der der Antrag der Klägerinnen auf Feststellung, daß die Französische Republik durch die Gewährung von Beihilfen an Sécuripost gegen die Artikel 92 und 93 des Vertrages verstossen hat, zurückgewiesen wurde.

23 Daraufhin haben die Klägerinnen mit Klageschrift, die am 2. März 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

24 Mit bei der Kanzlei des Gerichts am 11. Juli 1994 eingegangenem Schreiben hat die Französische Republik ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.

25 Mit Beschluß vom 15. September 1994 hat der Präsident der Vierten erweiterten Kammer des Gerichts diesem Antrag auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission stattgegeben.

26 Das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

27 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 22. September 1994 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

28 Die Klägerinnen beantragen,

° die Entscheidung der Kommission vom 31. Dezember 1993 mit allen Rechtsfolgen für nichtig zu erklären;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

29 Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

30 Die französische Regierung beantragt,

° die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

31 Die Klägerinnen machen zur Begründung ihrer Klage vier Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund rügen sie, die Kommission habe gegen Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag verstossen, indem sie, in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falls zu Unrecht, von der Einleitung des in dieser Bestimmung geregelten Verfahrens abgesehen habe. Mit dem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, da die Kommission in ihrer ° die Klägerinnen beschwerenden ° Entscheidung Unterlagen, wie etwa die Stellungnahme der französischen Regierung, verwertet habe, die ihnen nicht übermittelt worden seien. Mit dem dritten Klagegrund wird geltend gemacht, die Kommission habe gegen Artikel 190 EG-Vertrag verstossen, indem sie in der angefochtenen Entscheidung eine Erörterung der Rügen versäumt habe, die die Klägerinnen in ihrer Beschwerde zu jenen Beihilfen vorgetragen hätten, die in der Abordnung von Verwaltungspersonal der Post an Sécuripost, in der Überlassung von Räumen der Post an Sécuripost, in der Kraftstoffversorgung und in der Wartung von Fahrzeugen zu unverhältnismässig günstigen Bedingungen und in dem Darlehen in Höhe von 15 000 000 FF, das Sofipost Sécuripost zu einem Vorzugszins gewährt habe, bestuenden. Mit dem vierten Klagegrund wird gerügt, die Entscheidung enthalte offensichtliche Beurteilungsfehler im Zusammenhang mit der Erhöhung des Kapitals von Sécuripost um 9 775 000 FF, mit den Vorschüssen für Aufträge, die die Post Sécuripost erteilt habe, und mit den ungewöhnlichen Tarife und Garantien, die von der Post gewährt worden seien.

32 Angesichts der Aktenlage ist die Prüfung auf den dritten und den vierten Klagegrund, die einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zum Gegenstand haben und gemeinsam zu behandeln sind, zu konzentrieren.

Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler gerügt werden

Vorbringen der Parteien

° Zum Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

33 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe ihre Begründungspflicht nach Artikel 190 des Vertrages verletzt, indem sie die für sie maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen nicht klar und kohärent dargelegt habe, so daß die Betroffenen und das Gericht nicht wissen könnten, welche Gesichtspunkte für die Überlegungen der Kommission wesentlich gewesen seien, und daher nicht beurteilen könnten, ob die Entscheidung sachgerecht sei. Der Umfang der Pflicht zur Begründung von Entscheidungen richte sich danach, in welchem Zusammenhang diese stuenden und was im Verwaltungsverfahren von den Beteiligten vorgetragen worden sei (vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Lenz zum Urteil vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 62/87 und 72/87, Exécutif régional wallon et Glaverbel/Kommission, Slg. 1988, 1573, 1581). Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung in vier wesentlichen Punkten nicht hinreichend begründet.

34 Erstens habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang mit der Beihilfe, die sich aus der Abordnung von Verwaltungspersonal an Sécuripost ergebe, nur den unmittelbaren finanziellen Vorteil in bezug auf die Besoldung und die Sozialabgaben geprüft, obgleich die Beschwerdeführerinnen in ihrer zusammenfassenden Stellungnahme vom 24. Juli 1992 auch den besonderen Vorteil gerügt hätten, der darin bestehe, daß die abgeordneten Beamten, wenn in dem Unternehmen, an das sie abgeordnet seien, ein Personalabbau erforderlich werde, jederzeit wieder ihrer Stammverwaltung zugewiesen werden könnten und in diesem Fall weder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung noch eine Abfindung wegen Kündigung oder Entlassung zu zahlen seien.

35 Zweitens machen die Klägerinnen geltend, daß die Kommission die Zurückweisung ihrer Beschwerde im Hinblick auf die Überlassung von Räumen an Sécuripost zu unverhältnismässig günstigen Bedingungen rechtlich nicht hinreichend begründet habe. Nach Darstellung der Post seien diese Räume "gemäß den Bestimmungen des Code des domaines de l' État [Vorschriften über die staatlichen Liegenschaften] aufgrund einer widerruflichen Nutzungsvereinbarung" an das Unternehmen Sécuripost vermietet worden. Diese Mietpreise seien vom Liegenschaftsdienst "unter Zugrundelegung der ortsüblichen Mieten für Räume mit gleicher Nutzungsart" festgesetzt worden. Die Entscheidung, so die Klägerinnen, enthalte jedoch keine Angaben über die Höhe der vereinbarten Mieten, obwohl die vom Liegenschaftsdienst festgesetzten Mieten erheblich niedriger seien als die für Konkurrenzunternehmen zur Verfügung stehenden Geschäftsräume; dies stelle eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 EG-Vertrag dar.

36 Drittens hätten sie in ihrer Beschwerde gerügt, daß für die Kraftstoffversorgung der Fahrzeuge von Sécuripost mit Benzingutscheinen der Post bezahlt und der Sécuripost dadurch ein wegen der Steuerbefreiung um 50 Centimes pro Liter niedrigerer Preis zugute komme. Die Kommission habe aber den von Sécuripost gezahlten Preis nicht ermittelt, obgleich es als eine Beihilfe anzusehen sein könne, daß einem Unternehmen eine Energiequelle zu einem niedrigeren als dem üblichen Tarif zugänglich gemacht werde (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 2. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85, Van der Kooy u. a./Kommission, Slg. 1988, 219). Das gleiche gelte für die Wartung der Fahrzeuge.

37 Viertens habe die Kommission das Darlehen in Höhe von 15 000 000 FF, das Sofipost Sécuripost im Jahr 1989 gewährt habe, nicht als den Artikeln 92 ff. EG-Vertrag zuwiderlaufende staatliche Beihilfe angesehen, da es sich dabei nach ihrer Ansicht um ein entgeltliches Kreditgeschäft zu einem Zinssatz in Höhe des Leitzinssatzes zuzueglich 0,5 % gehandelt habe. Sie habe aber nicht geprüft, ob nicht ein solcher Zinssatz einen besonderen Vorteil darstelle, obgleich ein ermässigter Zinssatz als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 des Vertrages zu bewerten sei (vgl. Urteile in der Rechtssache Cour Exécutif régional wallon et Glaverbel/Kommission, a. a. O., und vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 57/86, Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855).

38 Nach Auffassung der Kommission ist die angefochtene Entscheidung dagegen hinsichtlich der vier von den Klägerinnen genannten Punkte hinreichend begründet.

39 Mit Unterstützung der Streithelferin führt die Kommission erstens aus, daß es sich bei der Nichtzahlung von Abfindungen wegen Kündigung und Entlassung lediglich um einen nachrangigen Gesichtspunkt im Rahmen eines in mehreren Beschwerden vorgetragenen umfangreicheren Beschwerdepunkts handele, nämlich der vollständigen oder partiellen Übernahme der Personalkosten von Sécuripost durch den Staat. Nachdem sie festgestellt habe, daß insoweit keine Beihilfen vorlägen, sei eine ausdrücklich Prüfung dieser Frage nach ihrer Ansicht nicht erforderlich gewesen. Es habe zudem weder unmittelbar noch mittelbar eine Übertragung staatlicher Mittel auf Sécuripost gegeben, weshalb es nicht angezeigt gewesen sei, den Behauptungen der Klägerinnen zu folgen.

40 Zweitens hätten die Klägerinnen ihre Argumentation in ihrer ursprünglichen Beschwerde darauf gestützt, daß Sécuripost Beihilfen in Form der unentgeltlichen Überlassung von Räumen erhalten habe und noch erhalte. Dieses Vorbringen habe sich aber nach Prüfung als unbegründet erwiesen, da die französischen Behörden klargestellt hätten, daß die fraglichen Räume vermietet seien; dies habe die Zurückweisung der Beschwerde in diesem Punkt gerechtfertigt. Der Beschwerdepunkt, der sich auf eine niedrigere als die marktübliche Miete beziehe, sei ein anderer als der im Verwaltungsverfahren geltend gemachte; hierzu habe sie sich daher in ihrer Entscheidung nicht präzise und substantiiert äussern können.

41 Drittens hätten die Klägerinnen in ihrer Beschwerde behauptet, sie hätten "festgestellt", daß "Lastkraftwagen" von Sécuripost mit Kraftstoff, der für Postfahrzeuge bestimmt sei, oder mit Kraftstoff, der zu einem ermässigten Preis mit Benzingutscheinen bezahlt werde, versorgt würden. Das erstgenannte Vorbringen hätten sie jedoch in ihrer Klageschrift nicht aufrechterhalten, während das letztgenannte, berücksichtige man die Stellungnahme der französischen Behörden, nicht hinreichend belegt worden sei und daher keine ausdrückliche Beantwortung erfordert habe.

42 Zur Wartung der Fahrzeuge hätten die Klägerinnen in ihrer Beschwerde ausgeführt, diese werde "vom staatlichen Werkstatt- und Garagendienst der Post [Service national des ateliers et garages des PTT; im folgenden: SNAG] besorgt". In ihrer Entscheidung habe sie daher zu Recht die Auffassung vertreten, es gebe angesichts des Umstands, daß die Dienststellen des Postministeriums sämtliche von ihnen erbrachten Leistungen der Sécuripost in Rechnung stellten und daß diese Rechnungen "nach einem Abrechnungssystem, das dem privater Autowerkstätten ähnlich" sei, ausgestellt würden, keinen Grund für die Annahme, daß dieses Abrechnungssystem irgendein Beihilfeelement enthalte.

43 Viertens weiche, was das von Sofipost an Sécuripost gewährte Darlehen angehe, der Klagegrund von dem im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Beschwerdepunkt ab, denn die Klägerinnen behaupteten jetzt nicht mehr wie in ihrer Beschwerde, daß sich die Beihilfe auf 20 000 000 FF belaufe, sondern berechneten deren Höhe nur noch nach dem Unterschied zwischen dem Zins, zu dem das Darlehen von 15 000 000 FF gewährt worden sei (9,75 %), und dem 1988 marktüblichen Zins (11,67 %). Es sei ferner zu berücksichtigen, daß sie, die Kommission, in ihrer Mitteilung über regionale Beihilferegelungen als den für Frankreich geltenden Abzinsungssatz den Satz für Betriebs- und Ausstattungsdarlehen des Kreditinstituts Crédit national festgesetzt habe. Nach ihrer ständigen Praxis werde dieser Satz für sämtliche ad hoc gewährte Darlehen verwendet. Im Jahr 1988 habe dieser Satz indessen 9,91 % betragen, was nur ganz leicht über dem Sécuripost eingeräumten Zinssatz, aber erheblich unter dem von den Klägerinnen angeführten Satz liege.

° Zu dem offensichtlichen Beurteilungsfehler

44 Nach Auffassung der Klägerinnen stellt es einen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar, daß die Kommission angenommen habe, bei der Erhöhung des Kapitals von Sécuripost um 9 775 000 FF, bei den Vorschüssen für Aufträge der Post an Sécuripost und bei den von der Post gegenüber dem Unternehmen angewandten Tarifen und diesem eingeräumten Garantien handele es sich nicht um staatliche Beihilfen im Sinne der Artikel 92 ff. des Vertrages. In ihrer Beschwerde sei von ihnen insbesondere dargelegt worden, daß in den zwischen der Post und Sécuripost geschlossenen Verträgen vor allem über die Durchführung von Werttransporten eindeutig höhere Preise als branchenüblich festgelegt und überdies in ebenso unüblicher Weise bestimmte Mindesteinnahmen garantiert worden seien. Dies werde im übrigen ausdrücklich durch den Rahmenvertrag zwischen der Post und Sécuripost vom 30. September 1987 bestätigt, in dem es heisse, daß die Preise "so bald wie möglich den marktüblichen Preisen für gleichwertige Leistungen zu entsprechen haben". Daraus ergebe sich eine Beihilfe des französischen Staats an Sécuripost in Höhe der Differenz zwischen den Preisen auf dem Postmarkt und den normalen Marktpreisen.

45 Um diesen Beschwerdepunkt auszuräumen, habe die Kommission einen Vergleich zwischen den von Sécuripost gegenüber der Post angewandten Tarifen und den gegenüber den Casino-Warenhäusern angewandten Tarifen vorgenommen. Diese von der Kommission durchgeführten Berechnungen seien jedoch unverständlich, und in ihnen sei vor allem nicht angegeben, auf welches Jahr sie sich bezögen, obgleich die Preise auf dem Postmarkt zeitlichen Schwankungen unterlegen hätten.

46 Die Klägerinnen erklären, sie könnten diese Berechnungen nunmehr aufgrund der Erläuterungen, die die Kommission in ihrer Klagebeantwortung gegeben hat, nachvollziehen, hielten jedoch diese Rüge, insbesondere hinsichtlich des von der Kommission ausgewählten Jahres, aufrecht.

47 Jedenfalls, so die Klägerinnen, ließen die Berechnungen der Kommission den Schluß zu, daß die von Sécuripost der Post in Rechnung gestellten Preise um 10 % über den den Casino-Warenhäusern berechneten lägen und ferner dem Inhalt der in ihrer Beschwerde genannten Verträge zwischen der Post und Sécuripost sowie dem zwischen diesen geschlossenen Rahmenvertrag vom 30. September 1987 zuwiderliefen.

48 Die Kommission entgegnet, es stelle keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar, daß sie weder die Erhöhung des Kapitals von Sécuripost noch die dem Unternehmen von der Post gewährten Vorschüsse für Aufträge, noch die von der Post angewandten Tarife und eingeräumten Garantien als Beihilfen im Sinne des Vertrages bewertet habe. Im übrigen sei der Verweis der Klägerinnen auf die Bestimmungen des Rahmenvertrags vom 30. September 1987 unschlüssig, da die in diesem enthaltene Preisanpassungsklausel mit dem Übergang von einer unmittelbaren Geschäftsführung zur Geschäftsführung durch ein Tochterunternehmen vollkommen in Einklang stehe und die Umstellung von dem einen auf das andere System erleichtern solle; damit gleiche das Verhalten der Post der Haltung, die ein Privatunternehmer, der einen zuvor vom Mutterhaus geführten Geschäftsbereich auf ein Tochterunternehmen verlagere, unter vergleichbaren Umständen hätte einnehmen können.

49 Nach der Erläuterung ihrer Berechnung der angewandten Tarife in der Entscheidung und der Klarstellung, daß das Bezugsjahr hierfür 1993 gewesen sei, trägt die Kommission eine Kalkulation der von der Post praktizierten Durchschnittspreise auf der Grundlage der Tarife im Jahr 1989 vor, aus der sie einen Durchschnittspreis pro Transport errechnet, der den von der Post bis 1989 praktizierten Preise entspreche. Der in der Klageschrift enthaltene Vergleich mit den Casino in Rechnung gestellten Preisen sei verfehlt, da die Casino-Warenhäuser und die Postämter geographisch völlig verschieden verteilt seien.

Würdigung durch das Gericht

50 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß für Beschwerden, mit denen das Vorliegen staatlicher Beihilfen gerügt wird, weder im Vertrag noch durch den Gemeinschaftsgesetzgeber eine Verfahrensregelung getroffen worden ist.

51 Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine Entscheidung der Kommission, durch die das klägerische Vorbringen mit der Begründung zurückgewiesen wird, daß die beanstandeten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Artikels 92 des Vertrages darstellten. Die angefochtene Entscheidung ist unstreitig eine Entscheidung im Sinne von Artikel 189 Absatz 4 des Vertrages, und sie ist daher gemäß Artikel 190 des Vertrages mit Gründen zu versehen.

52 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muß die nach Artikel 190 notwendige Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben, daß es den Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme zu erfahren, und daß der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 15 m. w. N.). Ob die Begründung einer Entscheidung den Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages genügt, ist nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung nicht nur nach ihrem Wortlaut zu beurteilen, sondern auch aufgrund ihres Zusammenhangs sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Delacre u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 16, und vom 23. Februar 1978 in der Rechtssache 92/77, An Bord Bainne, Slg. 1978, 497, Randnrn. 36 und 37).

53 Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die Überlegungen, aufgrund deren die Kommission die von den Klägerinnen beanstandeten Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 92 des Vertrages eingestuft hat, in der Entscheidung so klar und unzweideutig wiedergegeben sind, daß die Klägerinnen die tragenden Gründe für die Zurückweisung ihrer Beschwerde zwecks Wahrnehmung ihrer Rechte erfahren konnten und dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle möglich ist.

54 Bei der gerichtlichen Überprüfung, die die Begründung ermöglichen muß, handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Überprüfung auf offensichtliche Beurteilungsfehler, wie sie hinsichtlich der ° in der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission liegenden ° Einschätzung erfolgt, ob bereits als staatliche Beihilfen qualifizierte nationale Maßnahmen mit dem Vertrag vereinbar sind (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595, Randnr. 9, vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon, Slg. 1991, I-5505, Randnr. 14, und vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-44/93, Namur-Les assurances du crédit, Slg. 1994, I-3829, Randnr. 17), sondern um eine Überprüfung der Auslegung und Anwendung des in Artikel 92 des Vertrages enthaltenen Begriffs der staatlichen Beihilfe, die die Kommission vorgenommen hat, um festzustellen, ob die von den Klägerinnen beanstandeten nationalen Maßnahmen als staatliche Beihilfen einzustufen sind oder nicht.

55 Bei dieser Prüfung ist der Kontext, in den die angefochtene Entscheidung sich einfügt, einzubeziehen, da die Beurteilung, ob eine Begründung ausreichend ist, wie erwähnt (vgl. oben Randnr. 52), nicht nur von ihrem Wortlaut, sondern auch von ihrem Zusammenhang abhängt.

56 Insoweit ist erstens festzustellen, daß bis zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung am 31. Dezember 1993 besonders viel Zeit vergangen war. Tatsächlich benötigte die Kommission mehr als 51 Monate, um die am 4. September 1989 eingereichte ursprüngliche Beschwerde der Klägerinnen zu bearbeiten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Kommission in dieser Zeitspanne von 51 Monaten zwei Entscheidungen traf, die vom 5. Februar 1992 und vom 31. Dezember 1993 datieren und zwischen denen somit mehr als 22 Monaten liegen.

57 Zweitens hat die Kommission im Schriftwechsel mit den Beschwerdeführerinnen ausgeführt, daß ihre Beschwerde eine Reihe wichtiger Grundsatzfragen aufwerfe, die eine eingehende Prüfung und zahlreiche Untersuchungen technischer Art erforderlich machten (Schreiben vom 28. Juni 1991, Anlage 14 zur Klageschrift), daß die Angelegenheit besonders komplex erscheine (Schreiben vom 9. Oktober 1991, Anlage 15 zur Klageschrift), daß durch die Übertragung von Tätigkeiten der französischen Post auf eine Tochtergesellschaft "Beihilfetatbestände im Sinne des Vertrages verschleiert werden" könnten und daß "Sécuripost bei ihrer Gründung und Markteinführung unzweifelhaft seitens des Mutterhauses und staatlicherseits Unterstützung erhalten hat" (Entscheidung vom 5. Februar 1992, Anlage 6 zur Klageschrift).

58 Drittens ist festzustellen, daß die Prüfung der Beschwerde ungeachtet dieser Ausführungen am 5. Februar 1992, d. h. 29 Monate nach Einreichung der ursprünglichen Beschwerde, zum Erlaß einer ersten Entscheidung führte. Diese erste Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde wurde vor dem Gerichtshof mit einer Nichtigkeitsklage angefochten und sodann von der Kommission widerrufen. Anschließend beschloß die Kommission, die Beschwerde im Lichte der Darlegungen, die in der am 13. April 1992 beim Gerichtshof eingereichten Nichtigkeitsklage enthalten waren, ergänzend zu prüfen (Anlagen 6 und 8 zur Klageschrift). Mit der Nichtigkeitsklage waren jedoch lediglich die verschiedenen Beschwerdepunkte aufgegriffen worden, die die Klägerinnen bereits in ihrer ursprünglichen Beschwerde und ihren späteren zusammenfassenden Eingaben vorgebracht hatten; neue Rügen waren mit Klage nicht erhoben worden. Gleichwohl hat sich die Kommission durch diese Klageerhebung zum Widerruf ihrer Entscheidung vom 5. Februar 1992 und zur Einleitung einer ergänzenden Untersuchung veranlasst gesehen.

59 Ferner teilte sie den Klägerinnen nach dem Widerruf ihrer ersten Entscheidung vom 5. Februar 1992 mit, daß sie die mit der Beschwerde beanstandeten Maßnahmen unter der Nummer NN 5/93 in das Verzeichnis der nicht angemeldeten Beihilfen eingetragen habe (Anlage 10 zur Klageschrift). Sie richtete überdies am 31. Dezember 1993, d. h. am Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung, ein Schreiben an das französische Aussenministerium, in dem sie ihr Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, daß "für keine der gegenüber... Sécuripost getroffenen Maßnahmen eine vorherige Anmeldung nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages erfolgt" sei, und in dem sie die französische Regierung auf ihre Verpflichtung zur Anmeldung sämtlicher Vorhaben hinwies, bei denen es sich möglicherweise um der Prüfung nach den Artikeln 92 ff. des Vertrages unterliegende staatliche Beihilfen handele (Anlage 1 zur Klagebeantwortung).

60 Im Lichte der vorstehenden Feststellungen ist zu prüfen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung den Schluß trägt, daß die von den Klägerinnen beanstandeten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 92 des Vertrages darstellten.

61 Was erstens das abgeordnete Verwaltungspersonal angeht, legen die Klägerinnen der Kommission zur Last, sie habe nicht den in der Zusammenfassung ihrer Beschwerde vom 24. Juli 1992 geltend gemachten besonderen Vorteil geprüft, der darin bestehe, daß die von der Post an Sécuripost abgeordneten Beamten jederzeit, ohne daß von dem Unternehmen, an das sie abgeordnet seien, irgendeine Abfindung wegen Kündigung oder Entlassung zu zahlen sei, wieder ihrer Stammverwaltung zugewiesen werden könnten, wenn bei dem Unternehmen ein Personalabbau erforderlich werde. Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferin, hält dem entgegen, bei der Nichtzahlung von Abfindungen wegen Kündigung oder Entlassung handele es sich lediglich um einen nachrangigen Gesichtspunkt im Rahmen eines in mehreren Beschwerden vorgebrachten Beschwerdepunkts, der die vollständige oder partielle Übernahme der Personalkosten von Sécuripost durch den Staat zum Gegenstand habe. Aus diesem Grunde habe sie es nicht als erforderlich angesehen, diese Frage zu prüfen und ausdrücklich zu ihr Stellung zu nehmen.

62 Somit räumt die Kommission selbst ein, daß sie auf diesen Beschwerdepunkt in der angefochtenen Entscheidung nicht geantwortet hat. Zwar muß sie nach der Rechtsprechung nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen eingehen, die von den Beteiligten vorgebracht wurden (vgl. Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-3/89, Atochem/Kommission, Slg. 1991, II-1177, Randnr. 222). Gleichwohl ist sie verpflichtet, auf jeden in der Beschwerde formulierten Beschwerdepunkt unter Angabe von Gründen zu antworten, und sei es nur unter Hinweis auf den Grundsatz "minima non curat prätor", wenn die Bedeutung des fraglichen Nebenpunkts seine nähere Erörterung seitens der Kommission nicht rechtfertigt. Insoweit fehlt der Entscheidung daher die Begründung.

63 Auf die Rüge, daß Sécuripost keine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung zahle, hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung mit der Feststellung geantwortet, daß "für die Beschäftigung abgeordneter Beamter hingegen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung anfallen, da diese nach ihrer dienstrechtlichen Stellung eine Beschäftigungsgarantie besitzen". Die Kommission räumt damit ein, daß von Sécuripost keinerlei Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet wurden, ohne jedoch im mindestens zu erläutern, aus welchen Gründen dieser Unterschied zu der Regelung, die für die mit Sécuripost konkurrierenden Unternehmen gilt, nach ihrer Auffassung keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 EG-Vertrag darstellt. Auch insoweit fehlt der Entscheidung daher die Begründung.

64 Zweitens rügen die Klägerinnen, die Kommission habe die Zurückweisung ihrer Beschwerde rechtlich nicht hinreichend begründet, soweit sich diese gegen die Überlassung von Räumen an Sécuripost zu unverhältnismässig günstigen Bedingungen gerichtet habe; insbesondere habe sie nicht die Höhe der gezahlten Mieten untersucht, obgleich die Referenzmieten des Liegenschaftsdiensts erheblich niedriger als die für Räume seien, die für Konkurrenzunternehmen von Sécuripost verfügbar seien. Die Kommission entgegnet, daß die Klägerinnen in ihrer ursprünglichen Beschwerde behauptet hätten, die Räume würden Sécuripost unentgeltlich überlassen. Nachdem sich dieser Beschwerdepunkt aufgrund der von der französischen Regierung eingeholten Auskünfte als unzutreffend erwiesen habe, habe sie die Beschwerde insoweit zurückgewiesen. Die Kommission macht somit geltend, daß die Rüge der Höhe der Sécuripost berechneten Raummieten eine andere sei als die von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgebrachte und aus diesem Grunde in der Entscheidung nicht präzise und eingehend habe beantwortet werden können.

65 Nach den Auskünften, die von der französischen Regierung eingeholt und als solche in der Entscheidung wiedergegeben wurden, wurden die fraglichen Räume Sécuripost im Rahmen einer widerruflichen Nutzungsregelung überlassen. Zu den Mieten, die von Sécuripost tatsächlich gefordert wurden, und denen, die die Wettbewerber von Sécuripost für die Nutzung vergleichbarer Räume bezahlen müssen, hat die Kommission in ihrer Entscheidung keinerlei Erläuterung gegeben. Insoweit ist die Entscheidung daher nicht hinreichend begründet, denn in ihr wird nicht dargelegt, warum die Möglichkeit, daß die französische Regierung keine marktübliche Miete einnimmt, nicht auf eine Übertragung von Regierungsmitteln auf Sécuripost hinausläuft.

66 Aufgrund ihrer Verpflichtung, die ihr zur Untersuchung vorgelegte Angelegenheit sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen, hatte die Kommission unter den vorliegenden Umständen die Höhe der von Sécuripost gezahlten Mieten zu ermitteln und diese gegebenenfalls mit den von den Konkurrenzunternehmen gezahlten Mieten zu vergleichen. Denn beschließt die Kommission, eine Beschwerde gegen eine Maßnahme, die der Beschwerdeführer als nicht angemeldete staatliche Beihilfe einstuft, zurückzuweisen, ohne dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, sich vor Erlaß der endgültigen Entscheidung zu den Ermittlungsergebnissen ihrer Untersuchung zu äussern, so hat sie von Amts wegen die Rügen zu prüfen, die der Beschwerdeführer mit Sicherheit erhoben hätte, wenn ihm diese Ergebnisse bekannt geworden wären. Im vorliegenden Fall gilt dies für die Kenntnis der Kommission von dem Umstand, daß die fraglichen Räume Sécuripost gemäß den Vorschriften des Code des domaines de l' État überlassen worden waren, die die Überlassungsbedingungen anders als marktüblich regeln. Folglich fehlt der Entscheidung auch insoweit die Begründung.

67 Drittens legen die Klägerinnen der Kommission zur Last, daß sie nicht festgestellt habe, welche Preise Sécuripost von den Firmen Total und Shell für die Betankung der Fahrzeuge des Unternehmens und vom SNAG für deren Wartung berechnet worden seien. Hiergegen wendet die Kommission ein, da das klägerische Vorbringen zu den Kraftstoffkäufen bei Total und Shell bei Berücksichtigung der Stellungnahme der französischen Behörden nicht hinreichend belegt sei, sei es gerechtfertigt gewesen, daß sie darauf nicht ausdrücklich geantwortet habe. Zur Wartung der Fahrzeuge von Sécuripost durch den SNAG habe sie festgestellt, daß dieser ein Abrechnungssystem verwende, das "dem privater Autowerkstätten ähnlich" sei. Da es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, daß dieses Abrechnungssystem irgendein Element staatlicher Beihilfen enthalte, habe sie diesen Beschwerdepunkt zurückgewiesen.

68 Nach Auffassung des Gerichts ist die Kommission, was die Kraftstoffversorgung anbelangt, zu Recht der Stellungnahme der französischen Regierung gefolgt, soweit sich das Beschwerdevorbringen auf die Verwendung von Benzingutscheinen der Post bezog. Für die Richtigkeit dieser genauen Tatsachenbehauptungen gab es nämlich keinerlei Anhaltspunkte. Die Haltung der Kommission wird auch dadurch bestätigt, daß die Klägerinnen dieses Vorbringen vor dem Gericht nicht aufrechterhalten haben. Die Klägerinnen können der Kommission auch nicht entgegenhalten, daß sie die Sécuripost von den Firmen Total und Shell berechneten Preise nicht geprüft habe, da es für die Kommission keinen Grund zu der Annahme gab, daß Privatunternehmen auf Veranlassung der französischen Regierung Sécuripost Preisvergünstigungen gewährten. Insoweit ist die Entscheidung daher ausreichend begründet.

69 Was hingegen die Wartung der Fahrzeuge von Sécuripost durch den SNAG angeht, hat die Kommission in ihrer Entscheidung auf den Beschwerdepunkt der Klägerinnen nicht geantwortet, da sie lediglich auf das vom SNAG verwendete Abrechnungssystem Bezug genommen hat, ohne zu prüfen, obwohl dies der Gegenstand des Beschwerdepunkts der Klägerinnen war, ob die berechneten Preise auf das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe schließen ließen oder nicht. Diese Begründungslücke in der Entscheidung ist um so weniger gerechtfertigt, als das Abrechnungssystem des SNAG nach den Feststellungen der Kommission dem privater Autowerkstätten ähnlich war und die Kommission daher einen Vergleich leicht hätte vornehmen können. Insoweit ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung daher unzureichend.

70 Hinsichtlich der von Sofipost an Sécuripost gewährten Darlehen rügen die Klägerinnen viertens, die Kommission habe nicht geprüft, ob nicht eine entgeltliche Kreditgewährung zu einem Zinssatz in Höhe des Leitzinssatzes zuzueglich 0,5 % einen besonderen Vorteil darstellen könne; hierfür wäre der genannte Zinssatz mit dem zur gleichen Zeit für die Wettbewerber auf dem Kreditmarkt erhältlichen Zinssatz zu vergleichen gewesen. Die Kommission könne sich zur Rechtfertigung des bei der Prüfung der Beschwerde als Vergleichsmaßstab herangezogenen Zinssatzes nicht auf den in ihrer Mitteilung über regionale Beihilferegelungen festgesetzten Satz beziehen, denn diese Mitteilung habe eine ganz andere Zielrichtung als die hier gerügten staatlichen Beihilfen. Die Kommission verweist zunächst darauf, daß die in der Klageschrift vorgebrachte Rüge eine andere als die in der ursprünglichen Beschwerde der Klägerinnen erhobene sei, und führt weiter aus, daß sie sich für die Feststellung, ob ein Darlehen einen Beihilfetatbestand im Sinne von Artikel 92 EG-Vertrag erfuelle, im Interesse der Einheitlichkeit und Transparenz stets desselben Bezugszinssatzes bediene.

71 Nach Auffassung des Gerichts hat sich die Kommission der Stellungnahme der französischen Regierung zu Recht angeschlossen, soweit das Sécuripost im Haushaltsjahr 1987 gewährte Darlehen in Höhe von 5 000 000 FF in Frage steht. Die Kommission hat erläutert, bei diesem Darlehen von 5 000 000 FF handele es sich um einen durch einen Aktionär gewährten Vorschuß, der im Jahr 1988 in das Kapital von Sécuripost eingebracht worden sei. Dieser durch einen Aktionär gewährte Vorschuß sei seinem Wesen nach keine staatliche Beihilfe, da die Einlage neuen Kapitals unter Umständen vollzogen worden sei, die auch für einen unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen handelnden privaten Anleger akzeptabel wären. Es sei üblich, daß ein Anleger, der eine neue Geschäftstätigkeit aufnehme, die dafür notwendigen Güter und Kapitalbeträge nur schrittweise transferiere. Mit diesen Ausführungen hat die Kommission ihre Entscheidung in diesem Punkt ausreichend begründet.

72 Dagegen hat die Kommission nach Auffassung des Gerichts auf die Rüge der Klägerinnen nicht hinreichend geantwortet, soweit die Gewährung eines Vorschusses in Höhe von 15 000 000 FF für das Haushaltsjahr 1989 an Sécuripost in Frage steht. Insoweit heisst es in der angefochtenen Entscheidung der Kommission lediglich, dieser Betrag sei im Rahmen einer Gesamtvereinbarung zwischen den Unternehmen der Sofipost-Gruppe geleistet worden und der festgesetzte Zinssatz entspreche dem Leitzinssatz zuzueglich 0,5 %. Daraus hat die Kommission den Schluß gezogen, daß die Rüge zurückzuweisen sei, weil es sich bei dem Darlehen von 15 000 000 FF um ein entgeltliches Geschäft handele. Dazu ist festzustellen, daß das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts für den Nachweis, daß es sich nicht um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 des Vertrages handelt, nicht genügen kann, weil auch für ein solches Geschäft ein Zinssatz eingeräumt werden kann, der für Sécuripost im Vergleich zu ihren Wettbewerbern einen besonderen Vorteil darstellt. Im übrigen kann sich die Kommission aus den in der Randnummer 66 genannten Gründen nicht darauf berufen, daß die vor dem Gericht erhobene Rüge von der in der ursprünglichen Beschwerde abweiche. Insoweit ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung daher unzureichend.

73 Die Klägerinnen machen weiter geltend, daß die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Preise, die Sécuripost der Post in Rechnung gestellt habe, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweise. In den Verträgen zwischen der Post und Sécuripost seien, insbesondere für die Durchführung von Werttransporten, eindeutig höhere Preise als branchenüblich vereinbart worden. Daraus ergebe sich eine Beihilfe des französischen Staats für Sécuripost in Höhe der Differenz zwischen den Preisen auf dem Postmarkt und den normalen Marktpreisen. Um die Zurückweisung dieses Beschwerdepunkts zu begründen, hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung einen Vergleich mit einem Sécuripost erteilten sehr bedeutenden Auftrag über die Durchführung von Werttransporten für die Casino-Warenhäuser angestellt. Insoweit beanstanden die Klägerinnen zum einen, daß die Kommission trotz der Preisschwankungen auf dem Postmarkt nicht das Bezugsjahr für diese Berechnungen angegeben habe, und zum anderen, daß die Berechnungen der Kommission jedenfalls den Schluß zuließen, daß die von Sécuripost der Post berechneten Preise um 10 % über den den Casino-Warenhäusern in Rechnung gestellten lägen.

74 Dazu ist festzustellen, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die der Post berechneten Preise nur auf der Grundlage der Daten für 1993 mit den Casino berechneten Preisen vergleicht, ohne dies zu rechtfertigen oder zu erklären. Sie erläutert in der Entscheidung in keiner Weise, warum die Unterschiede bei den berechneten Preisen in den Jahren 1987, 1988, 1989, 1990, 1991 und 1992 keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 92 des Vertrages darstellen. Die Kommission bestreitet im übrigen nicht, daß diese Preisdifferenzen in den Jahren vor 1993 bestanden haben, auch wenn sie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, also nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung, vorträgt, daß sich diese Differenz jedenfalls von 1989 an durch eine Berücksichtigung der unterschiedlichen geographischen Verteilung auf den Märkten "Post" und "Casino" erkläre. Überdies sind die der Post von Sécuripost berechneten Preise von 1987 bis 1993, was insbesondere mit dem am 30. September 1987 zwischen Post und Sécuripost geschlossenen Rahmenvertrag in Einklang steht, fortlaufend gesenkt worden, wodurch sich die von den Klägerinnen geltend gemachten Preisunterschiede noch vergrössern.

75 Da Ausführungen zu den Preisen, die Sécuripost der Post und anderen Kunden in den Jahren 1987, 1988, 1989, 1990, 1991 und 1992 berechnet hat, fehlen, verfügt das Gericht nicht über ausreichende Angaben, um die Begründetheit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen; es hat diesen Begründungsmangel der Entscheidung daher von Amts wegen aufzugreifen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1959 in Rechtssache 18/57, Nold/Hohe Behörde, Slg. 1959, 89, und Urteile des Gerichts vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache T-45/90, Speybrouck/Parlament, Slg. 1992, II-33, und vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 129). Insoweit ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung somit unzureichend.

76 Überdies hat die Kommission als Stellungnahme zu diesem Beschwerdepunkt in der angefochtenen Entscheidung lediglich wörtlich die Ausführungen wiederholt, die in dem an sie gerichteten Antwortschreiben der französischen Regierung vom 12. Januar 1993 enthalten sind, ohne daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung erkennen ließe, ob sie die Richtigkeit dieser Ausführungen nachgeprüft hat.

77 Im übrigen kann die Kommission sich zur Rechtfertigung der Begründungsmängel ihrer Entscheidung nicht, wie sie es in der mündlichen Verhandlung versucht hat, auf angebliche Defizite des Sachvortrags berufen, mit dem die Beschwerdeführerinnen ihre Beschwerde begründet haben. Denn es ist für die Beschwerdeführer wesentlich schwieriger als für die Kommission, die Informationen und Angaben zusammenzutragen, deren es bedarf, um die Stichhaltigkeit einer Beschwerde zu belegen, deren Schlüssigkeit die Kommission in ihren Schreiben vom 28. Juni und 9. Oktober 1991 selbst konzediert hat. Die Beschwerdeführer sehen sich bei solchen Schritten regelmässig einer Obstruktionshaltung der Verwaltung gegenüber, denn sie müssen den Beleg für die von ihnen erhobenen Rügen gerade von den Behörden erlangen, die sie eines Verstosses gegen die Gemeinschaftsregelung über staatliche Beihilfen verdächtigen, verfügen aber über keinerlei Zwangsmittel. Hingegen verfügt die Kommission über wirksamere und geeignetere Mittel, um die für eine sorgfältige und unvoreingenommene Prüfung der Beschwerde erforderlichen Informationen zu sammeln. Im vorliegenden Fall erscheint der Sachvortrag der Klägerinnen in der Beschwerde und den verschiedenen Zusammenfassungen, die sie an die Kommission gerichtet haben, angesichts der für sie unvermeidlichen Schwierigkeiten geeignet, die von ihnen geltend gemachten Beschwerdepunkte so ausreichend zu substantiieren, daß die Kommission verpflichtet war, zu jedem dieser Punkte unter Angabe von Gründen Stellung zu nehmen. Dabei ist daran zu erinnern, daß die Kommission unter den vorliegenden Umständen eine erhöhte Begründungspflicht traf (vgl. oben, Randnrn. 56 bis 59).

78 Ferner kann die Verpflichtung der Kommission zur Begründung ihrer Entscheidungen unter bestimmten Umständen eine Anhörung des Beschwerdeführers erforderlich machen, wenn sie dessen Stellungnahme zu den Tatsachen, die sie in ihrer Untersuchung ermittelt hat, kennen muß, um ihre Beurteilung einer vom Beschwerdeführer als staatliche Beihilfe bewerteten Maßnahme rechtlich hinreichend zu begründen (vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-198/91, Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487, I-2502, Randnrn. 17 bis 19). Diese Verpflichtung stellt unter solchen Umständen eine notwendige Erweiterung der Verpflichtung der Kommission dar, die Angelegenheit unter Einholung aller erforderlichen Stellungnahmen sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen.

79 Die Kommission kann nicht, wie sie es in der mündlichen Verhandlung getan hat, geltend machen, daß die Durchführung einer solchen Anhörung über den Inhalt der Beschwerde und ihre Prüfung in Wirklichkeit für sie die Verpflichtung begründe, das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten und damit die Durchführung der fraglichen Maßnahme auszusetzen, obgleich sich schließlich herausstellen könne, daß es sich bei dieser Maßnahme nicht um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 des Vertrages handele. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, macht sie die ihr vom betroffenen Mitgliedstaat in der Vorprüfungsphase des Verfahrens zugeleitete Stellungnahme nämlich in bestimmten Fällen den Beschwerdeführern zugänglich. Sie verfügt somit im Rahmen der Vorprüfungsphase des Verfahrens über hinreichende Mittel, um die Beschwerde sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen und um ihre Entscheidung, mit der sie eine Beschwerde deshalb zurückweist, weil die beanstandete Maßnahme ihrer Ansicht nach keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 des Vertrages darstellt, pflichtgemäß zu begründen. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung ausserdem eingeräumt, daß sie das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bereits jetzt in manchen Fällen einleite, um die Rechtsnatur der in Frage stehenden Maßnahme im Wege einer Anhörung zu klären, wobei es vorkomme, daß sie die Maßnahme am Ende dieses Verfahrens nicht als eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 des Vertrages qualifiziere.

80 Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, da ihre Begründung nicht die Schlußfolgerung trägt, daß die von den Klägerinnen gerügten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 92 EG-Vertrag darstellen. Die übrigen Klagegründe brauchen daher nicht geprüft zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

81 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen beantragt haben, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, und die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat die Beklagte die Kosten zu tragen.

82 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts trägt die Streithelferin ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Entscheidung der Kommission vom 31. Dezember 1993, mit der der Antrag der Klägerinnen auf Feststellung, daß die Französische Republik durch die Gewährung von Beihilfen an die Sécuripost SA gegen die Artikel 92 und 93 des Vertrages verstossen hat, abgelehnt worden ist, wird für nichtig erklärt.

2) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerinnen.

3) Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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