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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 15.12.1992
Aktenzeichen: T-96/92 R
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 4064/89


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 185
EWG-Vertrag Art. 186
EWG-Vertrag Art. 85
EWG-Vertrag Art. 86
VO (EWG) Nr. 4064/89 Art. 4
VO (EWG) Nr. 4064/89 Art. 6
VO (EWG) Nr. 4064/89 Art. 8
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Wenn in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die offensichtliche Unzulässigkeit der Klage geltend gemacht wird, hat der Richter der einstweiligen Anordnung festzustellen, ob die Klage auf den ersten Blick Merkmale aufweist, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Schluß zulassen, daß sie zulässig ist.

2. In einem Fall, in dem die Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission über die Genehmigung eines Unternehmenszusammenschlusses gemäß der Verordnung Nr. 4064/89, die von den Arbeitnehmervertretungen eines dieser Unternehmen beantragt wird, darauf hinausliefe, die erteilte Genehmigung für die gesamte Dauer des Rechtsstreits auszusetzen und damit den Betrieb der betroffenen Unternehmen behindern würde, und in dem die hilfsweise beantragten einstweiligen Anordnungen darauf hinausliefen, eine beherrschende Stellung aufrechtzuerhalten, die auf dem betroffenen Sektor nicht wieder rückgängig zu machende Folgen für den Wettbewerb zeitigen könnte und der die in der Entscheidung angeordneten Bedingungen eben gerade ein Ende bereiten sollen, muß der Richter der einstweiligen Anordnung sämtliche betroffenen Belange gegeneinander abwägen. Hierzu muß er nicht nur die Interessen der Antragsteller einerseits und das Interesse der Kommission an der Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs andererseits gegeneinander abwägen, sondern auch die Interessen Dritter, insbesondere der betroffenen Unternehmen, einbeziehen, um zu verhindern, daß eine unumkehrbare Situation entsteht oder die Parteien des Rechtsstreits, ein Dritter oder sogar das Allgemeininteresse einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden.

In einem solchen Fall sind die beantragten Anordnungen nur dann gerechtfertigt, wenn die Antragsteller anderenfalls erkennbar in eine existenzbedrohende Lage gerieten.

Im vorliegenden Fall kann sich die streitige Entscheidung grundsätzlich nicht auf die Rechte der Arbeitnehmer der betroffenen Unternehmen auswirken oder bei ihnen unmittelbar einen Schaden verursachen, dessen drohender Eintritt das Eingreifen des Richters der einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde. Abgesehen davon, daß der genehmigte Zusammenschluß mit keiner Entlassung verbunden ist, berührt die Verordnung Nr. 4064/89 nämlich nicht die kollektiven Rechte der Arbeitnehmer; nach den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen gehen die Rechte und Pflichten, die sich für den Zedenten aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis ergeben, auf den Zessionar über.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 15. DEZEMBER 1992. - COMITE CENTRAL D'ENTREPRISE DE LA SOCIETE GENERALE DES GRANDES SOURCES UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - VORLAEUFIGER RECHTSSCHUTZ - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS - VORLAEUFIGE MASSNAHMEN. - RECHTSSACHE T-96/92 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Das Comité central d' entreprise de la Société Générale des Grandes Sources, das Comité d' établissement de la Source Perrier, das Syndicat CGT de la Source Perrier und das Comité de groupe Perrier (im folgenden: Antragsteller) haben mit Klageschrift, die am 9. November 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 22. Juli 1992 betreffend ein Verfahren nach Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Fall IV/M.190 ° Nestlé/Perrier; ABl. L 356, S. 1) erhoben.

2 Mit gesondertem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragsteller ferner gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag sowie 104 bis 110 der Verfahrensordnung beantragt, den Vollzug der streitigen Entscheidung auszusetzen, hilfsweise, die Kommission zu verpflichten, der Firma Nestlé aufzugeben:

° rechtzeitig in Einklang mit den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Personalvertretungen der Firma Perrier anzuhören und von ihnen vollständige Auskünfte einzuholen;

° während der Dauer des Nichtigkeitsverfahrens jeglichen in Zusammenhang mit der Übernahme der Kontrolle von Perrier durch Nestlé stehenden Abbau von Arbeitsplätzen auszusetzen, und

° bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache die Durchführung aller früheren Vereinbarungen im Verhältnis zu Dritten und aller gegenüber der Kommission eingegangenen Verpflichtungen auszusetzen, die auf eine Umgestaltung der Firmengruppe Perrier abzielen, sei es im Wege der Übertragung von Vermögensbestandteilen, der Übernahme einer finanziellen Beteiligung oder sonstiger rechtlicher oder finanzieller Maßnahmen, die die Übertragung irgendeiner betrieblichen Einheit der Perrier-Gruppe auf einen Dritten zum Gegenstand haben.

3 Die Kommission hat ihre schriftliche Stellungnahme zu diesen Anträgen am 23. November 1992 eingereicht. Die Parteien haben am 1. Dezember 1992 mündlich verhandelt.

4 Vor der Prüfung, ob die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung begründet sind, sind die Zusammenhänge dieses Rechtsstreits und insbesondere der ihm zugrunde liegende Sachverhalt darzulegen, wie sie sich aus den Schriftsätzen der Parteien und deren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 1992 ergeben.

5 Am 25. Februar 1992 meldete Nestlé gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) bei der Kommission ein öffentliches Angebot über die Übernahme der Aktien der Firma Source Perrier SA (im folgenden: Perrier) an, das am 20. Januar 1992 von der Firma Demilac, einer gemeinsamen Tochtergesellschaft von Nestlé und der Banque Indosüz, aufgelegt worden war. Hiernach hätten sich Nestlé und Demilac verpflichtet, der BSN-Gruppe eine der Tochtergesellschaften von Perrier, die Firma Volvic, zu verkaufen, falls das Angebot Erfolg haben sollte.

6 Nachdem die Kommission die Anmeldung geprüft hatte, beschloß sie am 25. März 1992, gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 ein Verfahren zu eröffnen, da der angemeldete Zusammenschluß Anlaß zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gebe. Die Kommission hielt die Gefahr für gegeben, daß der Zusammenschluß eine beherrschende Stellung entweder der Gruppe Nestlé/Perrier für sich allein oder von Nestlé/Perrier und BSN in ihrer Gesamtheit begründen könnte.

7 Mit Schreiben vom 19. Juni 1992 ersuchte das Syndicat CGT de la Source Perrier (im folgenden: Syndicat CGT) die Kommission um Auskunft über die Untersuchung des Erwerbs von Perrier durch Nestlé/Demilac. Im Anschluß an dieses Schreiben erklärten sich die Dienststellen zu einer informativen Sitzung der Kommission bereit. Diese Sitzung fand am 2. Juli 1992 statt. In ihrem Verlauf trugen die Gewerkschaftsvertreter der Kommission ihre Bedenken wegen der sozialen Auswirkungen des angemeldeten Zusammenschlußvorhabens vor und brachten Unterlagen bei, insbesondere Sitzungsprotokolle des Comité d' établissement de la Source Perrier und des Comité de groupe Perrier, Schriftstücke, die die bei den französischen Gerichten und Verwaltungsbehörden unternommenen Schritte betrafen, sowie Mitteilungen der Gewerkschaften und Presseauszuege. An dem auf diese Sitzung folgenden Tag übermittelte das Syndicat CGT der Kommission, die darum gebeten hatte, ihr Zahlenangaben über die sozialen Folgen des Erwerbs von Perrier durch Nestlé zur Verfügung zu stellen, den Jahresbericht der Firma Perrier für 1991.

8 Am 22. Juli 1992 erließ die Kommission aufgrund der Verpflichtungen, die Nestlé ihr gegenüber eingegangen war, eine Entscheidung, mit der sie den Zusammenschluß für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte (im folgenden: Entscheidung). Diese Entscheidung enthält Bedingungen und Auflagen, die sicherstellen sollen, daß Nestlé ihre Verpflichtungen einhält. Diese Bedingungen und Auflagen sind dazu bestimmt, Wässern den Zugang zum französischen Markt zu erleichtern, die von einem lebensfähigen Wettbewerber, der über hinreichende Ressourcen verfügt, um gegenüber Nestlé und BSN einen wirksamen Wettbewerb betreiben zu können, abgefuellt werden. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

° Nestlé hat diesem Mitbewerber die Marken und Brunnen Vichy, Thonon, Pierval, Saint Yorre und eine Reihe anderer örtlicher Brunnen sowie die zugehörigen Abfuellkapazitäten zu verkaufen;

° Nestlé darf keine Angaben über ihre Umsätze, die weniger als ein Jahr zurückliegen, gegenüber einem Berufsverband oder einer sonstigen Einrichtung machen, die sie anderen Wettbewerbern zugänglich machen könnten;

° Nestlé verpflichtet sich, sämtliche Vermögenswerte und Interessen, die sie von Perrier erworben hat, getrennt zu verwalten, solange der Verkauf der vorerwähnten Marken und Brunnen nicht stattgefunden hat;

° Nestlé darf während dieses Zeitraums ohne Zustimmung der Kommission keine strukturellen Änderungen innerhalb der Firma Perrier vornehmen;

° die Auswahl des Erwerbers, der auf dem Sektor der Markengetränke oder -lebensmittel über ausreichende Finanzmittel und Know-how verfügen muß, unterliegt der Zustimmung der Kommission;

° Nestlé darf Volvic so lange nicht an BSN verkaufen, als der Verkauf der oben bezeichneten Marken und Brunnen nicht stattgefunden hat;

° Nestlé darf während eines Zeitraums von zehn Jahren die Marken und Brunnen, die zu veräussern sie verpflichtet ist, nicht direkt oder indirekt zurückerwerben und hat der Kommission jeden innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren, vom Erlaß der Entscheidung an gerechnet, etwa vorgenommenen Erwerb eines auf dem französischen Markt für abgefuellte Wässer tätigen Unternehmens mit einem Marktanteil von mehr als 5 % mitzuteilen.

Entscheidungsgründe

9 Nach den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung einer angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

10 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Sinne der Artikel 185 und 186 EWG-Vertrag die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft machen. Die beantragten Maßnahmen müssen in dem Sinne einstweiligen Charakter aufweisen, daß sie der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorgreifen dürfen (siehe zuletzt den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache T-29/92 R, SPO u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2161).

Vorbringen der Parteien

11 Nach Ansicht der Antragsteller sind vorliegend die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnungen gegeben. Die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig; ihre sofortige Durchführung würde den Antragstellern einen schwerwiegenden, nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen.

12 Für die Rechtswidrigkeit der Entscheidung verweisen die Antragsteller auf die in ihrer Klageschrift vorgebrachten Angriffsmittel und Argumente. Dort machen sie im wesentlichen geltend, die angefochtene Entscheidung sei als Abschluß eines mit wesentlichen Mängeln behafteten Verfahrens und unter Verletzung der grundlegenden Prinzipien des Sozialrechts der Gemeinschaft, der Bestimmungen des EWG-Vertrags sowie der hierzu erlassenen Durchführungsverordnungen ergangen.

13 Die Kommission habe sich auf das Ersuchen des Syndicat CGT hin auf eine blosse Anhörung von dessen Vertretern am 2. Juli 1992 beschränkt und hierdurch ihre Verpflichtung aus der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung (EWG) Nr. 2367/90 der Kommission vom 25. Juli 1990 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 219, S. 5) verletzt, die rechtlich anerkannten Vertreter der Arbeitnehmer schriftlich über Art und Gegenstand der Angelegenheit zu unterrichten, ihnen eine Frist zur Äusserung zu setzen und ihnen Zugang zu den Unterlagen zu verschaffen. Ausserdem habe die Kommission es unterlassen, ihnen mitzuteilen, daß sie bei ihrer Anhörung nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2367/90 anwaltlichen Beistand hätten in Anspruch nehmen können.

14 Weiter habe die Kommission dadurch, daß sie den angemeldeten Zusammenschluß genehmigt habe, ohne für den Schutz der sozialen Grundrechte wie der Aufrechterhaltung und Verbesserung des Beschäftigungsstandes sowie des Rechts auf vorherige Unterrichtung und Anhörung in allen Fällen kollektiver Gefährdung der Beschäftigung Sorge zu tragen, die grundlegenden Prinzipien des Sozialrechts der Gemeinschaft missachtet, wie sie in folgenden Texten niedergelegt seien: in der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten Europäischen Sozialcharta, in der am 9. Dezember 1989 in Straßburg unterzeichneten Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte, in den Artikel 117 ff. EWG-Vertrag sowie in den Richtlinien 75/129/EWG des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 48, S. 29) und 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26).

15 Auch sei die Entscheidung, den angemeldeten Zusammenschluß unter gleichzeitiger Festsetzung von Auflagen und Bedingungen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären, dem angestrebten Ziel nicht angemessen. Da die Kommission der Ansicht gewesen sei, es könne nicht ohne Schaden für den Wettbewerb hingenommen werden, daß die Erzeugung auf dem relevanten Markt auf lediglich zwei Zentren beschränkt werde, hätte sie die von Nestlé beantragte Genehmigung nicht erteilen dürfen und gemäß Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 den in Gang befindlichen Zusammenschluß mit einer ° gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen nach Artikel 8 Absatz 4 ergänzten ° Entscheidung verbieten müssen, um einen wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen, wie er vor der Abgabe des öffentlichen Angebots zur Übernahme von Perrier durch Nestlé bestanden habe.

16 Schließlich sei die Entscheidung mit einem Rechtsirrtum und einem offensichtlichen Irrtum bei der Beurteilung des Sachverhalts behaftet. Die Kommission habe insoweit ihre Befugnisse überschritten, als sie zum einen von der Vermutung des Bestehens eines Kartells zwischen Nestlé und BSN ausgegangen sei und zum anderen bei der Prüfung des angemeldeten Zusammenschlusses die Begriffe "oligopolistische beherrschende Stellung" und "Duopol" eingeführt habe, die dem EWG-Vertrag wie auch der Verordnung Nr. 4064/89 fremd seien. Jedenfalls habe die Kommission ihre abschließende Auffassung, der Zusammenschluß führe zu einer Behinderung des Wettbewerbs, auf unzureichend untermauerte blosse Hypothesen und Schlußfolgerungen gestützt.

17 Was die Gefahr eines schwerwiegenden und nicht wiedergutzumachenden Schadens betrifft, so machen die Antragsteller geltend, die Genehmigung des angemeldeten Zusammenschlusses werde sich notwendigerweise unmittelbar auf sozialer Ebene auswirken, wie dies bereits Ende September 1992 zum Ausdruck gekommen sei, als Nestlé einen Plan zum Abbau von 740 Stellen im Laufe des Jahres 1993 angekündigt habe. Diesem Stellenabbauplan würden zwangsläufig weiter Abbaumaßnahmen folgen, und zwar nicht lediglich wegen der Übertragung erheblicher Vermögenswerte, zu der die Entscheidung Nestlé verpflichte, sondern auch angesichts der Tatsache, daß bei Nestlé ähnliche Strukturen bestuenden wie innerhalb der Perrier-Gruppe. Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeute für jeden betroffenen Arbeitnehmer einen nicht rückgängig zu machenden Schaden, weil das französische Recht für den Fall der ungerechtfertigten oder rechtswidrigen Entlassung keinen allgemeinen Anspruch auf Wiedereinstellung gewähre und eine Wiedergutmachung im allgemeinen einzig und allein im Wege der Entschädigung erfolge. Selbst wenn das Gericht die streitige Entscheidung im Rahmen des Hauptverfahrens für nichtig erklären würde, so würde dies nicht zur Wiedereinsetzung der Betroffenen in ihre jeweiligen Rechte führen, soweit sie zwischenzeitlich ihre Stelle verloren hätten.

18 Nach Auffassung der Kommission ist die Klage offensichtlich unzulässig, da die Antragsteller durch die angefochtene Entscheidung nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag unmittelbar und individuell betroffen seien; der vorliegende Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung müsse daher als unzulässig zurückgewiesen werden. Zwar sei die Frage der Zulässigkeit der Klage grundsätzlich nicht im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu prüfen, um der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorzugreifen. Nach ständiger Rechtsprechung habe der Richter in einem solchen Verfahren jedoch festzustellen, ob die Klage auf den ersten Blick Merkmale aufweise, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Schluß auf ihre Zulässigkeit gestatteten (siehe zuletzt den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 23. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-10/92 R, 11/92 R, 12/92 R, 14/92 R und 15/92 R, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1571). Selbst wenn die Antragsteller im Hinblick auf ein ihnen etwa zugestandenes Recht, sich an den Verfahren nach der Verordnung Nr. 4064/89 zu beteiligen, durch die streitige Entscheidung individuell betroffen sein sollten, könnten sie jedenfalls nicht als unmittelbar betroffen angesehen werden, da die rechtlichen Folgen, die zu tragen sie Gefahr liefen, nicht einzig und allein auf die streitige Entscheidung zurückgeführt werden könnten.

19 Im einzelnen greife eine Entscheidung, mit der ein Zusammenschluß genehmigt werde, weder dem freien Entschluß eines Neuerwerbers vor, Entlassungen vorzunehmen oder nicht vorzunehmen, noch der Befugnis eines Mitgliedstaates, Entlassungen einem besonderen Verfahren, ja sogar einer vorherigen behördlichen Genehmigung zu unterwerfen. Ebensowenig berühre die Übertragung eines Unternehmens in irgendeiner Weise die Rechte von dessen Arbeitnehmern, da diese Rechte lediglich vom Zedenten auf den Zessionar übergingen und die Übertragung des Unternehmens für sich allein keinen Entlassungsgrund darstelle. Da die angefochtene Handlung ihrem Adressaten keinerlei Entlassungsverpflichtungen auferlege, könnten eventuelle Entlassungen, zu denen dieser sich entschließen würde, nicht als notwendige Folge der streitigen Entscheidung angesehen werden.

20 Zumindest gestatte die Antragsschrift nicht den Schluß auf das Vorliegen von Umständen, aus denen sich eine Dringlichkeit ergeben würde; ebensowenig werde die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht.

21 Was die Dringlichkeit betrifft, so hätten die Antragsteller weder ausreichend dargelegt, daß ihnen mit Sicherheit ein Schaden unmittelbar bevorstehe, noch einen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Schaden und der Entscheidung nachgewiesen. Ein etwaiger Stellenabbau ungewissen Umfangs, der möglicherweise mit den künftigen Übertragungen von Vermögenswerten der Perrier-Gruppe einhergehen würde, könne lediglich einen "zukünftigen, ungewissen und vom Zufall abhängigen Schaden" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichts darstellen (Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 7. Juni 1991 in der Rechtssache T-19/91 R, Vichy/Kommission, Slg. 1991, II-265).

22 Was den Plan für den Abbau von 740 Stellen im Laufe des Jahres 1993 angehe, so wäre es Sache der Antragsteller gewesen, den Nachweis dafür zu erbringen, daß weder das nationale Recht noch die innerstaatlichen Rechtsbehelfe ihnen die Möglichkeit eröffneten, den Schaden abzuwenden, der durch die Verwirklichung dieses Planes entstuende (siehe den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 15. Juni 1987 in der Rechtssache 142/87 R, Belgien/Kommission, Slg. 1987, 2589). Der französische Code du travail (Arbeitsgesetzbuch) unterwerfe den Arbeitgeber, der aus wirtschaftlichen Gründen Entlassungen plane, einer Reihe von Verpflichtungen sowohl gegenüber den Arbeitnehmern und deren Vertretern als auch gegenüber der öffentlichen Verwaltung; Verstösse gegen diese Verpflichtungen seien mit Strafen bedroht.

23 Weiterhin bestehe zwischen einer Entscheidung, mit der ein Zusammenschluß genehmigt werde, und etwaigen von dem Erwerber eines Unternehmens vorgenommenen Entlassungen kein Zusammenhang. Wäre mit den Antragstellern davon auszugehen, daß Zusammenschlüsse stets zu einem Beschäftigungsrückgang führten und daß mit ihrer Genehmigung der geplante Stellenabbau wirksam werden würde, so müsste jeder von den Vertretern des Personals der betroffenen Unternehmen gestellte Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer einen Zusammenschluß genehmigenden Entscheidung ohne weiteres Erfolg haben.

24 Selbst wenn die Antragsteller das Vorliegen von Umständen nachgewiesen haben sollten, aus denen sich eine Dringlichkeit ergeben würde, so müsse schließlich die Berücksichtigung der jeweiligen Interessen der Beteiligten zur Zurückweisung des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung führen, vor allem weil diese Anordnungen nicht nur die jeweiligen Interessen der einzelnen Beteiligten, sondern auch diejenigen der Nestlé-Gruppe berührten, die nicht zu den Prozessparteien gehöre. Da der Zusammenschluß im übrigen bereits erfolgt sei, könnte eine Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung zu unumkehrbaren Folgen für den Wettbewerb auf dem betroffenen Sektor führen, da eine solche Aussetzung unter den obwaltenden Umständen vor allem zu einem Aufschub des Verkaufs der in Rede stehenden Vermögenswerte durch Nestlé und zur dauerhaften Aufrechterhaltung einer beherrschenden Stellung führen würde, wie sie die Entscheidung zu vermeiden suche.

25 Was den "fumus boni iuris" angehe, so seien die von den Antragstellern zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemachten Gründe unzulässig oder zumindest unbegründet. Was insbesondere den Vorwurf der Verletzung wesentlicher Formvorschriften anbelange, so entbehrten die Rügen, mit denen eine mangelnde vorherige Unterrichtung sowie eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht geltend gemacht würden, jeder Grundlage. Ohne daß hiermit der Frage vorgegriffen werde, ob das Syndicat CGT als anerkannter Vertreter der Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 angesehen werden könne und somit zu den "unmittelbar Betroffenen" gehöre, denen Artikel 18 Absatz 3 dieser Verordnung ein Recht auf Akteneinsicht einräume, sei festzustellen, daß das Syndicat CGT wie auch die anderen Antragsteller in der Lage gewesen sei, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die ihnen die gemeinschaftsrechtliche Regelung auf dem Gebiet der Zusammenschlüsse zur Verfügung stelle; die Kommission sei nicht dafür verantwortlich, daß das Syndicat CGT seinen Antrag auf Zulassung als Verfahrensbeteiligter in einem weit fortgeschrittenen Verfahrensstadium gestellt, keine Akteneinsicht beantragt und sich in der von der Kommission anberaumten Sitzung nicht des Beistands eines Rechtsanwalts bedient habe. Die Kommission habe dagegen die von den Vertretern des Syndicat CGT geäusserten Besorgnisse sehr ernst genommen, wie sich darin zeige, daß sie auf deren Auskunftsantrag zuegig reagiert habe, indem sie eine gemeinsame Sitzung anberaumt und die genannten Vertreter aufgefordert habe, nach der Sitzung ergänzende schriftliche Bemerkungen einzureichen, was diese im übrigen auch getan hätten.

26 Was den auf eine Verletzung der sozialen Grundrechte gestützten Klagegrund angehe, mit dem geltend gemacht werde, die sozialen Auswirkungen des Zusammenschlusses in Form eines Stellenabbaus seien nicht angemessen berücksichtigt worden, so solle die Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen mit dem Blick auf die Vollendung des Binnenmarkts einen wirksamen Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt bewahren und entwickeln. Sicherlich treffe es zu, daß die Kommission ihre Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb in den allgemeinen Zusammenhang der Verwirklichung der grundlegenden Ziele von Artikel 2 EWG-Vertrag einschließlich des in Artikel 130a EWG-Vertrag niedergelegten Ziels des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Gemeinschaft zu stellen habe. Die Auswirkungen des streitigen Vorgangs auf die Beschäftigung können jedoch nur dann in Betracht gezogen werden, wenn sie wegen ihrer Bedeutung geeignet seien, die Verwirklichung eines der erwähnten Ziele, insbesondere der Entwicklung der Beschäftigung, zu gefährden. Weder der Erwerb von Perrier durch Nestlé noch die Übertragung von Vermögenswerten, die im Anschluß an die Durchführung der in der Entscheidung aufgestellten Bedingungen stattfinden solle, seien geeignet, diese Ziele in eindeutiger Weise zu durchkreuzen.

Rechtliche Würdigung

A ° Zur Verordnung Nr. 4064/89

27 Der vorliegende Antrag auf Erlaß einstweiliger Anordnungen ist der erste Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer von der Kommission aufgrund ihrer Befugnisse aus der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erlassenen Entscheidung, mit dem die Gerichtsbarkeit der Gemeinschaft befasst wurde. Diese Verordnung hat der Kommission die Aufgabe übertragen, Zusammenschlußvorhaben, die sich gemeinschaftsweit auswirken würden, vor ihrer Durchführung zu kontrollieren, um im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes und dessen spätere Vertiefung innerhalb des Gemeinsamen Marktes einen wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und zu entwickeln. Unter diesem Gesichtspunkt war der Gemeinschaftsgesetzgeber der Auffassung, zwar sei die Umstrukturierung der Unternehmen in der Gemeinschaft und seien insbesondere die Zusammenschlüsse zu begrüssen, weil sie den Erfordernissen eines dynamischen Wettbewerbs entsprächen und geeignet seien, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu steigern, die Wachstumsbedingungen zu verbessern sowie den Lebensstandard anzuheben, es müsse jedoch gewährleistet werden, daß dieser Umstrukturierungsprozeß nicht zu einer dauerhaften Schädigung des Wettbewerbs führe (siehe die Punkte 4 und 5 der Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 4064/89).

28 Wie aus der dreizehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 4064/89 hervorgeht, muß sich die Kommission bei der Feststellung, ob ein Zusammenschluß im Hinblick auf seine Folgen für die Wettbewerbsstruktur in der Gemeinschaft mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, an dem allgemeinen Rahmen der Verwirklichung der grundlegenden Ziele des EWG-Vertrags gemäß dessen Artikel 2 einschließlich des Ziels der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 130a EWG-Vertrag orientieren.

29 Überdies kann die Kommission nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 eine Entscheidung, mit der sie einen Zusammenschluß für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, mit Bedingungen und Auflagen verbinden, um sicherzustellen, daß die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie der Kommission gegenüber hinsichtlich der Änderung des ursprünglichen Zusammenschlußvorhabens eingegangen sind.

30 Schließlich ist die Kommission aus Gründen der Wirksamkeit der Kontrolle und der Rechtssicherheit der beteiligten Unternehmen verpflichtet, bei der Einleitung eines Verfahrens und dem Erlaß der endgültigen Entscheidung Ausschlußfristen einzuhalten, bei deren Überschreitung der Zusammenschluß als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt gilt.

B ° Zur Frage der offensichtlichen Unzulässigkeit der Klagen

31 "Wenn die offensichtliche Unzulässigkeit der Klage geltend gemacht wird, hat der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung festzustellen, ob die Klage auf den ersten Blick Merkmale aufweist, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Schluß zulassen, daß sie zulässig ist" (ständige Rechtsprechung; siehe zuletzt den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 23. März 1992 in der Rechtssache CBS Cimenteries u. a./Kommission, a. a. O.).

32 Wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, von ihr im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1986 in der Rechtssache 75/84 Metro/Kommission, Slg. 1986, 3021).

33 Zur Klagebefugnis Dritter hat der Gerichtshof auf dem Rechtsgebiet des Wettbewerbs und der staatlichen Beihilfen wie auch in Dumping- und Subventionsfällen entschieden, daß Unternehmen, denen eine Verordnung prozessuale Rechte gewährt, die es ihnen gestatten, bei der Kommission die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Gemeinschaftsrecht zu beantragen oder im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens Bemerkungen vorzutragen, über eine Klagemöglichkeit zum Schutz ihrer berechtigten Interessen verfügen können (siehe die Urteile des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76, Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875, vom 4. Oktober 1983 in der Rechtssache 191/82, Fediol/Kommission, Slg. 1983, 2913, und vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, Cofaz/Kommission, Slg. 1986, 391). Der Schutz berechtigter Interessen kann somit ein ausschlaggebender Faktor für die Beantwortung der Frage sein, ob eine natürliche oder juristische Person von einer Entscheidung unmittelbar und individuell und damit in ähnlicher Weise wie ein Adressat betroffen ist.

34 Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 räumt anders als die entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen über die Verfahren zur Durchführung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag den rechtlich anerkannten Vertretern der Arbeitnehmer der betroffenen Unternehmen ausdrücklich das Recht ein, in gleicher Weise angehört zu werden wie andere natürliche oder juristische Personen, die ein hinreichendes Interesse nachweisen. Die Frage, inwieweit die rechtlich anerkannten Vertreter der Arbeitnehmer eines an einem Zusammenschlußvorgang beteiligten Unternehmens zum Schutze ihrer berechtigten Interessen über ein Klagerecht verfügen, bedarf daher einer eingehenden Untersuchung.

35 Nach alledem kann der Richter der einstweiligen Anordnung beim gegenwärtigen Verfahrensstand nicht feststellen, daß die Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung offensichtlich unzulässig ist.

C ° Zur Interessenabwägung

36 Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zielt in erster Linie auf die Aussetzung der Durchführung der Entscheidung, mit der die Kommission die Übernahme von Perrier durch Nestlé genehmigt hat; hilfsweise geht er dahin, das Gericht möge die Kommission verpflichten, Nestlé aufzugeben, jeglichen Stellenabbau sowie alle Maßnahmen zur Übertragung der Kontrolle irgendeiner betrieblichen Einheit der Perrier-Gruppe auf Dritte einzustellen.

37 Die beantragte Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Entscheidung liefe darauf hinaus, die von der Kommission erteilte Genehmigung des angemeldeten Zusammenschlusses und demzufolge die Ausübung des Nestlé innerhalb der Perrier-Gruppe zustehenden Stimmrechts für die gesamte Dauer des Rechtsstreits auszusetzen, was den Betrieb der Unternehmen dieser Gruppe in schwerwiegender Weise behindern könnte.

38 Auch das beantragte Vorgehen, das Gericht möge die Kommission verpflichten, Nestlé aufzugeben, alle Maßnahmen aufzuschieben, die die Übertragung irgendeiner betrieblichen Einheit der Perrier-Gruppe auf einen Dritten zum Gegenstand haben, liefe darauf hinaus, die Erfuellung der von Nestlé gegenüber der Kommission eingegangenen, oben (Randnr. 8) bezeichneten Verpflichtungen auszusetzen; hierdurch würde die beherrschende Stellung eines Unternehmens aufrechterhalten, die auf dem betroffenen Sektor nicht wieder rückgängig zu machende Folgen für den Wettbewerb zeitigen könnte und der die in der Entscheidung angeordneten Bedingungen und Auflagen eben gerade ein Ende bereiten sollen: Die Erfuellung dieser Verpflichtungen innerhalb der in der Entscheidung gesetzten Frist ist Voraussetzung der von der Kommission erteilten Genehmigung zur Durchführung des angemeldeten Zusammenschlusses.

39 Bei dieser Rechts- und Sachlage muß der Richter der einstweiligen Anordnung nicht nur die Interessen der Antragsteller einerseits und das Interesse der Kommission an der Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs andererseits gegeneinander abwägen (siehe die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 16. Februar 1987 in der Rechtssache 45/87 R, Kommission/Irland, Slg. 1987, 783, und vom 13. Juni 1989 in der Rechtssache 56/89 R, Publishers Association/Kommission, Slg. 1989, 1693; siehe ferner den Beschluß des Präsidenten des Gerichts von 16. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssache T-24/92 R und 29/92 R, Langnese und Schöller/Kommission, Slg. 1992, II-1839), sondern auch die Interessen Dritter wie Nestlé einbeziehen (siehe den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 22. Mai 1978 in der Rechtssache 92/78 R, Simmenthal/Kommission, Slg. 1978, 1129), um zu verhindern, daß eine unumkehrbare Situation entsteht oder die Parteien des Rechtsstreits, ein Dritter oder sogar das Allgemeininteresse einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden.

40 Wie aus dem Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 22. Mai 1978 in der Rechtssache Simmenthal/Kommission hervorgeht, sind in Fällen der vorliegenden Art, in denen sich die beantragten einstweiligen Anordnungen erheblich auf die Rechte und Interessen Dritter auswirken könnten, die nicht Parteien des Rechtsstreits sind und deshalb nicht gehört werden können, solche Anordnungen nur dann gerechtfertigt, wenn die Antragsteller anderenfalls erkennbar in eine existenzbedrohende Lage gerieten.

41 Im Lichte dieser Überlegungen hat der Richter der einstweiligen Anordnung zu untersuchen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die beantragten einstweiligen Anordnungen im vorliegenden Fall gegeben sind.

D ° Zur Frage des schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens

42 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Frage der Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, daß dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Die Partei, die die Aussetzung des Vollzugs begehrt, hat deshalb den Nachweis dafür zu erbringen, daß sie den Ausgang des Hauptverfahrens nicht abwarten kann, ohne selbst einen Schaden zu erleiden, der schwere und nicht wiedergutzumachende Folgen für sie hätte (siehe den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 15. Juni 1987 in der Rechtssache Belgien/Kommission, a. a. O., Randnr. 23).

43 Nach dem Vorbringen der Antragsteller ergibt sich die Dringlichkeit der beantragten Aussetzung daraus, daß Nestlé Ende September 1992 angekündigt habe, im Laufe des Jahres 1993 740 Stellen abbauen zu wollen, eine Maßnahme, der ° wiederum den Antragstellern zufolge ° ein weiterer Stellenabbau folgen würde, und zwar zum einen wegen der in der angefochtenen Entscheidung angeordneten Veräusserungen erheblicher Vermögensbestandteile, zum anderen deswegen, weil bei Nestlé ähnliche Strukturen bestuenden wie bei der Perrier-Gruppe. Im einzelnen machen die Antragsteller geltend, da das französische Recht keine Vorschrift enthalte, der zufolge nach einer ungerechtfertigten oder rechtswidrigen Entlassung ein Anspruch auf Wiedereinstellung bestuende, bedeute der Verlust des Arbeitsplatzes einen nicht wieder rückgängig zu machenden Schaden, da die einzige den Betroffenen gewährte Wiedergutmachung gewöhnlich in einer Entschädigung bestehe.

44 Was erstens den beabsichtigen Stellenabbau betrifft, so geht aus den Prozessakten hervor, daß die neue Leitung von Perrier anläßlich einer Sitzung des Gesamtunternehmensausschusses am 23. September 1992 die Personalvertreter davon unterrichtet hat, sie werde im Laufe des Jahres 1993 die Beschäftigtenzahl ohne Entlassungen um 750 Stellen verringern. Dieser Plan, dessen Durchführung keine Entlassungen erforderlich mache, bestehe aus drei Teilen, nämlich einem Ausbildungsplan, einem Plan, der vorbehaltlich behördlicher Zustimmung ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben vorsehe, und einem Berufsfindungsplan, der im wesentlichen auf Teilzeitarbeit oder gelegentliche Arbeit bezogen sei. Dieser Plan schließe sich an einen von der früheren Leitung erarbeiteten und 1991 den örtlichen Verwaltungsbehörden sowie den Vertretern des Personals vorgelegten Anpassungsplan für die Belegschaft von Perrier an, der jedoch wegen der zwischenzeitlichen Ereignisse nicht habe durchgeführt werden können. Wie die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, würden den Betroffenen nur dann sogenannte "kalte" Kündigungen zugestellt, wenn sie die in dem Plan zur Verringerung der Beschäftigtenzahl vorgesehenen Bedingungen ablehnten.

45 Was zweitens die Gefahr eines Stellenabbaus als Folge der in der streitigen Entscheidung angeordneten Übertragung von Vermögensteilen angeht, so berührt die Verordnung Nr. 4064/89, wie aus ihrer einunddreissigsten Begründungserwägung hervorgeht, die in den beteiligten Unternehmen anerkannten kollektiven Rechte der Arbeitnehmer nicht. Nach den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie 77/187 gehen vielmehr die Rechte und Pflichten, die sich für den Zedenten aus einem zur Zeit der Veräusserung bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis ergeben, auf den Zessionar über, wobei die Veräusserung für sich allein weder für den Zedenten noch für den Zessionar einen Kündigungsgrund bildet. Hiernach kann sich eine Entscheidung, mit der ein Zusammenschluß genehmigt wird, grundsätzlich nicht auf die Rechte der Arbeitnehmer eines Unternehmens auswirken, das als Folge eines Zusammenschlusses übereignet wurde.

46 Nach alledem ist der behauptete Schaden, selbst wenn er hinreichend feststehen sollte, nicht die unmittelbare Folge der angegriffenen Entscheidung oder von deren Durchführung.

47 Daher brauchen die Gründe nicht erörtert zu werden, die die Antragsteller zugunsten einer für die Begründetheit ihrer Klage sprechenden Vermutung vorgebracht haben. Da die rechtlichen Voraussetzungen für die beantragten einstweiligen Anordnungen nicht vorliegen, ist der Antrag vielmehr zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1) Der Antrag auf Erlaß einstweiliger Anordnungen wird zurückgewiesen.

2) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 15. Dezember 1992.

Ende der Entscheidung

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