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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 2 K 2306/99
Rechtsgebiete: GrStG, BewG, GG


Vorschriften:

GrStG § 33 Abs. 1
GrStG § 33 Abs. 1 Satz 1
GrStG § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
GrStG § 34 Abs. 2
BewG § 76 Abs. 1
BewG § 79 Abs. 1 Satz 2
BewG § 79 Abs. 3
BewG § 79 Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Für das der Klägerin ab 1. Januar 1993 zugerechnete streitbefangene Grundstück F.xxx/R.xxx/V.xxx, das nach Abbruch der gesamten Altbebauung mit dem Mitte 1995 fertig gestellten P.xxx bebaut ist, erließ der Beklagte am 16. Januar 1997 einen Einheitswert- (Wert- und Artfortschreibung)Bescheid und Grundsteuermessbescheid auf den 1. Januar 1996 mit einem Einheitswert in Höhe von 10 980 700,00 DM und einen Grundsteuermessbetrag in Höhe von 65 884,20 DM sowie am 28. Januar 1997 einen Grundsteuerbescheid 1996 über 395 305,20 DM Grundsteuer. Alle Bescheide erwuchsen in Bestandskraft.

Mit am 21. März 1997 eingegangenem Schreiben vom 20. März 1997 beantragte die Klägerin gemäß § 33 Grundsteuergesetz -GrStG-den Erlass von 52,56 % (207 772,41 DM) der Grundsteuer 1996. Der Beklagte lehnte den Antrag am 13. Januar 1998 ab und wies den Einspruch vom 21. Januar 1998 mit Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 1999 als unbegründet zurück.

In ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Die Argumentation des Beklagten, dass der erzielte Rohertrag die Vermutung der Normalität für sich habe, entziehe § 33 GrStG die Grundlage. Nach Auffassung des Beklagten sei der Normalertrag der tatsächlich erzielte Ertrag, bei einem Leerstand demnach 0,00 DM. Der normale Rohertrag sei bei nach § 76 Abs. 1 Bewertungsgesetz -BewG-zu bewertenden Grundstücken die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung der Einheitswerte auf den Beginn des Erlasszeitraumes maßgebend wäre (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 GrStG). Auch in schwieriger Vermietungssituation sei die Jahresrohmiete für Leerstandsflächen nicht mit 0,00 DM, sondern mit der marktüblichen Miete anzusetzen.

Der Beklagte dehne den Begriff des "Vertretenmüssens" über den gesetzlichen Regelungsgehalt hinaus aus und widerspreche damit den in Abschnitt 38 Abs. 2 bis 4 Grundsteuerrichtlinien -GrStR97 niedergelegten Grundsätzen.

Durch eine Standortanalyse xxxxxxxxxxxxxx und Expertisen renommierte Consulting- und Maklerunternehmen xxxxxxxxxxxx habe sie im Rahmen der Investitionsentscheidung die Vermietbarkeit zu den in Aussicht genommenen Mietansätzen mit positivem Ergebnis überprüft. Sie habe damit das gebotene kaufmännische Verhalten gezeigt. Die Vermietungsergebnisse im Einzelhandels-, Hotel- und Wohnungsbereich bestätigten die Expertisen. Lediglich im Büroflächenbereich habe das nicht erwartete Neubauvolumen, die verzögerte Wirtschaftsbelebung und der verzögerte Regierungs- und Parlamentsumzug zu unbefriedigenden Mietergebnissen geführt. Diese Umstände lägen außerhalb ihrer Einflussnahme.

Sie habe mit umfangreichen Vermietungsaktivitäten durch ihre Beauftragte xxxxxxxxxxxxxxx und durch Vereinbarung von auf 25,00 DM/m reduzierten Büromieten gegenüber geplanten 45,00 DM/m reagiert (Beweis: ihr Geschäftsbericht für das Jahr 1996). Dieser Ansatz der Durchschnittsmiete entspreche der vom Amt für Wohnraumnutzung und Stadterneuerung ermittelten 17,50 DM/m bis 20,00 DM/m für Nebenlagen und 30,00 DM/m bis 35,00 DM/m für Spitzenlagen.

Die Minderung des Rohertrages habe sie mithin nicht zu vertreten.

Der Versagung des Erlasses stünden verfassungsrechtliche Grundsätze entgegen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 13. Januar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 1999 den Beklagten zu verpflichten, die Grundsteuer 1996 in Höhe eines Teilbetrages von 207 772,00 DM zu erlassen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und erwidert: Die Klägerin habe die Rohertragsminderung zu vertreten, da sie offensichtlich für die Nebenlage zu hohe Durchschnittsmieten von 45,00 DM/m kalkuliert habe, da das Amt für Wohnraumnutzung und Stadterneuerung erheblich niedrigere Büromieten ermittelt habe. Die Klägerin habe zwar Vermietungsbemühungen erbracht, aber nicht nachgewiesen, bei Vermietungsversuchen unterhalb der marktüblichen Büromiete geblieben zu sein. Bleibe der Grundstückseigentümer bei Vermietungsversuchen nicht unter der Marktmiete für vergleichbare Grundstücke, habe er den Leerstand zu vertreten. In Anlehnung an Abschnitt 38 Abs. 4 a Satz 3 GrStG fielen Leerstände bei Neubauten als Anfangsverluste unter das Unternehmerrisiko.

Da die Klägerin die Rohertragsminderung zu vertreten habe, habe es keiner näheren Aufklärung darüber bedurft, in welchem Umfang eine Minderung des Rohertrags eingetreten sei (Abschnitt 38 Abs. 1 Satz 2 GrStR).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Steuer- und Streitakten verwiesen.

Dem Gericht haben zwei Bände Einheitswert- und Grundsteuerakten des Beklagten zur Steuernummer xxxxxxxxxx vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Verwaltungsakt vom 13. Januar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 1999 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-), da der Beklagte den beantragten Grundsteuererlass zu Recht versagt hat.

Ist bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 v. H. gemindert und hat der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrages nicht zu vertreten, so wird die Grundsteuer nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der 4/5 des Prozentsatzes der Minderung entspricht. Dabei ist der normale Rohertrag bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz -BewG- im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraumes maßgebend wäre, wobei § 79 Abs. 3 und 4 BewG keine Anwendung findet (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG). Nach § 34 Abs. 2 GrStG wird der Erlass nur auf einen bis zum 31. März des dem Erlasszeitraum - d. h. das Kalenderjahr, für das die Grundsteuer festgesetzt worden ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 GrStG) - folgenden Kalenderjahres gestellten Antrag gewährt.

Diesem förmlichen Antragserfordernis hat die Klägerin genügt, denn ihr vom 20. März 1997 datierender, das Kalenderjahr 1996 betreffende Antrag ist beim Beklagten am 21. März 1997 eingegangen.

Jedoch liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 GrStG im Streitfall nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG-im Urteil vom 3. Mai 1991 - 8 C 13.89 - (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1992, 580), der sich der erkennende Senat anschließt, ist der "übliche Ertrag" grundsätzlich durch Fremdvergleich zu ermitteln, es ist also festzustellen, was andere Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag erbringen. Diese Auslegung beruht auf dem Gebot der steuerlichen Gleichbehandlung. Mit der Regelung des § 33 GrStG hat der Gesetzgeber in den dort bestimmten Fällen die gesetzliche Konzeption der Grundsteuer als einer ertragsunabhängigen Objektsteuer durchbrochen. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass in bestimmten Ausnahmefällen eine wesentliche Ertragsminderung als wirtschaftlich derart belastend anzusehen sei, dass die Einziehung der ungekürzten Grundsteuer dem Steuerschuldner nicht zuzumuten ist (BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - 8 C 52/81 -, Steuerrechtsprechung in Karteiform -StRK- GrStG 1973 § 33 R 3). Dieser Ausnahmecharakter der Erlassregelung hat im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot zur Folge, dass der Erlassanspruch auf solche Fälle beschränkt ist, die im Vergleich zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen atypisch sind (BVerwG in BStBl II 1992, 580). Liegt eine solche atypische Fallgestaltung nicht vor, dann kann auch ein üblicher Ertrag nicht gemindert sein. So verhält es sich im Streitfall.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der anfängliche vollständige oder teilweise und sich erst nach einer längeren Anlaufphase reduzierende Leerstand von zur Vermietung an eine Vielzahl von Einzelbetrieben bestimmten Büro- und Dienstleistungsgebäuden spätestens seit Beginn des Erlasszeitraumes 1995 im Land Berlin üblich. Es ist gerichtsbekannt, dass die Verzögerung des Umzugs von Verfassungsorganen des Bundes nach Berlin hier den Markt für gewerbliche Mietobjekte hat verfallen lassen, weil damit auch der allgemein erwartete Zuzug von Verbänden, Dienstleistern und anderen gewerblichen Unternehmen im Wesentlichen ausgeblieben ist. Dadurch und aufgrund dessen, dass in Erwartung des ursprünglich schon für das Kalenderjahr 1995 vorgesehenen Umzugs seit Herstellung der deutschen Einheit im Jahre 1990 erhebliche Kapazitäten aufgebaut worden waren, ist ein Überangebot insbesondere an neu errichteten Geschäftsgrundstücken, gemischt genutzten Grundstücken und Gewerbeobjekten entstanden. Dieser Umstand hat den gesamten Markt betroffen, sodass sogar in den zentralen I a-Lagen Berlins seit Mitte des letzten abgelaufenen Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts fertig gestellte gewerbliche Objekte und Geschäftsgrundstücke in großer Zahl leer stehen. Im Vergleich zu diesen Gegebenheiten, mit denen die Klägerin ihre Klage - wenn auch zum Teil unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten - gerade begründet, kann der Senat nicht feststellen, dass der Leerstand in dem streitbefangenen gemischt genutzten Grundstück atypisch wäre, zumal dieses unstreitig nicht ungünstig in einem randbezirklichen Industrie- bzw. Dienstleistungsgebiet gelegen ist. Die Klägerin hat das Grundstück in der Erwartung erworben und bebaut, der beschlossene Umzug von Verfassungsorganen des Bundes nach Berlin werde die wirtschaftliche Entwicklung Berlins und den Bedarf an Büro- und Dienstleistungsräumen erheblich wachsen lassen. Dass sie in dieser Hoffnung enttäuscht wurde, ist kein atypischer Einzelfall, sondern entsprach der allgemeinen Situation auf dem Berliner Markt für Geschäftsgrundstücke und Gewerbeobjekte. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass ihr Grundstück hiervon in größerem Ausmaß als andere Büro- und Dienstleistungsgrundstücke vergleichbarer Art betroffen wurde. Der erkennende Senat konnte daher davon absehen, durch Einholen eines Sachverständigengutachtens in Form einer Marktstudie für den Erlasszeitraum Material für einen detaillierten Vergleich zu beschaffen. Vielmehr finden auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits die Rechtsgrundsätze Anwendung, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 4. April 2001 - 11 C 12.00 - in Deutsches Verwaltungsblatt -DVBl- 2001, 1368; BStBl II 2002, 889 zum Ausdruck gebracht hat, wonach bei Leerstand von Wohnungen, die wegen des strukturell bedingten Überangebots in einer Gemeinde nicht vermietbar sind, wenn aufgrund dieses Umstands Ertragsminderungen eintreten, kein Anspruch auf Grundsteuererlass nach § 33 GrStG besteht. Dass diese höchstrichterliche Entscheidung auf gemischt genutzte Grundstücke gleichermaßen anwendbar ist, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt.

Die Versagung des Grundsteuererlasses bedeutet entgegen der Rechtsansicht der Klägerin keinen Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG- postulierte Grundrecht. Nach dieser verfassungsrechtlichen Norm ist das Gleichheitsgrundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 3 Rdn. 13) . Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Da die gesetzliche Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG davon ausgeht, dass allein auf außergewöhnlichen (atypischen) Umständen beruhende Ertragsminderungen einen Grundsteuererlass rechtfertigen, gewöhnliche Umstände hingegen, die den normalen Rohertrag mindern - und ebenfalls eine Ertragsminderung bewirken -, nach § 33 Abs. 5 GrStG keinen Erlass rechtfertigen, sondern anlässlich einer Fortschreibung des Einheitswertes zu berücksichtigen sind, ist der Gleichheitssatz nicht verletzt. Denn die wirtschaftlichen Unterschiede von Ertragsminderungen, die einerseits mit atypischen, andererseits mit typischen Geschehensabläufen einhergehen, sind derart gewichtig, dass sie durchaus eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Auch dass der Zeitpunkt einer neuen Hauptfeststellung der Einheitswerte gegenwärtig noch nicht absehbar ist, bewirkt keinen Verstoß gegen Art. 3 GG.

Vermindert sich der normale Rohertrag anders als im Sinne des § 33 Abs. 1 GrStG auf Grund von Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und Verhältnisse, so wird dies erst bei der nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte erfasst (§ 21 BewG) und wirkt sich bis dahin auf die Festsetzung der Grundsteuer nicht aus (§§ 16 ff. GrStG). Von Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne des Bewertungsrechts kann aber nur bei nachhaltigen, länger andauernden Veränderungen der Wertverhältnisse die Rede sein. Mit der Erfassung der durch allgemeine Wirtschaftsverhältnisse hervorgerufenen Wertverschiebungen trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass derartige Veränderungen im Grundsatz alle Grundstückseigentümer in gleicher Weise treffen. Da alle Grundstückseigentümer bis zur nächsten Hauptfeststellung, die erst durch einen Gesetzgebungsakt bestimmt werden müsste (Rössler/Troll, BewG, Kommentar, Stand: 28. Februar 2002, § 21 BewG Tz. 12), insoweit den gleichen gesetzlichen Regelungen des Bewertungsrechts unterliegen und damit wirtschaftlich auch in gleicher Weise belastet sind, liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht vor.

Dies gilt gerade auch unter dem Gesichtspunkt, dass die die Klägerin betreffende Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1996 erfolgt ist. Eine Zeitspanne von nur einem Jahr seit dem Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1996, in der die Klägerin durch den Einheitswert auf Grund der Wertfortschreibung wirtschaftlich belastet ist, ist noch nicht lang genug, um im Sinne des Bewertungsrechts von einem grundgesetzwidrigen Zustand auszugehen, der durch das Fehlen eines neuen Hauptfeststellungszeitpunktes herbeigeführt sein könnte.

Darüber hinaus hat die Klägerin den geringen Ertrag zu vertreten, weil sie die Gewerberäume zu einem Quadratmeterpreis von bis zu 25,00 DM und damit zu einer Miethöhe angeboten hat, die zu keiner Vollvermietung geführt hat.

Welche Umstände ein Steuerpflichtiger zu vertreten hat, ist durch Auslegung des § 33 Abs. 1 GrStG zu ermitteln. Für eine solche Gesetzesauslegung ist maßgebend der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Vorschrift gestellt ist. Zwar hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, beispielhaft bestimmte Umstände in den Gesetzestext aufzunehmen, die der Steuerschuldner zu vertreten hat. Gleichwohl geben die Worte "nicht zu vertreten hat" in § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG im Zusammenhang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch einen Hinweis auf die Umstände, auf die hier abzuheben ist. Denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind Umstände nicht zu vertreten, die unabhängig vom Willen des "Betroffenen" eintreten. Dagegen hat der "Betroffene" im Allgemeinen für Umstände einzustehen, die er selbst aufgrund eigener Willensentscheidung herbeigeführt hat oder deren Eintritt er in ihm zumutbarer Weise hätte verhindern können.

Diese durch den Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG nahe gelegte Auslegung des Merkmals "nicht zu vertreten hat" wird bestätigt durch den Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift gestellt ist. Die Grundsteuer ist ihrem Wesen nach eine ertragsunabhängige Objektsteuer, d. h. auf die Einziehung der Grundsteuer hat es grundsätzlich keinen Einfluss, ob das Steuerobjekt einen Ertrag abwirft oder nicht. Diesen Grundsatz der Ertragsunabhängigkeit hat der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 33 GrStG für die dort geregelten Fälle durchbrochen. Er hat damit seiner Auffassung Ausdruck verliehen, in bestimmten Ausnahmefällen sei eine wesentliche Ertragsminderung als derart belastend anzusehen, dass die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer für den Abgabepflichtigen nicht mehr zumutbar ist. Von einer die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Belastung aber kann keine Rede sein, wenn der Steuerpflichtige selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten (Urteil des BVerwG vom 15. April 1983 - VIII C 150/81 -, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwGE- 67, 123; StRK § 33 GrStG R 5) . Für den Begriff des "Vertreten müssens" im Sinne des Grundsteuergesetzes ergibt sich daraus zunächst, dass er nicht gleichzusetzen ist mit dem bürgerlich-rechtlichen "Verschulden", also mit Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Dass ein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten, welches eine Ertragsminderung verursacht hat, nicht zum Erlass der ohnehin allein auf den Wert des Grundbesitzes gelegten und damit ertrags- und verhaltensunabhängigen Objektsteuer führen kann, versteht sich von selbst. An das "Nichtvertreten" des § 33 Abs. 1 GrStG sind deshalb höhere Anforderungen zu stellen als die bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Ausgehend davon, dass es sich bei § 33 Abs . 1 Satz 1 GrStG um eine Billigkeitsregelung handelt, bietet es sich an, den Begriff des "Vertreten müssens" stets auch vor dem Hintergrund der Frage auszulegen, ob es aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen (Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 1985 - 11 K 27601 - in Zeitschrift für Kommunalfinanzen -ZKF- 1986, 11) .

Aufgrund dieser von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bestehen im Streitfall gegen die Entscheidung des Beklagten keine Bedenken.

Der Entschluss der Klägerin aus dem Jahre 1992 oder früher zum Erwerb des im Zeitpunkt des Lastenwechsels zum Teil noch bebauten Grundstücks, das für Zwecke der Bebauung freizuräumen war, hat keine Ursache für den Teilleerstand während des Streitjahres gelegt. Dieses Kaufverhalten beziehungsweise das Bebauungsverhalten der Klägerin ist in dem Kalenderjahr 1995, also bereits vor Beginn des Erlasszeitraumes 1996, abgeschlossen gewesen und bleibt daher unberücksichtigt. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ausschließlich und allein das Verhalten des Steuerpflichtigen während des Erlasszeitraumes entscheidend. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 2 GrStG, die vorschreibt, dass maßgebend für die Erlassentscheidung die Verhältnisse des Erlasszeitraumes sind. In diesem Zeitraum war das Gebäude jedoch schon in seinen vollständigen Ausmaßen einschließlich aller Einrichtungen endgültig fertig gestellt worden und vermietungsbereit. Daher ist für die Entscheidung über den Erlass der Grundsteuer 1996 all das unerheblich, was sich auf die frühere Herstellungs- und Erwerbsphase und die Nutzung des Gebäudes bezieht.

Zu vertreten hat die Klägerin jedoch, dass sie die Gewerberäume im Erlasszeitraum 1996 zu einem unrealistischen, das heißt überhöhten Mietpreis angeboten und dadurch den Teilleerstand verantwortlich verursacht hat. Die von der Klägerin behaupteten Vermietungsbemühungen belegen, dass es durchaus Interessenten gegeben hat, die jedoch deshalb von einer Vermietung abgesehen haben, da ihnen die geforderte Miete von 25,00 DM/m zu hoch war. Bei dieser für die Klägerin aussichtslosen Lage einer Vermietung wäre es ihr zuzumuten gewesen, den Leerstand durch einen verbilligten, unterhalb der üblichen Marktmiete liegenden Mietansatz zu beenden zu versuchen (Halaczinsky, Grundsteuerkommentar, 2. Auflage, § 33 GrStG Tz. 26). Denn wer sich wie die Klägerin ein Mietobjekt in der Größenordnung wie das P.xxxxx zulegt, ist verpflichtet, um überhaupt in den Kreis der die Wohltat eines - wenn auch nur teilweisen - Grundsteuererlasses genießenden Steuerpflichtigen zu gelangen, von einer rentierlichen Vermietung Abstand zu nehmen und bereit zu sein, zumindest zu demjenigen Mietzins zu vermieten, den die Mietinteressenten zu zahlen bereit sind. Ein solches Verhalten gebietet zum einen die Begründung der Regierungsvorlage des § 33 GrStG (wiedergegeben bei Max Troll, GrStG, 7. Aufl., § 33 Tz. 1), die ein Vertretenmüssen nur verneint, wenn ein Leerstand von Wohnungen auf mangelnder Mieternachfrage beruht, und zum anderen der Sinn und Zweck des als Billigkeitsregelung konzipierten § 33 GrStG. Die Billigkeit stellt die Ausnahme dar von dem allgemeinen Grundsatz, dass die Einziehung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nicht unbillig ist, sodass die Frage, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sich nicht nur nach der Interessenlage des Steuerpflichtigen bestimmt, sondern unter gegenseitiger Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Steuergläubigers und des Steuerschuldners zu beantworten ist (Tipke/Kruse, 16. Aufl., § 227 Abgabenordnung -AO- Tz. 11). Bei der als Objektsteuer ausgestalteten Grundsteuer obliegt daher dem Steuerpflichtigen die Verpflichtung, auch den geringst möglichen Ertrag aus dem Objekt zu erzielen - zumal es ihm ganz allgemein, nicht nur auf die Grundsteuer bezogen, bei schlechter Haushaltslage öffentlicher Kassen zugemutet werden muss, sich stärker einzuschränken als es bei guter Haushaltslage nötig wäre (Tipke-Kruse, a. a. O., § 227 AO Tz. 12) -, um auf diese Weise den Grundsteuererlass so gering wie möglich ausfallen zu lassen. Denn nur so kommt er den schutzwürdigen Interessen des Steuergläubigers nahe, dessen grundsätzliches Interesse auf vollständige Steuererhebung gerichtet ist.

Da die Klägerin auf die Mietvorstellungen der Mietinteressenten jedenfalls im Streitjahr nicht in ausreichender Weise eingegangen ist, hat sie den Leerstand zu vertreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Den Streitwert hat das Gericht in Anlehnung an die Sachanträge der Beteiligten gemäß §§ 25, 13 Gerichtskostengesetz -GKG- in Höhe des strittigen Erlassbetrages bestimmt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der erkennende Senat im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden hat und die Streitsache darüber hinaus keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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