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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: III 422/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9
EStG § 17
EStG § 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von nachträglichen Zinsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in den Veranlagungszeiträumen 1996 bis einschließlich 1999. Die geltend gemachten Zinsen stehen im Zusammenhang mit der vom Kläger in 1995 veräußerten Beteiligung an einer kanadischen Limited (Ltd.).

I. Der Kläger war an der Ltd. mehrheitlich beteiligt (vgl. Anlage K IV 2). Zum Erwerb der Anteile (Shares) in seinem Privatvermögen hatte er Bankdarlehen aufgenommen, aus denen sich Zinsaufwendungen ergaben. Die Bankdarlehen wurden in den Jahren bis 2000 zurückgeführt. Ferner hatte der Kläger der Ltd. Darlehen gewährt und gegenüber den Mitgesellschaftern eine Bürgschaftsverpflichtung für von ihnen der Ltd. gegebene Darlehen übernommen.

Der Kläger ist auch alleiniger Gesellschafter einer GmbH in Hamburg. Die Gesellschaftsanteile der GmbH befinden sich seit Gründung der Gesellschaft weit vor 1995 in seinem steuerlichen Privatvermögen.

Mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 1995 verkaufte der Kläger Anteile an der Ltd. von 66 shares der Klasse B und 300 shares der Klasse C an die GmbH zum Kaufpreis von 1 DM (Anlage K II 1). Noch nicht ausgeschüttete Gewinne sollten dem Erwerber zustehen. Ferner übertrug der Kläger für 1 weitere DM seine Rechte als Darlehensgeber für das von ihm an die Ltd. gewährte Darlehen. Die GmbH veräußerte die Beteiligung an der kanadischen Ltd. im Dezember 1999 zum Preis von 194,80 kanadischen Dollar an eine andere ausländische Kapitalgesellschaft, die einen weiteren Sanierungsversuch machen sollte.

II. Der Veräußerungsverlust aus der wesentlichen Beteiligung an der Ltd. ist beim Kläger einkommensteuerlich im Jahr 1995 berücksichtigt worden.

In seinen Einkommensteuererklärungen 1996 - 1999 machte der Kläger die aus der (bis dahin noch nicht getilgten) Fremdfinanzierung seiner veräußerten Ltd.-Beteiligung angefallenen Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend, und zwar für

 1996DM 69.749,
1997DM 27.477,
1998DM 24.079 und
1999DM 17.310.

In den Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1999, zuletzt geändert in den Bescheiden vom 23. April 2002 und durch Vorläufigkeitsvermerke vom 11. November 2003, wurden diese Posten nicht berücksichtigt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 wurden die Einsprüche des Klägers vom 17. Mai 2002 insoweit zurückgewiesen, als die für die Darlehen nach Anteilsverkauf aufgewendeten Zinsen nicht berücksichtigt wurden. Der verbleibende Verlustabzug wurde

 zum 31.12.1996aufDM 3.209.220,
zum 31.12.1997aufDM 3.019.648,
zum 31.12.1998aufDM 2.242.295 und
zum 31.12.1999aufDM 1.898.692

festgestellt.

III. Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 4. (eingegangen 5.) Dezember 2003 Klage mit dem Ziel der Anerkennung der Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Er trägt vor, er habe die Ltd.-Anteile nicht an irgendeinen Fremden veräußert, sondern an die GmbH, an der er seit ihrer Gründung bis heute unverändert zu 100 % beteiligt sei. Durch die Veräußerung seiner Anteile an der kanadischen Ltd. an die GmbH sei er vom unmittelbaren zum mittelbaren Gesellschafter geworden; damit sei er nach wie vor an der kanadischen Gesellschaft beteiligt gewesen. Diese mittelbare Beteiligung sei zumindest im vorliegenden Fall wie eine unmittelbare Beteiligung zu behandeln. Verdeckte Gewinnausschüttungen aus der kanadischen Ltd. würden bei Anwendung des deutschen Steuerrechts ihm (dem Kläger) zugerechnet werden. Auch Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung an der kanadischen Ltd. durch die GmbH wären in den Jahren 1996 bis 1999 bei der GmbH steuerpflichtige Gewinne gewesen und hätten zur weiteren Ausschüttung an ihn zur Verfügung gestanden oder hätten im Falle der Thesaurierung zu einer Werterhöhung seiner Gesellschaftsanteile an der GmbH geführt. Zwar sei die Beteiligung an der Ltd. im Veräußerungszeitpunkt nur mit 1 DM anzusetzen, jedoch hätten die übrigen Gesellschafter und das Management auch in den Folgejahren versucht, die Gesellschaft zu sanieren. Bei Erfolg hätte die Beteiligung eine Wertsteigerung erfahren. Eine solche Entwicklung hätte zu einem Veräußerungsgewinn oder zu Dividendenzahlungen führen können. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne auf diesen Sachverhalt nicht angewandt werden, da diese sich auf Zinsaufwendungen beziehe, die nach Vollbeendigung einer GmbH angefallen seien.

Der Kläger beantragt, die einkommensteuerlichen Verlustfeststellungsbescheide vom 23.April 2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 dahin zu ändern, dass der verbleibende Verlustabzug um folgende Zinsen aus Darlehen für die Anschaffung seiner wesentlichen Beteiligung an der kanadischen Ltd. höher festgestellt wird, nämlich

 - 1996um69.749 DM,
- 1997um(27.477 + vorjährige 69.749 =) 97.226 DM
- 1998um(24.079 + vorjährige 97.226 =) 121.305 DM
- 1999um(17.310 + vorjährige 121.305 =) 138.615 DM.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage unter Hinweis darauf für unbegründet, dass der BFH in ständiger Rechtsprechung nach der Veräußerung der wesentlichen Beteiligungen den Abzug von Zinsen als nachträgliche Werbungskosten versage. Ein Werbungskostenabzug komme ab dem Zeitpunkt, von dem ein Wirtschaftsgut nicht mehr zur Einkünfteerzielung verwendet werde, nicht mehr in Frage.

IV. Die Einkommensteuer-Akte Bd. VI und die Rechtsbehelfs-Akte Bd. II zur Steuernummer ... haben vorgelegen.

Der Kläger hat Kontoauszüge (Anlagenkonvolut K III) eingereicht betreffend die Höhe der geltend gemachten Zinsen mit Ausnahme des Streitjahres 1996, wo für Teilbeträge in Höhe von 7.169,31 DM und 22.138,34 DM die entsprechenden Belege fehlen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

I. Die angefochtenen Feststellungen über den verbleibenden Verlustabzug 1996-1999 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die geltend gemachten Schuldzinsen sind nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen.

Schuldzinsen sind als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1, § 20 EStG abziehbar, soweit sie im Zeitpunkt ihrer Entstehung mit Einkünften aus Kapitalvermögen im wirtschaftlichen bzw. Einkünfteerzielungs-Zusammenhang stehen (vgl. BFH vom 13. Juli 1993, VIII R 41/92, BFHE 173, 22, BStBl II 1994 228). Das gilt auch für die Zinsen aus Darlehen für die Anschaffung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (hier an einer kanadischer Ltd.) im Privatvermögen. Wenn das mit Kredit angeschaffte Wirtschaftsgut - die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft - entweder freiwillig durch Veräußerung oder Aufgabe oder zwangsweise durch Insolvenz, Zwangsversteigerung etc. nicht mehr der Erzielung von Kapitaleinkünften dient, endet dieser Zusammenhang.

a) Ab diesem Zeitpunkt sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Zinsen aus der Finanzierung von Anschaffungskosten rechtssystematisch nicht mehr als nachträgliche Werbungskosten abziehbar, soweit sie nicht auf den Zeitraum vor Veräußerung oder Auflösung entfallen (vgl. BFH vom 26. Januar 1999, VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 728 a.E.; vom 1. Oktober 1996, VIII R 88/94, BFHE 182, 320, BStBl II 1997, 424; vom 8. Dezember 1992, VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654; vom 10. November 1992, VIII R 98/90, BFH/NV 1993, 468; vom 18. August 1992, VIII R 22/89, BFH/NV 1993, 465; vom 31. Juli 1991, VIII R 67/88, BFH/NV 1992, 33).

b) Dieser Rechtsprechung haben die Finanzgerichte und das Schrifttum teils zugestimmt (vgl. FG Münster vom 25. Februar 2004, 1 K 5537/01 E, F,EFG 2004, 1361, DStRE 2004, 1277; FG des Saarlandes vom 13. Juni 2000, 1 K 81/00, Juris; Gericke in Bordewin/Brandt, EStG, § 9 Rd. 119; Schmitz, Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 9 Rd. 372, § 20 Rd. 82 "Schuldzinsen"; von Beckerath, Gosch in Kirchhof, EStG, 5. A., § 9 Rd. 65, § 17 Rd. 172; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, EStG, § 9 Rd. B 707; Seeger in Schmidt, EStG, 24. A., § 24 Rd. 101).

Von anderer Seite wurde oder wird ein nachträglicher Werbungskostenabzug bejaht (Thüringer Finanzgericht vom 13. Januar 2004, III 447/03 V, EF­G 2004, 1435 m. Anm. Morsbach; FG des Saarlandes vom 5. August 2002, 1 K 331/02, EFG 2002, 1435; vom 21. November 2001, 1 K 230/98, EFG 2002, 315; FG München vom 26. Januar 2004, 2 K 2468/97, EFG 2004, 974; K. Ebling, Stuhrmann in Blümich, EStG, § 17 Rd. 198, § 20 Rd. 378, § 24 Rd. 74 m.w.N.; Zimmermann/Schwier, Hildesheim in Bordewin/Brandt, EStG, § 17 Rd. 212, § 24 Rd. 53 m.w.N.; Frotscher, EStG, § 9 Rd. 34 m.w.N., Zimmermann in Kirchhof/Söhn, EStG, § 24 Rd. 146 m.w.N.; Jäschke, GŽrard in Lademann/Söffing, EStG, § 17 Rd. 222 m.w.N., § 24 Rd. 66 m.w.N.; Drenseck, Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 9 Rd. 40, § 17 Rd. 152 m.w.N.).

Die abweichenden FG-Entscheidungen sind weitgehend durch Aufhebung seitens des BFH oder durch gegenteilige Rechtsprechung überholt (vgl. BFH vom 18. Mai 2005, VIII B 141/04, Juris; vom 5. Oktober 2004, VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54; FG München vom 8. Dezember 2004, 15 K 5261/04, Juris; FG München vom 8. Dezember 2004, 15 K 5261/04, Juris; FG Köln vom 30. März 2004 8 K 2807/99, EFG 2004, 1289, DStRE 2004, 1205).

c) Die vorstehenden Grundsätze der BFH-Rechtsprechung über die Nichtabziehbarkeit nachträglicher Werbungskosten gelten insbesondere für die Zinsen zur Refinanzierung der auf die Anteile selbst entfallenden Anschaffungskosten bei einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (BFH vom 28. Mai 1997, VIII R 25/96, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724; vom 21. November 1995, VIII B 35/95, BFH/NV 1996, 329), speziell nach der Beteiligungs-Veräußerung (BFH vom 19. April 2005, VIII R 45/04, GmbHR 2005, 1150, BFH/NV 2005, 1545; vom 21. Januar 2004, VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551).

Die nach Veräußerung der Anteile aus der wesentlichen Beteiligung noch fortlaufenden Zinsaufwendungen aus der Fremdfinanzierung ihrer Anschaffung können auch nicht bei der Berechnung des Veräußerungsverlusts nach § 17 EStG als Anschaffungskosten oder als Veräußerungskosten berücksichtigt werden (vgl. BFH vom 23. September 1998, VIII B 115/97, BFH/NV 1999, 310; vom 27. November 1995, VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406; vom 19. Januar 1993, VIII R 74/91, BFH/NV 1993, 714; FG des Saarlandes vom 13. Juni 2000, 1 K 81/00, Juris), und zwar ungeachtet dessen, dass sonst noch nachträgliche Anschaffungskosten (wie der Verlust eines durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Darlehens) gemäß § 17 EStG - ggf. i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend - berücksichtigt werden können (vgl. BFH vom 12. Dezember 2000, VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385 zu II 2; vom 26. Januar 1999, VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922 m.w.N.). Die von den Anschaffungs- und Veräußerungskosten abweichende Beurteilung der Schuldzinsen ist eine Folge der gesetzlichen Regelung, nach der auch bei Beteiligungseinkünften im Sinne von § 17 EStG die laufenden Aufwendungen nach den für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltenden Grundsätzen zu beurteilen sind.

Keine andere Beurteilung ergibt sich aus der Besonderheit des Streitfalls, dass der Kläger wiederum an der GmbH, an die er seine Ltd.-Anteile veräußert hat, beteiligt ist, sogar als alleiniger Gesellschafter. Die GmbH ist als eigene Rechtspersönlichkeit handels- und steuerrechtlich getrennt von der Person ihres Gesellschafters zu sehen. Nach der Veräußerung der Anteile an die GmbH dienten sie nur ihr zur Einkunftserzielung, auch wenn der Kläger mittelbar als alleiniger Gesellschafter daran teilnehmen konnte. Die Mittelbarkeit der Beteiligung erfüllt die Voraussetzungen für den Abzug der Zinsaufwendungen nach den oben aufgeführten Grundsätzen nicht.

Zwar bezieht der Kläger sich für seine Auffassung auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 26. Januar 2004, 2 K 2468/97, das die Einbringung von Kapitalgesellschafts-Anteilen in eine andere Kapitalgesellschaft (GmbH) im Rahmen einer Kapitalerhöhung betraf (Anlage K IV 6; EFG 2004, 974, Revision BFH VIII R 28/04).

a) Jedoch trat im dortigen Fall (anders als hier) an die Stelle der Beteiligung an der eingebrachten Kapitalgesellschaft in erster Linie die zusätzliche Beteiligung an der GmbH, in die die Anteile eingebracht wurden. Insoweit wird die Kapitalerhöhungs-Beteiligung als an die Stelle der vorherigen anderweitigen Beteiligung getretenes Surrogat weiter mit den Darlehensvaluta finanziert und zur Einkünfteerzielung verwendet. Ein solcher Beteiligungsaustausch liegt beim Kläger gerade nicht vor. Bei ihm handelt es sich - wie in den Fällen der BFH-Rechtsprechung - darum, dass er eine refinanzierte Einnahmequelle veräußert hat und der Erlös (hier 1 DM) nicht zur vollständigen Darlehenstilgung ausreichte.

b) Soweit im zuvor bezeichneten Fall des FG München außerdem an die GmbH weitere Anteile aus der bisherigen Beteiligung gegen eine Gutschrift auf einem Verrechnungskonto überlassen und somit sinngemäß veräußert wurden, weicht das FG München mit dem von ihm bejahten Werbungskosten-Zinsabzug dagegen von der BFH-Rechtsprechung ab, während der erkennende Senat an dieser - zumindest aus Gründen der Rechtssicherheit - festhält (zum Meinungsstand vgl. oben 1-2).

Die nachträglichen Schuldzinsen aus freiwillig abgeschlossenen Rechtsgeschäften sind auch nicht als zwangsläufige außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG abziehbar (FG München vom 8. Dezember 2004, 15 K 5261/04, Juris).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (vgl. oben 1 b).

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH VIII R 64/05)

Ende der Entscheidung

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