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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Beschluss verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 7 V 773/08
Rechtsgebiete: MinöStG, AO


Vorschriften:

MinöStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
MinöStG § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. b
MinöStG § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
AO § 169 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT

BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 V 773/08

In dem Rechtsstreit

wegen Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über Mineralölsteuer

hat der 7. Senat des Hessischen Finanzgerichts am 23. April 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der über einen Betrag von 7.786,75 EUR hinausgehenden Mineralölsteuer gemäß des geänderten Bescheides vom 29.08.2007 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Der Kläger betrieb seit dem ... unter anderem eine Agentur für technische Gase. Jedenfalls in den Jahren ab 1995 vertrieb er auch Flüssiggas. Der Kläger hat sein Geschäft zum 01.01.200.. an ... übergeben.

Der Antragsgegner führte bei dem Kläger eine Außenprüfung durch. Die Feststellungen sind in dem Prüfungsbericht vom 24. November 2006 (Verwaltungsakten Blatt 32 ff.) festgehalten. Danach hat der Antragsteller - von zwei Lieferungen im Dezember 2005 abgesehen - jeweils Flüssiggas als Heizgas bezogen, teilweise aber als Treibgas abgegeben. Während die beim Antragsteller vorgefundene Rechnungen der Lieferanten jeweils den Hinweis enthielten, dass das gelieferte Flüssiggas als Heizgas versteuert und deswegen nur zu diesem Zweck verwendet oder weiter abgegeben werden dürfte, wiesen die vom Antragsteller ausgestellten Rechnungen an seine Kunden einen entsprechenden Hinweis nicht auf.

Der vorstehende Sachverhalt ist unstreitig. Der Antragsteller macht auch grundsätzlich keine Einwendungen gegen die Steuerentstehung geltend. Auf die für die Jahre 2005 und 2006 berechnete Mineralölsteuer bezieht sich der Aussetzungsantrag, wie sich aus der betragsmäßigen Einschränkung ergibt, nicht.

Der Antragsteller wendet indes ein, für die Jahre 2001 bis 2004 sei die von der Verwaltungsbehörde vorgenommene Festsetzung der Steuer deswegen unzutreffend, weil ganz überwiegend der Steueranspruch durch Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Denn gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO erfasse die Verlängerung der Verjährungsfrist nur solche Beträge, auf die sich der Steuerhinterziehungsvorsatz bezogen habe. Dies sei im Falle des Klägers aber nur die Differenz zwischen dem für als Heizgas vorgesehenem Flüssiggas bestehenden ermäßigten Steuersatz und dem ebenfalls ermäßigtem Steuersatz für Flüssiggas, das als Treibgas abgegeben werden solle. Keinesfalls bezöge sich der Vorsatz des Antragstellers auf den Differenzbetrag, den die Verwaltungsbehörde dadurch errechnet habe, dass sie vom vollen Steuersatz ausgegangen sei.

Aus der Kommentierung Klein zur AO (§ 169 Ziff. 3c) ergebe sich, dass die Frage, ob § 169 Abs. 2 Satz 2 AO sich nur auf einen Teil einer Steuer beziehen könne, eindeutig bejaht werde. Dementsprechend habe auch das Hauptzollamt ... im Rahmen des Steuerstrafverfahrens zutreffend den Vorwurf einer Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung nur auf die Differenz zwischen Heiz- und Treibgas-Steuer bezogen. Da die Steuerfestsetzung von anderen rechtlichen Bewertungen ausgehe, bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung der über einen Betrag von 7.786,75 EUR hinausgehenden Mineralölsteuer gemäß des geänderten Bescheides vom 29.08.2007 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit dem Bescheid vom 22.05.2007 sei die nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Mineralölsteuergesetz für das vom Antragsteller als Heizgas bezogene und als Treibgas abgegebene Flüssiggas für den ermäßigten Teil der Steuer (= Differenz zwischen der Steuer bei Anwendung des Regelsteuersatzes nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Mineralölsteuergesetz und der Steuer bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b Mineralölsteuergesetz) für Heizgas für die Jahre 2000 bis 2006 festgesetzt worden. Die Steuerfestsetzung für das Jahr 2000 sei durch den Änderungsbescheid vom 29.08.2007 aufgehoben worden.

Die Steuerfestsetzungen für die Jahre 2001 bis 2004 in Höhe der Differenz zwischen dem ermäßigten Steuersatz für Heizgas und dem Regelsteuersatz für Flüssiggas entspreche den gesetzlichen Vorgaben und sei nicht - auch nicht teilweise - durch Verjährung erloschen. Das Mineralölsteuergesetz kenne nur die Besteuerung von zu Heizzwecken bestimmten Flüssiggas zu einem ermäßigten Steuersatz, wobei bei zweckwidriger Abgabe der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Das Gesetz sehe nicht die Möglichkeit vor, dass als Heizgas ermäßigt versteuertes Flüssiggas bei Einsatz als Treibgas dann nur mit dem für Treibgas ermäßigten Steuersatz besteuert werde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 bis 6 Finanzgerichtsordnung soll die Vollziehung eines angegriffenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der auch der entscheidende Senat folgt, bestehen ernstliche Zweifel, wenn bei einer überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall relevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen (vgl. hierzu mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung - Gräber/Koch, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Randnummer 86).

Mit der für das vorläufige Rechtsschutzverfahren als einem summarischen und nur die präsenten Beweismittel berücksichtigenden Verfahren ausreichende Gewissheit steht zur Überzeugung des Senates fest, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides nicht bestehen.

Streitig ist vorliegend allein die Entscheidung der Rechtsfrage, inwieweit die in § 169 Abs. 2 Satz 2 AO verwendete Formulierung des Gesetzes die Festsetzungsfrist ausdehnen kann.

Der Antragsteller will aus dem Gesetzestext "die Festsetzungsfrist beträgt 10 Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist" (Hervorhebung hinzugefügt), ableiten, dass nur der Differenzbetrag zwischen der ermäßigten Steuer für Heizgas und der ebenfalls ermäßigten Steuer zur Verwendung als Treibgas für das von ihm ausschließlich zur Verwendung als Heizgas ermäßigt besteuert bezogene Flüssiggas nicht verjährt ist.

Der genannte Gesetzestext lässt dieses Verständnis unmittelbar nicht zu. In dem Kommentar zur Abgabenordnung von Klein (Kommentator: Rüsken) heißt es unter Randnummer 25 zu § 169 Abgabenordnung "Ist nicht die ganze Steuer hinterzogen, so gilt Abs. 2 Satz 2 nur für den hinterzogenen Teil." Dies wird weder erläutert noch finden sich - auch nicht in der 9. Auflage von 2006 - Zitate aus der Rechtsprechung oder anderweitiger Literatur.

Der Senat versteht diesen Hinweis im Kommentar dahingehend, dass die Hinterziehung nur den Steuerbetrag erfasst, der durch die Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung des jeweiligen Steuerpflichtigen verkürzt worden ist. Ist die Steuerfestsetzung aus anderen Gründen darüber hinausgehend unzutreffend, ist also das Verhalten des Steuerpflichtigen nicht kausal für die zu niedrige Steuerfestsetzung, so kann "insoweit" nicht von einer Hinterziehung gesprochen werden. Auf diese anderweitige unzutreffende zu niedrige Steuerfestsetzung würde dann die verlängerte Festsetzungsfrist nicht eingreifen können.

Ein derartiger Fall liegt hier indes nicht vor.

Der Antragsteller hat Flüssiggas, das er selbst ausschließlich zur Verwendung als Heizgas bezogen hatte und das nach den Rechnungen der Vorlieferanten auch entsprechend gekennzeichnet war, als Treibgas abgegeben. Damit ist die Entstehung des vollen Mineralölsteuersatzes ausgelöst worden. Das Verhalten des Antragstellers war auch für diesen eingetretenen Erfolg kausal.

Wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend ausführt, liegt eine Steuerhinterziehung nur vor, wenn nicht nur der objektive Tatbestand des § 370 Abgabenordnung, sondern auch der subjektive Tatbestand des Vorsatzes, bzw. im Falle der grob fahrlässigen Steuerverkürzung des § 378 Abgabenordnung die bewusste Fahrlässigkeit zu bejahen sind. Vorsatz ist dann gegeben, wenn der betreffende Steuerpflichtige die Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes kannte und ihre Verwirklichung wollte, wobei der Erfolg zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Sowohl das Wissen wie auch das Wollen stellen sog. innere Tatsachen dar, die dem üblichen Beweis nicht zugänglich sind. Denn es handelt sich dabei um Vorgänge, die sich anders als die üblichen Tatsachen nicht für jedermann erkennbar abspielen. Auf diese inneren Tatsachen lässt sich daher nur anhand von äußeren Merkmalen und Indizien zurückschließen.

Als eine derartige Tatsachen lässt sich jedenfalls feststellen, dass der Antragsteller aus den Rechnungen für das von ihm bezogene Flüssiggas erkennen konnte, dass dieses Gas nur zu Heizzwecken verwendet bzw. abgegeben werden durfte. Der Antragsteller hatte früher - so sein eigenes Vorbringen - ein Verwendungsbuch führen müssen. Zu einem nicht genannten und nicht mehr nachvollziehbaren Zeitpunkt wurde ihm erlassen, diese Anschreibungen zu führen.

Wenn in diesem Zusammenhang bei dem Antragsteller der Eindruck entstanden ist, es gäbe eine Art Geringfügigkeitsregelung für kleine Betriebsgrößen, die die Abgabe von Heizgas als Treibgas erlaube, so zeigt dies, dass dem Antragsteller der steuerrechtliche Unterschied zwischen Heizgas und Treibgas sehr wohl bewusst war. Wenn er sich in diesem Zusammenhang zwecks Klärung von entstandenen Fragen an eine erkennbar unzuständige Behörde wendet, von der er naturgemäß zu den steuerrechtlichen Fragen keine Antwort bekommen kann, so lässt sich daraus jedenfalls nicht herleiten, dass der Antragsteller seinen Eindruck als bestätigt ansehen konnte.

Dem Antragsteller war bekannt, welche Behörde für steuerliche Fragen zuständig ist. Dass er diese gefragt und von dort eine unzutreffende Antwort bekommen hätte, macht der Antragsteller nicht geltend.

Soweit der Antragsteller behauptet, er habe nicht gewusst, dass bei einer unerlaubten Verwendung von als Heizgas ermäßigt besteuertem Flüssiggas als Treibgas der Regelsteuersatz entstünde, überzeugt dies den Senat nicht. Denn irgendwelche äußeren Anzeichen bzw. Indizien, anhand derer auf eine derartige Meinungsbildung zurückgeschlossen werden könnte, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Vielmehr wird von ihm geltend gemacht, er sei davon ausgegangen, dass nur der Differenzbetrag zu der - höheren - ermäßigten Steuer für als Treibgas abgegebenes Flüssiggas anfallen würde. Wie es zu erklären sein könnte, dass sich eine solche Kenntnis bei ihm hätte ergeben können, teilt der Antragsteller nicht mit. Jedenfalls im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens bewertet der Senat dieses Vorbringen daher als eine Schutzbehauptung.

Die Kosten des erfolglosen Antragsverfahrens hat der Antragsteller gemäß § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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