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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 27.08.2007
Aktenzeichen: 16 K 477/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 477/06

Umsatzsteuer 2001

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob die Vornahme einer Waldinventur zum unternehmerischen Bereich der Klägerin gehört.

Die Klägerin ist eine Forstbetriebsgemeinschaft in der Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins. Zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehören die Beratung der Mitglieder, die Vermittlung von Forschungs- und Erfahrungsergebnissen, Dienstleistungen für die Mitglieder bei der Waldbewirtschaftung, die Durchführung des Forstschutzes, die Beschaffung und der Einsatz von Maschinen sowie von Vermittlungsleistungen beim Holzabsatz. Nach der Satzung haben die Mitglieder der Klägerin eine Andienungsverpflichtung, das eingeschlagene Holz durch die Klägerin zum Verkauf anzubieten. Im Zusammenhang mit der Andienungsverpflichtung erzielte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze. Zudem erhebt sie - neben den Mitgliedsbeiträgen - Sonderentgelte von Mitgliedern.

Im Jahre 2001 nahm die Klägerin in ihrem Gebiet eine Waldinventur vor. Mit der Waldinventur wurden die Waldflächen im Bereich der Klägerin katalogisiert und die Holzbestände nach Holzarten, Alter der Bestände und deren Nutzungsmöglichkeiten erfasst. Für die Durchführung der Waldinventur zahlte die Landwirtschaftskammer H der Klägerin einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 229.300,28 DM.

In der 2002 eingereichten Umsatzsteuererklärung 2001 zog die Klägerin die Umsatzsteuern aus den Eingangsrechnungen über Leistungen im Zusammenhang mit der Waldinventur in Höhe von 38.867,87 DM als Vorsteuern ab. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zunächst zu.

Am 11. September 2006 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung statt. Die Prüferin stellte sich auf den Standpunkt, dass die Waldinventur im Zusammenhang mit der Beratung und Betreuung der Waldbesitzer stehe und deshalb zum nichtunternehmerischen Bereich des Vereins gehöre. Die entsprechenden Eingangsleistungen könnten deshalb nicht als Vorsteuern abgezogen werden. Mit Datum vom 13. Oktober 2006 änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid 2001 gem. § 164 Abs. 2 AO und kürzte die Vorsteuern um 38.867,87 DM. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Waldinventur zustehe.

Die Durchführung der Waldinventur diene der wirtschaftlichen Erschließung des Waldes der Mitglieder und sichere deren Holzabsatz unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Durch die Waldinventur, die insoweit als Vorbereitungsmaßnahme anzusehen sei, sollten die Umsätze aus den Vermittlungsleistungen gestärkt werden; infolge der Waldinventur könne mit einer langfristigen Umsatzsteigerung gerechnet werden. Deshalb gehöre die Waldinventur zum Bereich der Sonderentgelte und damit zum unternehmerischen Bereich der Klägerin. Ein Leistungsaustausch sei demzufolge gegeben.

Zwar könne bei Vereinen eine nichtunternehmerische Sphäre vorhanden sein. Das sei dann der Fall, wenn der Verein in Erfüllung seines satzungsmäßigen Gemeinschaftszwecks die Gesamtbelange seiner Mitglieder wahrnehme, insbesondere wenn er gegen die allgemeinen Mitgliedsbeiträge gegenüber den Mitgliedern gleichermaßen tätig werde. Werde aber der Verein gegenüber einzelnen Mitgliedern, deren Sonderbelangen dienend, gegen besonders berechnetes Entgelt tätig, so liege ein Leistungsaustausch vor. Im Streitfall gehe die Tätigkeit der Klägerin mit der Waldinventur über die den Gesamtbelangen dienenden Aufgaben hinaus, weil sie die durch die Waldinventur gewonnenen Daten jedem einzelnen Mitglied zur Verfügung stelle.

Der nicht steuerbare Zuschuss stehe dieser Würdigung nicht entgegen. Denn zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs würden nur steuerfreie, nicht aber nicht steuerbare Umsätze führen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2001 vom 13. Oktober 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2006 die Umsatzsteuer 2001 auf minus 27.178,75 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Meinung, dass die Waldinventur nicht dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin zugerechnet werden könne, da eine durch diese Maßnahme hervorgerufene Umsatzsteigerung nicht anhand konkreter Kostenzurechnungsgesichtspunkte ermittelt werden könne. Eine zeitlich abgrenzbare Zuordnung sei nicht möglich, weil erst langfristig mit Umsatzsteigerungen zu rechnen sei und zum anderen die Umsatzsteigerungen auch von klimatischen Einflüssen abhingen. Die durch die Waldinventur gewonnenen Daten würden auch nicht gesondert in Rechnung gestellt. Die Kosten der Waldinventur würden zu rund 80% durch Zuschüsse der öffentlichen Hand abgedeckt. Allein dieser Umstand lasse darauf schließen, dass es sich um eine Leistung handele, die nicht im Zusammenhang mit unternehmerischen Leistungen stehe.

Der Zuschuss habe vielmehr insgesamt darauf abgezielt, einem Verfall des Waldes im Sinne der Allgemeinheit entgegenzuwirken und nicht, um den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin zu fördern. Letzteres würde eine bewusste Wettbewerbsverzerrung durch die öffentlichen Kassen darstellen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann die Steuern aus den Eingangsrechnungen als Vorsteuern abziehen, die im Zusammenhang mit der Waldinventur stehen.

Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuern abziehen. Verfügt der Unternehmer neben seinem unternehmerischen Bereich noch über einen ideellen, nichtunternehmerischen Bereich, so steht ihm kein Vorsteuerabzug zu, wenn die Eingangsleistung für den ideellen Bereich bezogen wurde, weil dann die Leistung nicht "für sein Unternehmen ausgeführt worden" ist. An einer Leistung fehlt es, wenn eine Vereinigung Gemeinschaftszwecke verfolgt, die dem Einzelnen nicht oder nur reflexartig zugute kommen, sondern der Allgemeinheit oder einem unbestimmten Kreis von Nutznießern (BFH Urteil vom 20. August 1992 V R 2/88, BFH/NV 1993, 204; Abschnitt 22 Abs. 1 Umsatzsteuerrichtlinien). Der Bezug von Eingangsleistungen zur Erfüllung dieser Gemeinschaftszwecke berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.

Bei einem wirtschaftlichen Verein besteht - im Gegensatz zu einem gemeinnützigen Verein - eine tatsächliche Vermutung für die Zugehörigkeit einer Leistung zum unternehmerischen Bereich. Dies folgt aus dem satzungsmäßigen Unternehmenszweck, der auf die Erbringung wirtschaftlicher Leistungen gerichtet ist. Überlagern sich die Erfüllung des Gemeinschaftszwecks und die Befriedigung eines Individualinteresses eines Mitglieds im Rahmen eines Leistungsaustauschs, so ist die Zuordnung der Leistung zum unternehmerischen Bereich des Vereins vorrangig.

Im Streitfall betrifft die Waldinventur nicht nur den ideellen Bereich der Klägerin, sondern - und nicht nur reflexhaft - auch die Sonderinteressen der einzelnen Mitglieder, weil die Durchführung einer Waldinventur dem Mitglied detaillierte Kenntnisse darüber liefert, wo sich auf der Forstfläche Bäume befinden, die zur wirtschaftlichen Verwertung geeignet sind und damit einen individuellen Vorteil der begünstigten Mitglieder begründet. Da andererseits zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Vereinsmitglied über die Holzverkäufe ein unternehmerischer Leistungsaustausch stattfindet, hat die die Möglichkeiten der Holzgewinnung steigernde Waldinventur auch einen Bezug zum unternehmerischen Bereich der Klägerin.

Dass die entsprechenden Aufwendungen nicht unmittelbar konkreten Umsätzen zugerechnet werden können, steht dem nicht entgegen. Einen derart engen Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen setzt der Vorsteuerabzug nicht voraus. Hinzuweisen ist etwa auf Werbekampagnen oder einen Leistungsbezug für den Verwaltungsbereich eines Unternehmens, wo ebenfalls nicht nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten ein Zusammenhang mit einem konkreten Umsatz hergestellt werden kann, ohne dass dort ernsthaft jemand behaupten würde, dass der Leistungsbezug zum nichtunternehmerischen Bereich gehöre. Ob die von der Landwirtschaftskammer gezahlten Zuschüsse steuerbar sind, hat auf die Vorsteuerabzugsberechtigung keine Auswirkung. Es gibt keine Korrespondenz zwischen der Steuerbarkeit eines öffentlichen Zuschusses und der Zuordnung der geförderten Leistung zum nichtunternehmerischen Bereich, zumal die Motivation der Landwirtschaftskammer bei der Zuschussbewilligung (Gewinnung von Erkenntnissen über die Waldqualität) und der Klägerin bei der Entscheidung, die Waldkalkungen vorzunehmen (Förderung des einzelnen Mitglieds) durchaus eine andere sein kann. Nur die Erzielung steuerfreier Umsätze würde den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG), was hier jedoch unstreitig nicht der Fall war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Das Gericht lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu im Hinblick auf die Frage, wie der nichtunternehmerische vom unternehmerischen Bereich eines Vereins abzugrenzen ist.

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