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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 16 K 5/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4
UStG § 15a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Klägerin betreibt auf einem Erbbaurechtsgrundstück einen Campingplatz. Dieser wurde in den Streitjahren aufgrund erteilter Baugenehmigungen erweitert. Durch die Erweiterung wurden weitere 77 Standplätze für Campingwagen geschaffen. Die Klägerin vermietete die Campingstellplätze an Dritte. Die hieraus erzielten Umsätze behandelte sie als umsatzsteuerpflichtig. Die im Zusammenhang mit der Erweiterung angefallenen Vorsteuerbeträge behandelte die Klägerin als abzugsfähig.

Nach einer Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass die Umsätze aus Dauer- und Saisoncamping gemäß § 4 Nr. 12 UStG als steuerfrei zu behandeln seien. Da die Klägerin bezüglich dieser Umsätze keine Rechnungen mit Steuerausweis erteilt habe, seien die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze entsprechend zu kürzen. Insoweit verminderte der Beklagte die steuerpflichtigen Umsätze um 2.400 DM für 1995, 1.600 DM für 1996 und 1.600 DM für 1997. Andererseits lies der Beklagte den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den durch die Erweiterung getätigten Investitionen sowie den Vorsteuerabzug aus dem laufenden Campingaufwand anteilig nicht mehr zum Abzug zu. Schließlich führte der Beklagte für die Streitjahre Vorsteuerberichtigungen nach § 15 a UStG bezüglich der Investitionen für Grund und Boden, Campingplatz, Sanitärgebäude, Gartenanlage und Schiebetoranlage durch. Dies führte für die Streitjahre 1994 - 1996 zu einem Berichtigungsbetrag von jeweils 20.892,57 DM und für 1997 von 20.832,65 DM. Wegen der Zahlen wird Bezug genommen auf den Betriebsprüfungsbericht vom 21. Juli 2003.

Dementsprechend erteilte der Beklagte für die Streitjahre am 02.02.2004 geänderte Steuerbescheide. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt:

Der deutsche Gesetzgeber dürfe die von ihr erbrachten Leistungen nicht von der Steuerpflicht ausnehmen. Derartiges widerspreche Artikel 13 Teil B Buchst. b Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie, wonach die Vermietung auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken ausdrücklich von der Steuerbefreiung ausgenommen sei. Die Richtlinienvorschrift habe der deutsche Gesetzgeber nicht vollumfänglich umgesetzt. Die Klägerin berufe sich deshalb ausdrücklich auf die europarechtliche Regelung. Diese sei für sie systembedingt günstig, weil mit der Steuerpflicht der erbrachten Leistungen die Abziehbarkeit der angefallenen Vorsteuerbeträge einhergehe. In diesem Zusammenhang werde auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Az.: C-269/00- Seeling hingewiesen. Auch dort sei im Ergebnis entschieden worden, dass die private Nutzung eines Gebäudeteiles nicht als steuerfreie Vermietung behandelt werden könne und damit der im Zusammenhang stehende Vorsteuerbetrag vom Abzug ausgeschlossen werde.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 1994 auf ./. 38.974 DM, die Umsatzsteuer 1995 auf ./. 30.721 DM, die Umsatzsteuer 1996 auf 107.056 DM und die Umsatzsteuer 1997 auf 115.333 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Urteilsfall des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Seeling sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Die Klägerin könne sich auch nicht auf den Anwendungsvorgang des Artikel 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 6. EG-Richtlinie berufen. Voraussetzung sei, dass die Richtliniennorm eine begünstigende Wirkung habe. Die in der Norm ausgesprochene Steuerpflicht der Leistungen habe für sich keine begünstigende Wirkung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte.

Dem Gericht haben die für die Klägerin beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen.

Gründe:

Die Klage ist begründet.

Die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Neuschaffung der Einstellplätze getätigten Vermietungsleistungen sind bei Anwendung nationalen Rechts insoweit umsatzsteuerpflichtig, als eine kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen anzunehmen ist (vgl. § 4 Nr. 12 a Satz 2 UStG). Dementsprechend wird die Überlassung einer Campingfläche dann als umsatzsteuerfrei behandelt, wenn die Überlassung nicht kurzfristig ist, also die tatsächliche Gebrauchsüberlassung mindestens 6 Monate beträgt. Von dieser Rechtsauffassung ist der Beklagte ausgegangen und hat deshalb in den Streitjahren die nicht kurzfristige Überlassung von Campingplätzen durch die Klägerin als steuerfreie Leistungen behandelt. Als Folge davon hat der Beklagte die auf die steuerfreien Umsätze entfallenden Vorsteuerbeträge als nicht abziehbar behandelt. Darüber hinaus hat der Beklagte - insoweit folgerichtig - zu Lasten der Klägerin in den Streitjahren Berichtigungen bezüglich zuvor gewährter Vorsteuern nach § 15 a UStG dargestellt. Dies führt im Ergebnis dazu, dass für die Klägerin in allen Streitjahren eine höhere Umsatzsteuerzahllast entstanden ist, als sie sich ergeben würde, wären die Umsätze aus der Vermietung von Campingplätzen insgesamt umsatzsteuerpflichtig.

Die Klägerin kann das für sie mit dem Klagebegehren umschriebene günstigere Ergebnis dadurch erreichen, dass sie sich rechtmäßig auf den Vorrang der unmittelbaren Anwendung der Vorschriften der 6. EG-Richtlinie beruft. Dies ist dann zulässig, wenn die betreffende europäische Norm inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil V R 49/00, DStR 2001, 23 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Nach Artikel 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätzen erschlossenen Grundstücken. Damit ist nach europarechtlicher Vorgabe eine Unterscheidung zwischen kurzfristiger Vermietung auf Campingplätzen, die nach nationalem Recht steuerpflichtig sein soll und einer nicht mehr kurzfristigen Vermietung auf Campingplätzen, die nach nationalem Recht steuerbefreit sein soll, kein Raum. Deshalb ist für den Streitfall festzuhalten, dass die Leistungen der Klägerin, die in der Vermietung auf als Campingplätzen erschlossenen Grundstücken bestehen, europarechtlich vollumfänglich als steuerpflichtig anzusehen sind. Hierauf kann sich die Klägerin berufen, denn nur so kann sie im Ergebnis den für sie vorteilhaften Vorsteuerabzug, der im Zusammenhang mit der Investition in die Erweiterung der Stellplätze angefallen ist, vollumfänglich erhalten und zudem die vom Beklagten angenommene Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15 a UStG verhindern. In der Systematik der 6. EG-Richtlinie ist demzufolge die Vorschrift des Artikel 13 Teil B Buchst. b als begünstigende Regelung anzusehen, weil nach Artikel 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie grundsätzlich der Vorsteuerabzug auch europarechtlich an besteuerte Umsätze gebunden ist.

Die Steuer war für die Streitjahre entsprechend dem Klageantrag festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Gericht lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

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