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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: 1 K 2590/05
Rechtsgebiete: StraBEG, AO 1977


Vorschriften:

StraBEG § 1 Abs. 1
StraBEG § 1 Abs. 2
StraBEG § 7 Nr. 1 Buchst. b
AO 1977 § 371
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

1 K 2590/05

Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1999 bis 2001

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Juni 2006

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht xxx

die Richterin am Finanzgericht xxx

den Richter am Finanzgericht xxx

die ehrenamtliche Richterin xxx

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist die Wirksamkeit einer vom Kläger u.a. für die Streitjahre 1999 bis 2001 bei dem Beklagten eingereichten "Strafbefreienden Erklärung" nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StraBEG).

Der Kläger ist als Ausbeiner gewerblich tätig. In seinen für die Jahre 1993 bis 2002 abgegebenen Steuererklärungen erklärte er hieraus Umsätze und gewerbliche Einkünfte. Dem folgte der Beklagte, soweit es die Streitjahre betrifft, erklärungsgemäß.

Am 13.10.2003 ging bei dem Beklagten eine vom Finanzamt S erstellte Kontrollmitteilung ein. Danach hat der Kläger der Fleischmarkt G GmbH in G für Aushilfs-, Ausbein- und Zerlegearbeiten

in 1999 insgesamt 450.527,46 DM brutto

in 2000 insgesamt 429.596,72 DM brutto und

in 2001 insgesamt 456.855,26 DM brutto

in Rechnung gestellt. Als Art der Zahlung ist dabei für einen Teil der Beträge "Bank" ausgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kontrollmitteilung und die Anlagen dazu Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 22.10.2003 wies der Beklagte den Steuerberater des Klägers unter Auflistung der sich daraus für die einzelnen Jahre ergebenden Umsätze auf den Inhalt der Kontrollmitteilung hin. Weiter führte er aus, dass diese Umsätze erheblich von den erklärten Umsätzen abwichen und bat um Überprüfung und Stellungnahme.

Auf der vom Kläger mit der Antragsschrift in dem Verfahren 1 V 1903/04 bei Gericht eingereichten Kopie dieses Schreibens sind neben handschriftlich ergänzten Zahlen folgende handschriftliche Vermerke angebracht: "Original am 30.10.2003 9.45 Uhr Hr. H. (der Kläger, Anm. d. Neutralisierenden) zwecks Klärung + Stellungnahme vorgelegt; hat Schreiben mit nach Hause genommen. Soll sich möglichst bald bei uns diesbezügl. melden" und "Anruf v. Hr. H. 30.10.2003 10.15 Uhr: Angaben FA bzw. Fleischmarkt stimmen." Beiden Vermerken ist ein Unterschriftskürzel angefügt (Bl. 37 Prozessakte 1 V 1903/04).

Mit am 12.02.2004 bei dem Beklagten eingegangenem Schreiben übersandte der Steuerberater des Klägers einen von diesem unterzeichneten Vordruck "Strafbefreiende Erklärung" nach dem StraBEG, mit der die Summe der auf Grund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen der Jahre 1993 bis 2002 mit insgesamt 233.593 Euro angegeben wurde. Beigefügt waren für die Jahre 1993 und 1995 bis 2002 bisher nicht erklärte Betriebseinnahmen ausweisende Anlagen sowie ein Verrechnungsscheck zum Ausgleich der danach zu entrichtenden Steuerbeträge iHv 58.398 Euro. Für die Streitjahre waren danach folgende Brutto-Betriebseinnahmen nicht erklärt:

1999: 88.788,81 DM

2000: 80.947,51 DM

2001: 137.657,80 DM

Für die Streitjahre vertrat der Beklagte die Auffassung, dass infolge vorheriger Tatentdeckung die strafbefreiende Erklärung nicht anerkannt werden könne. Dementsprechend legte er den streitgegenständlichen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatz-, Gewerbesteuermess- und Einkommensteuerbescheiden vom 29. März 2004 bzw. 31. März 2004 die vom Kläger in den Anlagen zu dieser Erklärung angegebenen o.g. Mehrbetriebseinnahmen zugrunde und erhöhte die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb um diese Beträge, die Umsätze um daraus abgeleitete Nettobeträge.

Die dagegen erhobenen Einsprüche begründete der Kläger damit, die Voraussetzungen einer strafbefreienden Erklärung nach dem StraBEG seien vollständig erfüllt, auch im Hinblick auf die Streitjahre. Dem stehe das dem Beklagten vorliegende Kontrollmaterial und dessen Schreiben vom 22.10.2003 nicht entgegen. Damit sei lediglich mitgeteilt worden, dass die vom Kläger erklärten Umsätze von dem vorliegenden Kontrollmaterial erheblich abwichen. Offensichtlich hätten also dem Beklagten keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat vorgelegen, denn sonst hätte der Sachverhalt von der Steuerfahndungsstelle ermittelt werden müssen. Es habe daher lediglich eine Vorfeldermittlung nach Nr. 146 Abs. 1 und 2 AStBV vorgelegen. Der Beklagte sei, hätte ein Anfangsverdacht einer Straftat vorgelegen, verpflichtet gewesen, umgehend ein solches Steuerstrafverfahren im Rahmen der Vorermittlungen einzuleiten. Da er dies nicht getan habe, liege ein Verstoß gegen § 160 Abs. 1 i.V.m. § 136 StPO vor, der zu einem Verwertungsverbot führe. Folglich gelte die Tat nicht als entdeckt. Erst nachdem die Änderungsbescheide ergangen seien, sei am 16.04.2004 das Strafverfahren eingeleitet worden. Somit habe am 11.02.2004 die Möglichkeit der Abgabe einer strafbefreienden Erklärung noch bestanden.

Mit Schreiben der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Beklagten vom 16.04.2004 teilte diese dem Kläger mit, dass am 07.04.2004 gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Die von ihm eingereichte Erklärung nach dem StraBEG führe für die Streitjahre infolge Tatentdeckung nicht zur Strafbefreiung. Dem Finanzamt sei aufgrund des Kontrollmateriales bereits zuvor bekannt gewesen, dass seine Steuererklärungen unrichtig gewesen seien, dies habe es ihm mit Schreiben vom 22.10.2003 mitgeteilt.

Den gleichzeitig mit der Einspruchseinlegung gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der streitigen Bescheide lehnte der Beklagte mit Verfügung vom 24. Mai 2004 ab, die sodann bei Gericht durch seine Prozessbevollmächtigten gestellten Aussetzungsanträge wies der Senat mit Beschlüssen jeweils vom 13. Juli 2005 (Az.: 1 V 1903/04 betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer, Az.: 1 V 1926/05 betreffend Gewerbesteuermessbetrag) ab.

Am 08. September 2005 wies der Beklagte mit an das Steuerbüro R in K gerichteter Entscheidung die Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit bei dem Beklagten am 18.10.2005 eingegangenem Schreiben der Prozessbevollmächtigten baten diese um Mitteilung, wann mit der Erteilung einer rechtsmittelfähigen Einspruchsentscheidung gerechnet werden könne. Dies sei für den Kläger nicht nur wegen der Beitreibung der Steuerbeträge wichtig, von einer gerichtlichen Klärung der Streitfrage sei auch das gegen ihn gerichtete Strafverfahren und das erteilte Ausreiseverbot abhängig. Der Bearbeiter der Rechtsbehelfsstelle teilte den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 02.11.2005 mit, dass über den Einspruch bereits am 08.09.2005 entschieden und diese Entscheidung aufgrund der bestehenden Bevollmächtigung an das o.g. Steuerbüro bekannt gegeben worden sei, eine Vollmacht des Klägers für die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten liege dem Beklagten nicht vor. Diesem Schreiben fügte er eine Abschrift der Entscheidung zu deren Kenntnisnahme bei.

Nachdem am 15.11.2005 Steuerberater R dem Bearbeiter der Rechtsbehelfsstelle telefonisch mitgeteilt hatte, er habe von der Anwaltskanzlei eine Kopie der Einspruchsentscheidung erhalten, diese sei in der Steuerberaterpraxis nicht eingegangen, übersandte der Bearbeiter des Beklagten die Einspruchsentscheidung an das Steuerbüro mit Postzustellungsurkunde. Nach dieser Urkunde wurde die Einspruchsentscheidung dort am 17.11.2005 übergeben.

Hiergegen haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 16.11.2005, bei Gericht eingegangen am 17.11.2005, Klage erhoben. Der die Klageschrift beinhaltende Briefumschlag trägt den Datumstempel 16.11.2005 (Bl. 56 Prozessakte). Danach hält der Kläger unter Bezugnahme auf die in den Einspruchsverfahren und den gerichtlichen Aussetzungsverfahren vorgetragenen Gründe daran fest, dass eine Tatentdeckung i.S.d. StraBEG nicht vorliege.

Das Schreiben des Beklagten an seine Prozessbevollmächtigten vom 02.11.2005 stelle die Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung im natürlichen und auch im Rechtssinne dar.

Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers, der die Strafbefreiung bewusst zu einem späten Zeitpunkt eröffnet habe, solle nicht schon ein Tatverdacht, sondern erst die Entdeckung der Tat die Privilegien der strafbefreienden Erklärung vernichten. Das Finanzamt müsse daher eine so umfassende Kenntnis vom objektiven und vom subjektiven Tatbestand sowie von Rechtswidrigkeit und Schuld einer Steuerstraftat besitzen, dass die Anklage zum Strafrichter erhoben werden könne. Daran fehle es hier aber. Der Beklagte hätte nach seinem Schreiben vom 22.10.2003 lediglich Kenntnis davon gehabt, dass die Firma Fleischmarkt G GmbH für die Kalenderjahre 1999 bis 2001 Zahlungen an ihn als Betriebsausgaben gebucht habe, die über seine Erklärungen in diesen Jahren hinausgegangen seien. Mit dieser Information habe noch nicht einmal objektiv festgestanden, wessen Erklärungen unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Es habe zunächst aufgeklärt werden müssen, ob der Fleischmarkt G Rechnungen zum Zwecke der Darstellung von Betriebsausgaben fingiert oder aber er Einnahmen verschwiegen habe. Folgerichtig habe der Beklagte auf dieser Grundlage auch kein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet, sondern vielmehr im Rahmen von Vorermittlungen zunächst aufzuklären versucht, welcher Steuerpflichtige sich unrichtig erklärt habe. Mit dem genannten Schreiben habe der Beklagte ihm auch keine Frist gesetzt, sondern ihn der Sache nach lediglich zur gelegentlichen Stellungnahme aufgefordert. Im Zeitpunkt der Abgabe der strafbefreienden Erklärung hätten danach keinerlei weitere Erkenntnisse vorgelegen.

Sei damit der objektive Tatbestand einer Steuerstraftat nicht ausermittelt gewesen, seien weiterhin keinerlei Feststellungen zum subjektiven Tatbestand einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Steuerverkürzung getroffen gewesen. Er sei noch nicht einmal aufgefordert gewesen, sich hierzu zu erklären. Da er seine Steuererklärungen aber nicht persönlich erstelle, sondern sie mit Hilfe Dritter erstellen lasse, seien aber substantielle Feststellungen hierzu erforderlich gewesen. Ohne solche Feststellungen wäre eine Anklage sinnlos gewesen. Es habe aus Sicht der Finanzbehörde ohne weiteres denkbar sein können, dass die objektive Unrichtigkeit von Erklärungen auf ein Versehen des Steuerberaters oder seiner Bürokraft zurückzuführen sei, die dem Steuerberater zugearbeitet habe. Auch hier hätten Ermittlungen erst noch bevor gestanden. Ohne Ermittlungen zum subjektiven Tatbestand komme jedoch eine Sperrwirkung nicht in Betracht. Er habe mit einer Entdeckung im Rechtssinne nicht rechnen müssen, da ein Strafverfahren gegen ihn bis zur Abgabe der strafbefreienden Erklärung nicht eingeleitet worden sei.

Die erst mehr als zwei Monate nach Abgabe der Erklärung erfolgte Mitteilung der Einleitung eines Strafverfahrens belege, dass der Beklagte entgegen der Intension des Gesetzgebers gerade seine strafbefreiende Erklärung zur Grundlage eines Strafverfahrens gemacht und ohne diese Erklärung den zur Anklageerhebung notwendigen Kenntnisstand noch nicht besessen habe.

Soweit sich die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung richte, sei darauf hinzuweisen, dass die von ihm im Rahmen der strafbefreienden Erklärung angegebenen zusätzlichen Einnahmen nicht, auch nicht im Schätzungswege, mit einem zusätzlichen Gewinn gleichzusetzen seien. Dies seien Bruttoumsätze, die um die konkreten, jedenfalls aber um die durchschnittlichen Erwerbsaufwendungen zu mindern seien.

Es werde die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung in dem bei dem BFH anhängigen Verfahren IV R 58/04 angeregt.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 08. September 2005

die mit Bescheiden vom 29. März 2004 festgesetzte Einkommensteuer für 1999 auf 30.611,04 Euro, die für 2000 festgesetzte Einkommensteuer auf 21.296,33 Euro, für 2001 auf 25.140,22 Euro

und die mit Bescheiden vom 29. März 2004 festgesetzte Umsatzsteuer für 1999 auf 24.200,93 Euro, für 2000 auf 22.991,01 Euro und für 2001 auf 21.823,16 Euro herabzusetzen

sowie die mit Bescheiden vom 29. März 2004 festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge für 1999 bis 2001 nach Maßgabe der herabgesetzten Einkommen- und Umsatzsteuer herabzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er habe den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dem Schreiben vom 02.11.2005 einen deutlich als "Abschrift" gekennzeichneten und nicht unterschriebenen Abdruck der Einspruchsentscheidung übersandt. Auch in dem Schreiben selbst sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine "Abschrift" zu deren Kenntnisnahme handele. Die Prozessbevollmächtigten könnten bei der gegebenen Sachlage nicht davon ausgehen, dass es sich hierbei um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Sie könnten auch zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klageschrift verfasst und abgesandt hätten, noch keine Kenntnis von der neu zugestellten Einspruchsentscheidung gehabt haben. Da die Klage aber nicht vor der Zustellung der Einspruchsentscheidung, sondern am gleichen Tag, an dem die Einspruchsentscheidung nachweislich zugestellt worden sei, bei Gericht eingegangen sei, gehe er aus Praktikabilitätsgründen nicht weiter auf Zweifel an der Zulässigkeit der Klage ein.

Diese könne angesichts dessen, dass die Klage unbegründet sei, dahinstehen. Er halte insoweit an seiner bisher vertretenen Auffassung fest. Straf- oder Bußgeldfreiheit trete nicht ein, denn die Tat sei i.S.d. § 7 Nr. 1 b StraBEG vor Eingang der strafbefreienden Erklärung bereits entdeckt gewesen und der Kläger als Erklärender habe dies gewusst. Die verkürzten Steuern seien daher in voller Höhe festzusetzen.

Der Begriff der Tatentdeckung setze entgegen der Auffassung des Klägers nicht eine Kenntnis auch des subjektiven Tatbestandes voraus. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des BFH zu den den Vorschriften des StraBEG entsprechenden Vorschriften des früheren Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen (StrbEG), nach der in diesem Zusammenhang nur die objektiven Voraussetzungen der Steuerverkürzung erfüllt sein müssten.

Aufgrund der detaillierten Aufstellung in der Kontrollmitteilung und der Angaben, dass der Kläger die Beträge in Rechnung gestellt habe und diese per Banküberweisung bezahlt worden seien, sei ohne vernünftigen Zweifel auszuschließen gewesen, dass eine Verkürzung auf Seiten des Fleischmarktes vorgelegen habe. Etwas anderes könne vielleicht gelten, wenn es sich nicht um Rechnungen des Klägers gehandelt hätte, sondern um Gutschriften, mit denen der Fleischmarkt diesem gegenüber abgerechnet habe oder wenn die Zahlungen in bar erfolgt wären. So verhalte es sich aber hier nicht. Im Schreiben vom 22.10.2003 habe er daher auch ausgeführt, dass der Kläger der Firma Fleischmarkt G bestimmte Umsätze in Rechnung gestellt habe, nicht aber, dass der Fleischmarkt "Zahlungen an den Kläger gebucht" habe. Der Bearbeiter des Finanzamtes habe nach Eingang der Kontrollmitteilung die darin ausgewiesenen Endsummen mit den Zahlen aus den Steuererklärungen des Klägers verglichen und neben die Summen der Kontrollmitteilungen handschriftlich die Höhe der erklärten Beträge notiert; damit habe er das Ergebnis seiner Überprüfung aktenkundig gemacht, die Tat sei damit entdeckt gewesen. Dass der Kläger nicht nur mit der Entdeckung gerechnet, sondern positiv gewusst habe, dass die Tat entdeckt gewesen sei, sei durch die handschriftlichen Vermerke des Steuerbüros auf dem Schreiben vom 22.10.2003 bewiesen.

Soweit der Kläger den Ansatz höherer Betriebsausgaben beanspruche, habe er nicht vorgetragen, dass weitere über die in seinen Gewinnermittlungen bereits geltend gemachten Ausgaben entstanden seien. Er habe solche auch nicht nachgewiesen. Eine Hinzuschätzung von Betriebsausgaben könne nicht erfolgen.

Der Senat hat die Verfahrensakten 1 V 1903/04 sowie 1 V 1926/05 beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Mit den Beteiligten geht der Senat von der Zulässigkeit der Klage aus. Denn diese ist jedenfalls nicht vor der Bekanntgabe der maßgeblichen Verwaltungsentscheidung, der Einspruchsentscheidung, erhoben worden. Auf die streitige Frage, ob eine Klageerhebung bereits wirksam möglich ist, wenn vorzeitig von dem Verwaltungsakt Kenntnis genommen worden ist (vgl. hierzu Gräber/von Groll § 47 FGO Rz 9 m.w.N.), kommt es somit nicht an.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Senat geht mit dem Beklagten davon aus, dass infolge Tatentdeckung i.S.d. § 7 Nr. 1 b StraBEG die Sperrwirkung dieser Vorschrift im Hinblick auf Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt und damit die am 11.02.2004 vom Kläger abgegebene "Strafbefreiende Erklärung", soweit sie die Streitjahre betrifft, keine Abgeltungswirkung entfalten konnte.

Nach § 1 Abs. 1 StraBEG kann derjenige, der in der Vergangenheit Steuern verkürzt hat, durch Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und Entrichtung einer pauschalen, als Einkommensteuer geltenden Abgabe Steuerbefreiung im Übrigen sowie Strafbefreiung erlangen. Für die Berechnung dieser pauschalen Abgabe sieht § 1 Abs. 1 und 2 StraBEG vor, dass für im Jahr 2004 offengelegte Einnahmen ein Steuersatz von 25% gilt und außerdem nur ein Teil der nicht versteuerten Einnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen wird. Eine wirksame strafbefreiende Erklärung hat keine Auswirkung auf die bisherige Steuerfestsetzung und steht mit ihrem Eingang beim Finanzamt einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

Die Abgeltungswirkung einer strafbefreienden Erklärung ist allerdings nach § 7 StraBEG unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen. Diese Voraussetzungen entsprechen denen der Vorschrift des § 371 Abs. 2 AO zur dort geregelten Selbstanzeige. Ebenso wie § 371 Abs. 2 AO enthält § 7 StraBEG Fälle typisierter Unfreiwilligkeit, in denen der Täter nicht aus eigenem Antrieb zur Rechtsordnung zurückkehrt (Seer in Tipke/Kruse, § 7 StraBEG Rz 1). Der Senat hält deshalb die von der Rechtsprechung zu § 371 Abs. 2 AO entwickelten Grundsätze bei der Auslegung des § 7 StraBEG für entsprechend anwendbar (so auch Urteil des Finanzgerichtes Bremen vom 06. Oktober 2004, Az.: 2 K 152/04 (1), EFG 2005, 15 - Revision anhängig beim BFH unter Az. IV R 58/04 - mit Anmerkung Adamek; Rottpeter/Wedel in Schwarz, Kommentar zur AO, Anhang zu § 371 AO, § 7 StraBEG Rz 7; Joecks/Randt, DStR 2004, 1461 ff.).

Nach dem für den Streitfall relevanten und § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entsprechenden Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 1 b (nicht Nr. 2 der Vorschrift) StraBEG tritt Straf- und Bußgeldfreiheit nicht ein, soweit die Tat bereits entdeckt ist und der Erklärende dies wusste oder damit rechnen musste. Die Tat muss objektiv in ihrem strafrechtlichen Gehalt entdeckt sein, subjektiv kommt es auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen davon an.

Entdeckt ist eine Tat dann, wenn die Möglichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist, nicht schon bei bloßem Anfangsverdacht. Dieser bedarf vielmehr der Konkretisierung. Eine Straftat ist nicht schon beim Bekanntwerden von Tatsachen entdeckt, die zur Einleitung von Ermittlungen Anlass geben können, erforderlich ist ein konkretisierter Tatverdacht, der entsprechend den Anforderungen an einen hinreichenden Tatverdacht wie bei der Entscheidung über die Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens nach vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich macht (vgl. nur Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 371 AO Rz 183 mit vielfältigen Nachweisen). Neben den objektiven müssen auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Tat von einem Amtsträger wahrgenommen werden.

Als taugliches Mittel einer Tatentdeckung durch unmittelbare Selbstwahrnehmung kommen auch Kontrollmitteilungen von Dienststellen der Finanzverwaltung in Betracht. Sie dienen gerade der Aufdeckung bislang verborgener Steuerquellen. Zwar bedeutet das bloße Erstellen einer Kontrollmitteilung ebenso wenig eine Entdeckung der Tat wie der (bloße) Eingang einer solchen Mitteilung bei der für die Veranlagung des betroffenen Steuerpflichtigen zuständigen Finanzbehörde. Stellt jedoch der zuständige Amtsträger aufgrund der Kontrollmitteilung fest, dass bestimmte Geschäfte nicht verbucht sind oder ergibt sich bei einem Abgleich mit dem Inhalt der Steuerakte zweifelsfrei, dass der Vorgang vom Steuerpflichtigen steuerlich nicht erfasst wurde, hat er die Tat entdeckt, eine Strafbefreiung ist dann nicht mehr möglich (Urteil des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 28. Oktober 2002, Az.: 1 K 1039/91, Juris zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG; Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 371 AO Rz 186 m.w.N.; so auch Wannemacher/Meyer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht § 371 AO Rz 46, hier Fn 2).

Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, war die Tat im Streitfall zwar noch nicht durch Erstellung der Kontrollmitteilung durch einen Beamten des Finanzamtes Stuttgart I oder deren Eingang beim Beklagten entdeckt. Sie war jedoch entdeckt, als der zuständige Sachbearbeiter die mit der Kontrollmitteilung mitgeteilten Umsatzzahlen mit denen vom Kläger in seinen Steuererklärungen für die Streitjahre angegebenen abgeglichen hat; dies dokumentiert sich in den dabei handschriftlich auf den einzelnen Blättern der Kontrollmitteilung festgehaltenen Werten aus den Steuererklärungen der einzelnen Streitjahre. Da die mitgeteilten Zahlen die erklärten erheblich überstiegen, war offensichtlich, dass diese in den Steuererklärungen nicht vollständig erfasst sein konnten. Der Vergleich der Kontrollmitteilung mit den Steuerakten ließ daher keinen anderen Schluss zu, als dass Steuern verkürzt worden sind (vgl. in diesem Sinne auch Klein/Gast-de Haan AO § 371 Rz 44). Aus der Kontrollmitteilung ergibt sich weiter eindeutig, dass der Kläger der Firma Fleischmarkt GmbH Rechnungen erstellt und nicht diese ihm - unter Umständen - unrichtige Gutschriften erteilt hat. Ferner enthält die Kontrollmitteilung die Angabe, dass die Fleischmarkt GmbH per Bank Zahlungen an den Kläger geleistet hat. Dem Einwand des Klägers, mit der aus der Kontrollmitteilung ersichtlichen Information habe noch nicht einmal festgestanden, wessen Erklärungen (die des Klägers oder die der Fleischmarkt GmbH) unrichtig oder unvollständig seien, vermag der Senat angesichts dessen nicht zu folgen.

Im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt getroffenen Feststellungen hält der Senat auch die subjektiven Voraussetzungen im Sinne des oben dargestellten hinreichenden Tatverdachtes für gegeben. Der Vortrag des Klägers, es sei auch denkbar, dass die objektive Unrichtigkeit seiner Erklärungen auf ein Versehen des Steuerberaters oder seiner diesem zuarbeitenden Bürokraft zurückzuführen sein könne, lässt einen hinreichenden Tatverdacht im beschriebenen Sinne ebenso wenig entfallen. Ungeachtet dessen, dass der Kläger für die von ihm unterschriebenen und eingereichten Steuererklärungen verantwortlich ist, auch strafrechtlich, und diese angesprochenen Sachverhaltsvarianten auch von ihm als nur "aus der Sicht der Finanzbehörde ohne weiteres denkbar" dargestellt, nicht aber als zugrunde zu legender maßgeblicher Lebenssachverhalt vorgetragen werden, handelt es sich um Sachverhaltsvarianten, die bei dem gegebenen Erkenntnisstand in einem eröffneten Hauptverfahren zu erörtern sind. Der Beklagte hatte infolge der Auswertung der Kontrollmitteilung den insoweit erforderlichen Kenntnisstand erworben, ohne dass es dafür, wie der Kläger meint, auf die Angaben in seiner strafbefreienden Erklärung angekommen wäre.

Dass der Kläger Kenntnis von der Entdeckung hatte, ergibt sich aus den Vermerken des Mitarbeiters des Steuerbüros auf der vorgelegten Kopie des Schreibens des Beklagten vom 22.10.2003. Danach war ihm dieses an den Steuerberater gerichtete Schreiben am 30.10.2003 um 9.45 Uhr zur Klärung und Stellungnahme übergeben worden. Schon um 10.15 Uhr desselben Tages teilte der Kläger dem Steuerbüro mit, dass die Angaben des Finanzamtes bzw. des Fleischmarktes stimmten. Dies zeigt eine nicht bloß vermutete Entdeckung oder Zweifel daran, sondern dass er im Hinblick auf die ihm bekannten Umstände - nämlich das eigene Erklärungsverhalten einerseits und den im Schreiben des Beklagten dokumentierten Erkenntnisstand der Finanzbehörde andererseits - über die erforderliche positive Kenntnis verfügte.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers sind bei der Ermittlung des Gewinnes zusätzliche Betriebsausgaben nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen. Der Kläger ist der ihn treffenden Nachweispflicht insoweit nicht nachgekommen, als er keinerlei Aufwendungen benannt, belegt und beziffert hat. Für eine Schätzung von zusätzlichen Betriebsausgaben fehlt es sowohl vom Grunde als auch von der Höhe her an jeglichen Anhaltspunkten. Dies gilt umso mehr, als der Kläger in seinen dem Beklagten vorgelegten Gewinnermittlungen in den Streitjahren bereits Betriebsausgaben in einer Größenordnung zwischen rd. 168.000.- DM und rd. 206.000.- DM geltend gemacht hatte.

Soweit der Kläger im Hinblick auf das vor dem BFH anhängige Revisionsverfahren IV R 58/04 eine Aussetzung des Verfahrens anregt, vermag der Senat dieser Anregung nicht zu folgen. Denn der diesem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt ist mit demjenigen des hier zu entscheidenden Rechtsstreites insofern nicht vergleichbar, als es dort - neben der Frage des Beginns einer erweiterten Betriebsprüfung - im Hinblick auf die Sperrwirkung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 a StraBEG darum geht, ob der Steuerpflichtige im Laufe einer Betriebsprüfung eine strafbefreiende Erklärung noch wirksam zeitlich erst nach Bekanntgabe einer schriftlichen erweiterten Betriebsprüfungsanordnung abgegeben konnte und darum, ob der Eintritt der Sperrwirkung zudem die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der entsprechenden Prüfungsanordnung voraussetzt.

Demgegenüber ist für den Streitfall allein die davon zu unterscheidende Frage der Tatentdeckung nach der Vorschrift des § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG maßgeblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Verkündet am: 13. Juni 2006

Ende der Entscheidung

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