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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.07.2007
Aktenzeichen: 3 K 1014/07
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 174 Abs. 3 | |
AO § 174 Abs. 4 S. 4 | |
AO § 194 Abs. 1 S. 1 | |
AO § 195 S. 1 |
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Einkommensteuer 1993
In dem Finanzrechtsstreit
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 3. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Juli 2007
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzenden,
den Richter am Finanzgericht ...
die Richterin am Finanzgericht ...
den ehrenamtlichen Richter ...
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid (ESt-Bescheid) für das Streitjahr 1993 im Jahr 1999 noch ändern durfte.
Der 1953 geborene Kläger ist Betriebswirt und wurde im Streitjahr 1993 gemäß § 26b EStG gemeinsam mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt (ESt-Bescheid 1993 vom 6.4.1994, Bl. 14 f. EStA 1993). Er bezog als Gesellschafter-Geschäftsführer der Baubetreuungs-GmbH (B GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Vertrieb von konservierten Pflanzen. Zudem war er an der Grundstücksgemeinschaft W/E beteiligt, deren Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Er und Herr E, ein Architekt, waren zu jeweils 50% an der B GmbH beteiligt.
In den Jahren ab 1991 tätigte der Kläger - zum Teil als Beteiligter der Grundstücksgemeinschaft W/E - mehrere Grundstücksgeschäfte. Hinsichtlich dieser Geschäfte wird auf die Feststellungen in dem zwischen den Parteien ergangenen Urteil betreffend des Gewerbesteuermessbetragsbescheids 1993 - 3 K 2843/01 - vom 22.9.2004 (nachgehend: BFH, Urteil vom 20.4.2006 III R 1/06) Bezug genommen.
Im August 1998 ordnete der Beklagte für die Jahre 1994-1996 bei dem Kläger zur Überprüfung der steuerlichen Behandlung der Grundstücksgeschäfte gemäß § 193 AO eine Außenprüfung (AP) an; im September 1998 erteilte er dem Prüfer gemäß § 88 AO ferner den Ermittlungsauftrag, auch "für die Jahre 1993 und 1997 die erforderlichen Feststellungen" zu ermitteln (Bl. 1, 3 ff. Betriebsprüfungs-Akten -BP-Akten-).
Der Prüfer kam bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass bestimmte vom Kläger getätigte Grundstücksverkäufe die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllen und der im Rahmen der Grundstücksgemeinschaft W/E erfolgte Verkauf des Grundstücks "H" als erstes Objekt des Klägers i.S.d. 3-Objekt-Grenze zu erfassen sei. Den aus der Veräußerung dieses Grundstücks erzielten Gewinn ermittelte er mit 351.800 DM (Berechnung Bl. 20 BP-Akten) und ordnete ihn - entsprechend dem im Kaufvertrag vom 7.12.1993 vereinbarten Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzungen und Lasten mit Kaufpreiszahlung bei Fälligkeit und Zahlbarkeit am 1.1.1994 (Kaufvertrag Bl. 16 ff. AP-Akten II) - dem Veranlagungszeitraum 1994 zu (vgl. BP-Bericht vom 20.1.1999, Bl. 16 ff., 19 f. BP-Akten). Diese Ergebnisse hatte er zuvor in einem Schreiben vom 28.9.1998 (Bl. 5 ff. BP-Akten) bereits Herrn R (C Steuerberatungsgesellschaft mbH -C GmbH-) mitgeteilt, der den Kläger (auch) seinerzeit gegenüber dem Beklagten vertreten hatte und der auch an den Schlussbesprechungen am 13.10.1998 und am 18.1.1999 teilgenommen hatte (vgl. Bl. 25 BP-Akten). Der BP-Bericht selbst war dem Beklagten am 26.3.1999 und dem Kläger und der C GmbH am 6. bzw. 7.4.1999 übersandt worden (vgl. Bl. 14, 28 f. BP-Akten).
Den Feststellungen des Prüfers folgend erließ der Beklagte unter dem 21.6.1999 u.a. einen auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten ESt-Änderungsbescheid für 1994, in dem er den Veräußerungsgewinn i.H.v. 351.800 DM erfasste (Bl. 37 EStA 1994). Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein und trug u.a. vor, dass das Grundstück H nicht erst 1994, sondern bereits 1993 veräußert worden sei, da der Kaufpreis, von dessen Zahlung der Übergang von Nutzungen und Lasten abhängig gewesen sei, noch in 1993 gezahlt worden sei, wie sich aus beiligendem Kontoauszug (Bl. 4 Sonderakten "Einsprüche" -SA-) ergebe; dementsprechend sei die Aktivierung des Grundstücks bei der Erwerberin, der B GmbH, auch bereits in 1993 erfolgt. Zum 31.12.1998 sei Festsetzungsverjährung eingetreten (Bl. 1 ff. SA).
Nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass er beabsichtige, den ESt-Bescheid 1993 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, hilfsweise nach § 174 Abs. 3 i.V.m. § 174 Abs. 4 AO zu ändern (Bl. 26 SA), führte der Kläger weiter aus (Bl. 28 ff. SA):
§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO scheide als Änderungsvorschrift aus, da es sich bei der Feststellung eines gewerblichen Grundstückshandels durch spätere Grundstücksverkäufe gerade nicht um ein rückwirkendes Ereignis handele. § 174 AO komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift darauf abziele, dass es für den Steuerpflichtigen erkennbar gewesen sei, dass die Berücksichtigung eines Sachverhalts (hier 1993) nur im Hinblick auf die spätere Steuerfestsetzung unterblieben sei. Die Vorschrift bilde keine Grundlage für die Beseitigung von Veranlagungsfehlern, die in der Nichterfassung von Sachverhalten im richtigen Veranlagungszeitraum lägen. Im Übrigen hätten der BP sämtliche Verträge und Bankauszüge vorgelegen; es hätte also die Möglichkeit bestanden, die BP nach 1993 auszudehnen.
Mit Bescheiden vom 30.8.1999 hob der Beklagte den ESt-Änderungsbescheid 1994 auf und erließ einen auf § 174 AO gestützten ESt-Änderungsbescheid für 1993, in dem er den streitigen Veräußerungsgewinn des Klägers berücksichtigte (Bl. 26 EStA 1993). Auch hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein und trug zur Begründung u.a. vor (Bl. 32 ff., 46 f. SA):
Ein Fall des § 174 Abs. 3 AO liege nicht vor, da es sich nicht um den Fall einer widerstreitenden Steuerfestsetzung handele. 1993 sei - wenn man gewerblichen Grundstückshandel überhaupt annehme - schlicht falsch veranlagt. Bei Erlass des ESt-Änderungsbe-scheids 1994 am 21.6.1999 habe auch keine Möglichkeit mehr bestanden, für 1993 einen Bescheid zu erlassen.
Durch Einspruchsentscheidung vom 24.10.2001 wurde der ESt-Bescheid für 1993, der zwischenzeitlich am 5.10.2000 erneut geändert worden war (Bl. 28 EStA 1993), dahin abgeändert, dass die Einkommensteuer auf 201.866 DM (statt bisher auf 206.383 DM) festgesetzt wurde und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus (Bl. 67 ff. SA):
Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO zur Änderung des angegriffenen Bescheids hätten vorgelegen. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung 1993 zum 31.12.1998 sei gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich gewesen. Ungeachtet des Umstands, dass die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1993 bei Erlass des später aufgehobenen ESt-Bescheids 1994 vom 21.6.1999 bereits abgelaufen gewesen sei ( § 174 Abs. 4 Satz 4 AO), seien nämlich zugleich die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO erfüllt gewesen. Dem Kläger sei aus dem von der AP an ihn gerichteten Schreiben vom 28.9.1998 und der Besprechung vom 13.10.1998 bekannt gewesen, dass der Veräußerungserlös in 1994 habe erfasst werden sollen. Die Annahme, dass der Veräußerungserlös bei der Steuerfestsetzung 1994 - statt zutreffender Weise in 1993 - habe berücksichtigt werden sollen, sei damit für den Kläger vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennbar gewesen. Darüber hinaus werde von der Vorschritt des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO auch der Fall erfasst, in dem das Finanzamt in der erkennbaren Annahme, ein bestimmter Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen, zunächst überhaupt keinen Steuerbescheid erlasse. Entsprechendes müsse daher auch im Streitfall gelten, in dem erkennbar für ein Jahr (hier: 1993) kein Änderungsbescheid erlassen worden sei, weil der Sachverhalt in einem Änderungsbescheid für ein anderes Jahr (hier: 1994) habe berücksichtigt werden sollen. Schließlich sei es auch unerheblich, ob der Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts im Tatsächlichen oder Rechtlichen liege. Ungeachtet der möglichen Änderung nach § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AO könne vorliegend die Änderung des ESt-Bescheids 1993 auch auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BFH seien die gewerblichen laufenden Veräußerungsgewinne des Klägers nämlich bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der aus dem Kläger und Herrn E bestehenden Grundstücksgemeinschaft zu erfassen, was das Finanzamt im Rahmen des zwischenzeitlich erlassenen Feststellungsbescheids 1993 (vom 10.12.1999) auch getan habe. Im Rahmen dieses Feststellungsbescheids seien die gewerblichen Einkünfte des Klägers für 1993 - abweichend vom bisherigen Bescheid - mit 312.663 DM und die anteiligen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 7784 DM festgestellt worden, so dass der angefochtene ESt-Bescheid im hier anhängigen Einspruchsverfahren entsprechend zu korrigieren sei.
Die sich durch Ansatz der anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 312.663 DM (statt bisher 351.800 DM) und aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 7784 DM (statt bisher ./. 22.842 DM) ergebende geänderte Einkommensteuerschuld sei aus der Anlage ersichtlich (Berechnung Bl. 40 EA). Im Übrigen werde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Am 23. November 2001 hat der Kläger Klage erhoben, die beim erkennenden Senat zunächst unter dem Az. 3 K 2844/01 anhängig war. Zur Begründung hatte er u.a. vorgetragen:
Er betreibe schon keinen gewerblichen Grundstückshandel. Eine Umqualifizierung der Einkünfte unter Erfassung des Veräußerungserlöses aus dem Verkauf des Grundstücks H habe daher überhaupt nicht erfolgen dürfen. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 174 AO nicht vor.
Mit Beschluss vom 22.9.2004 setzte der erkennende Senat das Verfahren gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs mit dem Aktenzeichen GrS 2/02 aus, da die Entscheidung des Verfahrens von der Frage abhänge, ob die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters - sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach - durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-) Finanzamt zu treffen ist. Hinsichtlich der jetzt noch streitigen Frage der Änderungsmöglichkeit des ESt-Bescheids für 1993 führte er aus (Bl. 51 ff. PA):
Der Beklagte sei zum Erlass des angegriffenen Änderungsbescheids im Jahr 1999 grundsätzlich berechtigt gewesen. Denn jedenfalls die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 i.V.m. § 174 Abs. 3 AO hätten vorgelegen: Den Feststellungen der BP folgend habe der Beklagte den dem Kläger anteilig zuzurechnenden Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks H als gewerbliche Einkünfte des Klägers zunächst im Rahmen des ESt-Änderungsbescheids 1994 vom 21.6.1999 erfasst. Die Erfassung des Veräußerungserlöses in 1994 habe dabei auf der Annahme beruht, dass der Kaufpreis, von dessen Zahlung nach dem Kaufvertrag auch der Übergang der Nutzungen und Lasten abhängig gewesen sei, dem Kaufvertrag entsprechend erst bei Fälligkeit im Jahr 1994 gezahlt worden sei. Diese Annahme habe sich als irrig herausgestellt, nachdem der Kläger dem Beklagten im Rahmen des Einspruchs gegen den geänderten ESt-Bescheid 1994 mit Schreiben vom 24.6.1999 mitgeteilt habe, dass die Kaufpreiszahlung abweichend von der vertraglichen Vereinbarung bereits Ende 1993 erfolgt sei; damit habe festgestanden, dass der Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks H in der Veranlagung für 1993 und nicht in der für 1994 zu erfassen sei. Der ESt-Änderungsbescheid für 1994 sei auf den Einspruch des Klägers hin wegen dieser irrigen Annahme durch Bescheid vom 30.8.1999 wieder aufgehoben und unter dem gleichen Datum - unter Erfassung des Veräußerungserlöses - der ESt-Änderungsbescheid für 1993 erlassen worden, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei. Damit sei i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aufgrund eines Rechtsbehelfs - Einspruch gegen den Änderungsbescheid 1994 - ein Steuerbescheid - der Änderungsbescheid 1994 - zugunsten des Klägers aufgehoben worden, der aufgrund der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts - irrige Annahme, dass der Veräußerungserlös in der Veranlagung 1994 zu erfassen sei - ergangen sei. Als Rechtsfolge sehe § 174 Abs. 4 Satz 1 AO vor, dass aus dem Sachverhalt nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden könnten - d.h. hier: eine Erfassung des Veräußerungserlöses durch eine Änderung des ESt-Bescheids 1993 habe erfolgen können. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AO für den Erlass des ESt-Änderungsbescheids für 1993 hätten vorgelegen. Die Änderung des ESt-Bescheids 1993 sei zugleich mit der Aufhebung des Änderungsbescheids für 1994 und damit innerhalb der Jahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO erfolgt. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Änderung des ESt-Bescheids 1993 zum 31.12.1998 bei Erlass des Änderungsbescheids 1994 am 21.6.1999 sei gemäß § 174 Abs. 4 Satz 4 AO unbeachtlich gewesen, da die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO vorgelegen hätten. Danach könne, wenn ein bestimmter Sachverhalt (hier: Erfassung des Veräußerungserlöses) in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden sei, dass er in einem anderen Steuerbescheid (hier: Änderungsbescheid 1994) zu berücksichtigen sei, und sich diese Annahme als unrichtig herausstelle, die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung unterblieben sei, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Das sei hier geschehen. Die Erfassung des Veräußerungserlöses sei zwar im ursprünglichen ESt-Bescheid für 1993 vom 6.4.1994 nicht etwa deshalb unterblieben, weil der Beklagte sie seinerzeit schon dem Veranlagungszeitraum 1994 zugerechnet habe. Denn der Beklagte sei erst im Anschluss an die BP zu der Auffassung gelangt, dass der Veräußerungserlös überhaupt zu erfassen sei. Dies hindere aber nicht die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AO. Denn diese Vorschrift sei auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt in der erkennbaren Annahme, ein bestimmter Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen, zunächst überhaupt keinen Steuerbescheid (hier: keinen Änderungsbescheid 1993) erlasse (z.B. BFH, Urteil vom 23.5.1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89). Für den Kläger sei auch schon vor Ablauf der Festsetzungsfrist für eine Änderung des ESt-Bescheids 1993 zum 31.12.1998 erkennbar gewesen, dass der Beklagte im Anschluss an die Feststellungen der BP die ursprünglichen ESt-Bescheide für die Veranlagungszeiträume, für die sich eine Änderung aufgrund der Feststellungen der BP ergeben habe, habe ändern wollen, und dass er dabei den ermittelten Veräußerungserlös habe berücksichtigen wollen, und zwar in 1994 und nicht in 1993. Denn die Absicht des Beklagten, den Erlös in einem Änderungsbescheid für 1994 und nicht für 1993 zu erfassen, habe sich für den Kläger erkennbar schon aus dem an seinen damaligen Bevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 28.9.1998 ergeben, in dem im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungserlöses auf die Kaufpreisfälligkeit am 1.1.1994 Bezug genommen werde (S. 6 des Schreibens, Bl. 10 BP-Akten), und aus der Besprechung vom 13.10.1998.
Nach Ergehen der Entscheidung des Großen Senats des BFH hatte der erkennende Senat das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH in dem Verfahren III R 1/05 angeordnet, in dem die Parteien des vorliegenden Verfahrens im Rahmen der Frage der Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermessbetragsbescheids für das Streitjahr 1993 darum stritten, ob der Kläger (schon) in diesem Jahr einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat. Nachdem der BFH mit Urteil vom 20.4.2006 (BStBl II 2007, 375) diese Frage bejaht hatte, wurde das vorliegende Klageverfahren wieder aufgenommen und erhielt das jetzige Az. 3 K 1014/07.
Der Kläger trägt nunmehr noch vor:
Eine Änderung des ESt-Bescheids 1993 vom 6.4.1994 durch Bescheid vom 30.8.1999 sei nicht mehr möglich gewesen, da zu diesem Zeitpunkt bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Ablaufhemmung nach § 174 Abs. 4 Satz 3, 4 i.V.m. § 174 Abs. 3 Satz 1 AO greife nicht. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für den ESt-Bescheid 1993 zum 31.12.1998 sei beachtlich, da eine Erkennbarkeit der Nichtberücksichtigung des Grundstücksverkaufs in 1993 im Hinblick auf eine Erfassung im ESt-Bescheid 1994 i.S.d. § 174 Abs. 3 Satz 1 AO nicht gegeben sei.
Erkennbarkeit der Nichtberücksichtigung eines Sachverhalts in der Annahme, eine Erfassung müsse in einem anderen Steuerbescheid erfolgen, setze voraus, dass ein Steuerpflichtiger bei verständiger Würdigung des fehlerhaften Bescheids und der einschlägigen Unterlagen diesen Zusammenhang habe erkennen können oder der Zusammenhang sonst offenbar gewesen sei und der Steuerpflichtige folglich damit habe rechnen müssen, dass der Sachverhalt noch in einem anderen Bescheid berücksichtigt werden würde (Bezugnahme auf Loose in Tipke/Kruse, AO, Rz. 34 zu § 174 AO). Die Erkennbarkeit dieses Zusammenhangs - Nichtberücksichtigung wegen der falschen Annahme - müsse bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für den Bescheid, in dem der Sachverhalt fälschlicherweise nicht berücksichtigt worden sei, hier also bis zum 31.12.1998, gegeben sein.
Nach dem Urteil des BFH vom 23.5.1996 (IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89) könne § 174 Abs. 3 AO zwar auch dann angewendet werden, wenn das Finanzamt in der erkennbaren Annahme, ein bestimmter Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu erfassen, zunächst überhaupt keinen Steuerbescheid erlasse. Bei dem Unterlassen müsse aber für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, warum der Erlass des Steuerbescheids unterbleibe. Die Erkennbarkeit könne sich nicht aus Schreiben der Betriebsprüfung oder Besprechungen mit dem Betriebsprüfer ergeben, denn die Betriebsprüfung sei für die Veranlagung nicht zuständig. Aus den Äußerungen der Betriebsprüfung könne ein Steuerpflichtiger keine Nichtberücksichtigung eines Sachverhalts wegen der Berücksichtigung in einem anderen Veranlagungszeitraum erkennen, weil die Betriebsprüfung nicht über die steuerliche Berücksichtigung eines Sachverhalts entscheide. Bis zum Erlass des ESt-Änderungsbescheids 1994 sei für den Kläger nicht klar gewesen, ob der Verkauf des Grundstücks H überhaupt einkommensteuerrechtlich erfasst werde. Aus dem Unterlassen des Erlasses eines Änderungsbescheids 1993 bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist zum 31.12.1998 habe der Kläger daher nicht zwingend erkennen müssen, dass der Beklagte den Verkauf in 1994 habe erfassen wollen. Das Unterlassen habe auch schlichtweg dahin gedeutet werden können, dass der Beklagte sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen habe. Für den Kläger sei deshalb bis zum 31.12.1998 nicht erkennbar gewesen, dass nur deshalb kein Änderungsbescheid 1993 ergehe, weil der Beklagte den ESt-Bescheid 1994 habe ändern wollen.
In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Bevollmächtigte des Klägers, dass das Finanzamt in 1998 noch überhaupt keine Entscheidung getroffen habe, lediglich der Prüfer habe eine Ansicht geäußert. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass derselbe Prüfer ca. zwei Wochen zuvor die B GmbH, d.h. die Erwerberin des streitigen Grundstücks geprüft habe, bei der dieses bereits in 1993 aktiviert worden sei. Er habe also gesehen, dass das Grundstück bei der Erwerberin bereits in 1993 aktiviert worden sei. Auch sei darauf hinzuweisen, dass der BFH im Rahmen des § 174 Abs. 3 AO eine Kausalität fordere (Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 9.4.2003 X R 38/00, BFH/NV 2003, 1035).
Herr R erklärte, dass letztlich auch in dem Schreiben des Prüfers vom 28.9.1998 nicht stehe, in welchem Jahr ein etwa zu erfassender Gewinn aus der Veräußerung des streitigen Grundstücks zu erfassen gewesen sei. Zudem sei damals auch noch streitig gewesen, wie der Gewinn zu ermitteln sei, falls man überhaupt einen Grundstückshandel annehmen würde. Im Fall der Bilanzierung hätte die Veräußerung ohnehin in 1993 erfasst werden müssen. Abgesehen davon sei es seinerzeit ohnehin in erster Linie um die Frage gegangen, ob der Kläger überhaupt einen Grundstückshandel betrieben habe. Die "zeitliche Schiene" sei nicht Gegenstand der Gespräche mit dem Prüfer gewesen. Darüber hinaus habe er dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 26.9.1995 (Bl. 34 AP II) mitgeteilt, dass der Verkauf des streitigen Grundstücks an die B GmbH am 7.12.1993 erfolgt sei. Zudem gebe es auch Übersichten des Prüfers, in denen dieser das streitige Grundstück als in 1993 veräußert aufgeführt habe. Es habe also ausreichend Anlass bestanden, die Betriebsprüfung auf 1993 zu erstrecken.
Auf den Hinweis auf den Wortlaut des Kaufvertrags vom 7.12.1993 ("Der Kaufpreis ist fällig und zahlbar am 1. Januar 1994") erklärte der Kläger persönlich, dass es sich hierbei um eine vorformulierte Regelung handele und es in der Praxis häufig vorkomme, dass abweichend vom Wortlaut des Kaufvertrags die Kaufpreiszahlung vor oder nach dem vereinbarten Zeitpunkt erfolge.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2001 den Einkommensteuer-Änderungsbescheid für 1993 vom 5. Oktober 2000 dahin zu ändern, dass bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und die gewerblichen Einkünfte des Klägers wie im ursprünglichen Bescheid für 1993 vom 6. April 1994 berücksichtigt werden,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die Begründung des erkennenden Gerichts im Aussetzungsbeschluss vom 22.9.2004.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Der Beklagte war zu der Änderung des ESt-Bescheids für 1993 im Jahr 1999 nach § 174 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 174 Abs. 3 AO berechtigt. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf seine Ausführungen in dem zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens ergangenen Beschluss vom 22.9.2004 (3 K 2844/01). Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch:
1. Erkennbarkeit i.S.d. § 174 Abs. 3 AO (hier: i.V.m. § 174 Abs. 4 AO) heißt, dass der Steuerpflichtige, demgegenüber die Steuerfestsetzung geändert oder nachgeholt werden soll, bei verständiger Würdigung des fehlerhaften Bescheids bzw. des Nichterlasses eines Bescheids erkennen musste, dass der streitige Vorgang in dem fehlerhaften Bescheid bzw. durch Nichterlass eines Bescheids nicht berücksichtigt wurde, weil das Finanzamt von der (irrigen) Annahme einer Erfassung in einem anderen Bescheid ausgegangen ist. Die Erkennbarkeit kann sich für den Steuerpflichtigen nicht nur aus einem bestimmten Bescheid, sondern auch aus den Gesamtumständen ergeben, so z.B. auch aus Schriftverkehr im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs oder aus einem Außenprüfungsbericht. Von Bedeutung kann auch sein, ob ein eigenes Verhalten des Steuerpflichtigen die Finanzbehörden - für den Steuerpflichtigen erkennbar - zu einer irrigen Annahme veranlasst hat. Entscheidend ist letztlich eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des Vertrauensschutzes des Steuerpflichtigen (vgl. im Einzelnen Koenig, in Pahlke/Koenig, AO, 1. Aufl. 2004, § 174 Rz. 48 ff.; Loose, in Tipke/Kruse, AO, § 174 Rz. 32 ff., Rüsken, in Klein, AO, 9. Aufl., § 174 Rz. 42 ff.; von Wedelstädt, in Beermann/Gosch, AO, § 174 Rz. 75 ff., jeweils mit Nachweisen aus der Rspr.). § 174 Abs. 3 AO will nicht jeden Irrtum darüber, in welchem Bescheid ein Sachverhalt zu berücksichtigen ist, berichtigt wissen. Die Finanzbehörde kann ihren Irrtum nur dann richtig stellen, wenn der Steuerpflichtige, demgegenüber die Korrektur erfolgen soll, keinen Vertrauensschutz verdient (vgl. z.B. Loose, a.a.O., § 174 Rz. 32; Koenig, a.a.O., § 174 Rz. 48, jeweils m.w.N.).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen war für den Kläger aufgrund des Schreibens vom 28.9.1998 und der ersten Schlussbesprechung am 13.10.1998 - und damit schon vor Ablauf der Festsetzungsfrist für eine Änderung des ESt-Bescheids 1993 am 31.12.1998 -i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 AO erkennbar, dass eine Erfassung des (auf ihn entfallenden hälftigen) Gewinns aus der Veräußerung des Grundstücks H nicht durch Änderung des ESt-Bescheids für 1993, sondern durch Änderung des ESt-Bescheids für 1994 erfolgen sollte und dass deshalb vor Ablauf der regulären Festsetzungsverjährung für 1993 am 31.12.1998 kein Änderungsbescheid für 1993 erlassen werden würde:
a) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass sich dem Schreiben des Prüfers vom 28.9.1998 überhaupt nicht entnehmen lasse, dass der Veräußerungserlös in 1994 zu erfassen sei:
In dem Schreiben des Prüfers vom 28.9.1998 (dort S. 6, Bl. 10 BP-Akten) heißt es hinsichtlich des streitigen Grundstücks H: "Veräußerung mit Übergang Nutzen und Lasten, Kaufpreisfälligkeit: 1.1.1994". Auch ohne ausdrücklichen zusätzlichen Hinweis darauf, dass demnach der Veräußerungserlös in 1994 (und nicht in 1993) zu erfassen sei, ergibt sich aus dieser Aussage für den Adressaten des Schreibens, Steuerberater R als Mitglied einer Steuerberatungsgesellschaft, eine eindeutige Aussage des Prüfers zur zeitlichen Zuordnung des Erlöses zum Streitjahr 1994. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in dem gleichen Schreiben zuvor (dort S. 5, Bl. 9 BP-Akten) davon die Rede ist, dass das streitige Grundstück in 1993 veräußert worden sei. Denn diese Aussage steht ersichtlich nicht im Zusammenhang mit der Frage, in welchem Veranlagungszeitraum der Veräußerungsgewinn zu erfassen ist, sondern mit der vorrangigen Frage, ob überhaupt ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist, zu dem auch das streitige Grundstück gehört. Für diese Frage kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Übergangs des (wirtschaftlichen) Eigentums an, sondern auf das Datum des Kaufvertrags; und dieses war der 7.12.1993; in diesem Sinne wurde das Grundstück in 1993 "veräußert".
Gegen eine Erkennbarkeit noch in 1998 kann auch nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass es sich bei der Besprechung am 13.10.1998 nicht um die eigentliche Schlussbesprechung gehandelt habe, diese vielmehr erst am 18.1.1999 - nach Ablauf der Festsetzungsfrist für 1993 - stattgefunden habe. Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Frage der zeitlichen Zuordnung eines zu erfassenden Veräußerungsgewinns nach der ersten Schlussbesprechung am 13.10.1998 noch streitig gewesen wäre. Vielmehr hat Herr R in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, dass die "zeitliche Schiene" überhaupt nicht Gegenstand der Gespräche mit dem Prüfer gewesen sei. Darüber hinaus ergibt sich aus den vorgelegten Außenprüfungsakten, dass im Anschluss an die erste Schlussbesprechung am 13.10.1998 Ermittlungen nur noch hinsichtlich der Grundstücke in O, nicht aber auch hinsichtlich des Grundstücks H durchgeführt wurden (vgl. Bl. 83 ff. AP II).
Nach allem war für den damaligen Berater des Klägers noch vor Ablauf des 31.12.1998 erkennbar, dass jedenfalls der Prüfer davon ausging, dass der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat, dass zu diesem auch das streitige Grundstück H gehörte und dass der hieraus demnach als gewerbliche Einnahmen zu erfassende Veräußerungserlös - wegen der im Kaufvertrag enthaltenen Regelung - (erst) in 1994 zu erfassen war (und nicht in 1993). Wäre das Schreiben vom 28.9.1998 von dem für die Steuerfestsetzung zuständigen Sachbearbeiter verfasst worden und hätte dieser statt des Prüfers an der Besprechung am 13.10.1998 teilgenommen, so wäre für den Kläger am 31.12.1998 erkennbar gewesen, dass eine Erfassung des streitigen Veräußerungserlöses durch Änderung des ESt-Bescheids für 1994 erfolgen sollte und nicht durch (rechtzeitige) Änderung des ESt-Bescheids für 1993; für den Erlass eines entsprechenden Änderungsbescheids für 1993 bestand selbst am 13.10.1998 noch ausreichend Zeit.
b) Nach Ansicht des Senats kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm (bzw. seinem damaligen Berater) gegenüber bis zum Ablauf des 31.12.1998 nicht der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter, sondern (nur) der Prüfer tätig geworden war:
Die irrige Annahme, der Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen, muss zwar von dem für die Steuerfestsetzung zuständigen Sachbearbeiter gemacht worden sein (vgl. BFH, Urteil vom 29.5.2001 VIII R 19/00, BStBl II 2001, 743). Ferner muss die irrige Annahme für die Nichtberücksichtigung des Sachverhalts im (zutreffenden) Steuerbescheid kausal gewesen sein (vgl. BFH, Urteil vom 9.4.2003 X R 38/00, BFH/NV 2003, 1035); beides muss zudem für den Steuerpflichtigen erkennbar gewesen sein; er muss sich insoweit jedoch die Erkenntnismöglichkeit seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen. Nach Ansicht des Senats sind diese Voraussetzungen hier sämtlich gegeben:
aa) Unter dem 21.6.1999 erließ der Beklagte für 1994 einen ESt-Änderungsbescheid, in dem er den (anteiligen) Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks H beim Kläger als gewerbliche Einkünfte erfasste. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid heißt es, dass der Festsetzung die Ergebnisse der beim Kläger durchgeführten Prüfung ("siehe Prüfungsbericht vom 20.01.99") zugrunde lägen. Aus dem Prüfungsbericht, der sowohl dem Kläger selbst als auch seinem damaligen Berater zu diesem Zeitpunkt bereits übersandt worden war, ergibt sich eindeutig, dass der Veräußerungserlös aus dem Grundstück H aufgrund der Regelung im Kaufvertrag dem Veranlagungszeitraum 1994 zugeordnet wurde (vgl. Tz. 1.01 a) des BP-Berichts, Bl. 19 BP-Akten: Übergang von Nutzen und Lasten mit Zahlung des Kaufpreises, dieser fällig am 1.1.1994; ferner Tz. 1.02 a) und b), Bl. 19 f. BP-Bericht: Gewinnermittlung 1994). Damit war durch Erlass des ESt-Änderungsbescheids 1994 am 21.6.1999 für den Kläger nicht nur eindeutig erkennbar, dass auch der Beklagte von einem gewerblichen Grundstückshandel ausging, zu dem auch das Grundstück H gehörte, sondern auch, dass der Beklagte den (anteiligen) Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks H aufgrund der (irrigen) Annahme, die insoweit entscheidende Kaufpreiszahlung sei erst bei Fälligkeit in 1994 gezahlt worden, dem Jahr 1994 - und nicht dem Jahr 1993 - zugeordnet hatte. Letzteres ergibt sich darüber hinaus auch daraus, dass der Beklagte, nachdem der Kläger ihn im Wege des Einspruchs auf die abweichende Kaufpreiszahlung bereits in 1993 hingewiesen hatte, dem Kläger mit Schreiben vom 3.8.1999 mitteilte, dass die Veräußerung in diesem Fall dem Jahr 1993 zuzuordnen sei, weshalb er gedenke, den ESt-Änderungsbescheid 1994 insoweit aufzuheben und einen entsprechend geänderten ESt-Bescheid für 1993 zu erlassen (Bl. 26 SA).
Für den Kläger war mithin jedenfalls am 21.6.1999 erkennbar, dass (auch) der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter den streitigen Veräußerungserlös nur deshalb nicht (durch Änderung des ESt-Bescheids 1993) in 1993 erfasst hatte, weil er irrig davon ausging, dass er in 1994 zu erfassen sei. Die von § 174 Abs. 3 und 4 AO geforderte Kausalität ist damit gegeben.
bb) Zu Recht weist der Kläger zwar darauf hin, dass eine entsprechende Erkennbarkeit bereits vor Ablauf des 31.12.1998 gegeben gewesen sein müsse. Es wurde auch weder vorgetragen noch lässt sich dies den vorgelegten Akten entnehmen, dass sich der innerhalb der Organisation des Beklagten für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter bis zum Ablauf des 31.12.1998 gegenüber dem Kläger hinsichtlich der Bewertung der Grundstückstätigkeiten des Klägers und zu einer Erfassung des streitigen Veräußerungserlöses überhaupt geäußert hat.
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist jedoch, wenn, wie hier, eine Außenprüfung durchgeführt wurde, Erkennbarkeit i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 AO auch dann gegeben, wenn sich der Prüfer bereits endgültig festgelegt hat und der Steuerpflichtige damit rechnen muss, dass der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter der Ansicht des Prüfers folgen wird; dies gilt jedenfalls dann, wenn sich - wie hier - später herausstellt, dass dieser Sachbearbeiter sich die Ansicht und die Feststellungen des Prüfers tatsächlich zu eigen gemacht hat. In diesem Fall kann sich der Steuerpflichtige gegen eine zu seinen Ungunsten ergehende Änderung eines Steuerbescheids nicht mit Erfolg auf den Ablauf der Festsetzungsfrist berufen, selbst wenn bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter sich über eine Änderung noch überhaupt keine Gedanken gemacht hat, weil der Prüfer ihn auf die drohende Festsetzungsverjährung aufgrund der irrigen Annahme, der zu erfassende Sachverhalt sei in einem anderen, noch nicht von Verjährung bedrohten Zeitraum zu erfassen, nicht hingewiesen hat:
Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 AO dient die Außenprüfung der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen; sie ist damit Teil des Besteuerungsverfahrens. Außenprüfungen werden nach § 195 Satz 1 AO von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Zuständig war für die beim Kläger durchgeführte Außenprüfung nach den §§ 16 ff. AO, § 17 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FWG) i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 13 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter (FAZVO) das Finanzamt M, ohne dass es sich dabei um eine Beauftragung eines anderen Finanzamts i.S.d. § 195 Satz 2 AO handelt (vgl. Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 195 Rz. 2, 10). Letztlich handelten daher sowohl der Prüfer als auch der für die eigentliche Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter gegenüber dem Kläger als Teil der gleichen, für die Besteuerung des Klägers zuständigen Finanzbehörde im Rahmen eines einheitlichen Besteuerungsverfahrens zur Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers. Erfahrungsgemäß folgt der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter auch regelmäßig den Feststellungen des Außenprüfers. Hätte der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter das Schreiben vom 28.9.1998 verfasst und statt des Prüfers an der Besprechung am 13.10.1998 teilgenommen, so wäre für den Kläger bei Ablauf des 31.12.1998 ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass die Erfassung des streitigen Veräußerungserlöses in einem ESt-Änderungsbescheid für 1993 noch vor Ablauf der für diesen geltenden regulären Festsetzungsfrist nur deshalb unterblieb, weil der Beklagte (irrig) davon ausging, der Erlös sei erst in 1994 zu erfassen.
Grundgedanke des § 174 Abs. 4 AO ist es, den Steuerpflichtigen, der die Änderung eines Steuerbescheids zu seinen Gunsten erwirkt, an seinem Rechtsstandpunkt auch insoweit festzuhalten, als dieser für ihn anderweitig zu nachteiligen steuerlichen Konsequenzen führt (vgl. BFH, Urteil vom 10.3.1999 XI R 28/98, BStBl II 1999, 475; Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 174 Rz. 51). In den zeitlichen Grenzen des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ist danach die Erfassung eines Sachverhalts durch Erlass/Änderung eines Bescheids zu Ungunsten des Steuerpflichtigen grundsätzlich auch noch nach Ablauf der für diesen Bescheid geltenden Festsetzungsfrist möglich. Diese Durchbrechung der Festsetzungsfrist wird durch § 174 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 AO nur aus Vertrauensschutzgründen durchbrochen. Nach Ansicht des erkennenden Senats kann sich ein Steuerpflichtiger in einem Fall wie dem vorliegenden auf diesen Vertrauensschutz jedoch nicht mit Erfolg berufen. Allein der Umstand, dass durch Anordnung einer Außenprüfung eine weitere Person in das einheitliche Besteuerungsverfahren eingeschaltet wird und dass dadurch die Möglichkeit besteht, dass diese Personen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen zu unterschiedlichen Auffassungen gelangen können, kann nach Ansicht des Senats nicht dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger sich erfolgreich darauf berufen kann, für ihn sei etwas nicht erkennbar gewesen, weil er nicht damit habe rechnen müssen, dass der für die eigentliche Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter sich einer vom Prüfer vertretenen Ansicht anschließen würde. Denn einen hierauf bezogenen Vertrauensschutz bezweckt § 174 Abs. 4 Satz 4 mit seinem Verweis auf § 174 Abs. 3 AO nach Ansicht des erkennenden Senats nicht. Vielmehr reicht es daher für die "Erkennbarkeit" i.S.d. § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AO in einem Fall wie dem vorliegenden aus, dass der Prüfer sich gegenüber dem Steuerpflichtigen bis zum maßgeblichen Zeitpunkt endgültig festgelegt hat und der Steuerpflichtige damit rechnen musste, dass sich der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter der Ansicht des Prüfers anschließen würde. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich, wie hier, später herausstellt, dass der für die Steuerfestsetzung zuständige Bearbeiter den Feststellungen und der Ansicht des Prüfers tatsächlich gefolgt ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Finanzbehörden, droht erkennbar Festsetzungsverjährung, bestrebt sind, noch vor Eintritt der Verjährung einen Bescheid zu erlassen, und dass Prüfer in entsprechenden Fällen den zuständigen Bearbeiter in der Regel auf die drohende Verjährung rechtzeitig hinweisen. Es ist weder vorgetragen noch lässt sich dies den vorgelegten Akten entnehmen, dass der Prüfer, hätte er von der vom Kaufvertrag abweichenden Kaufpreiszahlung in 1993 gewusst, gleichwohl den Erlös erst in 1994 erfasst hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er in diesem Fall noch rechtzeitig (d.h. noch in 1998) bei dem zuständigen Sachbearbeiter eine Erfassung in 1993 angeregt hätte.
Nach allem kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Unterlassen einer Änderung des ESt-Bescheids 1993 bis zum Ablauf des Jahres 1998 - aus seiner Sicht - auch darauf habe beruhen können, dass der für die Steuerfestsetzung zuständige Bearbeiter sich seiner - des Klägers - Meinung angeschlossen habe und schon das Vorliegen eines Grundstückshandels verneint habe. Erfolglos beruft er sich auch darauf, dass der für die Steuerfestsetzung zuständige Sachbearbeiter in 1998 noch überhaupt keine Entscheidung getroffen hatte. Ausreichend ist vielmehr, dass für ihn Ende 1998 erkennbar war, dass nach Ansicht des Prüfers eine Erfassung in 1994 zu erfolgen hatte, weshalb für den Prüfer kein Anlass bestand, noch vor Ablauf des Jahres 1998 beim zuständigen Bearbeiter eine Änderung des ESt-Bescheids für 1993 anzuregen, und dass der Kläger damit rechnen musste, dass sich der zuständige Sachbearbeiter den Feststellungen und der Ansicht des Prüfers, der sich bereits eine abschließende Meinung gebildet hatte, anschließen würde.
c) Nicht zu überzeugen vermag auch der Einwand des Klägers, dem Prüfer hätte sich noch in 1998 eine Ausdehnung der Außenprüfung auf 1993 aufdrängen müssen, weil für den Fall der Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels die Frage der zutreffenden Gewinnermittlung noch offen gewesen sei - im Fall einer Bilanzierung, wie der Prüfer sie letztlich auch vorgenommen habe, hätte der Veräußerungserlös in 1993 erfasst werden müssen. Dem ist entgegenzuhalten, dass - unabhängig vom Datum des notariellen Kaufvertragsabschlusses - auch im Fall der Bilanzierung eine Erfassung des Veräußerungserlöses in 1993 nur dann hätte erfolgen müssen, wenn noch im Jahr 1993 der Übergang von Nutzungen und Lasten erfolgt wäre. Dies hing nach dem Kaufvertrag jedoch von der Kaufpreiszahlung ab, die - nach der Regelung im Kaufvertrag (erst) am 1.1.1994 fällig war. Von einer solchen vertragsgemäßen Zahlung erst in 1994 ging der Prüfer Ende 1998 aber irrig noch aus, so dass seinerzeit für ihn auch die Frage der zutreffenden Gewinnermittlung im Rahmen eins gewerblichen Grundstückshandels kein Anlass gewesen sein musste, sich um eine Ausdehnung der Außenprüfung auf das Jahr 1993 zu bemühen.
d) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auch darauf, dass dem Prüfer aus der Außenprüfung bei der B GmbH, die er - der Prüfer - selbst kurz zuvor durchgeführt habe, hätte bekannt sein müssen, dass die Kaufpreiszahlung abweichend vom Kaufvertrag schon vorfällig in 1993 erfolgt sei, da die B als Erwerberin das Grundstück bereits in 1993 aktiviert habe. Dem steht entgegen, dass es für die Frage, ob eine irrige Annahme vorliegt, nicht darauf ankommt, ob der Irrtum vermeidbar gewesen wäre. Abgesehen davon ist auch weder substantiiert vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, dass der Irrtum vermeidbar gewesen wäre. Zwischen der B GmbH und dem Kläger bestand zwar insofern ein Zusammenhang, als der Kläger und Herr E an dieser GmbH zu jeweils 50% beteiligt waren und der Kläger dort auch als Geschäftsführer angestellt war. Gleichwohl führt selbst dies nicht dazu, dass ein Prüfer sich sämtliche für die Besteuerung einer geprüften Person bedeutsamen Einzelheiten als ihm bekannt entgegenhalten lassen muss. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es sich bei der Aktivierung des Grundstücks H bei der B GmbH noch in 1993 um einen Umstand handelt, der im Rahmen der Prüfung der B GmbH von besonderer Bedeutung gewesen war und der deshalb dem Prüfer im Rahmen der den Angaben des Klägers zufolge nur kurze Zeit später durchgeführten Prüfung beim Kläger noch im Gedächtnis gewesen sein musste.
Da es auf die Frage der Vermeidbarkeit des Irrtums nicht ankommt, kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich dem Prüfer trotz des insoweit eindeutigen Wortlauts des Kaufvertrags ("...fällig und zahlbar am 1.1.1994") eine Überprüfung der tatsächlichen Zahlung hätte aufdrängen müssen, weil es sich bei derartigen Regelungen um vorformulierte Vertragsregelungen handele, von denen in der Praxis häufig abgewichen werde. Abgesehen davon muss sich einem Prüfer eine entsprechende Überprüfung nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls dann nicht aufdrängen, wenn, wie hier, zwischen dem Abschluss des notariellen Kaufvertrags (7.12.1993) und dem darin vereinbarten Zeitpunkt für die Zahlung und Fälligkeit des Kaufpreises, von dem auch der Übergang von Nutzungen und Lasten abhängen soll, nur drei Wochen liegen und es sich jedenfalls bei der Erwerberin um eine GmbH und damit um eine Steuerpflichtige handelt, für die es von Bedeutung sein kann, ob eine Zahlung und damit einhergehende Aktivierungspflicht noch im alten oder erst im neuen Jahr erfasst werden soll.
Da es auf die Frage der Vermeidbarkeit des Irrtums nicht ankommt, kann der Kläger mit Erfolg auch weder geltend machen, dass er dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 26.9.1995 (Bl. 34 f. AP II) mitgeteilt habe, dass das streitige Grundstück in 1993 veräußert worden sei, noch darauf, dass der Prüfer in Übersichten das Grundstück 1993 zugeordnet habe. Abgesehen davon stand der Hinweis auf eine Veräußerung in 1993 erkennbar weder in dem angeführten Schreiben noch in den Übersichten des Prüfers im Zusammenhang mit der hier streitigen Frage nach dem Jahr, in dem der Veräußerungserlös beim Kläger zu erfassen war. So erfolgte das Schreiben vom 26.9.1995 in Erwiderung eines Schreibens des Beklagten vom 14.9.1995 im Besteuerungsverfahren der Grundstücksgemeinschaft W/E; es ging um die Frage, ob angesichts der Veräußerung des Grundstücks H mit Vertrag vom 7.12.1993 und damit kurz nach Ablauf der Spekulationsfrist, die bislang für dieses Grundstück wie beantragt berücksichtigten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung rückgängig zu machen seien, weil der Grundstücksgemeinschaft die Einkünfteerzielungsabsicht fehle - eine Erfassung des Veräußerungserlöses als Einkünfte aus gewerblichem Grundstückshandel stand damals noch nicht im Raum, so dass seinerzeit nicht der Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung, sondern nur der des Kaufvertragsabschlusses von Bedeutung war. Auch in den Übersichten des Prüfers (Bl. 18 ff., 20 AP II) wurde ersichtlich auf das Kaufvertragsdatum ("... veräußert am 7.12.1993") im Zusammenhang mit der Frage, ob das Grundstück als Objekt i.S.d. 3-Objekt-Grenze zu erfassen sei, abgestellt und nicht auf die Frage, in welchem Jahr ein Veräußerungsgewinn beim Kläger als gewerbliche Einnahmen aus einem Grundstückshandel zu erfassen war.
3. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.
Verkündet am: 24.7.2007
Ende der Entscheidung
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