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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 5 K 2580/06
Rechtsgebiete: BVFG, EStG, SGB II
Vorschriften:
BVFG § 4 | |
EStG § 32 Abs. 4 | |
EStG § 70 Abs. 2 | |
SGB II § 16 Abs. 3 S. 2 |
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Kindergeld
In dem Finanzrechtsstreit
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 5. Senat -
am 29. November 2007
durch
die Richterin am Finanzgericht als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2006 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist zugunsten der Klägerin wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2006, mit dem die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn der Klägerin A, geboren am 17. September 1982, für die Zeit ab März 2006 aufgehoben und das für die Zeit von März bis Juli 2006 gezahlte Kindergeld zurückgefordert wurde.
Die Klägerin und ihr Sohn sind Spätaussiedler i.S. des § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und reisten im April 2003 in das Bundesgebiet ein. Ab April 2003 wurde der Klägerin fortlaufend Kindergeld für ihren Sohn gewährt, der an Sprachkursen zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse und an sonstigen Integrationsmaßnahmen teilnahm. Vom 11. Oktober 2004 bis 31. Dezember 2004 nahm er einen sog. "1-EUR-Job" wahr (Blatt 65 der Kindergeldakte - KG-Akte). Auch für diese Zeit wurde der Klägerin Kindergeld gewährt (Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2004, Blatt 70 KG-Akte). Vom 31. Dezember 2004 bis 29. April 2005 besuchte der Sohn der Klägerin einen Integrationssprachkurs für junge Aussiedler und mit Schreiben vom 19. Mai 2005 übersandte ihm die ARGE für die Stadt K einen bis 19. August 2005 gültigen "Bildungsgutschein" gem. § 16 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) i.V.m. § 77 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch SGB III. In diesem Schreiben vom 19. Mai 2005 wird ausgeführt, bei dem Sohn der Klägerin sei die Notwendigkeit einer beruflichen Qualifizierung festgestellt worden. Als "Bildungsziel/Qualifizierungsinhalte" ist angegeben:
"7410-101 (Ziel-BKZ), Fachkraft für Lagerwirtschaft, Lagerfachkraft, EDV Kenntnisse, Staplerführerschein, Verkaufstraining"
In der entsprechenden (undatierten) Eingliederungsvereinbarung (auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, Blatt 74 f. der KG-Akte) wird Folgendes ausgeführt:
"Aufgrund der besprochenen Chanceneinschätzung werden folgende Aktivitäten zur beruflichen Eingliederung für Herrn A (...) für die Zeit bis 30. November 2005 verbindlich vereinbart (...)
Öffentlich geförderte Beschäftigung - Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (Zusatzjob) Weiterbildung bei Trainingszentrum ab 23. Mai 2005 - voraussichtlich November 05"
Die Kindergeldzahlungen wurden zunächst von Januar bis April 2005 und - nach Vorlage verschiedener Bewerbungen des Sohnes der Klägerin um eine Ausbildungsstelle als Tischler (Blatt 82 bis 90 der KG-Akte) - ab Mai 2005 bis November 2005 fortgesetzt.
Auf entsprechende Anfrage erklärte die Klägerin (in ihrem am 05. Januar 2006 unterzeichneten Antrag auf Kindergeld, Bl. 93 KG-Akte), ihr Sohn sei bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit gemeldet und beginne am 01. September 2006 eine Ausbildung. Ihr Sohn beziehe Geldleistungen von der Agentur für Arbeit, und zwar Arbeitslosengeld II i.H.v. 188,00 EUR monatlich. Sie legte drei Schreiben der Deutschen Post AG (vom 04. Oktober 2005, vom 03. November 2005 und vom 02. Dezember 2005) mit Absagen auf Bewerbungen ihres Sohnes um einen Ausbildungsplatz vor.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2006 (Bl. 98 der KG-Akte) wurde der Klägerin auch ab Dezember 2005 Kindergeld bewilligt ("Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz").
Mit Schreiben vom 08. August 2006 wurde die Klägerin aufgefordert, Nachweise über eigene Bemühungen ihres Sohnes um einen Ausbildungsplatz ab Januar 2006 vorzulegen. Das mit Eingangsstempel vom 06. Oktober 2006 versehene Antwortformular wurde von einem/einer Sachbearbeiter/in der Beklagten handschriftlich ausgefüllt (selbe Handschrift wie die Aktenvermerke auf Blatt 74 und 81 der KG-Akte) und vom Sohn der Klägerin unterzeichnet (Blatt 105 der KG-Akte). Dort wird Folgendes ausgeführt:
"Persönliche Vorsprache von A: Weitere Nachweise liegen nicht vor. Ab März 2006 wurden keine Bewerbungen für Ausbildung mehr geschrieben. Ab März 2006 wurde für 3 Monate ein 1-EUR-Job abgeleistet. Anschließend 1 Monat Maßnahme bei T. Ich habe mich im März 2006 entschlossen, keine Ausbildungsstelle mehr zu suchen. Über Rückforderung ab März 2006 informiert. ALG II-Empfänger."
Der Beklagten wurde ein weiteres Absageschreiben der Deutschen Post AG vom 06. Februar 2006 vorgelegt (Bl. 109 der KG-Akte).
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 wurde die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn der Klägerin unter Berufung auf § 70 Abs. 2 EStG ab März 2006 aufgehoben und das für die Zeit von März 2006 bis Juli 2006 i.H.v. 770,00 EUR gezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, A könne nicht mehr berücksichtigt werden, weil er die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfülle. Eine Ausbildung werde von ihm nach Aktenlage nicht bzw. nicht mehr angestrebt. Somit sei er nicht mangels Ausbildungsplatz gehindert, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen (§ 32 Abs. 4 Ziff. 2 c EStG). Nach den Daten der für die Ausbildungsstellenvermittlung zuständigen Stelle (Agentur für Arbeit bzw. ARGE oder optierende Kommune) werde das Kind dort nicht bzw. nicht mehr als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle geführt. Eigene Bemühungen um einen Ausbildungsplatz seien nicht bzw. nicht ausreichend nachgewiesen.
Am 09. November 2006 legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, das von der Familienkasse für die Monate März bis Juli 2006 i.H.v. monatlich 154,00 EUR gezahlte Kindergeld sei von der ARGE der Stadt K bei dem ihrem Sohn gezahlten Arbeitslosengeld II in voller Höhe als Einkommen angerechnet worden. Das Kindergeld sei daher von der ARGE an die Familienkasse zu erstatten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2006 wurde der Einspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Ausbildungsplatzmangel sei zwar auch dann hinreichend belegt, wenn das Kind bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit oder bei einem anderen für Arbeitslosengeld II zuständigen Leistungsträger (Arbeitsgemeinschaft/Kommune) als Bewerber für einen Ausbildungsplatz oder für eine Bildungsmaßnahme geführt werde. Für den Streitzeitraum seien keine bzw. keine ausreichenden Nachweise in diesem Sinne vorgelegt worden.
Am 23. November 2006 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie trägt ergänzend vor, im fraglichen Zeitraum sei ihr Sohn 23 Jahre alt gewesen, habe keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gehabt und eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen können. Stattdessen habe er an einer von der ARGE vermittelten Ausbildungsmaßnahme teilgenommen. Diese Maßnahme sei als einer Ausbildung gleichstehend zu bewerten. Im März 2006 habe ihr Sohn aufgrund seiner Sprach- und sonstigen Kenntnisse keinen Ausbildungsplatz und auch keine Aussicht auf einen solchen gehabt. Vor diesem Hintergrund und mit der Erkenntnis, dass er mit seinen defizitären deutschen Sprachkenntnissen zunächst sowohl auf dem Ausbildungs- als auch auf dem Arbeitsmarkt keine oder zumindest schlechte Chancen habe, habe er sich anders orientiert, erst an einer dreimonatigen Maßnahme bei der Firma T teilgenommen und auch danach um die Teilnahme an einem Sprach- und Integrationskurs bemüht. Diese Bemühungen um eine Fortbildung seien letztlich erfolgreich gewesen. Ihr Sohn habe an einem Sprachkurs und kürzlich an einer ergänzenden Maßnahme für jugendliche Spätaussiedler nach § 9 Abs. 4 BVFG teilgenommen (Bescheinigung der Firma TSI vom 04. Januar 2007, Bl. 24 der Gerichtsakte). Die Beklagte habe offensichtlich die bei seiner persönlichen Vorsprache am 06. Oktober 2006 erfolgte Aussage, dass er seit März 2006 keine Bewerbungen mehr geschrieben habe und sich entschlossen habe, keinen Ausbildungsplatz mehr zu suchen (Bl. 105 der KG-Akte), ohne nähere Erörterung und Vergewisserung als abschließende Entscheidung gewertet. Damit habe die Beklagte die Entscheidung des Sohnes der Klägerin aber nicht zutreffend erfasst. Es sei ein auf den damaligen Ist-Stand der Sprach- und sonstigen Fähigkeiten und Kenntnisse und die dadurch bedingten schlechten Erfolgschancen von Bewerbungen bezogene Entscheidung gewesen, erst Sprach- und sonstige Fähigkeiten zu erwerben, um den Anforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts zu genügen. Da sich ihr Sohn schlecht und unsicher ausdrücke und aus dieser Unsicherheit heraus äußerst wortkarg auftrete, bedürfe es bei ihm - wie bei vielen anderen Aussiedlern auch - mehrfachen und geduldigen "Nachhakens", was er letztendlich wolle und vorhabe, notfalls müsse jemand übersetzen. Aufgrund der Fürsorgepflicht der Beklagten gegenüber den Leistungsempfängern sei zu verlangen, dass sie den Betroffenen vermittle, was sie warum von den Betroffenen an Unterlagen und Auskünften wolle, und auch deren Anliegen herausarbeite. Im vorliegenden Fall sei offensichtlich keine optimale und fehlerfreie Kommunikation erfolgt, die sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken dürfe. Das, was ihr Sohn vorgehabt habe, sei von der Beklagten falsch verstanden worden. Die in der Zwischenzeit absolvierten Kurse seien bei zutreffender rechtlicher Bewertung einer beruflichen Ausbildung vorgeschaltete weitere - und sinnvolle, weil die Bewerbungschancen erhöhende - Ausbildungsabschnitte.
Die von der Beklagten in der Klageerwiderung aufgelisteten Trainings- und Schulungsmaßnahmen seien Eingliederungsmaßnahmen, nicht spezifisch gerichtet auf Erwerb oder Erhalt eines Arbeitsplatzes, sondern in gleicher Weise auf den Erwerb eines Ausbildungsplatzes. Vor der Teilnahme an dem Sprachkurs und weiteren Integrationsmaßnahmen hätten weitere Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz wie auch um einen Arbeitsplatz keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Ihr Sohn habe beabsichtigt, nach der erfolgreichen Teilnahme an den entsprechenden Maßnahmen sich wieder auch um einen Ausbildungsplatz zu bemühen. Insofern sei zum Zeitpunkt der Trainingsmaßnahmen und des Sprachkurses mittelfristig eine Ausbildung angestrebt worden.
Zudem sei keine Bereicherung eingetreten, denn die ARGE der Stadt K habe das bezogene Kindergeld bei ihrem Sohn in voller Höhe als Einkommen angerechnet. Sie selbst bestreite ihren Lebensunterhalt aus Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Die Gesamtsumme der gewährten Leistungen deckten gerade den notwendigen Lebensbedarf ab. Das Kindergeld sei für den allgemeinen Lebensunterhalt verbraucht worden. Im Übrigen habe sachgerechter Weise statt einer Inanspruchnahme der Klägerin eine Verrechnung der Leistungen zwischen der Beklagten und der ARGE zu erfolgen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dem Sohn der Klägerin sei im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch II ein 1-EUR-Job in einer Schreinerei im Zeitraum vom 08. März 2006 bis 09. Juni 2006 zugewiesen worden. Außerdem sei er in Trainingsmaßnahmen vom 12. Juni 2006 bis 07. Juli 2006 und vom 12. September 2006 bis 01. Dezember 2006 gewesen. Vom 04. Dezember 2006 bis 08. Januar 2007 habe A einen Sprachkurs für junge Spätaussiedler besucht. Zwischen diesen Maßnahmen sei das Kind jeweils arbeitslos gemeldet gewesen. Nach den Daten der für die Ausbildungsstelle und Vermittlung zuständigen Arbeitsgemeinschaft werde das Kind dort - zumindest im strittigen Zeitraum - nicht als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle geführt. Bei den vorstehenden Maßnahmen handle es sich nicht um Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 c EStG, sondern um Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende. Diese Maßnahmen würden nicht für Ausbildungsstellensuchende angeboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den am 23. November 2004 unterzeichneten Kindergeldantrag und den Bewilligungsbescheid vom 21. Dezember 2004 (Blatt 65 und Blatt 70 der KiG-Akte) verwiesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2006 ist rechtswidrig, verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO), da die Beklagte zu Unrecht unter Berufung auf § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz - EStG - die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn der Klägerin A, für die Zeit ab März 2006 aufgehoben und das für die Zeit von März bis Juli 2006 gezahlte Kindergeld zurückgefordert hat. Das Gericht ist nämlich nicht davon überzeugt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 EStG vorliegen und in den Verhältnissen, die für den Anspruch der Klägerin auf Kindergeld erheblich sind, tatsächlich die von der Beklagten behaupteten Änderungen eingetreten sind.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der auf § 70 Abs. 2 EStG gestützte Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2006. Nach der genannten Vorschrift ist die Festsetzung des Kindergelds aufzuheben, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eingetreten sind.
Den Nachweis dafür, dass die für eine Änderung bzw. Aufhebung eines (begünstigenden) Bescheids erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, hat regelmäßig die Behörde zu führen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1985 III R 183/81, BStBl II 1986, 441 und zuletztvom 19. Mai 1998 I R 140/97, BStBl II 1998, 599). Diese für § 173 AO entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze gelten entsprechend auch für Änderungs- oder Aufhebungsbescheide, die auf § 70 Abs. 2 EStG gestützt werden (so auch FG Brandenburg, Urteil vom 05. Dezember 2001 6 K 289/98, EFG 2002, 479; FG Düsseldorf, Urteil vom 09. September 1999 15 K 3727/98 Kg, EFG 1999, 1296). Die Beklagte hat damit nachzuweisen, dass und zu welchem Zeitpunkt in den rechtserheblichen Verhältnissen Änderungen eingetreten sind. Der Beklagten obliegt insoweit die objektive Beweislast (Feststellungslast), so dass die Unerweislichkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen zu ihren Lasten geht. Da die Kindergeldfestsetzung zu einer Begünstigung und damit zu einer schutzwürdigen Rechtsposition des Kindergeldberechtigten führt, ist es gerechtfertigt, den Nachteil der Ungewissheit für den Regelfall der Behörde aufzuerlegen (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1985 III R 183/81 a.a.O.).
Im Streitfall hat die Beklagte keinen hinreichenden Nachweis erbracht, dass in den Verhältnissen, die für den Anspruch der Klägerin auf Kindergeld erheblich sind, tatsächlich die behaupteten Änderungen eingetreten sind. Zur Begründung des angefochtenen Aufhebungsbescheides machte die Beklagte geltend, A könne nicht mehr berücksichtigt werden, weil er die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfülle. Eine Ausbildung werde von ihm nach Aktenlage nicht bzw. nicht mehr angestrebt. Somit sei er nicht mangels Ausbildungsplatz gehindert, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen (§ 32 Abs. 4 Ziff. 2 c EStG). Nach den Daten der für die Ausbildungsstellenvermittlung zuständigen Stelle (Agentur für Arbeit bzw. ARGE oder optierende Kommune) werde das Kind dort nicht bzw. nicht mehr als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle geführt. Eigene Bemühungen um einen Ausbildungsplatz seien nicht bzw. nicht ausreichend nachgewiesen.
Diesen Feststellungen der Beklagten fehlt allerdings mit Rücksicht auf den Sachverhalt, wie er sich nach der vorgelegten Kindergeldakte und dem Vorbringen der Parteien im Klageverfahren darstellt, eine hinreichende Grundlage:
Wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vorgetragen hat, war dem Sohn der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 08. März 2006 bis 09. Juni 2006 im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch II ein 1-EUR-Job in einer Schreinerei zugewiesen worden. Dass es sich bei dieser Maßnahme - wie die Beklagte behauptet - nicht um einen Berücksichtigungstatbestand i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 c EStG (Warten auf einen Ausbildungsplatz), sondern nur um Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende gehandelt hat, ist hingegen nicht ersichtlich. Die Behauptung der Beklagten, dass diese Maßnahmen nicht für Ausbildungsstellensuchende angeboten würden, ist nämlich zweifelhaft. Wie dem am 23. November 2004 unterzeichneten Kindergeldantrag der Klägerin zu entnehmen ist, war ihrem Sohn auch schon von Oktober 2004 bis Dezember 2004 ein 1-EUR-Job zugewiesen worden. Dennoch gewährte die Beklagte damals auch für diese Zeit Kindergeld (Bescheid vom 21. Dezember 2004), und zwar mit dem Hinweis, dass ihr Sohn als "Kind ohne Ausbildungsplatz" i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 c EStG berücksichtigt werde. Auch den Vorschriften des SGB II lässt sich nicht entnehmen, dass die Wahrnehmung eines 1-EUR-Jobs die Berücksichtig nach § 32 Abs. 4 S. 1 c EStG (Warten auf einen Ausbildungsplatz) ausschließt.
Die sog. 1-EUR-Jobs sind in § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II geregelt ("Werden Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten nicht nach Absatz 1 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert, ist den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen; diese Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts"). Diese Vorschrift ist - wie das gesamte SGB II - durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 eingeführt worden und auf Grund des Art. 61 Abs. 1 dieses Gesetzes mit Wirkung zum 01. Januar 2005 in Kraft getreten. Über die Neuregelung ist in der Kommentierung von Harks in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 16, Folgendes ausgeführt:
Mit dem SGB II wurde ein einheitliches Leistungssystem für alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen geschaffen. Darüber hinaus führt § 16 Abs. 1 SGB II dazu, dass für Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und erwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem SGB II weitgehend die gleichen Instrumente zur Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen. Andererseits trägt § 16 Abs. 2 SGB II aber dem Umstand Rechnung, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem SGB II z.B. infolge von Langzeitarbeitslosigkeit häufig besondere Hilfestellungen benötigen, die über die im SGB III vorgesehenen Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung hinausgehen. § 16 Abs. 1 SGB II regelt überwiegend Ermessens-, aber auch einzelne Pflichtleistungen.
§ 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt schon systematisch die Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung (§ 35 SGB III) als Pflichtleistung in den Vordergrund. Dies entspricht der Grundkonzeption des SGB II. Die Vermittlung umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeit- oder Ausbildungssuchende mit Arbeitgebern zusammenzuführen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Zu den übrigen Leistungen des Dritten Kapitels des SGB III, auf die § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II verweist, gehören ferner insbesondere die Berufsberatung (§§ 29 bis 31 SGB III) und gegebenenfalls eine Eignungsfeststellung im Wege einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung ( § 32 SGB III). Art und Umfang der Beratung richten sich nach dem Beratungsbedarf des Einzelnen (§ 29 Abs. 2 SGB III). Die Berufsberatung umfasst die Erteilung von Auskunft und Rat zur Berufswahl, beruflichen Entwicklung oder zum Berufswechsel, zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, zu den Möglichkeiten der beruflichen Bildung, zur Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche und zu Leistungen der Arbeitsförderung (§ 30 SGB III). Dabei sind Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Ratsuchenden sowie die Beschäftigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 31 SGB III).
§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II erklärt ferner den Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III (§§ 77 - 87 SGB III), also die Vorschriften über die Förderung der beruflichen Weiterbildung, für anwendbar.
Das SGB II hält mithin ein umfassendes Instrumentarium zur Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht feststellen, dass der Sohn der Klägerin von März bis Juli 2006 nicht mehr "in Ausbildung" vermittelt werden sollte bzw. eine Ausbildung nicht mehr angestrebt hat. Auch nach Einschätzung der Beklagten sollte dem Sohn der Klägerin jedenfalls bis einschließlich Februar 2006 ein Ausbildungsplatz vermittelt werden. Mit Bescheid vom 23. Januar 2006 (Bl. 98 der KG-Akte) wurde der Klägerin für ihren Sohn A nämlich als "Kind ohne Ausbildungsplatz" ab Dezember 2005 Kindergeld bewilligt und diese Festsetzung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 2006 erst ab März 2006 aufgehoben. Auf welche Tatsachen die Beklagte ihre Annahme stützt, dem Sohn der Klägerin habe ab März 2006 bzw. von März 2006 bis Juli 2006 kein Ausbildungsplatz mehr vermittelt werden sollen bzw. er habe ab März 2006 keine Ausbildung mehr angestrebt, ist zweifelhaft. Das mit Eingangsstempel vom 06. Oktober 2006 versehene Antwortformular (Blatt 105 der KG-Akte) erlaubt diese Feststellung jedenfalls nicht. Zwar wurde dieses Formular vom Sohn der Klägerin unterzeichnet. Die handschriftlichen Ausführungen stammen allerdings von einem/einer Sachbearbeiter/in der Beklagten (selbe Handschrift wie die Aktenvermerke auf Blatt 74 und 81 der KG-Akte) und lassen vor allem mit Rücksicht auf die unzureichenden Deutschkenntnisse des Sohnes der Klägerin fraglich erscheinen, ob die Ausführungen tatsächlich den objektiven Erklärungsgehalt der Äußerungen des Sohnes der Klägerin wiedergeben und seinem subjektiven Erklärungswillen entsprachen. Dies gilt vor allem für den Satz: "Ich habe mich im März 2006 entschlossen, keine Ausbildungsstelle mehr zu suchen". Die Klägerin hat im Klageverfahren nämlich geltend gemacht, dass die Beklagte die bei der persönlichen Vorsprache am 06. Oktober 2006 erfolgte Aussage ihres Sohnes nicht zutreffend erfasst habe. Ihr Sohn habe vor weiteren erfolglosen Bewerbungen erst Sprach- und sonstige Fähigkeiten erwerben wollen, um den Anforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts zu genügen. Die in der Zwischenzeit absolvierten und von der Beklagten in der Klageerwiderung aufgelisteten Trainings- und Schulungsmaßnahmen seien Eingliederungsmaßnahmen, nicht spezifisch gerichtet auf Erwerb oder Erhalt eines Arbeitsplatzes, sondern in gleicher Weise auf den Erwerb eines Ausbildungsplatzes. Vor der Teilnahme an dem Sprachkurs und weiteren Integrationsmaßnahmen hätten weitere Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz wie auch um einen Arbeitsplatz keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Ihr Sohn habe beabsichtigt, nach der erfolgreichen Teilnahme an den entsprechenden Maßnahmen sich wieder auch um einen Ausbildungsplatz zu bemühen. Insofern sei zum Zeitpunkt der Trainingsmaßnahmen und des Sprachkurses mittelfristig eine Ausbildung angestrebt worden.
Dieser Einlassung der Klägerin ist die Beklagte nicht - jedenfalls nicht hinreichend substantiiert - entgegengetreten. Das Vorbringen der Klägerin ist zudem schlüssig und nachvollziehbar: Ihr Sohn hatte sich bereits mehrfach erfolglos um eine Ausbildungsstelle als Tischler bemüht (Blatt 82 bis 90 der KG-Akte) und da ihm in der streitgegenständlichen Zeit (März bis Juli 2006) ein 1-EUR-Job in einer Schreinerei zugewiesen war, sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Maßnahme nicht (auch) auf den Erwerb eines Ausbildungsplatzes gerichtet war. Die Beklagte hat zudem weder vorgetragen noch ist für das Gericht ersichtlich, dass die ARGE für die Stadt K mangelnde Eigenbemühungen des Sohnes der Klägerin um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz beanstandet hätte. Dies hat nämlich in der Regel Leistungskürzungen beim Arbeitslosengeld II zur Folge, die - soweit ersichtlich - nicht erfolgt sind.
Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht feststellen, dass die genannten und unstreitig durchgeführten Eingliederungsmaßnahmen nur auf den Erwerb eines Arbeitsplatzes und nicht mehr - wie in der Vergangenheit unstreitig der Fall - auch der Vermittlung in Ausbildung gedient haben und/oder dass der Sohn der Klägerin von März bis Juli 2006 nicht mehr "in Ausbildung" vermittelt werden sollte bzw. keine Ausbildung mehr angestrebt hat.
Das Gericht hat gemäß § 90 Abs.2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 S.1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten beruht auf §§ 151 Abs.2 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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