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Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 12.08.2008
Aktenzeichen: 2 K 2417/04
Rechtsgebiete: GrEStG
Vorschriften:
GrEStG § 3 Nr. 2 | |
GrEStG § 3 Nr. 6 | |
GrEStG § 5 |
Finanzgericht Saarland
Grunderwerbsteuer
In dem Rechtsstreit
...
hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken
durch
den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Peter Bilsdorfer als Vorsitzender,
die Richterinnen am Finanzgericht Hörndler und Dr. Anke Morsch sowie
die ehrenamtliche Richterin Beate Stahl (Unternehmerin) und
den ehrenamtlichen Richter Gerhard Güth (geschäftsführender Gesellschafter)
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. August 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 17. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2004 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG im Rahmen der Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin wurde durch Vertrag vom 20. Dezember 2001 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Verwaltung und Nutzung von Grundstücken sowie von Anlagen und Einrichtungen. Gründungsgesellschafter waren als Komplementärin die A Geschäftsführung GmbH (künftig: GmbH) und A als Kommanditist. Die GmbH leistete keine, A eine Einlage von 50.000 EUR.
Durch privatschriftlichen Vertrag vom 30. August 2002 und notarieller Urkunde vom 6. Dezember 2002 brachte A alle aktiven und passiven Vermögensgegenstände des Besitzeinzelunternehmens einschließlich des streitgegenständlichen Grundstücks in die Klägerin ein. Am 7. Dezember 2002 schenkte A seinen Söhnen D und E sowie Frau F jeweils einen Anteil am Kommanditkapital der Klägerin von 8.000 EUR (16% des Kommanditkapitals).
Mit Bescheid vom 31. Juli 2003 stellte der Beklagte den Grundstückswert zum 6. Dezember 2002 für das genannte Grundstück auf 872.500 EUR fest. Er rechnete diesen Wert in vollem Umfang der Klägerin zu. Durch Bescheid vom 17. September 2004 setzte der Beklagte Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.886 EUR für den auf F entfallenden Anteil des Grundstückswertes (16% von 872.500 EUR = 139.600 EUR) fest; in Höhe der verbleibenden Quote von 84% wurde die Steuer nicht erhoben. Den Einspruch der Klägerin vom 11. Oktober 2004 wies der Beklagte durch Entscheidung vom 11. November 2004 als unbegründet zurück.
Am 15. Dezember 2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 17. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2004 aufzuheben.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Grunderwerbsteuer sei in vollem Umfang nicht zu erheben. Dem stehe § 5 Abs. 3 GrEStG nicht entgegen. Zwar habe sich der Anteil von A unmittelbar nach der Einbringung in Folge der Schenkungen an seine beiden Söhne an F um je 16% vermindert. Dennoch sei die Grunderwerbsteuer nicht anteilig nachzuerheben. Denn die Rechtsprechung des BFH habe sei langem anerkannt, dass die "relative Selbstständigkeit" und Rechtsträgerschaft der Gesamthand es nicht ausschlössen, dieser die persönlichen Eigenschaften der Gesamthänder quotal zuzurechnen. Dementsprechend habe der Beklagte im Streitfall die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG nicht versagt, soweit die Anteile auf die Söhne übergegangen seien, die das Grundstück von A kraft Gesetzes hätten steuerfrei erwerben können (§ 3 Nr. 6 GrEStG). Entgegen der Ansicht des Beklagten sei diese Betrachtung aber nicht auf § 3 Nr. 6 GrEStG beschränkt, sondern gelte für alle personenbezogenen Befreiungen des § 3 GrEStG. Mithin sei die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG auch insoweit nicht zu versagen, als sich der Anteil von A durch Übertragung auf F vermindert habe. Denn F hätte ihrerseits das Grundstück gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei erwerben können.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er ist der Auffassung, eine Nichterhebung der Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG scheide - über die bereits berücksichtigte Befreiungsquote von 84% hinaus - aus, weil insoweit A als Veräußerer des Grundstücks an der Klägerin als erwerbender Gesamthand nicht i.S.d. § 5 Abs. 3 GrEStG beteiligt geblieben sei. Die personenbezogene Befreiung von der Grunderwerbsteuer, die im Rahmen von § 5 Abs. 3 GrEStG zu berücksichtigen wäre, käme hinsichtlich F nicht in Betracht. § 3 Nr. 2 GrEStG finde hier keine Anwendung, weil im Rahmen der Schenkungsteuer der Anteilsübergang und bei der Grunderwerbsteuer trotz der Anknüpfung an diesen Anteilserwerb ein fingierter Grundstückserwerb besteuert werde. Insoweit lägen zwei unterschiedliche Rechtsvorgänge vor (koordinierter Ländererlass, vgl. etwa Erlass des Ministeriums der Finanzen des Saarlandes vom 18. Mai 2005 B/3-2-96/2005 - S 4500). Der BFH habe mit Urteil vom 12. Oktober 2006 (BStBl II 2007, 409) zwar entschieden, das nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft insoweit nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei seien, als sie auf einer schenkungsweisen Anteilsübertragung beruhten. Der BFH habe in dieser Entscheidung die Frage der Steuerpflicht des Einbringungsvorgangs aber ausdrücklich dahinstehen lassen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Einbringungsvorgang ist zwar grunderwerbsteuerbar; die Steuer wird jedoch gem. § 5 Abs. 2 GrEStG (in vollem Umfang) nicht erhoben.
a) Die Einbringung des Grundstücks durch notariellen Vertrag vom 6. Dezember 2002, unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt ein Rechtsgeschäft, welches den Anspruch auf Übereignung dieses Grundstücks begründet, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Ein Einbringungsvertrag ist ein Rechtsgeschäft in diesem Sinne (Boruttau/Fischer, GrEStG, 15. Aufl., § 1 Rn. 375 f.).
b) Die Grunderwerbsteuer wird jedoch gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben.
Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine andere Gesamthand über, so wird die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der erwerbenden Gesamthand beteiligt ist (§ 5 Abs. 2 GrEStG). Am Vermögen der Klägerin war zum Zeitpunkt der Einbringung A als Kommanditist zu 100% beteiligt.
c) Eine Anwendung des Befreiungstatbestandes des § 5 Abs. 2 GrEStG scheidet zwar gemäß § 5 Abs. 3 GrEStG insoweit aus, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert.
aa) Allerdings halten die Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH vom 25. Februar 1969 II 142/63, BStBl II 1969, 400 und vom 10. Februar 1982 II R 152/80, BStBl II 1982, 481) und die grunderwerbsteuerliche Kommentarliteratur (vgl. etwa Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 5 Anm. 51) es wegen der Besonderheit der Vermögensbindung bei einer Gesamthand für gerechtfertigt, im Grundstücksverkehr mit Personengesellschaften die grunderwerbsteuerlich relevanten persönlichen Eigenschaften oder Beziehungen eines Gesellschafters im Verhältnis zum Veräußerer über § 5 GrEStG zu dem Anteil auf den Erwerb durchschlagen zu lassen, zu dem der betreffende Gesamthänder an dem Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 3 Anm. 10 mit Beispiel). Denn Gesamthandsgemeinschaften werden im Grunderwerbsteuerrecht zwar materiell als selbständige Rechtsträger behandelt. Gleichwohl bleibt das Vermögen das gesamthänderisch gebundene Eigentum der Gesamthänder. Ein striktes Beharren auf der selbstständigen Rechtsträgerschaft der Gesamthandsgemeinschaften gegenüber ihren Gesellschaftern würde daher zu nicht vertretbaren Ergebnissen führen.
Im Ergebnis führen diese Überlegungen - wie im Entscheidungsfall unstreitig - dazu, den Rechtsgedanken des § 3 Nr. 6 GrEStG in der Weise auf die Vergünstigungsvorschrift des § 5 GrEStG zu übertragen, dass bei einer Verwandtschaft in gerader Linie zwischen demjenigen, der ein Grundstück auf eine Gesamthand überträgt, und den an dieser Gesamthand beteiligten Gesamthändern das Nichtbeteiligtsein des Grundstücksveräußerers an der Gesamthand der Gewährung der Vergünstigung nach § 5 GrEStG nicht entgegensteht (zur Rechtslage bis 31. Dezember 1999 BFH vom 25. Februar 1969 II 142/63, BStBl II 1969, 400; vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BStBl II 1971, 278).
bb) Die dargestellte Auslegungsmethode ist jedoch nicht auf § 3 Nr. 6 GrEStG beschränkt. Sie gilt vielmehr unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 GrEStG auch für § 3 Nr. 2 GrEStG (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Dezember 2003 5 K 243/03, EFG 2004, 364; Sack in Boruttau, Kommentar zum GrEStG, 15. Aufl. 2002, § 3 Anm. 37; Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 5 Anm. 51; Behrens, BB 2007, 368).
§ 5 Abs. 3 GrEStG soll "der Vermeidung von Steuerausfällen" dienen, indem durch die Mindestbehaltensfrist verhindert werden soll, dass "Grundbesitz steuerbegünstigt in eine Gesamthand eingebracht und unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Anteilsübertragung steuerbefreit weitergegeben" wird (BR-Drs. 910/98 v. 20. November 1998, 203). § 5 Abs. 3 setzt daher die objektive Möglichkeit der Steuerumgehung voraus.
Ebenso wie eine sinnvolle Interpretation von § 5 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG verlangt, dass ein Verstoß gegen die Behaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG bei einer Anteilsübertragung an Verwandte gerader Linie unschädlich ist, weil eine unmittelbaren Grundstücksübertragung auf die Erwerber nach § 3 Nr. 6 GrEStG von der Grundsteuer befreit gewesen wäre, gilt dieser Gedanke auch in der Zusammenschau mit § 3 Nr. 2 GrEStG.
Maßgebend ist nämlich, dass in einer Fallkonstellation, wie sie dem Streitfall zugrunde liegt, keine objektive Möglichkeit der Steuerumgehung bestanden hat. Denn die Erwerbe wären auch dann vollständig steuerfrei geblieben, hätte der Grundstückseigentümer das Grundstück zunächst den Gesamthändern übertragen und hätten die Gesamthänder das Grundstück dann in die Gesamthand eingebracht: Hätte A im Streitfall das Grundstück zunächst schenkweise auf F übertragen, wäre dies nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei gewesen. Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind u.a. Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des ErbStG von der Besteuerung ausgenommen. Eine anschließende Einbringung des Grundstücks in die Gesamthand wäre nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen.
Bei interpolierender Betrachtung des § 5 GrEStG mit der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG folgt daraus, dass bei einer Einbringung des Grundstücks in eine Gesamthand die durch eine anschließende schenkweise Übertragung eines Anteils erfolgte Anteilsminderung im Rahmen des § 5 GrEStG unschädlich ist, soweit der Anteilserwerber das Grundstück - wie im Streitfall - von dem Einbringenden hätte steuerfrei erwerben können.
d) § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist im Streitfall anwendbar. Die Vorschrift bezweckt, die doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer einerseits und Erbschaft-/Schenkungsteuer andererseits zu vermeiden (Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 3 Anm. 95). Zwar wird bei der Grunderwerbsteuer im Fall der Übertragung der Kommanditbeteiligung nach § 1 Abs. 2a GrEStG ein fingierter Grundstückserwerb besteuert, während der Schenkungsteuer die freigebige Zuwendung der Gesellschaftsanteile an die Erwerber unterliegt (BFH vom 12. Oktober 2006 II R 79/05, BStBl II 2007, 409). Diesen unterschiedlichen rechtstechnischen Anknüpfungspunkten kommt aber im Hinblick auf den Zweck des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG keine Bedeutung zu (vgl. BFH vom 31. Oktober 1963 II 155/60 U, BStBl III 1963, 579, und vom 13. September 2006 II R 37/05, BStBl II 2007, 59). Der in § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG verwendete Begriff "Grundstücksschenkungen unter Lebenden" ist nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken erfasst. Diese Vorschrift gilt vielmehr aufgrund ihres soeben erwähnten Zwecks, die doppelte Belastung mit Grunderwerbsteuer und Erbschaft-/Schenkungsteuer zu vermeiden, auch dann, wenn Gegenstand einer freigebigen Zuwendung ein Anteil an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist (BFH vom 12. Oktober 2006 II R 79/05, BStBl II 2007, 409; vom 13. September 2006 II R 37/05, BStBl II 2007, 59).
2. Nach alledem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen. Denn die Frage, ob § 5 Abs. 3 GrEStG durch Interpolation mit § 3 Nr. 2 GrEStG eingeschränkt werden kann, ist von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Ende der Entscheidung
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