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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: 1 K 1745/05
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 34
AO 1977 § 69
AO 1977 § 191
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 1745/05

Haftung für Lohnsteuer

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. Februar 2007

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,

den Richter am Finanzgericht Keilig,

die ehrenamtliche Richterin und

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten zu 1/5, im Übrigen dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Haftung des Klägers für Lohnsteuerschulden der Firma A mbH (GmbH). Der Kläger war seit dem 01. Februar 2002 Geschäftsführer dieser GmbH.

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01. Februar 2001 bis 31. März 2003 stellte der Prüfer der Beklagten fest, dass durch die GmbH die bei Auszahlung von pauschalem Auslagenersatz für Reisekosten entstandene Lohnsteuer nicht abgeführt worden war und sich bei den angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträgen aufgrund von Rechen- und Übertragungsfehlern Differenzen ergaben. Ausweislich der Lohnabrechnungen erhielt der Gesellschafter der GmbH xxxxxx im Prüfungszeitraum eine lohnsteuerfreie Auslöse in Höhe von 1000 DM / 511,29 EUR monatlich. Beim Angestellten yyyyyy konnte für einen Monat des Jahres 2002 der Nachweis der Reisekosten in Höhe von 743,15 EUR nicht erbracht werden.

Angeforderte Reisekostenabrechnungen legte die GmbH nicht vor. Der Beklagte setzte daraufhin die Lohnsteuern zuzüglich Nebenleistungen für den Prüfungszeitraum Februar 2001 bis März 2003 neu fest und nahm die GmbH mit Haftungsbescheid vom 17. Dezember 2003 in Höhe von insgesamt 15.264,09 EUR mit spätester Fälligkeit 20. Januar 2004 in Anspruch. Mit den Zahlungen dieser Beträge sowie der Lohnsteuer der Monate August bis November 2003 kam die GmbH in Rückstand.

Am 15. Dezember 2003 stellte der Kläger für die GmbH Eigenantrag auf Insolvenz. Da am 3. März 2004 das Insolvenzverfahren über die GmbH eröffnet wurde, nahm der Beklagte nach Haftungsvoranfrage unter anderem (neben der Vor-Geschäftsführerin) den Kläger als ehemaligen Geschäftsführer der GmbH für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und für Säumniszuschläge mit Haftungsbescheid vom 1. November 2004 in Höhe von insgesamt 12.868,16 EUR in Haftung. Nach Einlegung eines Einspruchs nahm der Beklagte den Haftungsbescheid in Höhe von 1.048,70 EUR (vom Insolvenzverwalter angefochtene Lohnsteuerzahlung des Monats August 2003) zurück. Im übrigen wies er den Einspruch mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die am 2. Dezember 2005 erhobene Klage.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Fälligkeitszeitpunkte der streitigen Lohnsteuern im insolvenzrechtlichen Anfechtungszeitraum liegen und damit - selbst wenn ein pflichtwidriges Verhalten des Klägers anzunehmen wäre - aufgrund fehlender Kausalität kein Schaden entstanden sei. Der Kläger meint, dass es bei den Anfechtungsmöglichkeiten nach der Insolvenzordnung nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs ankomme, sondern darauf, wann die Zahlung erfolgt sei beziehungsweise erfolgt wäre. Der Kläger habe für die GmbH erst anlässlich der Lohnsteueraußenprüfung im Dezember 2003 Veranlassung gehabt, überhaupt Zahlungen zu leisten, und wenn er zu diesem Zeitpunkt gezahlt hätte, hätten die Zahlungen vom Insolvenzverwalter angefochten werden können.

Darüber hinaus liege keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung vor, da erst im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung festgestellt worden sei, dass die Reisekosten nicht richtig berechnet worden seien. Dies könne dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Er habe sowohl ein Steuerbüro beauftragt wie die bei ihm angestellte Lohnbuchhaltung instruiert, wie eine Reisekostenabrechnung auszusehen habe, welche Anforderungen an eine steuerliche Anerkenntnis gestellt werden und dass die Unterlagen aufzubewahren seien. Stichprobenartig habe er sich zudem die Abrechnungen in regelmäßigen Zeitabständen vorlegen lassen. Zweifel habe er hierbei nicht gehabt. Soweit Mängel der Buchhaltung bekannt geworden seien, habe er diese abgestellt und insoweit auch eine zuständige Mitarbeiterin abgemahnt und gekündigt.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 1. November 2004 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005, geändert durch Teilrücknahmebescheid vom 27. Februar 2006, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat dem Klagebegehren teilweise entsprochen und den Haftungsbescheid teilweise in Höhe von 2.445,91 EUR zurückgenommen.

Soweit die Haftung für weitere Lohnsteuerrückstände betroffen ist, ist der Beklagte der Ansicht, dass diese Rückstände aus den Festsetzungen der durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung für den Prüfungszeitraum Februar 2001 bis März 2003 stammen und es sich hierbei um eine Nachversteuerung von an Arbeitnehmer ausgezahlte Reisekosten handelt. Die Steuerfreiheit sei versagt worden, weil die Arbeitnehmer ihrer Arbeitgeberin Unterlagen über die Dienstreisen, aus denen sich Abfahrts- und Ankunftszeit sowie das Reiseziel eines jeden Reisetages ergäben, nicht vorgelegt hätten und somit die Versteuerung der Reisekosten bereits in den laufenden Lohnsteuervoranmeldungen hätte erfolgen müssen. Die Auszahlung von pauschalem Auslagenersatz führe gemäß R 22 Abs. 2 Satz 1 Lohnsteuerrichtlinien -LStR- regelmäßig zu Arbeitslohn, der bereits bei Auszahlung zur Entstehung der Lohnsteuer geführt habe und nicht erst durch die Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung. Der Fälligkeitstag 20. Januar 2004 ergebe sich nur für die Nachversteuerung aufgrund der Festsetzung nach Außenprüfung. Die Haftung des Klägers als Geschäftsführer der Arbeitgeberin ergebe sich dadurch, dass durch seine Nicht-Anmeldung die Lohnsteuern zu den gesetzlichen Fälligkeitstagen 10. März 2001 bis 10. April 2003 nicht rechtzeitig festgesetzt und in der Folge auch nicht entrichtet worden seien. In diesem Fall seien die strengen Haftungsmaßstäbe der Lohnsteuerhaftung zugrunde zu legen und von einer groben Fahrlässigkeit auszugehen. Nach Ansicht des Beklagten wäre der Haftungsschaden nicht entstanden, wenn die Festsetzung und Entrichtung pflichtgemäß erfolgt wären, da diese Zeitpunkte außerhalb des Anfechtungszeitraumes von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag lagen und zu einem früheren Zeitpunkt die Steuerschulden wohl noch gezahlt worden wären. Es komme daher weder auf den Fälligkeits- noch auf den Zahlungszeitpunkt an.

Weiter vertritt der Beklagte die Ansicht, dass der Kläger seine steuerlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer verletzt habe. Er bezweifelt die ordnungsgemäße Kontrolle der Abrechnungsunterlagen und geht daher von einer Pflichtverletzung im Zeitpunkt der Abgabe der Lohnsteuer-Voranmeldungen aus. Die Übertragung der Aufgaben an angestellte Steuerfachgehilfen bzw. an ein Steuerbüro ändere am Sachverhalt nichts, da insoweit von einem Verstoß gegen Kontroll- bzw. Überwachungspflichten auszugehen sei.

Dem Senat haben die Haftungsakte, die Lohnsteueraußenprüfungsakte und die Lohnsteuerakte der GmbH vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat den Kläger zu Recht in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH für nicht abgeführte Lohnsteuern gemäß §§ 191, 69, 34 Abgabenordnung -AO- in Anspruch genommen.

Der Kläger war als Geschäftsführer der GmbH gesetzlicher Vertreter im Sinne von § 34 AO.

Gemäß § 69 AO haften die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Soweit sich der Kläger gegen die Rechtmäßigkeit des bestandskräftig gewordenen Haftungsbescheides gegenüber der von ihm seinerzeit gesetzlich vertretenen GmbH wendet, kommt es hierauf nicht an, da er sich hätte hiergegen wenden können; § 166 AO steht der Berücksichtigung nunmehr erhobener Einwände entgegen. Aber auch die Voraussetzungen gemäß § 69 AO i.V. mit § 34 AO sind erfüllt.

In der Nichtanmeldung der Lohnsteuern auf den pauschalen Auslagenersatz in jedem Lohnsteuerzeitraum und infolgedessen auch der unterbliebenen Abführung der Steuern zu diesen Zeitpunkten liegt die Pflichtwidrigkeit der Geschäftsführerhandlung.

Für die Haftung kann nicht auf die Fälligkeit bzw. auf den Zahlungszeitpunkt eines nach Betriebsprüfung ergehenden Steuerbescheides - der dann der Insolvenzanfechtung unterliegen würde - abgestellt werden, sondern es muss der Zeitpunkt der Pflichtwidrigkeit betrachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass die Lohnsteuern bei pflichtgemäßer Anmeldung gegebenenfalls noch hätten abgeführt werden können.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er diese Pflichten anderen übertragen hat, da ihm andernfalls ein Kontroll- und Überwachungsverschulden zu Last gelegt werden muss. Die Behauptung, dass er ein Steuerbüro beauftragt und die bei ihm angestellte Lohnbuchhaltung instruiert habe, wie Reisekostenabrechnungen auszusehen haben und welche Anforderungen vorliegen müssen, sowie dass er angeordnet habe, die Unterlagen aufzubewahren, wird durch die Feststellungen der Betriebsprüfung über einen Zeitraum von drei Jahren widerlegt. Wenn der Kläger tatsächlich stichprobenartige Kontrollen vorgenommen hat, ist nicht nachvollziehbar, warum ihm die laufenden Fehler nicht aufgefallen sind. Die Reisekosten sind monatlich pauschal über fast drei Jahre gezahlt worden. Es können daher nicht alle Kontrollen ohne Beanstandung geblieben sein. Zumindest hätte der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer das Fehlen der Einzelnachweise der Reisekostenabrechnungen bemerken und abstellen müssen.

Aus den Lohnsteueranmeldungen des Zeitraums Oktober bis Dezember 2001 ist zu entnehmen, dass nach Übernahme der Geschäftsführertätigkeit durch den Kläger im Januar 2002 berichtigte Anmeldungen mit geringeren Lohnsteuerbeträgen dem Beklagten übersandt wurden. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass der Kläger als Geschäftsführer Lohnsteuerabrechnungen auch vor Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit hätte überprüfen und ihm die Nichtversteuerung der pauschalen Aufwandsentschädigungen hätte auffallen müssen, so dass eine Haftung für den gesamten Prüfungszeitraum gegeben ist.

Soweit der Kläger Abmahnungen einer Angestellten vorgelegt hat, zeigt dies auf, dass die Buchhaltung zumindest teilweise mangelhaft wahrgenommen wurde und daher besondere Überwachungspflichten des Geschäftsführers bestanden haben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausgeführt, dass er die Reisekosten aller Mitarbeiter überprüft habe. Dies wird durch die Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung widerlegt. Für den Senat ist der Eindruck entstanden, als habe der Kläger als angestellter Geschäftsführer es unterlassen, die Reisekosten des Gesellschafters, von dessen Entscheidungen er grundsätzlich abhängig war, zu prüfen. Dies kann ihn jedoch nicht entlasten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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