Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 2 K 275/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Mai 2009

durch

den Richter am Finanzgericht Schulz als Berichterstatter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist zum einen, in welchem Jahr ein Verlust des Klägers nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) zu erfassen ist und zum anderen, ob die Klägerin aus beruflichen Gründen ein Darlehen gewährt hat, und falls ja, ob der Verlust des Darlehens im Streitjahr zu Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit führt.

Der Kläger war zu mehr als 50% an der ... und ... GmbH (GmbH) beteiligt; die Klägerin war bei dieser GmbH für einen monatlichen Bruttolohn von 1.800 DM angestellt. Infolge des am 14. Juni 2002 von der GmbH gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eröffnete das zuständige Amtsgericht ... am 12. September 2002 das Insolvenzverfahren. Die vom Insolvenzgericht bestellte Gutachterin gab in ihrem Gutachten an, dass die im Jahre 1998 gegründete GmbH zu keinem Zeitpunkt gewinnbringend gearbeitet hätte.

Aufgrund der Einkommensteuererklärung der Kläger für 2001 erließ der Beklagte (das Finanzamt -FA-) am 7. März 2003 für das Streitjahr einen Einkommensteuerbescheid.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2002 hatte der Kläger zunächst einen Verlust nach § 17 EStG von rund 91.000 EUR erklärt. Hierin enthalten war ein Darlehensverlust in Höhe von 55.000 DM aufgrund des Darlehensvertrages vom 22. September 2000 bzw. des im Einspruchsverfahren nachgereichten Darlehensvertrages vom 31. Juli 2000. Nach letzterem hatte sich die Klägerin verpflichtet, der GmbH ein Darlehen in Höhe von 55.000 DM zu gewähren, welches bis zum 15. September 2000 auf das Konto der GmbH einzuzahlen war. Die Rückzahlung des Darlehens sollte ab dem 1.Juli 2002 in monatlichen Raten zu 500 DM erfolgen. Die Klägerin hat folgende (Bar-)Beträge auf das Konto der GmbH eingezahlt:

 03.03.200025.000,00 DM
06.04.200010.000,00 DM
16.10.200020.000,00 DM
 55.000,00 DM
16.10.2000 weitere22.658,08 DM

Das FA erkannte den Verlust nach § 17 EStG im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 29. Oktober 2004 nicht an. Auch in dem am 22. Juni 2005 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 erkannte das FA den Verlust nicht an. Zugleich erließ es wegen eines Verlustrücktrages einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2001. Gegen diese und weitere Bescheide legten die Kläger Einspruch ein und führten aus, dass ein Verlust aus 2002 nicht nachvollziehbar berücksichtigt worden sei. Sie begehrten die Berücksichtigung eines Darlehensverlustes in Höhe von 55.000 DM als Werbungskosten der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit. Das FA änderte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2001 aus anderen Gründen mit Bescheiden vom 7. Oktober 2005, 2. November 2005 und 9. Juni 2006.

Während des Einspruchsverfahrens erzielten die Beteiligten Einigkeit darüber, dass das Darlehen nicht im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen sei und dass der Kläger einen Verlust nach § 17 EStG in Höhe von 60.687 EUR erlitten habe. Das FA berücksichtigte diesen Verlust im Einspruchsbescheid vom 6. Februar 2007 im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens im Jahre 2002. Es war davon ausgegangen, dass der Kläger mit einer Rückzahlung von Gesellschaftsvermögen bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr rechnen konnte und deshalb der Verlust bereits im Jahre 2002 und nicht erst bei Abschluss des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen war. Im Übrigen wies es die Einsprüche zurück. Das Darlehen ließ es unberücksichtigt, da es davon ausging, dass eine ausschließlich berufliche Veranlassung nicht nachgewiesen worden sei. Dagegen sprach nach Auffassung des FA, dass Teilbeträge des Darlehens vor Abschluss des Vertrages gezahlt worden seien, die gezahlten Beträge die Darlehenssumme überstiegen habe und das Darlehen in keinem Verhältnis zum Lohn der Klägerin gestanden habe.

Zur Begründung der wegen Einkommensteuer 2001 von den Klägern erhobenen Klage tragen diese vor, der Verlust nach § 17 EStG sei bereits im Jahre 2001 zu berücksichtigen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, das ein Auflösungsverlust in dem Jahr zu erfassen sei, in dem feststehe, dass an die Gesellschafter kein Gesellschaftsvermögen mehr verteilt werde. Dies sei bereits im Jahre 2001 der Fall, denn in der Bilanz der GmbH für 2001 vom 15. April 2004 sei ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 381.509,41 DM ausgewiesen worden. Dadurch sei die GmbH zwar noch nicht vermögenslos, wohl aber nach § 19 Insolvenzordnung bilanziell überschuldet gewesen. Auch die Zerschlagungsbilanz der Insolvenzverwalterin im Gutachten vom 11. September 2002 zeige, dass der Insolvenztatbestand bereits am 31. Dezember 2001 vorgelegen habe.

Ferner sei bei der Klägerin im Jahre 2001 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Darlehensverlust zu berücksichtigen. Das Darlehen sei zu einem Zeitpunkt gezahlt worden, als die GmbH wegen eines Forderungsausfalls in Höhe von rund 110.000 DM in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sei. Dieser Forderungsausfall habe die GmbH kreditbedürftig gemacht. Sie, die Klägerin, habe das Darlehen -auch aus ihrer Position als nahe Familienangehörige- gewährt, um die Liquiditätslage des Unternehmens zu verbessern und ihren Arbeitsplatz langfristig zu sichern. Für den zeitlichen Ansatz dieses Verlustes sei entscheidend, wann der Forderungsausfall eingetreten sei. Dies sei nicht im Jahre 2000, sondern im Jahre 2001 der Fall gewesen. Auch für sie, die Klägerin, gelte, dass der (Darlehens-)Verlust bereits in dem Jahr zu erfassen sei, in dem mit einer Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr gerechnet werden könne.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 9. Juni 2006 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 6. Februar 2007 dahingehend zu ändern, dass bei dem Kläger ein Veräußerungsverlust nach § 17 Einkommensteuergesetz in Höhe von 60.687 EUR zu berücksichtigen ist und bei der Klägerin weitere Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 55.000 DM zu berücksichtigen sind und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA auf seinen Einspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, dass ein Auflösungsverlust nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162 frühestens im Jahr der Auflösung der GmbH entstehen kann.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

I. Im Streitjahr ist bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb ist kein Veräußerungsverlust zu berücksichtigen.

Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört ein Gewinn (oder Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1% mittelbar oder unmittelbar beteiligt war. § 17 Abs. 1 EStG ist entsprechend anzuwenden, wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger einen solchen Verlust erlitten hat, denn er war an der im Jahre 2002 aufgelösten GmbH wesentlich beteiligt. Der Verlust ist jedoch nicht im Streitjahr zu berücksichtigen, denn die Entstehung eines Auflösungsverlustes setzt die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft voraus (BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162). Die GmbH war im Streitjahr noch nicht aufgelöst. Eine GmbH wird u.a. durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 betreffend das Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-). Die GmbH wurde erst im Jahre 2002 aufgelöst, denn erst am 12. September 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Damit konnte im Streitjahr kein Auflösungsverlust entstehen. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist es ohne Bedeutung, ob der Verlust -wie es das FA angenommen hat- bereits im Jahre der Auflösung der GmbH im Jahr 2002 unter der weiteren Voraussetzung, dass bereits zu diesem Zeitpunkt festgestanden hat, dass an die Gesellschafter kein Gesellschaftsvermögen mehr verteilt werde oder erst zu einem späteren Zeitpunkt (Beendigung des Insolvenzverfahrens) zu berücksichtigen war.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist es ohne Bedeutung, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits im Streitjahr vorgelegen haben, denn für die Frage der Auflösung der Gesellschaft kommt es hierauf nicht an (BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162). Deshalb kommt weder dem Gutachten der Insolvenzverwalterin, noch der im Jahre 2004 erstellten Bilanz der GmbH auf den 31. Dezember 2001 streiterhebliche Bedeutung zu.

II. Bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit sind keine Werbungskosten in Höhe von 55.000 DM zu berücksichtigen.

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin der GmbH ein Darlehen in Höhe von 55.000 DM gewährt hat. Zweifel hieran bestehen, weil die Herkunft der Mittel nicht geklärt ist. Es handelt sich um Bareinzahlung auf das Konto der GmbH, die die Klägerin vorgenommen hat. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die Mittel würden aus der Auflösung von Lebensversicherungen stammen. Diesem Vortrag brauchte das Gericht nicht nachgehen, denn die Richtigkeit dieses Vortrages unterstellt, kommt eine Berücksichtigung im Streitjahr bereits aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

1. Der Darlehensvertrag hält einem Drittvergleich nicht stand. Zum einen werden Einzahlungen als Darlehenshingabe deklariert, die mehrere Monate vor dem behaupteten Vertragsabschluss geleistet wurden, zum anderen sollen insgesamt rund 77.000 DM gezahlt worden sein, aber nur 55.000 DM als Darlehen hingegeben worden sein. Diese Diskrepanz zwischen hingegebenen Beträgen und schriftlich fixierter Darlehenssumme würde ein fremder Dritter nicht akzeptieren.

2. Die behauptete Darlehensgewährung steht in einem Missverhältnis zum Einkommen der Klägerin. Die behaupteten Zahlungen von 55.000 DM zuzüglich weiterer 22.658 DM, zusammen rund 77.000 DM betragen rund das 3-fache des Jahreseinkommens der Klägerin. Damit steht aber das Risiko in keinem angemessenen Verhältnis zu den künftigen Verdienstchancen der Klägerin (BFH-Urteil vom 7. Februar 1997 VI R 33/96. BFH/NV 1997, 400).

3. Das behauptete Darlehen wurde nach eigenen Angaben der Klägerin im Klageverfahren auch aus familiären Gründen gewährt. Damit scheidet eine ausschließlich berufliche Veranlassung aus.

4. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 13. Januar 1989 VI R 51/89, BStBl II 1989, 382) ist ein Darlehensverlust in dem Jahr als Werbungskosten zu berücksichtigen, in dem die Wertlosigkeit der Darlehensforderung für den Darlehensgeber erkennbar wird. Die Klägerin hat aber nach ihrem eigenen Vortrag erst durch das Gutachten der Insolvenzverwalterin bzw. durch die Bilanz der GmbH auf den 31. Dezember 2001 aus dem Jahre 2004 erkannt, dass das behauptete Darlehen nicht mehr zurückgezahlt wird. Weder das Gutachten noch die Bilanz wurden aber im Streitjahr erstellt und konnten mithin der Klägerin im Streitjahr bekannt werden. Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin die Wertlosigkeit eines eventuellen Darlehens im Juni 2002 erkannt hatte, als die GmbH einen Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt hatte. Für einen früheren Zeitpunkt gibt es keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück