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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: 2 K 1955/04
Rechtsgebiete: EStG 1997


Vorschriften:

EStG 1997 § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG 1997 § 24 Nr. 2
EStG 1997 § 2 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 2. Senat unter Mitwirkung von Vizepräsidentin des Finanzgerichts, Richter am Finanzgericht, Richterin am Landgericht sowie der ehrenamtlichen Richter auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 1. Februar 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 22. März 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2004 werden insoweit aufgehoben, als bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag von 73.626,00 Euro berücksichtigt wird. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Leistungen aus einer Gruppenunfallversicherung, die der Arbeitgeber für die Ehefrau des Klägers abgeschlossen hatte, zum Arbeitslohn gehören.

Die Ehefrau des Klägers erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Arbeitgeber hatte für seine Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung ohne Namensangabe abgeschlossen und die Zahlung der jeweiligen Prämien übernommen. Mit der Versicherung sollten die Folgen eines unfallbedingten Eintritts von Invaliditäts- bzw. Todesfällen versichert werden, die nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsvertrag auf Seite 86ff der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag standen dem Arbeitgeber zu, Bezugsberechtigter im Todesfall war der Kläger (Ziffer 7 Nr. 1 des Versicherungsvertrages).

Die Ehefrau des Klägers erlitt im März 2001 in ihrer Freizeit einen tödlichen Verkehrsunfall. Die Versicherung zahlte deshalb im August 2001 den vertraglich vereinbarten Betrag von drei Jahresgehältern in Höhe von 73.626 Euro an den Kläger.

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei dem Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers, in deren Ergebnis die Lohnsteuerpflicht der Prämienzahlungen verneint wurde, vertrat der Beklagte die Ansicht, die Versicherungsleistung sei steuerpflichtiger Arbeitslohn. Dementsprechend setzte er die Einkommensteuer durch geänderten Bescheid vom 22. März 2004 fest. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2004, auf die verwiesen wird, als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor, dass es sich dem streitbefangenen Betrag weder um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit noch um sonstige Einkünfte handele, die der Einkommensteuer unterliegen. Die ausgezahlte Versicherungssumme sei kein Entgelt für eine geleistete Tätigkeit, sondern Entschädigung für einen eingetretenen Personenschaden. Versicherungsleistungen seien letztlich nur dann steuerbar, wenn sie Lohnersatz darstellen. Dies sei hier nicht der Fall. Die Entschädigung sei daher nicht als Arbeitslohn zu erfassen.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 22. März 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2004 insoweit aufzuheben, als bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag von 73.626,00 Euro berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die streitige Zahlung hätte nur dann keinen Arbeitslohn dargestellt, wenn der Arbeitgeber gesetzlich zum Schadensersatz verpflichtet gewesen wäre oder wenn er einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen schuldhafter Verletzung arbeitsvertraglicher Fürsorgepflichten erfüllt hätte. Bei einer Leistung der Versicherung wegen eines Unfalls im privaten Bereich sei die Leistung als Entgelt für ein Arbeitsverhältnis anzusehen, insbesondere dann, wenn die Prämien selbst nicht der Besteuerung unterworfen worden seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie die vorliegenden Steuerakten sowie das Protokoll über die mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Beklagte durfte die Versicherungsleistung nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandeln. Gemäß § 19 Abs. l Satz l Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u. a. andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die nach § 24 Nr. 2 EStG dem Kläger als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau zuzurechnen sind. Diese Bezüge werden dem Empfänger der Einnahmen zugerechnet, ohne dass er selbst den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht hat (vgl. Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, April 1998, § 19 Rdnr. 312). Voraussetzung für die Zurechnung ist jedoch, dass die Einnahmen durch das Dienstverhältnis veranlasst sind, der Vorteil also für die Beschäftigung gewährt wird (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, 24. Aufl., § 19 Rdnr. 16). Das ist dann der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. BFH, BStBI. II 2001, 815; BFH. BStBI. II 1985, 529). Die Zuwendung muss dabei nicht ausschließlich wegen des Dienstverhältnisses gewährt werden. Es genügt vielmehr eine ganz überwiegende Mitveranlassung. Entscheidend ist, dass das Dienstverhältnis im bewertbaren, aus Sicht des Arbeitgebers zu beurteilenden Rahmen mitauslösend ist und die Zuwendung als eine aus dem Dienstverhältnis des Arbeitnehmers bezweckte anzusehen ist (vgl. BFH, BStBI. II 1985, 532). Durch das Dienstverhältnis können auch solche Einnahmen veranlasst sein, die ein Steuerpflichtiger von einem Dritten erhält, sofern diese ein Entgelt für seine Leistungen bilden, die er im Rahmen seines Dienstverhältnisses für den Arbeitgeber erbracht hat oder erbringen soll. Für den Arbeitnehmer muss sich die Zuwendung des Dritten wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung darstellen (Schmidt, a.a.O., § 19 Rndr. 24f m. w. N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze stellen sich die Leistungen aus der Versicherung nicht als Arbeitslohn der verstorbenen Ehefrau des Klägers dar (a.A. FG Köln, EFG 2005, 1438). Zwar bestand zwischen dem Dienstverhältnis und den Leistungen aus der Gruppenunfallversicherung ein tatsächlicher Zusammenhang. Er dürfte darin begründet sein, dass der Arbeitgeber den Versicherungsvertrag im eigenen Namen zu Gunsten seiner Arbeitnehmer abgeschlossen hatte, um sie vor Unfällen auch im privaten Bereich abzusichern. Auch wenn nur der Arbeitgeber allein die Rechte aus dem Vertrag ausüben konnte, so war doch die Ehefrau des Klägers materieller Träger des Rechtsanspruchs gegenüber dem Versicherer (§§ 179 Abs. 2, 75 Abs. l Satz l Versicherungsvertragsgesetz - VVG -). Hieraus ergab sich für die Ehefrau des Klägers ein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme.

Dieser Zusammenhang zwischen dem Dienst- und dem Versicherungsverhältnis ist aber nicht so eng, dass die Versicherungsleistung als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit und damit als steuerpflichtiger Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. l EStG angesehen werden kann. Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass Leistungen aus einer Gruppenunfallversicherung, die der Arbeitgeber zu Gunsten seiner Arbeitnehmer abgeschlossen hat, Arbeitslohn sind, wenn die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag - wie hier - ausschließlich dem Arbeitgeber zustehen. Dem können dann aber außergewöhnliche Belastungen bei einem Privatunfall gegenüberstehen, so dass grundsätzlich nur ein Lohnersatz das Einkommen erhöht (vgl. BFH, BStBI. II 2000, 406 und 408). Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass es sich bei der an den Kläger ausgezahlten Versicherungssumme um einen derartigen Lohnersatz der verstorbenen Ehefrau des Antragstellers handelt, denn die Versicherungsleistung diente nicht dem Zweck, Einnahmeausfälle der verunglückten Ehefrau des Klägers zu ersetzen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sollte die Versicherungsleistung bezwecken, dass die mit Tod der Ehefrau verbundenen Belastungen ausgeglichen bzw. gemildert werden (vgl. Hessisches Finanzgericht, EFG 2005, 1864; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, EFG 2002, 1381; Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 19 Rdnr. 443; offen: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2001, Az: 9 Sa 35/01 L, juris). Denn die Versicherungsleistungen waren ohne Rücksicht darauf zu leisten, ob der Kläger durch den Tod seiner Ehefrau für damit eventuell verbundene Verluste bei der Erzielung des Familieneinkommens entschädigt werden sollte. Da die Versicherungsleistung zum Arbeitsverhältnis in den Hintergrund tritt, ist die Versicherungsleistung als nicht steuerbarer Schadenersatz zu beurteilen, der keiner der sieben Einkunftsarten die § 2 Abs. l Satz l Nr. l - 7 EStG zuzuordnen ist (vgl. BFH, BStBI. II 1982, 496; BFH, BStB. II 1995, 121; vgl. Schmidt, a.a.O., § 19 Rn. 50 "Unfallversicherung"; a.A.: BMF, BStBI. I 2000, 1204).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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