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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 2 K 905/09
Rechtsgebiete: AO, InvZulG 1999, HGB, BGB


Vorschriften:

AO § 39
AO § 175 Abs. 1
AO § 175 Abs. 2
InvZulG 1999 § 2 Abs. 1
HGB § 247 Abs. 2
BGB § 929 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 2. Senat

unter Mitwirkung von

Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...,

Richterin am Finanzgericht ... und

Richter am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richterinnen ... und

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 2. September 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Investitionszulagenbescheid über Investitionszulage für 2000 vom 17. April 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 30. April 2009 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

5. Die Revision wird zugelassen.

6. ...

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Wirtschaftsgut investitionszulagenschädlich veräußert wurde.

Der Kläger betreibt eine Dachdeckerei und Bauspenglerei als Einzelunternehmen. Am 17. Februar 2000 schloss er mit der Firma S GmbH einen Mietkaufvertrag über einen Emminghaus Autokran. Dessen Anschaffungskosten betrugen DM 245.000 netto. Die Laufzeit des Vertrages sollte 60 Monate betragen, während derer der Kläger, zusätzlich zu einer Nettosonderzahlung von DM 24.500, monatlich DM 4.410 zu zahlen hatte. Das Eigentum sollte mit Ablauf der Vertragsdauer auf den Kläger übergehen. Der Leasinggeber behielt sich außerdem das Eigentum am Mietgegenstand bis zur vollständigen Erfüllung aller Verbindlichkeiten aus dem bestehenden Vertrag vor.

Hierfür und für weitere Wirtschaftsgüter im Wert von DM 3.418,78 beantragte der Kläger am 21. März 2001 gemäß § 2 InvZulG 1999 eine Investitionszulage aus dem Betrag von DM 245.000, die der Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2005 gewährte.

Wegen eingetretener Forderungsausfälle entschloss sich der Kläger im Jahr 2004 zum Verkauf des Autokrans. Auf Vermittlung der Werkstatt, die die Wartungen und Reparaturen an dem Autokran vornahm, meldete sich daher während des laufenden Mietvertrages eine Dachklempnerei aus bei der Leasinggeberin und bekundete Interesse an dem Kran. Spätestens am 15. Dezember 2004 vereinbarte der Kläger mit der S GmbH die vorzeitige Auflösung des Mietkaufvertrages zum 31. Dezember 2004. Neuer Käufer war die Dachklempnerei aus , die den Kran bei der vermittelnden Werkstatt abholte.

In der Zeit vom 5. September 2007 bis 4. Februar 2008 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung statt, im Rahmen derer der Betriebsprüfer der Auffassung war, dass die vorzeitige Auflösung des Mietkaufvertrages investitionszulagenschädlich sei. Der Beklagte schloss sich dieser Auffassung an und änderte am 17. April 2008 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO den Investitionszulagenbescheid für 2000 dahingehend, dass die Investitionszulage nunmehr statt EUR 15.745,46 nur noch EUR 87,43 betrug. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 30. April 2009 als unbegründet zurück.

Der Kläger trägt vor, dass kein investitionszulagenschädliches Ausscheiden vorläge, da der Autokran aus seinem Anlagevermögen unmittelbar in das Anlagevermögen des Erwerbers übergegangen sei, weswegen ein Verbleiben im Fördergebiet vorläge.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über Investitionszulage für 2000 vom 17. April 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 30. April 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass der Autokran zunächst vom Anlagevermögen des Klägers in das Umlaufvermögen der S GmbH gelangt sei und nicht unmittelbar in das Anlagevermögen der Dachklempnerei in . Daher lägen die Verbleibensvoraussetzungen nicht vor. Die Ausnahmen von den Verbleibensvoraussetzungen sollten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eng ausgelegt werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie das Protokoll vom 2. September 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Beklagte konnte gemäß § 175 Abs. 2 AO die Gewährung einer Investitionszulage für den Emminghaus Autokran nicht aufheben, da die Verbleibensvoraussetzungen weiterhin vorlagen.

Gemäß § 2 Abs. 1 InvZulG 1999 ist die Anschaffung und die Herstellung von neuen, abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zulagenbegünstigt, wenn diese mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben. Zulagenberechtigt ist grundsätzlich der Investor, der bürgerlich-rechtlich Eigentümer der angeschafften Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist. Fallen bürgerlich-rechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander, so ist zulagenberechtigt derjenige, der wirtschaftliches Eigentum an diesen Wirtschaftsgütern erwirbt (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 15. Februar 2001, BFH/NV 2001, 1041). Anlagevermögen sind die Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt sind, § 247 Abs. 2 HGB.

1. Im Streitfall war der Kläger zu keinem Zeitpunkt zivilrechtlicher Eigentümer, da er frühestens nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit von 60 Monaten am 8. März 2005 hätte Eigentum erwerben können, wenn er im Übrigen alle seine Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt hätte.

2. Der Kläger erwarb aber zunächst wirtschaftliches Eigentum an dem Kran im Sinne von § 39 AO. Wirtschaftliches Eigentum besteht dann, wenn der wirtschaftliche Eigentümer den zivilrechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf die Sache wirtschaftlich ausschließen kann, was dann der Fall ist, wenn der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine Bedeutung mehr hat oder nicht mehr besteht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Im Allgemeinen wird der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums davon abhängig gemacht, dass Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen. Da es für die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes jedoch auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann der Übergang wirtschaftlichen Eigentums z.B. auch dann anzunehmen sein, wenn diese Voraussetzungen nicht in vollem Umfang gegeben sind (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 8. August 1990, BStBl II 1991, 70). Für die Besteuerung ist nicht die äußere Rechtsform, sondern es sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Insoweit kommt es nicht darauf an, wie die Verträge bürgerlich-rechtlich genau einzuordnen sind. Nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ist im Steuerrecht ausschlaggebend (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 15. Februar 2001, a.a.O.). Für den Erwerb der tatsächlichen Herrschaft über ein Wirtschaftsgut und der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums daran ist nicht der Abschluss eines auf die Übertragung des rechtlichen Eigentums gerichteten zivilrechtlichen Vertrages und der dingliche Vollzug dieser Vereinbarung nach § 929 Abs. 1 BGB notwendig (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 25. Juni 1974, BStBl II 1975, 431). Im Regelfall ist derjenige, der lediglich als Mieter eines Wirtschaftsgutes zur Nutzung berechtigt ist, nicht wirtschaftlicher Eigentümer (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 15. Februar 2001, a.a.O.). Etwas anderes gilt jedoch im Fall des sogenannten Mietkaufs, wie er hier vom Kläger mit der S GmbH vereinbart war. Es liegt dann wirtschaftliches Eigentum vor, wenn der Nutzungsberechtigte dem Nutzungsvertrag zufolge verlangen kann, dass ihm das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt übertragen wird (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Juni 1995, BFH/NV 1996, 102 m.w.N.). Nach Ablauf des Vertrages sollte der Kläger ohne weitere Zahlungen das Eigentum an dem Autokran erwerben, so dass er als wirtschaftlicher Eigentümer auch investitionszulagenberechtigt war.

Dieses wirtschaftliche Eigentum hat der Kläger mit Aufhebung des Vertrages zum 31. Dezember 2004 verloren. Mit Verlust des wirtschaftlichen Eigentums ist der streitgegenständliche Autokran nicht dauerhaft innerhalb des Verbleibenszeitraums im Anlagevermögen des Klägers verblieben.

Die Zweckbestimmung eines Wirtschaftsgutes und die danach gegebene Zuordnung zum Anlagevermögen oder Umlaufvermögen hängt subjektiv von dem entsprechenden Willen des Steuerpflichtigen ab. Dieser Wille muss anhand objektiver Merkmale nachvollziehbar sein. Ein bisher zum Anlagevermögen gehörendes Wirtschaftsgut wird jedoch dann Umlaufvermögen, wenn der Unternehmer eindeutig nach außen erkennbar den Entschluss fasst, es zu veräußern, insbesondere es seinem bisherigen Wirkungskreis zu entziehen, indem er es z.B. einem Händler zur Veräußerung übergibt (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 23. Mai 1990, BFH/NV 1990, 734). Auch das nur zeitweise Umwidmen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in solche des Umlaufvermögens ist zulagenschädlich. Das Wirtschaftsgut darf nicht, auch nicht für eine verhältnismäßig kurze Zwischenzeit, Gegenstand des Umlaufvermögens eines Dritten sein (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 12. April 1994, BFH/NV 1995, 66 und 23. Februar 2006, BFH/NV 2006, 1360 jeweils m.w.N.). Mit der unmittelbaren Übernahme des Autokrans aufgrund der vor Ablauf des Mietkaufvertrages erfolgten Veräußerung an den Erwerber, dessen Betrieb im Fördergebiet liegt, ohne dass die S GmbH die Sachherrschaft erlangte, stand das Wirtschaftsgut ununterbrochen im Anlagevermögen eines im Fördergebiet liegenden Betriebes (Urteil des Finanzgerichts München vom 13. Oktober 1989, EFG 1990, 75). Die Vermittlungstätigkeit der Werkstatt führt nicht dazu, dass der Kran in ihr Umlaufvermögen gelangte, dazu hätte es einer Vereinbarung mit der Firma S GmbH bedurft.

Hierdurch wird keine weitere Ausnahme von der gesetzlichen Regelung allein deshalb zugelassen, weil Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Investitionszulage nicht vorlägen (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 29. März 2006, BFH/NV 2006, 1512), sondern der Senat geht davon aus, dass kein Gelangen des Wirtschaftsgutes, auch nicht kurzfristig, in ein Umlaufvermögen vorliegt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und zu den Kosten des Vorverfahrens auf § 139 Abs. 3 Satz 4 FGO.

Die Revision war zuzulassen, da der Bundesfinanzhof bislang noch nicht die Frage entschieden hat, ob ein Wirtschaftsgut unmittelbar vom Anlagevermögen des - wirtschaftlichen Eigentümers - investitionszulagenunschädlich in das des Letzterwerbers übergeht, wenn die Lieferung unmittelbar zwischen diesen beiden stattfindet, ohne dass der zivilrechtliche Eigentümer zwischenzeitlich die Sachherrschaft daran erlangt.

Ende der Entscheidung

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