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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 21.10.2009
Aktenzeichen: 8 K 421/09
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 130 Abs. 1 | |
AO § 131 Abs. 1 | |
AO § 152 Abs. 1 | |
AO § 152 Abs. 2 | |
AO § 152 Abs. 3 |
In dem Finanzrechtsstreit
...
hat der 8. Senat
durch
Richter am Finanzgericht als Einzelrichter
auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 21.10.2009
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte einen verbunden mit einem Schätzungsbescheid festgesetzten Verspätungszuschlag nach dessen Änderung aufgrund einer nachgereichten Steuererklärung zu Recht unverändert bestehen lässt.
Mit Bescheid vom 06.03.2008 setzte der Beklagten die Umsatzsteuer 2005 gegen die Klägerin aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen auf 1.117.000 Euro unter dem Vorbehalt der Nachprüfung sowie einen Verspätungszuschlag in Höhe von 2.750 Euro fest. Aufgrund der am 30.10.2008 eingereichten Umsatzsteuererklärung 2005 der Klägerin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2008 die Umsatzsteuer 2005 auf 1.113.373,68 Euro herab. Nach Anrechnung der Umsatzsteuervorauszahlungen verblieb eine noch zu entrichtende Steuer in Höhe von 486,43 Euro. Der Bescheid vom 23.12.2008 enthält die Regelung, dass der bisher festgesetzte Verspätungszuschlag unverändert bestehen bleibt.
Gegen diese Regelung legte die Klägerin am 09.01.2009 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11.02.2009 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte er aus, trotz einer antragsgemäßen Fristverlängerung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 bis zum 31.03.2007 sei die Erklärung erst am 30.10.2008 abgegeben worden. Gründe dafür seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Werde eine fällige Steuererklärung nicht oder verspätetet abgegeben, behindere und störe diese Pflichtverletzung die Veranlagungstätigkeit des Finanzamts und verursache zu Lasten der Allgemeinheit zusätzlichen und unnötigen Verwaltungsaufwand. Bereits bei einer Fristüberschreitung von sieben Monaten, werde die Veranlagungstätigkeit durch notwendige Mahnungen und Schätzungen nachhaltig gestört. Die Klägerin gebe seit dem Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit im Jahr 2001 ihre Umsatzsteuererklärungen nicht fristgerecht ab. Die ohnehin schon verlängerten Abgabefristen für 2001, 2002 und 2004 habe sie jeweils um fast drei Monate und für 2003 um mehr als einen Monat überschritten. Auch insoweit seien keine Entschuldigungsgründe für die Versäumnisse vorgetragen oder erkennbar. Bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages sei zu Ungunsten der Klägerin die Dauer der Fristüberschreitung und ihr Verschulden zu berücksichtigen, dass wegen der nichtentschuldbaren verspäteten Umsatzsteuererklärung für die früheren Veranlagungszeiträume höher zu gewichten sei. Zu ihren Gunsten sei die Höhe der Abschlusszahlung zu berücksichtigen, weshalb die durch die verspätete Abgabe gezogenen Vorteile als sehr gering einzuschätzen seien. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stehe der Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht entgegen. Eine Einschränkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei weder dargelegt noch den Akten zu entnehmen. Im Verhältnis zur festgesetzten Umsatzsteuer sei der Verspätungszuschlag in Höhe von 2.750 Euro weiter angemessen.
Am 16.03.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie ist der Auffassung, der Verspätungszuschlag sei im Verhältnis zur zu entrichtenden Steuer unangemessen hoch festgesetzt. Der geregelte Ablauf des Veranlagungsverfahrens sei durch die verspätete Abgabe der Steuererklärung nicht wesentlich beeinträchtigt worden. Der Verspätungszuschlag belaste die Klägerin übermäßig, da sie seit dem Jahr 2003 keine Gewinne erzielt habe. Die Körperschaftsteuer sei auf 0 Euro festgesetzt worden.
Die Klägerin beantragt,
den mit Bescheid vom 23.12.2008 festgesetzten Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11.02.2009 herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Verspätungszuschlag betrage gerade einmal 0,25% der festgesetzten Umsatzsteuer. Eine Herabsetzung des Verspätungszuschlages auf einen noch geringeren Betrag erscheine auch unter Berücksichtigung der aus dem Jahresabschluss 2005 ersichtlichen Verlustsituation nicht gerechtfertigt, da zu befürchten sei, dass er dann seine Wirkung als Druckmittel für eine zukünftig rechtzeitige Erklärungsabgabe verliere.
Mit Bescheid vom 13.08.2009 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind gegen Empfangsbekenntnis am 20.08.2009 ordnungsgemäß und unter Hinweis darauf, dass auch bei Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, zur mündlichen Verhandlung am 21.10.2009 geladen worden. Gleichwohl ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.10.2009 für die Klägerin niemand erschienen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2009, in der die Klägerin nicht vertreten war (§ 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Ablehnung der Änderung des im Bescheid vom 06.03.2008 auf 2.750 Euro festgesetzten Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2005 durch Bescheid vom 23.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.02.2009 (§ 44 Abs. 2 FGO analog) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat weder Anspruch auf Änderung noch auf eine erneute rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung über die Änderung (vgl. § 101 Satz 2 FGO) des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2005, weil der Beklagte ohne Rechtsfehler entschieden hat, dass der Verspätungszuschlag in Höhe von 2.750 Euro bestehen bleibt.
1. Ein Anspruch auf Rücknahme oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme des im Bescheid vom 06.03.2008 festgesetzten Verspätungszuschlags nach § 130 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- besteht nicht.
Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Der im Bescheid vom 06.03.2008 festgesetzte Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2005 ist nicht rechtswidrig. Rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt, wenn das im Zeitpunkt seines Erlasses geltende Recht unrichtig angewendet oder bei der Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (vgl. Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl. 2003, § 130 Rz. 20 m.w.N.). Das war bei der Festsetzung des Verspätungszuschlags am 06.03.2008 gemäß § 152 Abs. 1 bis 3 AO unstreitig nicht der Fall. Streitig ist lediglich, ob durch eine spätere Veränderung der Sachlage, namentlich durch die Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer 2009 (vgl. § 152 Abs. 2 Satz 1 AO) und damit einhergehend der Verminderung der noch zu entrichtenden Umsatzsteuer 2005 (vgl. § 152 Abs. 2 Satz 2 Fall 3 AO) vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin eine Herabsetzung des Verspätungszuschlags geboten war.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf (teilweisen) Widerruf oder auf erneute ermessenfehlerfreie Entscheidung über den (teilweisen) Widerruf des mit Bescheid vom 06.03.2008 festgesetzten Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2005 nach § 131 Abs. 1 AO.
Nach § 131 Abs. 1 AO kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Die Entscheidung über den Widerruf ist eine Ermessensentscheidung, bei der die Finanzbehörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat (§ 5 AO). Das Finanzgericht kann neben den tatbestandlichen Voraussetzungen des Widerrufs nach § 131 Abs. 1 AO nur prüfen, ob die Ablehnung rechtswidrig war, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 Satz 1 FGO).
a. Im Streitfall sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen (teilweisen) Widerruf des mit Bescheid vom 06.03.2008 festgesetzten Verspätungszuschlags zwar gegeben. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass im Falle eines Widerrufs ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste.
Die Entscheidung über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 und 2 AO ist ebenso wie die Entscheidung über den Widerruf eine Ermessenentscheidung. Nach § 152 Abs. 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn das Versäumnis entschuldbar erscheint. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht eigenem Verschulden gleich. Nach § 152 Abs. 2 AO darf der Verspätungszuschlag 10% der festgesetzten Steuer nicht übersteigen und höchstens 25.000 Euro betragen. Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags sind neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
Ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts, wie die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2005 auf 2.750 Euro müsste nur dann erlassen werden, wenn das nach § 152 Abs. 1 und 2 AO bestehende finanzbehördliche Ermessen dahingehend auf Null reduziert wäre, dass jede andere Ermessensentscheidung als die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in genau dieser Höhe die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritte oder zweckwidrig wäre (§ 102 Satz 1 FGO). Dafür ist nichts erkennbar.
b. Die Ablehnung des Widerrufs des am 06.03.2008 festgesetzten Verspätungszuschlags trotz des Vorliegens der tatbestandlichen Widerrufsvoraussetzungen ist aber nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Das wäre dann der Fall, wenn unter Berücksichtigung der geänderten Sachlage, namentlich der Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 durch Bescheid vom 23.12.2008 und der damit einhergehenden Verminderung der noch zu entrichtenden Umsatzsteuer 2005, die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2005 auf 2.750 Euro nach § 152 Abs. 1 und 2 AO rechtswidrig geworden wäre. So liegt es nicht.
Dass aufgrund der unentschuldigten verspäteten Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 auch nach Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 durch Bescheid vom 23.12.2008 dem Grunde nach ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden kann, ist nicht streitig.
Ferner überschreitet ein Verspätungszuschlag von 2.750 Euro der Höhe nach auch nach Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 durch Bescheid vom 23.12.2008 weder die Grenzen des Ermessens nach § 152 Abs. 2 AO, noch erweist er sich als unvereinbar mit dem Zweck dieser Ermessensvorschrift. Mit Blick auf die herabgesetzte Umsatzsteuer 2005 liegt ein Verspätungszuschlag von 2.750 Euro mit gerade einmal 0,24% der festgesetzten Steuer im untersten Bereich des Rahmens nach § 152 Abs. 2 Satz 1 AO. Das Verhältnis zur festgesetzten Umsatzsteuer macht desweiteren deutlich, dass der Verspätungszuschlag von 2.750 Euro für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht erheblich ins Gewicht fällt. Zwar mag die Klägerin trotz ihrer erheblichen Umsätze Verluste schreiben. Eine einmalige Zahlungspflicht in Höhe von 2.750 Euro kann im Hinblick auf die Gesamtumsätze und Kosten der Klägerin dafür keinen erheblichen Ursachenbeitrag leisten. Davon ist der Beklagte in der Einspruchsentscheidung rechtsfehlerfrei ausgegangen, wenn er ausführt, dass eine Einschränkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin weder dargelegt noch aus den Akten erkennbar sei. Durch die geänderte Umsatzsteuerfestsetzung 2005 vom 23.08.2008 hat sich zwar die noch zu entrichtende Umsatzsteuer um 3.626,40 Euro auf 486,43 Euro reduziert. Diesen Gesichtspunkt hat der Beklagte jedoch rechtsfehlerfrei gegen das Verschulden bei der verspäteten Erklärungsabgabe unter Berücksichtigung der schuldhaften Verspätungen bei der Abgabe der Umsatzsteuererklärungen der Vorjahre, und gegen die Dauer der Fristüberschreitung vor dem Hintergrund des Zwecks des Verspätungszuschlags, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Erklärungsabgabe anzuhalten, ermessensfehlerfrei abgewogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.
Ende der Entscheidung
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