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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 1 KO 278/06
Rechtsgebiete: RVG, FGO
Vorschriften:
RVG § 11 | |
FGO § 128 Abs. 4 |
Dies gilt für die Behauptung der Schlechtleistung, wenn dieser Vorwurf mit der unterlassenen Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die gerichtliche Kostenentscheidung begründet wird.
Finanzgericht Schleswig-Holstein
Rechtsstreitvergütung
Erinnerung (Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 11 RVG)
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 13. Dezember 2006 beschlossen:
Tenor:
Der Kostenfestsetzungsbeschluss zum Az. 1 K 118/05 vom 05. Oktober 2006 wird aufgehoben.
Gründe:
I.
In dem unter dem Az. 1 K 118/05 betriebenen Verfahren wurden den Erinnerungsführern mit Beschluss vom 07. April 2006 gemäß §§ 138 Abs. 2 S. 2, 137 FGO die Kosten des Verfahrens auferlegt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen. Mit Kostenrechnung vom 04. Mai 2006 wurden für das vorbezeichnete Verfahren 272,-- EUR Gerichtskosten erhoben. Am 20. Juli 2006 übermittelte der Prozessbevollmächtigte und Erinnerungsgegner einen Vergütungsfestsetzungsantrag, auf dessen Inhalt gleichfalls Bezug genommen wird.
Die Erinnerungsführer nahmen zu dem Antrag mit Schreiben vom 21. August 2006 unter Beifügung diverser Anlagen Stellung. Bei den Anlagen handelt es sich um an den Prozessbevollmächtigten gerichtete Schreiben vom 06. Juni 2006, 23. Juni 2006, 12. Juli 2006 und 21. August 2006. Unter anderem schrieben die Erinnerungsführer, der Prozessbevollmächtigte habe sie anwaltlich unzureichend und fehlerhaft vertreten. Er habe durch seine fehlerhafte anwaltliche Vertretung dafür gesorgt, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten des Bevollmächtigten und die vollen Gerichtskosten zu übernehmen habe und ihnen ein in den Versicherungsbedingungen vorgesehener Selbstbehalt in Höhe von 250,-- EUR zugemutet werde, obwohl sie den Prozess de facto gewonnen hätten (Schreiben vom 21. August 2006). Im Schreiben vom 23. Juni 2006 wiesen die Erinnerungsführer darauf hin, dass sie eine vernünftige und korrekte Kostenrechnung, die an sie gerichtet sei und in der die bereits geleistete Zahlung der Rechtsschutzversicherung berücksichtigt ist, begehrten. Mit weiterem Schreiben vom 12. Juli 2006 wiesen sie den Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass sie, die Erinnerungsführer, fast 500,-- DM zu tragen hätten, weil der Prozessbevollmächtigte gegen die ihnen auferlegte Kostentragungspflicht nicht interveniert habe. Er, der Erinnerungsführer, fühle sich vom Prozessbevollmächtigten zumindest in diesem Punkt fehlerhaft bzw. völlig unzureichend vertreten. Der Bevollmächtigte habe entgegen der ausdrücklichen Bitte im Hinblick auf den ungerechten Kostenspruch des Einzelrichters nichts unternommen.
Der Erinnerungsgegner führte seinerseits in der Stellungnahme vom 15. September 2006 aus, die Erinnerungsführer machten keine für die Kostenfestsetzung erheblichen Einwendungen geltend, sondern beschimpften im Wesentlichen das Gericht und unterstellten diesem eine schlicht willkürliche Entscheidung. Die Erinnerungsführer räumten ein, den Prozess de facto gewonnen zu haben. Weiter hätten sie erwähnt, dass der Beschluss über die Kosten rechtlich nicht anzugreifen gewesen sei. Als Anlage reichte der Erinnerungsgegner das Schreiben der Erinnerungsführer vom 24. April 2006 ein, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 05. Oktober 2006 die von den Klägern als Gesamtschuldner gemäß § 11 des Rechtsvergütungsgesetzes an die Rechtsanwälte ... zu erstattenden Kosten auf 261,20 EUR fest. Der Beschluss wurde den Erinnerungsführern am 07. Oktober 2006 zugestellt. In ihrer am 16. Oktober 2006 bei Gericht eingegangenen Erinnerung rügen die Erinnerungsführer, ihre Einwendungen seien nicht im Gebührenrecht begründet. Sie weisen u.a. auf die Regelung des § 11 Abs. 5 RVG hin. In ihrem gesamten Vortrag seien sie mit keinem einzigen Satz auf die Kosten selbst, sondern lediglich auf die anwaltliche Schlechtleistung eingegangen.
Der Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Begründung der Erinnerungsführer sei unsubstantiiert und widersprüchlich. Im Kern gehe es den Erinnerungsführern nicht um die Frage, ob und welche Gebühren an den Bevollmächtigten zu zahlen seien, sondern die Erinnerungsführer könnten es nicht verwinden, dass sie trotz des Erreichens des Prozessziels durch die unanfechtbare Kostenentscheidung mit den Kosten des Verfahrens belastet worden seien. Die Erinnerungsführer hielten dem Bevollmächtigten vor, nichts gegen die Kostenentscheidung unternommen zu haben, ohne zu sagen, was dagegen hätte unternommen werden sollen. Es könne erwartet werden, dass die Erinnerungsführer konkrete Einwendungen geltend machten, z.B. darlegten, welche anwaltliche Schlechtleistung dazu geführt habe, dass der Prozess in der Hauptsache gewonnen worden sei. Weiterhin müssten die Erinnerungsführer darlegen, welche Maßnahmen hätten ergriffen werden sollen, um die unanfechtbare Kostenentscheidung anzugreifen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Sie hat die Erinnerung dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Der Beschluss war aufzuheben.
Nach § 11 des Rechtsvergütungsgesetzes (RVG) kann auf Antrag des Rechtsanwalts oder des Auftraggebers durch das Gericht des ersten Rechtszuges die Vergütung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach Maßgabe der weiteren in § 11 RVG enthaltenen Voraussetzungen festgesetzt werden. Die Festsetzung ist entsprechend § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Soweit der Antragsgegner des Festsetzungsverfahrens (hier die Erinnerungsführer) eine Einwendung oder Einrede erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund hat, darf und muss der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Festsetzung der Vergütung des Anwalts im Verfahren als nach § 11 Abs. 5 RVG unzulässig ablehnen (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 11 RVG, Rn. 52). Dem Antragsteller eröffnet sich damit der Weg einer Klage. Die Bedeutung einer in dieser Weise geltend gemachten Einwendung oder Einrede darf grundsätzlich nicht über ihre Entscheidungserheblichkeit für das Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG hinaus geprüft werden. Als nicht gebührenrechtlich ist ein Einwand zu behandeln, der sich nicht nur gegen die Richtigkeit einzelner geltend gemachter Gebührenansätze richtet, sondern gegen den Gebührenanspruch als solchen nach Grund und / oder Höhe (Hartmann a.a.O.).
Vorliegend haben die Erinnerungsführer insbesondere im Schreiben vom 21. August 2006 geltend gemacht, durch den Bevollmächtigten unzureichend bzw. fehlerhaft vertreten worden zu sein, infolge dessen mit Gerichtskosten belastet worden zu sein, obgleich sie den zu Grunde liegenden Rechtsstreit zum Az. 1 K 118/05 faktisch gewonnen hätten. Dabei wird deutlich, dass der Vorwurf gegenüber dem Bevollmächtigten darin besteht, zu Unrecht mit diesen Kosten konfrontiert worden zu sein, weil der Bevollmächtigte gegen die Kostenentscheidung des Gerichts nicht bzw. genügend interveniert habe. In dieser Frage fühle man sich unzureichend vertreten. Trotz ausdrücklicher Bitte habe der Bevollmächtigte nichts unternommen.
In dem Vortrag der Erinnerungsführer kann damit zumindest auch ein nicht gebührenrechtlicher Einwand liegen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hätte nicht tätig werden dürfen.
Nicht erforderlich ist, dass der geltend gemachte nicht gebührenrechtliche Einwand nicht oder nur unzureichend substantiiert oder schlüssig ist. Ausreichend ist, dass der nicht gebührenrechtliche Einwand offensichtlich nicht aus der Luft gegriffen ist.
Dies ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts bereits aus der Tatsache, dass gegen die nach § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbare Kostenentscheidung nicht schlechterdings alle Rechtsbehelfe ausgeschlossen sind. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der in Frage kommende Rechtsbehelf, hier namentlich die Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO, statthaft, sonst zulässig und begründet ist. Ausreichend ist im konkreten Fall, dass die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs besteht und der nicht gebührenrechtliche Einwand somit nicht offensichtlich aus der Luft gegriffen ist. Denn insoweit ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die Einwendung der Erinnerungsführer unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt Bestand haben könnte und somit ein Fall des - unbeachtlichen - Missbrauchs vorliegt (vgl. Hartmann, a.a.O. Rn.50, 57 und 67 "Schlechterfüllung").
Da die Erinnerung statthaft, zulässig und begründet war, war der Beschluss aufzuheben.
Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei gemäß § 66 Abs. 8 Gerichtskostengesetz.
Der Beschluss ist gemäß § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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