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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 4 K 9/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 2 Satz 2
UStG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

4 K 9/06

Umsatzsteuer 1998

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 2. Oktober 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Vorsteuer aus Rechnungen an ihre Organtochter zusteht, bei denen die entsprechenden Leistungen zu einem Zeitpunkt erbracht worden sind, als die Organtochter noch zu einem anderen Organträger gehörte. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Durch Geschäftsanteilskaufvertrag vom 11. November 1997 ist die ...gesellschaft mbH (X) mit Wirkung vom 01. Februar 1998 aus dem Organkreis der Y eG i. L. ausgeschieden und in den Organkreis der Klägerin aufgenommen worden. Die X bezog im Kalenderjahr 1997 und im Januar 1998 Leistungen von der Z, über die erst in den Monaten März bis August 1998 abgerechnet worden ist. Die Klägerin befindet sich im Besitz der für diese Leistungen erteilten Rechnungen und machte die Vorsteuer aus diesen Rechnungen in ihren Voranmeldungen und auch in der Jahreserklärung für das Streitjahr geltend. Das Finanzamt lehnte eine Geltendmachung der Vorsteuer aus diesen Rechnungen ab und erließ nach einer Betriebsprüfung am 04. November 2003 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 mit folgender Begründung zurück:

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) setze die Vorsteuerabzugsberechtigung einen Leistungsbezug für das Unternehmen des berechtigten Unternehmers voraus. Die Leistung, für die die Klägerin hier einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG beanspruche, sei an die X noch während des Bestehens der Organschaft zur Y ausgeführt worden. Dieser Leistungsbezug sei nicht der Klägerin, sondern könne nur der bisherigen Organträgerin zugerechnet werden. Zudem sei nach ständiger Rechtsprechung über den Vorsteuerabzug sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unter Berücksichtigung der Verwendung der Eingangsleistung gegebenenfalls der Verwendungsabsicht bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu entscheiden. Auf diesen Zeitpunkt sei entscheidend abzustellen. Da gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs entstehe, müssten auch zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sein. Die Abzugsfähigkeit gemäß § 15 UStG richte sich nach den Außenumsätzen der Organgesellschaft bzw. Verwendung innerhalb des Organkreises. Maßgeblich könnten hier insoweit nur die Verhältnisse bei der Y im Zeitpunkt der Leistungsausführung sein, weshalb dieser auch die Vorsteuerabzugsberechtigung trotz des Organträgerwechsels noch vor der Abrechnung über die bezogenen Leistungen zuzusprechen sei. Die Klägerin habe die fragliche Leistung nicht für ihr Unternehmen bezogen und dort verwendet.

§ 15 UStG treffe keine Aussage darüber, zu welchem Zeitpunkt das Recht auf Vorsteuerabzug entstehe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei aber § 15 Abs. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsprechend dem Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bereits entstehe, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer nach Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie entstehe. Der Europäische Gerichtshof stelle ausdrücklich fest, dass das Bestehen (die Entstehung) des Rechts auf Vorsteuerabzug einerseits und die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts andererseits zu trennen seien. Während das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bereits entstehe, wenn der Anspruch auf abziehbare Steuer entstehe, sei die Ausübung dieses Rechts in der Regel an den Besitz der Originalrechnung geknüpft und könne daher erst erfolgen, wenn auch diese Voraussetzung erfüllt sei. Der Vorsteuerabzug sei dann für den Erklärungszeitraum vorzunehmen, in dem beide nach Art. 18 Abs. 2 und Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Während also das Recht auf Vorsteuerabzug bereits mit der Erbringung der Leistung entstehe, könne es erst ausgeübt werden, wenn der Steuerpflichtige eine Rechnung besitze.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei das Recht auf Vorsteuerabzug für die fragliche und an die X ausgeführte Leistung bereits zu einem Zeitpunkt entstanden, als noch das Organschaftsverhältnis zur Y bestanden habe. Dieses Vorsteuerabzugsrecht könne daher nur für das Unternehmen der Y entstanden sein. Für dieses Unternehmen und nicht für das der Klägerin sei die Leistung ausgeführt worden. Aus der Übernahme der X in den Organkreis der Klägerin könne für die Klägerin bezüglich dieses Leistungsbezugs keine eigene Vorsteuerabzugsberechtigung hergeleitet werden. Das einmal entstandene Vorsteuerabzugsrecht gehe der Y nicht durch den Umstand verloren, dass das Organschaftsverhältnis zur X bereits vor der Abrechnung über die Leistung aufgelöst worden sei. Die verspätete Leistungsabrechnung habe nicht zur Folge, dass das bereits zuvor entstandene Vorsteuerabzugsrecht auf die Klägerin als der neuen Organträgerin übergehe. Aus dem Zeitpunkt der Leistungsabrechnung leite sich nicht die Vorsteuerabzugsberechtigung ab sondern lediglich der Besteuerungszeitraum, für den das Vorsteuerabzugsrecht durch den nach Art. 17 der 6. EG-Richtlinie Berechtigten geltend gemacht werden könne.

Soweit ein von der Klägerin beauftragter Gutachter zu dem Ergebnis komme, dass unfertige Rechtslagen auf die ehemalige Organgesellschaft übergehen würden, verkenne dieser Gutachter in Hinsicht der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug, dass im Zeitpunkt der Übernahme der Anteile an die X durch die Klägerin keine unfertige Rechtslage bestanden habe. Für bereits abgeschlossene Tatbestände komme der Gutachter selbst zu einer personellen Zurechnung im Sinne der hier vom Finanzamt vertretenen Rechtsauffassung. Die Funktion des Vorsteuerabzugs rechtfertige hier ebenfalls keine Begünstigung der Klägerin. Der Vorsteuerabzug diene dazu, dass die Umsatzsteuer in einer Kette von Lieferungen zwischen Unternehmern nicht kumulativ preissteigernd wirke und sich wettbewerbsneutral verhalte. Nach Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie sei der Steuerpflichtige befugt, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner versteuerten Umsätze verwendet würden, von der ihm geschuldeten Steuer die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert würden, abzuziehen. Der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer sei dadurch gewahrt, dass die Abzugsregelung in Abschnitt XI der 6. EG-Richtlinie erst den Zwischengliedern der Absatzkette gestatte, von der Grundlage ihrer eigenen Besteuerung die Beträge abzuziehen, die sie jeweils an ihre eigenen Lieferanten als Mehrwertsteuer auf den entsprechenden Umsatz gezahlt habe, und an die Steuerverwaltung somit den Teil der Mehrwertsteuer abzuführen, der der Differenz zwischen dem Preis, zu dem sie ihren Abnehmern die Ware geliefert hätten und dem Preis entspreche, den sie selbst an ihren Lieferanten gezahlt hätten. Daraus folge, dass auch unter Wettbewerbs- und Neutralitätsgesichtspunkten für Zwecke des Vorsteuerabzugs ein Zusammenhang von Eingangs- und Ausgangsumsätzen des Steuerpflichtigen herzustellen sei. Die noch von der Y zu versteuernden Ausgangsumsätze der X seien die von der X bezogenen Eingangsleistungen, für die die Klägerin hier einen Vorsteuerabzug begehre als Kostenfaktor eingegangen. Der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer gebiete es, dass daher auch auf der Ebene der Y ein Ausgleich geschaffen werde, in dem diese die für die Eingangsleistung der X berechneten Umsatzsteuerbeträge von der von ihr für die Ausgangsumsätze geschuldeten Umsatzsteuer abziehen könne. Der Umstand, dass die X die Eingangsrechnung erst zu einem Zeitpunkt bezahlt habe, zu dem das bisherige Organschaftschaftverhältnis zur Y bereits aufgelöst und das neue Organschaftsverhältnis zur Klägerin bereits begründet sei, rechtfertige keine vom Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer abweichende Zurechnung des Vorsteuererstattungsanspruches. Vielmehr würden dadurch allenfalls zivilrechtliche Ausgleichsansprüche zwischen der bisherigen Organtochter und der Klägerin ausgelöst.

Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofesvom 15. Juli 2004 (V R 76/01) herleiten. Dort werde lediglich festgestellt, dass die Zinsfestsetzung im Falle einer Änderung der Steuerfestsetzung gemäß § 233 a Abs. 5 Satz 1 und 2 AO an den Unterschiedsbetrag zwischen der nunmehr festgesetzt und der vorher festgesetzten Steuer anknüpfe. Für die hier zu entscheidende Rechtsfrage der Vorsteuerberechtigung seien in diesem Urteil hingegen keine entscheidungserheblichen neuen Rechtsgrundsätze zu entnehmen. Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs verweise der Bundesfinanzhof dort selbst auf die mit dem EuGH-Urteil vom 29. April 2004 (Rs C-152/02) entschiedenen Grundsätze. Mit demBeschluss vom 06. Juni 2002 (V B 110/01) habe der Bundesfinanzhof im Rahmen eines Vergleichs mit der Behandlung von Vorsteuerberechtigungsansprüchen nach § 15 a UStG Zweifel daran geäußert, ob es sachlich gerechtfertigt sei, für Vorsteuerrückforderungsansprüche nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG, die mit Leistungsbezügen einer Organgesellschaft während des Bestehens einer Organschaft im Zusammenhang stünden und die auf Uneinbringlichkeit der Entgelte in einer Organgesellschaft beruhten, im Falle der Beendigung der Organschaft immer gegen den Organträger unabhängig davon zu richten seien, wann (während oder erst nach Beendigung des Organschaftsverhältnisses) das den Vorsteuerrückforderungsanspruch nach § 17 auslösenden Ergebnis eingetreten sei.

Bei den Vorsteuerrückforderungsansprüchen nach § 17 UStG und § 15 a UStG handele es sich um Ansprüche aus dem Steuerverhältnis im Sinne des § 37 Abs. 2 AO. In dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten vom 05. Januar 2000 lehne der Gutachter bereits aus diesem Grunde Schlussfolgerungen aus der Rechtsprechung zum Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG für die hier zu entscheidende Rechtsfrage ab. Dem sei zuzustimmen. Im Übrigen handele es sich bei diesen Ansprüchen um Ansprüche auf Berichtigung der Vorsteuerabzüge nach Maßgabe Art. 20 der 6. EG-Richtlinie, für deren Realisierung die Mitgliedsstaaten die Einzelheiten festlegen würden. Insoweit bestimme § 17 Abs. 1 UStG ausdrücklich, dass die Berichtigungen für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen seien, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten sei.

Für die hier zu entscheidende Rechtsfrage seien die in dem Beschluss vom 06. Juni 2002 durch den Bundesfinanzhof geäußerten Zweifel nicht entscheidungserheblich. Allenfalls ließe sich aus dem Umstand, dass der Bundesfinanzhof dort im Anwendungsbereich des § 17 UStG hinsichtlich der Frage, gegen wen der Vorsteuerrückforderungsanspruch nach § 17 UStG in dem dort zur Entscheidung anstehenden Fall zu richten sei, als für möglich erachte, auf den Zeitpunkt das die Vorsteuerberichtigung auslösenden Ereignisses abzustellen, schlussfolgert, dass dann erst recht entsprechend der hier vom Finanzamt vertretenen Rechtsauffassung für die personelle Zurechnung der Vorsteuerabzugsberechtigung nach § 15 UStG maßgeblich auf den Entstehungszeitpunkt nach Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie abzustellen sei.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin Folgendes geltend:

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG könne ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden seien, von seiner Umsatzsteuerschuld abziehen, wenn er eine nach § 14, 14 a UStG ausgestellte Rechnung besitze. Demnach sei sowohl die Leistungserbringung als auch der Erhalt der Rechnung Voraussetzung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug. Diese Auslegung werde von dem Urteil des EuGH in der Rechtssache "Terra Baubedarf" bestätigt. Der Bundesfinanzhof habe dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Steuerpflichtige das Recht auf Vorsteuerabzug nur mit Wirkung für das Kalenderjahr ausüben könne, in dem er die Rechnung besitze, oder ob die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug stets für das Kalenderjahr auch rückwirkend gelte, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie entstehe. Dem Bundesfinanzhof seien insoweit Zweifel gekommen, wie die durch die Richtlinie getroffene Differenzierung zwischen Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug anzuwenden sei. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofes sei es fraglich, ob dieses Recht auf Vorsteuerabzug bereits mit Wirkung für den Zeitraum geltend gemacht werden könne, in dem es gemäß Art. 17 der 6. EG-Richtlinie entstanden sei. Der EuGH habe in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Rechnungserteilung eine für den Vorsteuerabzug erforderliche Voraussetzung sei. Die Rechnungserteilung sei nicht nur eine Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugs, sondern bestimme darüber hinaus, soweit sie denn nach der Lieferung erteilt worden sei, den Zeitraum, in dem der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden könne. Der EuGH sehe daher den Zeitpunkt der Rechnungserteilung als entscheidendes Ereignis an, ab dem erst die wirtschaftlichen Folgen des Vorsteuerabzugs eintreten sollten. Dadurch lasse der EuGH deutlich werden, dass das Fehlen einer Rechnung mehr als ein Verfahrens- bzw. Antragshindernis sei. Mithin lege der Vorsteuererstattungsanspruch erst dann vollständig vor, wenn eine solche Rechnung erteilt worden sei.

Diese Auslegung lasse sich durch einen Vergleich der Regelung der Richtlinie einerseits und der Vorschriften des deutschen Umsatzsteuerrechts andererseits untermauern. Nach Art. 17 Abs. 1 Richtlinie entstehe das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entstehe. Dieser Anspruch wiederum entstehe gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie mit Bewirkung der Leistung. Nach dem Wortlaut der Richtlinie entstehe also der Anspruch auf Vorsteuerabzug bereits mit Leistungserbringung. Die Richtlinie benenne aber für die Geltendmachung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug eine weitere Voraussetzung. Nach Art. 18 Abs. 1 a der Richtlinie müsse der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, über eine Rechnung hierüber verfügen. Anschließend werde gemäß Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie der Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, in dem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Erklärungszeitraum schulde, den Betrag der Steuer absetze, für die das Abzugsrecht entstanden sei. Dieser Abzug werde nach Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie in dem Zeitraum ausgeübt, in dem der Steuerpflichtige auch die Rechnung erhalten habe. Demnach unterscheidet das europäische Recht die Entstehung, die Ausübung des Rechts und den Nachweis der Voraussetzungen für Entstehung und Ausübung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug.

Das deutsche Umsatzsteuergesetz unterscheide demgegenüber lediglich zwischen der Entstehung und dem Nachweis des Rechts auf Vorsteuerabzug. Wenn aber im inländischen Recht nur zwischen der Entstehung und dem Nachweis differenziert werde, müssten die Vorschriften der Richtlinie über die Ausübung des Rechts entweder der Entstehung oder im Nachweis im inländischen Recht zugeordnet werden. Aus Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie ergebe sich, dass die Richtlinie den in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie geforderten Nachweis einer Rechnung als Voraussetzung des Vorsteuerabzugs verstehe. Im nationalen Umsatzsteuerrecht sei dieser Nachweis damit als Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug einzuordnen. Diese Einordnung entspreche auch dem Grundgedanken der Richtlinie. Die Richtlinie solle im Bereich der Verwaltung und der Verfahrensabläufe subsidiär sein. Sie könne daher für diese Bereiche keine verbindliche Regelung treffen. Folglich könne die Ausstellung einer Rechnung kein verfahrensrechtlicher Nachweis sein, sondern müsse materiell-rechtlichen Charakter haben. Dementsprechend habe der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Reisdorf" ausdrücklich ausgeführt, dass die Ausstellung und Übergabe der Rechnung materiell-rechtliche Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug sei. Demnach sei der Vorsteuerabzugsanspruch erst mit der Rechnungserteilung im Jahr 1998 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die X als Leistungsempfänger in einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit der Klägerin befunden. Das Bestehen dieser umsatzsteuerlichen Organschaft führe dazu, dass der Vorsteuererstattungsanspruch bei der Klägerin als der neuen Organträgerin entstehe und von dieser geltend gemacht werden könne.

Der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs stehe auch nicht entgegen, dass die Leistungserbringung gegenüber der X erfolgt sei, als diese noch in einem anderen Organschaftsverhältnis sich befunden habe. Folge man der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, dass sowohl die Leistungserbringung als auch die Rechnungserteilung materiell-rechtliche Voraussetzungen des Vorsteuererstattungsanspruches seien, so müssten diese beiden Tatbestandsmerkmale als gleichrangig angesehen werden. Aus dem Umstand, dass die Leistungserbringung im früheren Organkreis der Konsumgenossenschaft erfolgt sei, ergebe sich aufgrund dieser Gleichrangigkeit der Tatbestandsmerkmale des Vorsteuerabzuges nicht, dass das Recht auf Vorsteuerabzug dem alten Organkreis zuzuordnen sei. Aus dieser Gleichrangigkeit ergebe sich, dass der Verweis des Finanzamtes auf ein Urteil des Bundesfinanzhofesvom 17. Mai 2001 (V R 38/90) nicht zur Begründung seiner Position beitragen könne. Dieses Urteil habe den Fall betroffen, dass es beim Empfänger einer Leistung nicht mehr zu der beabsichtigten Verwendung gekommen sei. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofes sei in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des EuGH und der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auf die Verwendungsabsicht abzustellen, die der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezuges gehabt habe. Diese Verwendungsabsicht sei aber nur entscheidend für die Frage, ob der Unternehmer die Leistung zur Ausführung steuerbarer Umsätze empfangen habe. Dieser Bezug zu steuerbaren Umsätzen sei aber nur ein Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Vorsteuerabzug. Der Zeitpunkt, wann ein Tatbestandsmerkmal erfüllt sei, könne aufgrund der Gleichrangigkeit der Tatbestandsmerkmale nicht im Zeitpunkt der Vollendung eines anderen Tatbestandsmerkmals bestimmen. Vielmehr sei die Zuordnung des Vorsteuerabzuganspruchs aufgrund der Systematik des deutschen Umsatzsteuerrechts auf Grundlage der Vorgabe der Richtlinien vorzunehmen.

Die umsatzsteuerliche Organschaft führe dazu, dass Umsätze, die zivilrechtlich gegenüber einer Organgesellschaft erbracht worden seien, für Zwecke der Umsatzsteuer dem Organträger zugeordnet würden. Zivilrechtlich bleibe jedoch die Organgesellschaft Leistungsempfängerin. Ihr stehe dabei auch der Anspruch auf Rechnungserteilung zu, den sie durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Hinblick auf die Entgeltsforderung des Leistungserbringers praktisch erzwingen könne. Der Organträger selbst könne wiederum die organisatorische Eingliederung, die Voraussetzung der umsatzsteuerlichen Organschaft sei, die Organgesellschaft zur Erlangung und Weiterreichung der Rechnung bewegen, um mittels der Rechnung den Vorsteuerabzugsanspruch entstehen zu lassen. Werde jedoch die organisatorische Eingliederung und damit die umsatzsteuerliche Organschaft beendet, bevor die Rechnung erteilt werde, so habe der bisherige Organträger keine Möglichkeit, die Rechnungserteilung an ihn zu erzwingen. Als Folge könne er nach der Beendigung der Organschaft keinen Vorsteuerabzug für die Leistung geltend machen, die während der Organschaft gegenüber seiner Organgesellschaft erbracht worden sei und für die erst nach dem Ende der Organschaft eine Rechnung erteilt worden sei. Die Organgesellschaft hingegen gelte aufgrund der Organschaft zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als Unternehmer, so dass für ihr Unternehmen keine Leistung im Sinne des § 15 Abs. 1 UStG ausgeführt werden könne. Da somit weder Organträger noch Organgesellschaft beide Tatbestandsmerkmale des Vorsteuerabzugsanspruchs in ihrer Person vereinen könnten, entfiele der Vorsteuerabzugsanspruch zu Gunsten der Finanzbehörden. Dies entspreche aber nicht dem Leitbild der wirtschaftlichen Neutralität des Umsatzsteuersystems. Vielmehr müsse in einem solchen Fall die Leistungserbringung der ehemaligen Organgesellschaft bzw. im Falle einer neuerlichen Organschaft dem neuen Organträger zugeordnet werden. Denn die Organgesellschaft habe als Vertragspartner des Leistungserbringers die zivilrechtlichen Möglichkeiten, die Rechnungserteilung zu bewirken. Gleiches gelte für den umgekehrten Fall, dass die Rechnungserteilung während der Organschaft erfolgt sei, die Leistungserbringung aber erst nach deren Beendigung erfolgt sei. Auch dann liege die Möglichkeit der Vollendung des Vorsteuerabzugsanspruchs zwischen Entgegennahmen der Leistung bei der ehemaligen Organgesellschaft. Erscheine es systematisch geboten, den entstehenden Vorsteuerabzugsanspruch der ehemaligen Organgesellschaft zuzuordnen, könne man bei Ende der Organschaft mit dem alten Organträger die Formulierung in § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG "für sein Unternehmen erbracht" nicht als Hinweis auf den alten Organträger als Träger der Unternehmereigenschaft zum Zeitpunkt der Leistungserbringung verstehen. Denn der "eine Unternehmer" zerfalle mit dem Ende der Organschaft in zwei selbstständige Unternehmer und die für den Vorsteuerabzug entscheidende Leistung sei zuvor an die Organgesellschaft und nicht an den Organträger erfolgt. Für Zwecke der Vorsteuer müsse daher die Leistung nach dem Ende der Organschaft als gegenüber der ehemaligen Organgesellschaft erbracht gelten.

Zu dieser Zuordnung gelange man ebenfalls, wenn man eine Teilverwirklichung der Tatbestandsmerkmale des Vorsteuererstattungsanspruchs als "unfertige Rechtslage" ansehe, die im Wege der Rechtsnachfolge nach Beendigung der Organschaft auf die Organgesellschaft übergehe. Nach Stadie (in Rau/Dürrwächter UStG § 2 Rn. 722 ff.) sei die Beendigung einer Organschaft mit der Rückgängigmachung einer Fusion vergleichbar. Erfolge deren Rückgängigmachung im Wege der Abspaltung und Ausgliederung nach § 123 Abs. 2 und 3 Umwandlungssteuergesetz, so komme es gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 Umwandlungssteuergesetz zu einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge. Auf den übernehmenden Rechtsträger gingen u.a. die im Spaltungs- und Übernahmevertrag genannten Forderungen und Verbindlichkeiten über, so dass auch im Hinblick auf Steuerforderungen und Verbindlichkeiten das Gesamtrechtsnachfolgerprinzip gelten müsse. Die Parallele sei deshalb zulässig, weil die Organschaft umsatzsteuerrechtlich wie eine Fusion behandelt würde. Dementsprechend müsse auch die Beendigung einer Organschaft den gleichen Regeln folgen wie die Rückgängigmachung einer Fusion. In einem solchen Fall sei der entstehende Anspruch auf Vorsteuerabzug, dessen eine Voraussetzung mit der Leistungserbringung bereits vorliege und dessen anderen Voraussetzung mangels Rechnungserteilung noch nicht gegeben sei, als "unfertige Rechtslage" der Organgesellschaft zuzuordnen. Diese unfertige Rechtslage gehe mit dem Ende der Organschaft auf die Organgesellschaft über.

Dieses Auslegungsergebnis entspreche auch dem Verhältnis des deutschen Umsatzsteuerrechts zu den europarechtlichen Regelungen. Gemäß Art. 4 Abs. 4 2. Unterabsatz der Richtlinie stehe es den Mitgliedsstaaten frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig aber durch gegenseitige finanzielle wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden seien, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Von dieser Ermächtigung habe die Bundesrepublik durch die Regelung der umsatzsteuerlichen Organschaft Gebrauch gemacht. Diese Ermächtigung könne aber nur insoweit gelten, als ihre Voraussetzungen vorliegen würden. Ende die Organschaft aufgrund des Wegfalls einer ihrer Tatbestandsvoraussetzungen, dann entfalle auch die europarechtliche Ermächtigung zur Regelung einer Organschaft. Insoweit könnten die Regelungen zur Organschaft nicht mehr in einen Zeitraum hineinwirken, in dem die Voraussetzungen dieser Organschaft nicht mehr vorliegen würden. Vielmehr seien ab diesem Zeitraum die allgemeinen umsatzsteuerlichen Regelungen anzuwenden. Demnach müsse die Leistungserbringung für Zwecke des Vorsteuerabzugs demjenigen zugeordnet werden, gegenüber dem die Leistung tatsächlich erbracht worden sei. Dies sei im vorliegenden Fall die X. Über die seit dem 01. Februar 1998 bestehende Organschaft werde dieser Leistungsempfang der Klägerin als Organträgerin zugerechnet.

Die Auffassung der Klägerin, dass ihr der Vorsteuerabzug zustehe, werde durch ein Urteil des Bundesfinanzhofes gestützt, in dem dieser zur Beendigung einer umsatzsteuerlichen Organschaft Stellung nehme. Im dem zu Grunde liegenden Fall seien Organträger aus der Korrektur eines Vorsteuerabzugs nach § 17 UStG in Anspruch genommen worden. Der Vorsteuerabzug sei für eine Leistung geltend gemacht worden, die die Organgesellschaft 1992 bezogen habe. 1993 sei die Organschaft mit der Veräußerung der Organgesellschaft beendet worden. 1996 sei schließlich das Entgelt für den Leistungsbezug durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der ehemaligen Organgesellschaft uneinbringlich geworden. Der Bundesfinanzhof habe dahingehend geurteilt, dass § 17 UStG nicht gegenüber dem bisherigen Organträger eingreife, wenn die Uneinbringlichkeit des Entgelts erst nach Beendigung der Organschaft eingetreten sei. Dies habe der erkennende Senat damit begründet, dass Verwaltungsvereinfachungszwecke - wie sie den Organschaftsregelungen zu Grunde lägen - es nicht rechtfertigen könnten, den früheren Organträger für Steueransprüche als Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen, deren tatsächliche Voraussetzung durch ein selbstständiges Unternehmen verwirklicht würden und diesem umsatzsteuerlich noch zuzurechnen seien. Weiter habe der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass der Umstand, dass umsatzsteuerrechtlich aus Vereinfachungsgründen während des Bestehens der Organschaft die Umsätze und Vorsteuerbeträge zusammengefasst und nur gegenüber dem Organträger festgesetzt würden, nichts daran ändere, dass der betreffende Steueranspruch tatsächlich durch die Tätigkeit der Organgesellschaft verwirklicht worden sei und mit dem Ende der Organschaft die umsatzsteuerliche Vereinfachungsregelung nicht mehr gelte. Der Bundesfinanzhof zitiere als Beleg dafür, dass die Regelungen über die umsatzsteuerliche Organschaft der Vereinfachung dienen würden, den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf des Umsatzsteuergesetzes 1967. Danach sollte die Organschaft auch im Mehrwertsteuersystem mit Vorsteuerabzug zur Vermeidung unnötiger Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft beibehalten werden. Ebenfalls mit einer Verwaltungsvereinfachung sei die Beibehaltung der Organschaft im Umsatzsteuergesetz 1980 und im Steuerbereinigungsgesetz 1986 begründet worden. Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Leistungsbezug als erstes Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Vorsteuerabzug nach dem Ende der ersten Organschaft der Organgesellschaft zuzurechnen sei und nicht etwa beim ehemaligen Organträger verbleibe. Denn nach Ansicht des Bundesfinanzhofes sei die umsatzsteuerliche Organschaft eine Vereinfachungsregelung, die über den Zeitraum ihres Bestandes hinaus keine Fortwirkung auf unvollendete umsatzsteuerliche Rechtslagen haben könne. Vielmehr müsse auch in einem solchen Fall auf die allgemeinen Regeln des Umsatzsteuerrechts zurückgegriffen werden, um das Tatbestandsmerkmal des Leistungsbezugs zuzuordnen. Da der Leistungsbezug durch die Tätigkeit der Organgesellschaft (hier X) entstanden sei, müsse dieser Leistungsbezug nach Beendigung der Organschaft auch der Organgesellschaft und damit der neuen Organschaft zugerechnet werden. Dies führe dazu, dass mit der Rechnungsausfüllung der Anspruch auf Vorsteuerabzug innerhalb der neuen umsatzsteuerlichen Organschaft mit der Klägerin entstehe.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid für das Kalenderjahr 1998 vom 04. November 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von 22.650 DM zum Abzug zugelassen werden und die Umsatzsteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das Finanzamt auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend Folgendes vor:

In dem Urteil des Bundesfinanzhofsvom 07. Dezember 2006 (V R 2/05) stelle der Bundesfinanzhof zum Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG unter Hinweis auf eine richtlinienkonforme Umsetzung der Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der 6. EG-Richtlinie für die Frage, gegen wen im Falle der Beendigung einer Organschaft der Vorsteuerberechtigungsanspruch des Finanzamtes zu richten ist, maßgeblich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des den Vorsteuerberichtigungsanspruch auslösenden Ereignisses (Eintritt der Uneinbringlichkeit) ab. Trete die Uneinbringlichkeit erst nach Beendigung der Organschaft ein und werde somit der Steueranspruch (Vorsteuerberechtigungsanspruch) durch die ehemalige Organgesellschaft als nunmehr selbstständige Unternehmen verwirklicht, so richte sich der Steueranspruch nicht gegen den ehemaligen Organträger, sondern die in die Selbstständigkeit entlassene Organgesellschaft. Für die hier zum Anwendungsbereich des § 15 zu treffende Entscheidung sei anders als im Urteilsfall vom 07. Dezember 2006 für die Frage nach der Vorsteuerabzugsberechtigung in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 UStG im Sinne von Art. 17 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie maßgeblich auf den Zeitpunkt des Leistungsbezugs abzustellen, das hieße auf den Zeitpunkt, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug entstehe.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Umsatzsteuerakten ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Umsatzsteuerbescheid für das Kalenderjahr 1998 vom 04. November 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

Im Falle einer hier unstreitig vorliegenden Organschaft steht dem Organ daher kein Vorsteuerabzug zu (Urteil des BFH vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373). Der Vorsteuerabzug steht vielmehr dem Organträger zu (Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz Anm. 84 zu § 2; Heidner in Bunjes/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage, Rn. 76).

Im Streitfall scheitert ein Vorsteuerabzug der Klägerin als Organträgerin aus den Rechnungen der Z jedoch daran, dass diese Leistungen nicht für das Unternehmen der Klägerin getätigt worden sind.

Bezüglich der Frage, für welches Unternehmen eine Leistung erbracht worden ist und wem deswegen die Berechtigung zum Abzug der Vorsteuer zusteht, ist auf die Verhältnisse bei Bezug der Leistung abzustellen (vgl. Urteile des BFH vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373 undvom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, zu II. 2. a.E.). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 17 Abs. 1 der 6 EG-Richtlinie entsteht, sobald die Lieferung oder Dienstleistung bewirkt wird (vgl. Urteile des EuGH vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-152/02, Terra-Baubedarf, Slg. 2004, I-05583;undvom 8. Juni 2000 in der Rechtssache C-400/98, Breitsohl, Slg. 2000, I-4321, Randnr. 36). Dagegen ergibt sich aus Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 22 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 Buchstabe a dieser Richtlinie in der Regel an den Besitz der Originalrechnung oder des Dokuments geknüpft ist, das nach den vom jeweiligen Mitgliedstaat festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann (vgl. Urteil des EuGH vom 5. Dezember 1996 in der Rechtssache C-85/95, Reisdorf, Slg. 1996, I-06257).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht der Klägerin ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen bezüglich der Leistungen der Z nicht zu, da sie zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistungen der Z nicht Organträgerin der X war. Die Leistung ist nicht für ihr Unternehmen erbracht worden.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr die Vorsteuer zustehe, weil die Rechnung erst zu einem Zeitpunkt zugegangen sei, in dem die X bereits ihr Organ gewesen sei, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis, weil der Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung lediglich Frage der Ausübung des Rechts auf Vorsteuer betrifft (vgl. Urteil des EuGH vom 5. Dezember 1996 in der Rechtssache C-85/95, Reisdorf, Slg. 1996, I-06257). Entscheidend für die Frage, wem die Vorsteuer zusteht, sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges. Zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges war die Klägerin noch nicht Organträgerin der X.

Entsprechendes gilt für das Argument der Klägerin, dass eine unfertige Rechtslage vorgelegen habe und insofern ihr das Recht auf Vorsteuerabzug zustehe, da die Rechtslage erst beendet gewesen sei, als die X zu ihrem Organkreis gehört habe. Unabhängig davon, ob im Streitfall eine unfertige Rechtslage vorgelegen hat, wird von der Klägerin verkannt, dass für die Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug der Zeitpunkt des Leistungsbezuges entscheidend ist.

Auch der Einwand, dass die Leistung der Z zivilrechtlich an die X erbracht worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Vorsteuerabzugsberechtigt ist nach § 15 Abs. 1 UStG der Unternehmer. Im Falle einer Organschaft ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht das unselbstständige Organ als Unternehmer anzusehen, sondern der Organträger, in dessen Unternehmen das Organ eingegliedert ist (Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz Anm. 84 zu § 2; Heidner in Bunjes/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage, Rn. 76). Dies war zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges nicht die Klägerin sondern die Y i. L..

Schließlich steht das Ergebnis nach Ansicht des Senates auch nicht im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofesvom 7. Dezember 2006 (V R 2/05, BFH/NV 2007, 839), in dem der Bundesfinanzhof entschieden hat, dass, wenn das Entgelt für eine während des Bestehens einer Organschaft bezogene Leistung nach Beendigung der Organschaft uneinbringlich wird, der Vorsteuerabzug nicht gegenüber dem bisherigen Organträger, sondern gegenüber von dem im Zeitpunkt des Uneinbringlichwerdens bestehenden Unternehmens zu berichtigen ist. In diesem Urteil hat der Bundesfinanzhof (unter II 1 b) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Begriff "der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde" in § 17 UStG nur den Unternehmer auf der jeweiligen Seite der Leistungsbeziehung (hier: empfangender Unternehmer) bezeichnet und darüber hinaus keine materielle Bedeutung hat. Dies ist in der im Streitfall entscheidungserheblichen Vorschrift des § 15 UStG anders, in der die Formulierung "für das Unternehmen des Leistungsempfängers" Tatbestandsvoraussetzung ist (Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/ Lange, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz Anm. 146 zu § 15).

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass nach der Auffassung des Finanzamtes ein Vorsteuerabzug gänzlich wegfallen würde, weil der ursprüngliche Organträger keine Möglichkeit habe, die Rechnungserteilung an ihn zu erzwingen, so ist dies ein zivilrechtliches Problem. Bei der Veräußerung der X an die Klägerin hätte dies im Kaufpreis berücksichtigt werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da in der Literatur (vgl. Stadie in Rau/ Dürrwächter/Flick/Geist, Anm. 725 zu § 2) auch die Meinung vertreten wird, dass die Vorsteuer aus Leistungen, die die Organgesellschaft während des Bestehens der Organschaft bezogen hat, für die die Rechnung aber erst nach Beendigung der Organschaft zugeht, nicht mehr dem ehemaligen Organträger zusteht (anderer Ansicht: Klenk in Sölch/Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz Tz. 25 zu § 2; Heidner in Bunjes/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage, Rn. 75 zu § 15; Birkenfeld, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 37 Rz. 99).

Ende der Entscheidung

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