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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 1 K 402/04
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 3 Nr. 9a Ziff. 1
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

1 K 402/04

Umfang des Vorsteuerabzugs einer GmbH aus einem dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gebäude bei teilweiser unentgeltlicher Überlassung an Geschäftsführer

Tatbestand:

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus der Errichtung eines Hauses.

Die Klägerin ist eine international tätige Spedition im Bereich Gefahrguttransporte, überwiegend für die chemische Industrie. Sie erwarb im Kalenderjahr 1997 das Grundstück ...str. in -X-. Dieses Grundstück nutzt sie für ihre Speditionszwecke. Auf dem Grundstück befand sich zudem ein Wohngebäude, das bis auf die Kellerdecke abgerissen wurde. Anschließend wurde das Wohnhaus neu errichtet. Den Neubau überließ die Klägerin teilweise ihren Geschäftsführern zur privaten Nutzung, im übrigen nutzt sie einen Teil der Räumlichkeiten für ihre unternehmerischen Zwecke. Die Geschäftsführer der Klägerin sind verheiratet und haben keine Kinder.

Das Wohnhaus umfasst eine Wohnfläche von 634,431 m 2 und eine Nutzfläche von 267,721 m 2 .Ausweislich eines Schreibens des Steuerberaters der Klägerin wird das Gebäude (Wohn- und Nutzfläche) mit 660,707 m 2 privat, im übrigen betrieblich genutzt. Auf die Berechnungen des Steuerberaters (AS. 80 der Rechtsbehelfsakten wegen Umsatzsteuer) wird insoweit Bezug genommen. Nach einer Aufstellung des Betriebsprüfers beträgt die privat genutzte Wohnfläche 398,799 m 2 , die betrieblich genutzte Fläche 235,632 m 2 , der private Nutzungsanteil betrage 62,86% (AS 81 der Rechtsbehelfsakten). In den Nutzflächen des Gebäudes sind betrieblich mit genutzte Flächen enthalten, weil das gesamte Areal der Klägerin durch die Heizung im Kellergeschoss des Gebäudes mit Fernwärme versorgt wird.

Die Klägerin machte die Vorsteuern aus der Errichtung des Hauses ursprünglich nicht in den Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 1999 geltend. Mit Schreiben vom 1. September 2000 beantragte sie, die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1999 zu ändern und Vorsteuern aus der Errichtung des Wohnhauses in Höhe von 528.628,36 DM anzuerkennen. In der Umsatzsteuerjahreserklärung und in den Voranmeldungen des Folgejahres wurde die Vorsteuer aus der Errichtung des Wohnhauses geltend gemacht.

Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag am 18.09.2000 ab. Auch im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2000 wurde die Anerkennung der Vorsteuer versagt. Für die Überlassung der Wohnung an die Geschäftsführer setzte der Betriebsprüfer eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 167.000 DM (1999), 298.000 DM (2000) und 262.000 DM (2001) an. Der angesetzte geldwerte Vorteil war nach Überzeugung der Betriebsprüfung zu niedrig (BP Bericht, Tz. 32). Weitere mit Umsatzsteuer belastete Aufwendungen für die Überlassung des Wohnbereichs an die Gesellschafter wurden vom Prüfer nicht festgestellt. Der Beklagte machte sich die Rechtsauffassung der Betriebsprüfung (Prüfungsbericht vom 9. August 2004, Tz.41) zu eigen. Das Einspruchsverfahren gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen blieb erfolglos.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin trägt vor, dass ihr die Vorsteuern aus der Errichtung des Hauses zustünden. Als GmbH habe sie nur unternehmerisches Vermögen; es bedürfe daher keiner Widmung des Neubaus für unternehmerische Zwecke. Die Vorsteuern aus der Errichtung des Hauses seien daher insgesamt abzugsfähig. Unstreitig betreffe dies die betrieblich genutzten Flächen mit 26,763%. Aber auch die Vorsteuer aus den an die Geschäftsführer überlassenen Räumlichkeiten sei abzugsfähig. Die Räume würden nicht im Wege eines Mietverhältnisses an die Geschäftsführer überlassen. Nur zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung habe die GmbH ab Januar 2000 einen geldwerten Vorteil für die Nutzung der Räumlichkeiten in Höhe von 2.500 DM je Geschäftsführer angesetzt. Ein zivilrechtliches Mietverhältnis bestehe gerade nicht. Der geldwerte Vorteil sei auf der Basis eines, dem Beklagten vorliegenden Gutachtens erstellt worden. Danach seien für die Überlassung der Privatwohnung monatlich 5.000 DM angemessen.

Der Klägerin beantragt:

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5.10.2004 den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 6.11.2001 zu ändern und Vorsteuern aus der Errichtung des Gebäudes mit 550.417,58 DM, den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 21.01.2002 zu ändern und Vorsteuern in Höhe von 15.880 DM anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die betriebliche Nutzung der Räume sei nicht nachgewiesen. Zwar seien einzelne Flächen sicherlich betrieblich genutzt, in welchem Umfang dies der Fall sei, sei aber nicht feststellbar. Zudem überlasse die Klägerin im Wege eines Mietverhältnisses die Räumlichkeiten an ihre Geschäftsführer. Bereits dies führe zum Vorsteuerausschluss. Im übrigen habe die Klägerin in den ursprünglichen Umsatzsteuervoranmeldungen die Vorsteuern aus der Errichtung des Wohnhauses nicht geltend gemacht. Der Nachweis, dass das Gebäude unternehmerischen Zwecken gewidmet werden solle, sei daher nicht erbracht.

Im Klageverfahren fand ein Erörterungstermin statt. In diesem erläuterte der Geschäftsführer der Klägerin unter Vorlage von Bauplänen, die dem Beklagten vorliegen, die betriebliche Nutzung der Räumlichkeiten.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug aus der Errichtung des zum Unternehmensvermögen der GmbH gehörenden Wohnhauses zu.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Das Merkmal "für das Unternehmen" dient der Abgrenzung zum außerunternehmerischen Bereich, in dem ein Vorsteuerabzug nicht zulässig ist.

Die Errichtung des - teilweise unentgeltlich durch die Geschäftsführer privat genutzten, unstreitig teilweise aber auch unternehmerisch genutzten- Hauses erfolgte für den unternehmerischen Bereich der Klägerin. Zwar ist in der Rechtsprechung des BFH die Möglichkeit erörtert worden, dass eine juristische Person einen nichtunternehmerischen Bereich haben kann. Dies bezieht sich allerdings auf Fallkonstellationen, die der vorliegenden nicht vergleichbar sind (Nachweise bei Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 RdNr.234 ff; Heidner in Bunjes/Geist, UStG § 15 Rz. 91ff). Da das Umsatzsteuerrecht die unentgeltliche Lieferung oder sonstige Leistung an Arbeitnehmer als steuerpflichtigen Umsatz definiert, § 3 Nr. 9a Ziff.1 UStG (UStG in der ab 1.04.1999 gültigen Fassung; § 1 Abs. 1 Nr. 1b UStG in der bis zum 31.3.1999 gültigen Fassung), ist vorliegend der unternehmerische Bereich der Klägerin betroffen. Zum nämlichen Ergebnis gelangt man, wenn man nicht auf die Unternehmensform sondern auf die Ausgangsumsätze der Klägerin abstellt, Art. 17 Abs. 2 der 6. RL (Klenk, StuW 94, 277).

Erfolgte der Bezug für den unternehmerischen Bereich, stellt sich die Frage der Zuordnung des errichteten Gebäudes zum unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Vermögen der GmbH nicht mehr. Nur wenn die Klägerin eine Wahlzuordnung hätte treffen können, könnte aus dem Unterlassen der Geltendmachung der Vorsteuern in der ursprünglichen Umsatzsteuervoranmeldungen eine negative Schlussfolgerung gezogen werden (Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, Rn 246; Heidner a.a.O. § 15 Rz. 101).

Der Vorsteuerabzug ist auch nicht wegen einer umsatzsteuerfreien Vermietung an die Gesellschafter ausgeschlossen, weil diese weder beabsichtigt noch später realisiert worden ist. Der den Geschäftsführern der Klägerin ab Januar 2000 zugerechnete geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen Überlassung des Wohnhauses stellt keine Vermietung dar.

Die unentgeltliche Lieferung oder Leistung eines Unternehmens an seine Arbeitnehmer ist ein steuerbarer Umsatz, § 3 Nr. 9a Ziff. 1 UStG (UStG in der ab 1.04.1999 gültigen Fassung; § 1 Abs. 1 Nr. 1b UStG in der bis zum 31.3.1999 gültigen Fassung). Auch die unentgeltliche Überlassung von privat genutzten Wohnraum fällt unter diese Norm (BFH Urteil vom 30.03.2006, V R 6/04 UR 2006, 579). Die Bemessungsgrundlage für diese Umsätze sind die bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG.

Die unentgeltliche Überlassung an die Geschäftsführer der Klägerin ist keine steuerbefreite Vermietung im Sinn des § 4 Nr. 12a UStG.

Ertragsteuerlich ist zwar anerkannt, dass die Vereinbarung der unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als Vermietung zu behandeln ist (BFH Urteil vom 1.09.1998, VIII R 3/97, BStBl II 1999, 213). Auch die frühere Rechtsprechung des BFH hat dies für den Bereich der Umsatzsteuer so gesehen (BFH Urteil vom 30.07.1986 V R 99/76, BStBl II 1986, 877). Allerdings ist dieser Rechtsprechung spätestens durch die Entscheidung des EuGH im Fall Seeling (EuGH Urteil vom 08.05.2003 C- C269/00) die Rechtsgrundlage entzogen. Die für den privaten Bedarf erfolgende Verwendung einer Wohnung in einem Gebäude, das zum Unternehmensvermögen gehört, erfüllt nämlich die Voraussetzungen einer Vermietung nicht. Es fehlt sowohl an der Zahlung eines Mietzinses, als auch an einer Vereinbarung über die Dauer des Nutzungsrechts und über das Recht, die Wohnung in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen (EuGH a.a.O., Tz. 49 ff; siehe auch Sölch / Ringleb Umsatzsteuer § 4 Nr. 12 Rz. 12).

Darüber hinaus ist der Senat von der Richtigkeit der Darlegungen des Geschäftsführers der Klägerin überzeugt, wonach mindestens 26,763% des errichteten Wohnhauses originären Zwecken der Klägerin dient. Der Geschäftsführer hat im Erörterungstermin unter Vorlage von Bauplänen die betriebliche Nutzung der Flächen erläutert und eine betriebliche Nutzung in diesem Umfang begründet. Dass bei einem europaweit tätigen Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Spanien und Polen sowie weiteren Niederlassungen in Deutschland Geschäftspartner die Gesellschaft besuchen und es erforderlich ist, diese im Firmenareal unterbringen zu können, ist für den Senat nachvollziehbar. Auch hat der Geschäftführer unwidersprochen vorgetragen, dass er ausländische Niederlassungsleiter, aber auch Vertragspartner des Unternehmens in den Räumlichkeiten beherbergt.

Zwar hat der Beklagte Zweifel am Umfang der betrieblichen Nutzung angemeldet, diese aber nicht hinreichend begründen können. Zutreffend ist zwar, dass von dem im Plan als Kinderzimmer bezeichneten Raum auch die Toilette des Gästezimmers erreicht werden kann. Allerdings haben die Geschäftsführer der Klägerin keine Kinder, so dass der Einwand des Beklagten insoweit nicht begründet ist. Der Senat weist zudem darauf hin, dass nach der handschriftlichen Auflistung des Betriebsprüfers die betriebliche Nutzung sogar 37,14% betragen könnte.

Auch die verbleibenden privaten Wohnflächen belegen zur Überzeugung des Senats, dass die unternehmerisch genutzten Flächen tatsächlich nur für diesen Zweck errichtet worden sind. Nach dem Vortrag der Klägerin beträgt die verbleibende private Wohnfläche der Geschäftsführer 508,86m 2 , (Gesamtwohnfläche 634,431 m 2 abzüglich betrieblich im EG und o.g. genutzter Wohnflächen von 125,575 m 2 ), nach dem Aktenvermerk des Betriebsprüfers des Beklagten immerhin noch mindestens 398,799 m 2 .

Die geltend gemachten Vorsteuern sind daher anzuerkennen.

Im Streitjahr 2000 ist allerdings noch der durch die Überlassung an die Geschäftsführer der Klägerin entstandene Umsatz zu versteuern, §§ 3 Abs. 9a, 10 Abs. 4 Ziff. 2 UStG. Bemessungsgrundlage sind dabei die vorsteuerbelasteten Kosten der sonstigen Leistung. Diese ermitteln sich im Streitjahr 2000 aus den anteiligen Abschreibungen für das Gebäude (73,237% der Herstellungskosten) bei Anwendung eines Abschreibungssatzes von 2%. Eine höhere Abschreibung ist im Streitjahr unzulässig (BFH Urteil vom 19.04.2007, V R 56/04, DStR 2007, 1079). Weitere, vorsteuerbelastete Aufwendungen sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und vom Beklagten in der Betriebsprüfung auch nicht ermittelt worden.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer wird dem Beklagten übertragen, § 100 Abs. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11 , 709, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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