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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 10 K 282/05
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 55 | |
AO § 65 Abs. 5 |
Tatbestand:
Streitig ist, ob der klagende Verein Altmaterial im Sinne des § 64 Abs. 5 der Abgabenordnung - AO - verwertet und die dafür vorgesehene, vereinfachte Gewinnschätzung in Anspruch nehmen kann.
Der Kläger ist ein im Vereinsregister des Registergerichts M eingetragener Verein, der nach Art. 2 der Satzung vom 6. Mai 1987 u.a. der Förderung der Völkerverständigung dient. Die Mitglieder des Vereins sollen nach deren Art. 3 Frauen sein, die an den Zielen des Vereins interessiert und gewillt sind, aktive ehrenamtliche Mitarbeit zu leisten. Der Verein veranstaltet regelmäßig einen Pfennigbasar und einen Nikolausball. Für den Pfennigbasar sammelt er durch seine ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder gebrauchte Gegenstände aller Art, z.B. Kleidung, Bücher, Haushaltsgeräte und vieles mehr, die er auf einem Basar unter flohmarktähnlichen Bedingungen verkauft. Der Verein wird durch eine Vielzahl von Helferinnen unterstützt. Die Gewinne aus dem Pfennigbasar werden für wohltätige Zwecke gespendet.
Der Pfennigbasar findet in der Bevölkerung großen Zuspruch und hat eine lange Tradition.
Im Streitjahr 2002 erzielte der Verein aus der Veranstaltung des Pfennigbasars Erlöse in Höhe von brutto 42.579 Euro und erwirtschaftete nach Abzug der Ausgaben einen zwischen den Beteiligten unstreitigen Überschuss in Höhe von 30.008 Euro. In der Steuererklärung 2002 beantragte der Verein, den Überschuss nach § 64 Abs. 5 AO in Höhe des branchenüblichen Reingewinns zu schätzen, da er Altmaterial außer Altpapier im Sinne des § 64 Abs. 5 AO verwerte. Gemäß Tz. 27 des AEAO zu § 64 AO betrage der branchenübliche Reingewinn 20% der Nettoeinnahmen. Somit seien lediglich 7.341 Euro der Körperschaftsteuer zu unterwerfen.
Das beklagte Finanzamt wandte die vereinfachte Gewinnermittlung nach dem branchenüblichen Reingewinn nicht an, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des § 64 Abs. 5 AO nicht erfüllt seien. Gegen die daraufhin am 27. August und 2. September 2003 ergangenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2002 legte der Verein form- und fristgerecht Einsprüche ein.
Zur Begründung trägt er im erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahren und dem anhängigen Klageverfahren vor, im Rahmen des Pfennigbasars werde unentgeltlich erworbenes Altmaterial verwertet.
Damit seien die Voraussetzungen des § 64 Abs. 5 AO erfüllt. Mehr verlange der Wortlaut der Vorschrift nicht. Die von der Finanzverwaltung vorgenommene Ausgrenzung von Basaren sei nicht gerechtfertigt.
Schon der Sinn und Zweck der Norm gebiete die Einbeziehung von Basaren in die Vorschrift des § 64 Abs. 5 AO. Zwar habe im Gesetzgebungsverfahren der Finanzausschuss, abweichend von dem Vorschlag des Bundesrates, die Regelung auf Altmaterialsammlungen begrenzt. Einzige Begründung für den Ausschluss von Basaren sei jedoch der Umstand gewesen, dass anderenfalls schwierige Abgrenzungsprobleme entstünden. Dies sei nach Auffassung des Ausschusses dann der Fall, wenn bei Basaren sowohl gekaufte als auch unentgeltlich erworbene Sachen verkauft würden, was häufig der Fall sei. Mischfälle seien z.B. der Verkauf gespendeter Lebensmittel, wie Kuchen oder Glühwein, zusammen mit dem Verkauf von gekauften Sachen, wie z.B. Würsten oder selbst gebastelten Sachen, wenn der Verein das Herstellungsmaterial zur Verfügung stelle. Diese vom Finanzausschuss berücksichtigten Problemfälle seien jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Pfennigbasar stelle keine der angeführten Mischformen dar. Es erfolge lediglich eine umfangreiche, auf eine kurze Zeitspanne begrenzte Sammlung nicht neuwertiger Sachen im Vorfeld, die auf dem Basar verkauft würden. Ein Verkauf von selbst gebastelten Sachen oder Speisen und Getränken jeglicher Provenienz finde nicht statt.
Es handele sich nicht um einen typischen Basar in einer der genannten Mischformen. Die alleinigen Argumente des Ausschusses lägen nach der Gesetzesbegründung im Streitfall gerade nicht vor. Deshalb sei die Steuervergünstigung des § 64 Abs. 5 AO für den Streitfall zu gewähren.
In der Rechtsprechung sei die Frage, ob Basare unter die Vorschrift des § 64 Abs. 5 AO fielen, ungeklärt.
Der Bundesfinanzhof - BFH - habe sich in den Urteilen vom 26. Februar 1992, I R 149/90, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1992, 693 und vom 10. Juni 1992 I R 76/90, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1992, 839 mit Vereinen befasst, die Altmaterial gesammelt und verwertet hätten. Dort sei es jedoch ausschließlich darum gegangen, ob diese Tätigkeiten überhaupt als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu qualifizieren seien. Eine abschließende Begriffsbestimmung des Altmaterials im Sinne des § 64 Abs. 5 AO enthalte die Rechtsprechung nicht.
Soweit sich die Fachkommentierung auf diese Rechtsprechung stütze, sei sie zu pauschal und deshalb nicht einschlägig. Der Begriff des Altmaterials sei weder in den Kommentierungen noch den Erlassen der Finanzverwaltung abschließend geklärt. Angesichts der Besonderheiten des Pfennigbasars sei für diese Veranstaltung die Steuerbegünstigung zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 27. August 2003 und den Gewerbesteuermessbescheid 2002 vom 2. September 2003 sowie die Einspruchsentscheidung des Finanzamts M-Stadt vom 13. September 2005 aufzuheben.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, mit der es den Begriff des Altmaterials dahingehend ausgelegt hatte, dass es sich um nicht mehr gebrauchsfähige, aber noch verwertbare Sachen handele. Es handele sich demzufolge bei Altmaterialsammlungen um Sachen, die als Einzelgegenstand keinen Gebrauchswert mehr hätten, deren Herstellungsstoff aber noch einen materiellen Wert habe. Die Verwertung von Altmaterial betreffe demnach die Wiederverwendung des Materials, aus dem die Gegenstände gefertigt seien, z.B. bei Altkleidern die Wolle, bei Altpapier die Zellulose, bei Altmetall die diversen Metalle und Legierungen. Der Verkauf von Gebrauchtwaren mit noch vorhandenem Gegenwert, wie er auf Basaren und Flohmärkten üblich sei, falle daher nicht unter den Begriff der Verwertung von Altmaterial. Diese Begrifflichkeit stimme auch mit der Begründung des Gesetzgebers, die er im Rahmen der Einführung des § 64 Abs. 5 AO gegeben habe, überein. Der Gesetzesentwurf zum Vereinsförderungsgesetz habe sich davon leiten lassen, dass zur Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes eine spürbare Vereinfachung des Besteuerungsrechtes der Vereine erforderlich sei. Dabei hätten jedoch andererseits Wettbewerbsnachteile für die gewerbliche Wirtschaft möglichst vermieden werden sollen. Vor diesem Hintergrund sei auf Vorschlag des Finanzausschusses die vereinfachte Gewinnschätzung des § 64 Abs. 5 AO eingeführt worden. Die vereinfachte Gewinnschätzung sei nach der ausdrücklichen Begründung des Finanzausschusses auf Altmaterialsammlungen begrenzt worden. Die Ausweitung auf Verkaufsveranstaltungen (Basare, Flohmärkte usw.) in die Regelung führe zu schwierigen Abgrenzungsproblemen und sei weder im Hinblick auf die gewollte Vereinfachung der Vereinsbesteuerung, noch von der Sache her gerechtfertigt (Bundestagsdrucksache 11/5582, S. 19, 31).
Daraus ergebe sich, dass Basaren die Steuerbegünstigung gerade nicht gewährt werden solle. Außerdem sei klar zu erkennen, dass der Gesetzgeber den Begriff des Altmaterials in dem vom Finanzamt vertretenen Sinne verstehe. Auch wenn der Gesetzgeber bei dem Ausschluss von Basaren und Flohmärkten Abgrenzungsschwierigkeiten vor Augen gehabt habe, die sich bei dem Pfennigbasar nicht ergäben, habe er sich doch dazu entschlossen, alle Arten des genannten Gebrauchtwarenhandels von der Steuerbegünstigung auszunehmen. Er habe damit bewusst auch jene Variante ausgeschlossen, bei der sich die Abgrenzungsproblematik nicht ergebe. Die Regelung des § 64 Abs. 5 AO könne daher auf den Streitfall nicht angewandt werden.
Diese Auslegung entspreche auch der gesamten Fachkommentierung. Zwar sei der Einwand, dass die Begriffsbestimmung des Altmaterials noch nicht Gegenstand einer BFH-Entscheidung gewesen sei, zutreffend. Der BFH habe jedoch in den Urteilen vom 26. Februar und 10. Juni 1992 (a.a.O.) den Begriff des Altmaterials zumindest durch den Klammerzusatz Altkleider, Altpapier näher und in dem vom Finanzamt vertretenen Sinne erläutert.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Vereinssatzung und die Einträge im Vereinsregister, die abgegebenen Körperschaftsteuer(KSt)- und Gewerbesteuererklärungen 2002 nebst Gewinnermittlungen, die ergangenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2002, die Einspruchsentscheidung vom 13. September 2005 und die im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze vollinhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. a) Nach § 64 Abs. 1 AO schließt das Gesetz die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) insoweit aus, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird. Insoweit verliert die Körperschaft die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Umsätze, Vermögen), soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§ 65 bis 68 AO) ist. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach § 14 AO eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Eine Vermögensverwaltung liegt in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird. Übersteigen nach § 64 Abs. 3 AO die Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die keine Zweckbetriebe sind, insgesamt nicht 30.678 Euro im Jahr, so unterliegen die diesen Geschäftsbetrieben zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen nicht der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Dabei handelt es sich unstreitig um eine Freigrenze.
Nach § 64 Abs. 5 AO können Überschüsse aus der Verwertung unentgeltlich erworbenen Altmaterials außerhalb einer ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle, die der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegen, in Höhe des branchenüblichen Reingewinns geschätzt werden.
b) Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der für die Regelung des 64 Abs. 5 AO vorausgesetzt wird, liegt, wie zwischen den Beteiligten bei dem Pfennigbasar unstreitig ist, vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs übt ein gemeinnütziger Verein mit der geschäftsmäßigen Sammlung und Weiterveräußerung von Altkleidern eine einheitliche nachhaltige Tätigkeit im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes aus, wenn er durch die Tätigkeit Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt, die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehen. Ein Zweckbetrieb liegt nicht vor (BFH-Urteile vom 10. Juni 1992 I R 76/90, BFH/NV 1992, 839, vom 26. Februar 1992 I R 149/90, BStBl II 1992, 693). Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser dazu dienen soll, Mittel für den gemeinnützigen Sektor des Vereins zu beschaffen. Jeder gemeinnützige Verein muss die durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erwirtschafteten Mittel für den gemeinnützigen Zweck nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO verwenden. Entscheidend ist, ob sogenannte Mittelbeschaffungsbetriebe auch in den Wettbewerb eingreifen oder auch nur eingreifen können (Tipke/Kruse, § 64 Anm. 8; Gutachten der Gemeinnützigkeitskommission, BMF-Schriftenreihe Heft 40, 443 ff.). Die Einhaltung dieses Wettbewerbsverbotes wird dadurch gesichert, dass ein Konkurrent eine Konkurrentenklage erheben kann, wenn die Finanzverwaltung oder das Finanzgericht zu Unrecht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verneinen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 10/92, BStBl II 1998, 63).
c) Die Voraussetzungen für die Anwendung der Regelung des § 64 Abs. 5 AO liegen nicht vor.
Die Regelung des § 64 Abs. 5 AO setzt einen - im Streitfall vorliegenden - wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gedanklich voraus, denn nur dann kommt die Pauschalierungsregelung zur Anwendung.
aa) Das beklagte Finanzamt hat unter Altmaterial bei wörtlicher Auslegung hierunter nicht mehr gebrauchsfähige (Wahrig, Deutsches Wörterbuch), aber noch verwertbare (Duden) Sachen verstanden. In wirtschaftlicher Hinsicht wird Altmaterial als zur Be- und Verarbeitung im eigenen Betrieb nicht mehr geeigneter und deshalb zur Veräußerung bestimmter Abfall definiert (Gablers Wirtschaftslexikon, Stichwort Altmaterial, 11. Auflage 1983, Gabler-Verlag Wiesbaden). Danach werden bei Altmaterialsammlungen Gegenstände gesammelt, die als Einzelgegenstand keinen oder nur noch einen geringen Gebrauchswert haben, deren Herstellungsstoff aber noch einen materiellen Wert hat. Nach dem Wortlaut ist nicht eindeutig, ob verkaufsfähige Waren mit einem noch vorhandenen, aber geminderten Gebrauchswert aus dem Regelungsbereich der Vorschrift herausfallen. Die Finanzverwaltung versteht unter Altmaterialsammlungen die Sammlung und Verwertung von Lumpen, Altpapier und Schrott (Anwendungserlaß zur Abgabenordnung des Bundesministeriums der Finanzen in der Fassung vom 21. April 2008, BStBl I 2008, 582).
bb) Verwerten wird umschrieben mit gebrauchen, ausnützen, Nutzen daraus ziehen (Brockhaus-Lexikon, 6 Bände, 1983, Brockhaus-Verlag Wiesbaden, Stichwort verwerten). Was unter Verwertung des Altmaterials verstanden werden kann, ergibt sich nicht eindeutig nur aus dem Wortlaut. Unter der Verwertung könnte nach dem Wortlaut, nur für sich betrachtet, auch der Verkauf von Waren oder nicht mehr benötigten Materialien verstanden werden.
cc) Gegen eine weite Auslegung der Begriffe Altmaterial und Verwertung sprechen jedoch sowohl die Gesetzesgeschichte als auch der Zweck des Gemeinnützigkeitsrechtes.
Die Finanzverwaltung und ein Teil der Literatur schließen aus dem Gesetzeszweck und der Vermeidung des auch nur potentiellen Wettbewerbs, dass der Begriff des Altmaterials die Unbrauchbarkeit des Gegenstandes beinhalte. Bei einem Einzelhandel von gebrauchten Sachen überwiege hingegen noch der sachbezogene Gebrauchswert (Müller in Pump/Leibner, Kommentar zur AO, Luchterhand-Verlag, § 64 Anm. 90; Bott in Schauhoff, Handbuch des Gemeinnützigkeitsrechts, 2. Auflage 2005, § 7c) aa) Anm. 305- 310). Der Senat kann offen lassen, ob sich diese Interpretation bereits aus dem Wortlaut und dem Begriff des Altmaterials und der Verwertung ergibt und ob eine solche Abgrenzung praktikabel ist. Die Auslegung nach dem Gesetzeszweck und die historische Auslegungsmethode führen jedenfalls zu einer engen Gesetzesauslegung und zum Ausschluss von Basaren und Flohmärkten aus der Regelung des Art. 64 Abs. 5 AO.
dd) Sowohl die Gesetzesgeschichte des Vereinsförderungsgesetzes vom 18. Dezember 1989, BGBl. I, 2212, als auch die später erfolgte Einfügung des § 64 Abs. 6 AO durch das Investitionszulagengesetz vom 20. Januar 2000, BGBl. I 2000, 1850, zeigen, dass unter der Verwertung von Altmaterialien jedenfalls nicht der Verkauf auf Märkten und Basaren, der dem Einzelhandel potentiell Konkurrenz machen könnte, verstanden werden kann.
(1) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. März 1989, der auf dem Gutachten der unabhängigen Sachverständigenkommission zur Überprüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts (BMF-Schriftenreihe Heft 40) aufbaute und dessen Vorstellungen teilweise übernahm, enthielt die Regelung des § 64 Abs. 5 AO zunächst nicht. Zielsetzung des Gesetzes war die Vereinfachung des Gemeinnützigkeitsrechts. Andererseits sollte dabei darauf geachtet werden, dass keine unzumutbaren Wettbewerbsnachteile für mittelständische Unternehmen entstünden. Deshalb war zunächst lediglich die Einführung der Grenzen des § 64 Abs. 3 AO geplant.
(2) Das Land Baden-Württemberg legte im Bundesrat einen Gesetzentwurf vor, wonach die Besteuerung wirtschaftlicher Betätigungen gemeinnütziger Körperschaften durch eine Pauschalierung der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer vereinfacht werden sollte (Bundesratsdrucksache 132/85). Auf Seite 9 der Begründung ist ausdrücklich ausgeführt, soweit sich in Einzelfällen, z.B. beim Verkauf gesammelter Altmaterialien und von gespendeten Gegenständen, eine etwas günstigere Besteuerung der gemeinnützigen mildtätigen und kirchlichen Vereine ergebe, sei dies wegen der Zweckverwendung der Erlöse und des in der Regel ehrenamtlichen Mitwirkens vieler freiwilliger Helfer bei derartigen Aktionen zur Ausräumung der Überbesteuerung einer guten Tat gewollt.
(3) Der Entwurf der Bundesregierung in der Bundestags-Drucksache (BT-Drs.) 11/4176 folgte dem jedoch nicht. Vielmehr führte dieser Entwurf ausdrücklich aus, die Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes dürfe nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen in der gewerblichen Wirtschaft führen. Außerdem wird begründet, warum der Entwurf den Vorschlägen der Kommission zur Einschränkung des Begriffs der Gemeinnützigkeit, aus der alle Freizeitbetätigungen herausgenommen werden sollten, nicht folge. Die Bundesregierung lehnte die Steuerpauschalierung ausdrücklich ab, weil diese entweder nicht zu einer Vereinfachung führe oder aus steuersystematischen - oder Wettbewerbsgründen nicht in Betracht komme.
Insoweit konnte sie sich auf das Gutachten der unabhängigen Sachverständigenkommission zur Überprüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts (a.a.O. S. 201 bis 212) berufen (BT-Drs 11/4176, S. 8, 9, 11).
Der Bundesrat gab eine Stellungnahme ab, in dem er für bestimmte wirtschaftliche Betätigungen zusätzliche Steuervergünstigungen forderte. Die Bundesregierung machte in einer Gegenäußerung nochmals darauf aufmerksam, dass dies unter Wettbewerbsgesichtspunkten bedenklich sei und verwies auf die Ergebnisse einer Anhörung, in der die Verbände der Wirtschaft sich gegen die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen gewandt hätten, weil sie nach ihrer Ansicht schon in dieser Form zu Wettbewerbsnachteilen für gewerbliche Unternehmer führe. Außerdem bestünden Zweifel, ob zusätzliche Steuervergünstigungen auf einzelne Arten wirtschaftlicher Betätigungen (Altmaterialsammlungen, Basare) beschränkt werden könnten. Auch bei anderen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, z.B. beim Verkauf von Speisen und Getränken bei Vereinsfesten, beruhten die Überschüsse ebenfalls weitgehend auf der unbezahlten Arbeit von Vereinsmitgliedern (BT-Drs 11/4305, S. 1, 2).
(5) Der Finanzausschuss befasste sich ausführlich mit verschiedenen Gesetzesentwürfen, nämlich dem der Bundesregierung, der Partei der Grünen, der SPD und den Einwendungen des Bundesrates und schlug dann die Regelung des § 64 Abs. 5 AO vor. Dabei setzte er sich ausführlich mit der Wettbewerbsproblematik auseinander. Er erlaubte, Gewinne aus der Sammlung unentgeltlich erworbenen Altmaterials in Höhe des branchenüblichen Reingewinns zu schätzen. Der Vorschlag führt hierzu ausdrücklich aus:
"Der Ausschuss ist dem Bundesrat nicht gefolgt, soweit dieser die Reingewinnschätzung auch für Verkaufsveranstaltungen wie Basare und Flohmärkte vorgeschlagen hat. Hiervon wurde wegen der Auswirkung auf den Wettbewerb und der zu erwartenden schwierigen Abgrenzungsprobleme abgesehen, die darin bestehen, dass bei den angesprochenen Veranstaltungen meist auch entgeltlich erworbene Sachen mitverkauft werden." (BT-Drs 11/5582, S. 27).
(6) Dies zeigt, dass der Begriff der Verwertung gerade unter Wettbewerbsgesichtspunkten den Verkauf von Altmaterial unter einzelhandelsähnlichen Bedingungen nicht erfassen sollte, da sich sonst eine Konkurrenz zum gewerblichen Einzel- und Gebrauchtwarenhandel ergäbe. Unter der Einzelbegründung zu § 64 Abs. 4 und 5 AO wird dies dann nochmals weitergehend erläutert, dass abweichend von dem Vorschlag des Bundesrates der Ausschuss die Regelung auf Altmaterialsammlungen begrenzt hat. Die Einbeziehung von Verkaufsveranstaltungen (Basare, Flohmärkte usw.) in die Regelung führe zu schwierigen Abgrenzungsproblemen und sei weder im Hinblick auf die gewollte Vereinfachung der Vereinsbesteuerung, noch von der Sache her gerechtfertigt. Die Abgrenzungsprobleme werden dann nochmals dahingehend geschildert, dass es in den genannten Fällen notwendig und sehr schwierig wäre, die Einnahmen und Ausgaben auf die beiden Tätigkeiten, den Verkauf von unentgeltlich erworbenen Sachen und den Verkauf von entgeltlich erworbenen Sachen, aufzuteilen. Anschließend führt der federführende Finanzausschuss auf:
"Außerdem wäre eine zusätzliche Steuervergünstigung insbesondere für den Verkauf von Speisen und Getränken, aber auch für den Verkauf von Einzelhandelswaren wie Spielzeug, Textilien und Sportgeräten sowie eine zusätzliche Steuervergünstigung für gesellige Veranstaltungen unter Wettbewerbsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Dagegen meint der Ausschuss, dass sich die grundsätzlich auch bei Altmaterialsammlungen vorhandenen Wettbewerbsprobleme weitgehend durch eine Begrenzung der Regelung auf Altmaterialsammlungen, die außerhalb einer ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle durchgeführt werden, ausräumen lassen" (BT-Drs 11/5582, S. 31).
Diese Begründungen, die zur Auslegung der dann Gesetz gewordenen Gesetzesfassung heranzuziehen sind, zeigen, dass der Gesetzgeber bewusst den Verkauf gesammelter Altwaren und Altmaterialien unter Basar- oder einzelhandelsähnlichen Bedingungen gerade nicht begünstigen wollte, da er Wettbewerbsnachteile für den normalen, gewerblichen Gebrauchtwarenhandel (wie er z.B. auch von Antiquitätenläden, antiquarischen Buchhandlungen oder Second-hand-shops für Waren aller Art betrieben wird) fürchtete und einen solchen potentiellen Wettbewerb verhindern wollte. Er begrenzte demzufolge die Steuerbegünstigung ausdrücklich auf das Sammeln von Altmaterialien und nahm deren Verkauf unter einzelhandelsähnlichen Umständen von der Begünstigung aus.
(7) Die vom beklagten Finanzamt vorgenommene Auslegung entspricht daher eindeutig und ausdrücklich dem Willen des Gesetzgebers, wie er im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zutage trat. Nach der Gesetzesgeschichte würde die Einbeziehung von Basaren und Flohmärkten in die Steuerbegünstigung das vom Gesetzgeber Gewollte in sein Gegenteil verkehren.
(8) Selbst wenn - worauf der klagende Verein abhebt - bei ihm kein Mischfall im Sinne der Gesetzesbegründung vorliegt, so führt dies nicht zur Anwendung der Steuerbefreiung, da der Gesetzgeber generell sämtliche Verkaufsveranstaltungen von Altmaterialien auf Flohmärkten und Basaren bewusst von der Steuervergünstigung ausgenommen hat. Dies geschah entgegen der Auffassung des Vereins nicht nur aus praktischen Erwägungen, sondern weil der Gesetzgeber grundsätzlich Wettbewerbsnachteile für den Einzelhandel befürchtete und sich im Verlauf einer Anhörung Wirtschaftsverbände massiv gegen die Steuervergünstigung in der bereits damals geplanten Form gewandt hatte. Er hielt eine solche Ausdehnung der Steuerbegünstigung über das Sammeln von Altmaterialien hinaus in der Sache für nicht gerechtfertigt. Aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens ergibt sich somit eindeutig, dass nur das Sammeln von Altmaterialien der Begünstigung der Regelung des § 64 Abs. 5 AO unterliegen sollte, nicht jedoch dessen Verkauf unter einzelhandelsähnlichen Bedingungen auf Märkten oder Basaren.
2.) Für diese Auslegung spricht auch die Einfügung des § 64 Abs. 6 AO durch das Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 - InvZulG - vom 20. Januar 2000. In der Begründung zu dieser Regelung wird darauf abgehoben, dass in den dort genannten Bereichen eine Überbesteuerung vorliegen könne, da mit dem Betrieb zusammenhängende Ausgaben nach der Rechtsprechung des BFH nicht abgezogen werden könnten. Das Gebot der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts verfolge lediglich eine gleiche, nicht aber eine stärkere Besteuerung der wirtschaftlichen Betätigungen der gemeinnützigen Körperschaft. Diese Neuregelung des § 64 Abs. 6 AO umfasst danach insbesondere nicht wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, bei denen der Verkauf von Waren im Vordergrund der Betätigung steht. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, der Verkauf von Waren sei grundsätzlich auch losgelöst von steuerbegünstigten Veranstaltungen und ohne räumliche oder zeitliche Verbindung mit der steuerbegünstigten Tätigkeit des Vereins möglich. In der Regel seien auch hohe Aufwendungen vorhanden, die allein dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen seien, wie z.B. Wareneinkauf.
Eine Überbesteuerung im Vergleich zu gewerblichen Unternehmen als Folge der Rechtsprechung finde deshalb bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die mit Waren handelten, in der Regel nicht statt. Da die Regelung des § 64 Abs. 6 AO nochmals eine Spezialvorschrift für bestimmte Betriebe darstellt, ergänzen diese Überlegungen die bei Einführung des § 64 Abs. 5 AO aufgestellten Grundsätze, insbesondere den der Wettbewerbsneutralität. Auch die Gesetzesbegründung zur Einführung dieser Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber auch später davon ausging, dass der Verkauf von Waren keiner begünstigten Pauschalbesteuerung unterfallen sollte. (Zum Vorstehenden: Gesetzesbegründung zu § 64 Abs. 6 AO, abgedruckt unter Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 64 Tz. 21). Die Voraussetzungen des § 64 Abs. 5 AO liegen daher nicht vor, da der Verkauf unter einzelhandelsähnlichen Bedingungen den Begriff der Verwertung im Sinne dieser Vorschrift nicht erfüllt.
3.) Etwas anders folgt auch nicht aus dem Tatbestandsmerkmal in § 64 Abs. 5 AO "außerhalb einer ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle".
Dieses Merkmal grenzt den Pauschalierungstatbestand nochmals dahingehend ein, dass die Steuerbegünstigung selbst dann nicht gewährt wird, wenn zwar Altmaterial unentgeltlich erworben oder gesammelt wird, jedoch die Verwertung in einer ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle erfolgt. Dies bedeutet, dass selbst bei der Sammlung von Altmaterial die einzelhandelsähnliche Betätigung gerade nicht zur Steuervergünstigung führt, sondern diese ausschließt. Dadurch wird nochmals abgesichert, dass insoweit kein Wettbewerb zum Gebrauchtwarenhandel entsteht. Die Einschränkung der Steuervergünstigung erfolgt demzufolge einerseits durch die Tatbestandsmerkmale des Altmaterials und der Verwertung und andererseits durch das Tatbestandsmerkmal "außerhalb einer ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle".
4.) Die dargestellte Auslegung entspricht auch der einhelligen Kommentarliteratur, der der Senat folgt (Koch/Scholtz, Kommentar zur AO, 5. Aufl. § 64 Abs. 5 Anm. 24 ff; Sauer in Beermann/Gosch, Kommentar zur AO und FGO, § 64 Anm. 65, Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO § 64 Anm. 26; Pump/Leibner, Kommentar zur AO, Luchterhand-Verlag, § 64 Anm. 80; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler Kommentar zur AO und FGO, § 64 Anm. 77 Uterhark in Schwarz u.a., Kommentar zur AO, § 64 Anm. 33; 34; Reuber, Die Besteuerung der Vereine, Verlag Schäffer-Poeschel, Stand Dezember 2007, Stichwort Altmaterialsammlungen Anm. 3 sowie unter III 1 Punkt 2; Gersch in Klein, Kommentar zu AO, § 64 Anm. 21; Bott in Schauhoff, Handbuch des Gemeinnützigkeitsrechts, 2. Auflage 2005, § 7 c) aa) Anm. 305-310; Jost in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG n.F., § 5 Abs. 1 Nr. 9, Anm. 265).
Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, da der BFH die streitige Rechtsfrage - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden hat.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO.
Ende der Entscheidung
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