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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 12 K 136/05
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 7g |
Finanzgericht Baden-Württemberg
Tatbestand:
Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte seit 1990 Einkünfte aus Gewerbebetrieb als selbständiger Metzgermeister. In dieser Eigenschaft betrieb er im Schlachthof in -X- einen Zerlegebetrieb.
Am 03. September 2001 erklärte er die Betriebsaufgabe auf den 01. September 2001, nachdem er aufgrund eines Bandscheibenvorfalls mit Wirbelversteifung berufsunfähig geworden war und den Gewerbebetrieb zum 31. August 2001 an seine Ehefrau für DM 200.000,-- veräußert hatte. Im Juli 2002 wurde der Gewerbebetrieb von der Ehefrau dann endgültig eingestellt.
Im Jahresabschluss für das Jahr 1999 hatte der Kläger für die Anschaffung eines Kühltransporters mit voraussichtlichen Anschaffungskosten in Höhe von DM 250.000,-- eine den Gewinn mindernde Ansparrücklage in Höhe von DM 125.000,-- gebildet, die er im Jahresabschluss auf den 31. August 2001 mangels Investition aufgelöst und dem begünstigten Veräußerungsgewinn zugerechnet hat. Der Beklagte rechnete sie hingegen nebst Verzinsung für zwei Jahre dem laufenden Gewinn zu, wogegen die Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 Einspruch eingelegt haben. Im Rahmen einer beim Kläger im Jahr 2004 durchgeführten Außenprüfung kam der Prüfer zu dem selben Ergebnis wie die Veranlagungsstelle, wobei die bereits irrtümlich im Jahr 2000 erfolgte Verzinsung für ein Jahr korrigiert wurde und für das Streitjahr eine den Gewinn mindernde Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von DM 12.615,-- zu Gunsten des Klägers berücksichtigt wurde (vgl. Bericht über die Außenprüfung vom 09. März 2005). Mit Datum vom 30. September 2005 erging ein entsprechend nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.
Nachdem die Kläger mit Schriftsatz vom 17. Mai 2005 Untätigkeitsklage gegen den Beklagten beim Finanzgericht erhoben hatten, erließ der Beklagte während des Gerichtsverfahrens mit Datum vom 19. Oktober 2005 eine Einspruchsentscheidung, in der er den Einspruch der Kläger als unbegründet zurückwies. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Zur materiellrechtlichen Begründung der Klage wird von Klägerseite vorgetragen, dass zum Einen die Bildung der Ansparrücklage im Jahr 1999 eine durchführbare und objektiv mögliche Investition betroffen habe. Die erstmalige Bildung der Ansparabschreibung sei in der Bilanz 1999 erfolgt, welche im Juli und August 2000 erstellt worden sei. Die Erkrankung des Klägers sei erst im Mai 2001 aufgetreten. Die Verzinsung im Jahr 2000 für ein Jahr sei irrtümlich erfolgt; eine Auflösung und Neueinstellung sei damit nicht verbunden gewesen, was sich auch aus den eingereichten Buchhaltungsunterlagen ergebe. Mit der Anschaffung des Kühltransporters sei die Schaffung eines weiteren Standbeines beabsichtigt gewesen. Zum Anderen habe der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach entschieden, dass die Auflösung von steuerfreien Rücklagen anlässlich der Veräußerung eines Betriebes den Veräußerungsgewinn und nicht den laufenden Gewinn erhöhe. Ebenso habe der BFH entschieden, dass die Auflösung einer sog. Ansparrücklage nach § 7 g Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) wegen der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft zur Erhöhung des tarifbegünstigten Einbringungsgewinns führe, was auch für den Gewinnzuschlag gelte. Entsprechend sei im vorliegenden Fall zu entscheiden.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2005 den Einkommensteuerbescheid 2001, zuletzt vom 30. September 2005, dahingehend abzuändern, dass die Auflösung der Ansparrücklage nebst Gewinnzuschlag in Höhe von insgesamt DM 140.000,-- bei der Festsetzung der Einkommensteuer dem begünstigten Veräußerungsgewinn und nicht dem laufenden Gewinn zugerechnet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zweifelhaft sei bereits, ob eine hineichende Konkretisierung der Ansparrücklage gegeben sei. Der Kläger habe noch nie einen Kühltransporter besessen. Insoweit sei zu klären, wie konkret die Absicht des Klägers zum Zeitpunkt der Bildung der Rücklage gewesen sei, einen entsprechenden Kühltransporter anzuschaffen. D.h. Größe und Marke des Fahrzeugs seien zu benennen, die Ermittlung der voraussichtlichen Anschaffungskosten darzustellen und die Finanzierung der Anschaffung. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses 2000 sei dem Kläger im Übrigen die Anschaffung nicht mehr möglich gewesen, da er den Betrieb bereits veräußert gehabt habe.
Schließlich gehöre die Ansparrücklage schon systematisch zum laufenden Gewinn, denn bei der Bildung sei der laufende Gewinn gemindert worden, so dass die Auflösung ebenfalls zu einem laufenden Gewinn führen müsse.
Am 12. Juli 2006 hat vor dem Berichterstatter ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom gleichen Tage Bezug genommen.
Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte sowie den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (2 Bände Bilanz-, 2 Bände Gewerbesteuer-, 2 Bände Einkommensteuer-, 1 Band Betriebsprüfung und 1 Band Rechtsbehelfsakten) entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid für 2001 - zuletzt vom 30. September 2005 - in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Auflösung der Ansparrücklage nebst Verzinsung hatte zugunsten des begünstigen Veräußerungsgewinns zu erfolgen.
Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf dabei 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird". Spätestens am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs ist eine Ansparrücklage gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g Abs. 4 EStG). Soweit die Auflösung nicht aufgrund der Vornahme der begünstigten Investition erfolgt, ist der Gewinn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in welchem die Rücklage bestanden hat, um 6 v.H. des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen (§ 7g Abs. 5 EStG).
Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen ist, dass eine Investition im Sinne von § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EStG "beabsichtigt" ist (Urteil des BFH vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 197, 448, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 385). Der Steuerpflichtige ist daher nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen. Allerdings muss die Investition ausreichend konkretisiert sein (BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00, Amtlich nicht veröffentlichte Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2002, 1097), d.h. Funktion sowie voraussichtliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind zu benennen. Im Rahmen der zur Annahme einer "voraussichtlichen" Investition erforderlichen Prognose ist auch zu prüfen, ob die Investition überhaupt möglich ist. Zudem müssen Bildung und Auflösung der Ansparrücklage aus der Buchführung verfolgt werden können.
Diesen Anforderungen genügt die vom Kläger gebildete Ansparrücklage. Die Bildung und Auflösung der Rücklage lassen sich aus der Buchhaltung nachverfolgen. Danach ist die Rücklage im Jahr 1999 gebildet und zum 31.08.2001 aufgelöst worden. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig (vgl. Niederschrift Erörterungstermin). Die voraussichtlichen Anschaffungskosten wurden mit DM 250.000,-- angegeben und wurden nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers im Erörterungstermin durch eine Preisnachfrage beim örtlichen Fahrzeughändler ermittelt. Durch die Bezeichnung "Kühltransporter" im Zusammenhang mit dem vom Kläger betriebenen Gewerbe ist auch hinreichend klar, welche Funktion das anzuschaffende Wirtschaftsgut erfüllen sollte. Insbesondere war die Investition zum Zeitpunkt der Rücklagenbildung im Jahr 1999 auch möglich. Zum Einen war dem Kläger nach dessen glaubhaften Vortrag zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung und der maßgeblichen Buchungen im Juli 2000 seine zur Berufsunfähigkeit führende Krankheit und die damit verbundene Veräußerung noch nicht bekannt; zum Anderen stellte die Investition in Anbetracht der Bilanzzahlen zum 31. Dezember 1999 keine unwahrscheinliche Investition dar. Die Investition machte im Zusammenhang mit dem bereits seit mehreren Jahren betriebenen Gewerbe Sinn und stellte im Hinblick auf die Gewinn- und Umsatzzahlen auch keine wesentliche Erweiterung des Betriebes dar.
Die somit vom Kläger im Jahr 1999 in zulässiger Art und Weise gebildete Rücklage war wegen der Veräußerung zum 31. August 2001 aufzulösen. Die Bildung des Rumpfwirtschaftsjahres beruhte dabei auf der Veräußerung zum 31. August 2001. Die Auflösung der Rücklage ist somit wirtschaftlich betrachtet Folge der Veräußerung und nicht des Ablaufs des Rumpfwirtschaftsjahres, da die Rücklage ohne die Veräußerung erst zum 31. Dezember 2001 hätte aufgelöst werden müssen. Die Auflösung der Rücklage während des laufenden Kalenderjahres war damit ausschließlich durch die Veräußerung veranlasst und erfolgte nicht aus den Gründen des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG. Somit war die Rücklage nicht zu Gunsten des laufenden Gewinns, sondern des Veräußerungsgewinns aufzulösen (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2004 XI R 56/03, BFH/NV 2005, 845). Dasselbe gilt für den Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Klägerseite beantragte, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine Erfolg versprechende Rechtsverfolgung zu erreichen (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Revision war im Hinblick auf das beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 31/03 anhängige Verfahren zuzulassen, dem die gleiche Rechtsfrage zugrunde liegt, sowie im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 10. November 2004 XI R 69/03, BFHE 208, 190, das die Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwendet (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. November 2004 XI R 56/03, BFH/NV 2005, 845 und BFH-Beschluss vom 05. Dezember 2005 XI B 3/05, BFH/NV 2006, 546).
Ende der Entscheidung
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