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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.10.2007
Aktenzeichen: 12 K 160/04
Rechtsgebiete: UStG, AO
Vorschriften:
UStG § 3 Abs. 1 | |
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 | |
AO § 69 |
Finanzgericht Baden-Württemberg
Tatbestand:
Bei der Klägerin handelte es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde im Jahr 1997 gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital betrug DM 50.000,-. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war Herr A.B., der daneben die Firma A.B., ........... betrieb. Gegenstand des Unternehmens war laut Gewerbeanmeldung und Gesellschaftsvertrag der Handel mit Computerteilen. Das Geschäft wurde mit zwei Angestellten - Herrn C.C. und Frau F.F. - betrieben. Herr A.B. war dabei für die finanzielle Abwicklung der einzelnen Geschäfte verantwortlich; der laufende Geschäftsbetrieb wurde durch Herrn C.C. und Frau F.F. abgewickelt. Frau F.F. hatte im Gegensatz zu Herrn C.C., der dies nicht wollte, umfassende Vertretungsmacht für den Handel mit Computerprozessoren. Vor ihrer Tätigkeit bei der Klägerin waren Herr C.C. und Frau F.F. bei der Firma - Y- beschäftigt. Die Beschäftigungsverhältnisse endeten, nachdem der Geschäftsführer der Firma wegen Steuerhinterziehung inhaftiert worden war. Davor hatte Herr C.C. bereits im Vertrieb der Computerfirmen - Z- und -W- gearbeitet.
Aufgrund einer Prüfung der Steuerfahndungsstelle (Steufa) beim Finanzamt K (Ermittlungsverfahren "........") und den daraus resultierenden Feststellungen (vgl. Strafrechtlicher und steuerlicher Ermittlungsbericht vom 05. Dezember 2002, Bl 6 ff der Steuerfahndungsakte) erließ das beklagte Finanzamt mit Datum vom 04. Juli 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 sowie mit Datum vom 07. Juli 2003 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer- Vorauszahlung für die Monate Januar und Februar 2001 (zwischenzeitlich Jahressteuerbescheid vom 11. Oktober 2006). Die Ermittlungen der Steufa hatten nichtabzugsfähige Vorsteuern ergeben (keine Lieferungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes mangels Verschaffung der Verfügungsmacht) in Höhe von DM 20.071.462,08 (ger. EUR 10.262.376,-) im Jahr 1999, DM 20.777.535,11 (ger. EUR 10.623.385,-) im Jahr 2000 und DM 2.095.858,12 (ger. EUR 1.071.595,-) bei den Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2001. Die in den Ausgangsrechnungen ausgewiesene und entrichtete Umsatzsteuer blieb unverändert, da die Umsatzsteuer aus den Ausgangsrechnungen nach § 14 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG geschuldet werde. Hieraus resultierten Nachzahlungsansprüche zu Lasten der Klägerin in Höhe von EUR 10.262.375,46 zuzüglich Zinsen in Höhe von EUR 1.385.417,00 für das Jahr 1999, EUR 10.616.077,56 zuzüglich Zinsen in Höhe von EUR 560.602,00 für das Jahr 2000 sowie EUR 1.071.594,82 für die Monate Januar und Februar 2001.
Nach den Ermittlungen der Steufa hat sich die Klägerin an einem betrügerischen europaweiten Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Die Klägerin nahm innerhalb des Karussells die Stellung eines sog. Buffers II ein. Sie bezog dabei ihre Waren (Central Processing units - CPUs) nahezu ausschließlich von einem anderen Buffer (Firma -V- GmbH) und verkaufte sie an weitere, an dem Karussell beteiligte Firmen, insbesondere an die Firma D.L. AG als sog. Distributor. Hierbei ist es nach Berechnungen der Steufa auch zu Doppel- und Mehrfachdurchläufen derselben Ware gekommen (über den gesamten Prüfungszeitraum berechnete sie, dass 10 Prozent der gehandelten Waren nicht nur einmal, sondern mehrfach bezogen und weiterverkauft wurden). Auch nach den Feststellungen im Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts K gegen Verantwortliche der Firma -V- GmbH (Az: 3 KLs 59 Js 6992/01) war die Klägerin an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Ein deswegen gegen Herrn A.B. eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde allerdings nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (Einstellungsverfügung vom 21. März 2003); das Verfahren gegen Frau F.F. wurde nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von EUR 2.500,- eingestellt; das Verfahren gegen Herrn C.C. wurde nach dessen Tod eingestellt.
Gegen die geänderten Bescheide hat die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, mit Schriftsatz vom 06. Mai 2006 Untätigkeitsklage erhoben. Während des laufenden Klageverfahrens hat das beklagte Finanzamt sodann den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2004 als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.
Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin Bezug nehmend auf die Einspruchsentscheidung und den Beklagtenvortrag zum Sachverhalt vor, dass Ein- und Verkauf ausschließlich ihre Entscheidungen gewesen seien. Es habe weder Vorgaben noch Abnahme- bzw. Lieferzwänge gegeben. Sie habe frei disponieren können. Vom Vorliegen eines Karussells sowie dessen Hintergrund und Funktionsweise habe keine Kenntnis bestanden. Dies ergebe sich insbesondere aus der Aussage des Herrn A.B. vom 03. April 2001. Auch der Name -U- sei unbekannt gewesen. Die auf Seite 6 der Einspruchsentscheidung genannten Firmen seien ihr nicht bekannt gewesen. Die Prozessoren seien bei Großkunden in nicht unerheblichem Umfang selbst verarbeitet worden. Die Mehrfachdurchläufe der Boxen seien von der Steufa lediglich finanzmathematisch hochgerechnet worden, obwohl die Boxennummern lückenlos vorhanden seien und damit eine Einzelermittlung möglich sei, die zu einem deutlich nach unten abweichenden Ergebnis führe. Die genannten Firmen S.H. sowie -Q- seien ihr nicht bekannt. Geldausschüttungen seien keine erfolgt. Von Mehrfachdurchläufen hätten weder der Geschäftsführer A.B. noch vermutlich seine Angestellten Kenntnis gehabt, die diese selbst bei Kenntnis nicht mit einem Umsatzsteuerkarussell in Verbindung gebracht hätten. Alle Boxennummern seien kopiert worden, Mehrfachdurchläufe seien nicht feststellbar gewesen. Die angesprochenen Markierungen seien jedenfalls dem Geschäftsführer A.B. bis zur Befragung durch die Steufa unbekannt gewesen. Der genannte Herr F sei im Zusammenhang mit anderen Kunden offenbar irrtümlich festgenommen worden, aber wieder frei gekommen. Die Geschäftsbeziehung habe dann noch ca. 1/2 Jahr bestanden. Der Gefängnisaufenthalt des Herrn N. sei für Herrn A.B. unbedeutend gewesen, da die Geschäfte der Klägerin sauber durchgeführt worden seien. Auch sei Herrn A.B. lediglich ein von Herrn C.C. unterschriebener Fahrauftrag zum Rotterdamer Flughafen bekannt gewesen. Die Firma selbst sei ihm unbekannt gewesen. Um einen Lieferschein habe es sich dabei nicht gehandelt.
Die Firmen G.A. GmbH und E.T. seien der Klägerin nicht bekannt. Die Firma Ä. habe den Z-Versand mit Computern und Einzelteilen beliefert. Die Firma O.E. habe für einen englischen Konzern eingekauft. Die bei der D.L. AG in der Tradingabteilung beschäftigte Frau Ö. sei vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen worden (vgl. Anlage 1 zum Schriftsatz vom 05. Oktober 2006). Der Vertrieb der Klägerin habe teils aus Waren vom freien teils vom grauen Markt bestanden. Die Ware sei stets originalverpackt gewesen. Die Originalverpackungen hätten auch nicht geöffnet werden dürfen. Die Firma Ü. verbessere ihre Prozessoren jährlich drei- bis viermal und die Kunden wollten immer nur den neuesten Prozessor. Alte Ware sei damit unverkäuflich gewesen. Die Lieferzeiten der Original Equipment Manufacturer (OEM) seien deshalb erheblich. Die Klägerin habe nicht jeden Tag Geschäfte getätigt. Phasenweise seien keine Ware auf dem Markt und keine Abnehmer vorhanden gewesen. Computerhersteller, d.h. Händler und "Schrauber" hätten überschüssige Prozessoren am selben Tag weiterverkaufen können. Die OEMs hätten vom Verkauf gelebt und hätten die Lager teils unter dem Einkaufspreis geleert bis neue Ware da gewesen sei. Für die OEMs habe mit Ausnahme bei der Auslaufware eine Preisbindung des Herstellers bestanden. Größere Stückzahlen an Prozessoren seien von Lieferanten für Aktionen bei .......... u.a. gekauft worden. Die Firmen Ä., Z-Versand, D.L. u.a. hätten die Prozessoren nicht nur (weiter)gehandelt, sondern auch verbaut. Woher und wohin die Kunden der Klägerin geliefert hätten und welche sonstigen Lieferanten vorhanden gewesen seien, sei ihr nicht bekannt gewesen. Der Kundenstamm der Klägerin habe zum Teil aus reinen Händlern, daneben aber auch aus Händlern und Selbstbauern bestanden. Defekte Teile seien dann durch diese auch zurückgegeben worden.
Ein Abwerben von Kunden unter Ausschaltung des nachfolgenden Abnehmers sei nicht möglich gewesen und hätte gegen die Grundsätze des Fairplay verstoßen, wobei die Firmen D.L. und J. auch bei der -VGmbH eingekauft hätten.
Die Redlichkeit der Klägerin ergebe sich zudem aus der einwandfreien Buchführung, den Bankauskünften der A-Bank über Kunden und Lieferanten, den erteilten Abbuchungsermächtigungen für das Finanzamt, den vom beklagten Finanzamt durchgeführten beanstandungslosen Prüfungen sowie den Kopien und der Archivierung sämtlicher Boxennummern.
Hinsichtlich der Preisgestaltung sei anzuführen, dass wegen der Schnelllebigkeit des Marktes und der täglich neu auszuhandelnden Preise sowie durch illegale Graumarktwaren, Preise deutlich unter dem Herstellerlistenpreis möglich gewesen seien.
In rechtlicher Hinsicht trägt die Klägerin vor, dass die Vorsteuerabzugsfähigkeit auch bei Umsatzsteuerkarussellen gegeben sei. Die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) getroffene Einschränkung bei Bösgläubigkeit dürfe nicht restriktiv ausgelegt werden. Eine weite Auslegung würde faktisch einer Sanktionierung Unschuldiger über das Mittel des Steuerrechts gleichkommen. Es spreche viel dafür, die erst später eingeführte Haftungsvorschrift des § 25d Umsatzsteuergesetz (UStG) aus Gerechtigkeitsgründen nicht rückwirkend für den hier in Rede stehenden Sachverhalt zu Lasten des Steuerpflichtigen anzuwenden. Auch sei zu berücksichtigen, dass in den Jahren 1997 bis Anfang 2000 der Begriff des Umsatzsteuerkarussells allenfalls in Fachkreisen und den Ermittlungsbehörden geläufig gewesen sei. Die genaue Funktionsweise und die Hintergründe seien erst im neuen Jahrtausend aufgearbeitet worden. Für den normalen Steuerpflichtigen seien die Gesamtabläufe nicht durchschaubar gewesen. Schließlich sei bei der neuen Haftungsvorschrift des § 25d UStG auf die Bösgläubigkeit des Unternehmers abzustellen. Diese sei nur dann anzunehmen, wenn ein Mitwissen des Unternehmers oder ein gemeinsames Handeln mit den (bösgläubigen) Angestellten vorliege. Dies sei bei Herrn A.B. jedenfalls nicht der Fall, selbst wenn von einer Bösgläubigkeit von Frau F.F. und Herrn C.C. ausgegangen werde, was aber bestritten werde. Überdies sei ein etwaiges Verschulden bzw. kennen müssen/können der Angestellten der Klägerin und deren Geschäftsführer nicht zuzurechnen, da hierdurch systemwidrig der Vorsteuerabzug zu einem Haftungstatbestand gemacht würde und jedenfalls vorliegend der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt würde.
Auch müsse der Beklagte zunächst das Feststehen objektiver Kriterien bezüglich des Wissens bzw. Wissenmüssens dartun und beweisen. Dies sei dem Beklagten jedoch nicht gelungen. Seitens der Klägerin sei ein ganzes Maßnahmebündel sowohl bei dem Einstieg in das branchenfremde Geschäft als auch während der Geschäftstätigkeit getroffen worden. So seien neben weiteren Einzelmaßnahmen die Hausbank und zwei Steuerberater eingebunden gewesen; daneben sei eine Vielzahl von Umsatzsteuerprüfungen ohne Beanstandung abgeschlossen worden. Darüber hinaus seien als weitere Vorsichtsmaßnahme zur Abwendung von Reklamationen seit August 1997 die Boxlabels kopiert worden, was den Ermittlungsbehörden erst die Feststellung von Doppel- bzw. Mehrfachdurchläufen ermöglicht habe. Bei unterstellter Bösgläubigkeit wäre dieser Aufwand sicher nicht betrieben worden, da die Klägerin an der Schaffung belastenden Beweismaterials dann kein Interesse gehabt hätte, so dass dieser Umstand wiederum für die Klägerin spreche. Darüber hinaus seien Geschäftsbeziehungen wie die zur Firma O. bei Kenntnis von Unregelmäßigkeiten sofort abgebrochen worden. Schließlich könnten aus den (noch verbliebenen) Doppel- bzw. Mehrfachdurchläufen keine negativen Schlüsse zu Lasten der Klägerin gezogen werden, da diese von den Firmenverantwortlichen der Klägerin auch hätten erkannt werden müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Insbesondere sei bei den meisten vom Beklagten festgestellten Mehrfachdurchläufen keine Zusatzmarkierung auf den Boxenlabels erkennbar, wobei zudem unklar sei, in welchen Fällen von einer Markierung im Sinne des Beklagten auszugehen sei. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass es sich bei den Boxnummern entgegen der Annahme des Beklagten wohl um kein Alleinstellungsmerkmal handele; dies dürfte branchen- und damit auch Herrn C.C. bekannt gewesen sein, weshalb Mehrfachdurchläufe und deren Nachprüfbarkeit für ihn keine Rolle gespielt haben dürften. Bei den von Frau F.F. vermerkten Mehrfachdurchläufen habe es sich um Retouren bzw. von D.L. vermerkte Informationen gehandelt haben können.
Schließlich würde die Streichung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verletzen, da die in den Ausgangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sowohl vom Vorlieferanten als auch von der Klägerin abgeführt worden sei. Die Streichung wäre nur bei einem nachgewiesenen rechtsmissbräuchlichen Verhalten der Klägerin gerechtfertigt, was vorliegend aber gerade nicht der Fall sei.
Die Klägerin beantragt,
für das Jahr 1999 DM 18.314.273,-, für das Jahr 2000 DM 20.032.663,- und für das Jahr 2001 DM 1.833.552,- an Vorsteuern zum Abzug zuzulassen, hilfsweise die Revision zuzulassen, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zur Einspruchsentscheidung wird vorgetragen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH der Vorsteuerabzug zu versagen sei, wenn aufgrund objektiver Umstände feststehe, dass die Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen worden sei, der gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteilige, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen sei. Die Klägerin als GmbH müsse sich grundsätzlich das Wissen ihres gesetzlichen Vertreters, also von Herrn A.B., zurechnen lassen. Daneben gelte der Grundsatz, dass sich derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraue, das in diesem Zusammenhang erlangte Wissen des Anderen zurechnen lassen müsse. Deshalb sei vorliegend hinsichtlich des Wissens auch auf die Person von Herrn C.C. abzustellen. Dieser habe das operative Geschäft der Klägerin initiiert und geleitet, habe den Kontakt zu den Lieferanten und Abnehmern hergestellt und habe die Warenannahme und -ausgabe selbständig abgewickelt. Demgegenüber sei Herr A.B. nur anfänglich bei der Warenübergabe zugegen gewesen und habe sich später fast ausschließlich um seinen Druckereibetrieb gekümmert.
Bei der Frage des "Wissenmüssens" sei zu beachten, dass hierdurch lediglich der redliche Buffer geschützt werden solle, also derjenige, der neben vielen Nicht-Karussellumsätzen vereinzelte Umsätze innerhalb eines Karussells ausweise. Im Streitfall seien jedoch nahezu alle Umsätze dem Umsatzsteuerkarussell und ein und demselben Lieferanten zuzuordnen. Auch sprächen zahlreiche Indizien für ein "Wissen müssen" der Klägerin:
Über die -V- GmbH und deren Geschäftsführer, mit der die Klägerin über 90% ihrer Umsätze getätigt habe, seien in der Computerbranche Gerüchte im Zusammenhang mit Umsatzsteuerkarussellen kursiert.
Es sei immer wieder vorgekommen, dass dieselbe Kiste mit CPUs innerhalb kurzer Zeit mehrfach (bis zu fünfmal) von der -V- GmbH gekauft und an die Firma D.L. weiterveräußert worden sei, was zumindest Herrn C.C. bekannt gewesen sei. Auffallend sei in diesem Zusammenhang, dass der Anteil an Mehrfachlieferungen von 8% im Jahr 1999 auf 15% im Jahr 2000 angestiegen und im Jahr 2001 dann auf 5,13% gefallen sei. Grund hierfür sei gewesen, dass in der Branche vermehrt Steufa-Einsätze stattgefunden hätten, weshalb die Klägerin verstärkt die Lieferungen kontrolliert und Mehrfachdurchläufe zurückgewiesen habe. Zur Feststellung von Mehrfachlieferungen seien die Kartons individuell markiert gewesen, was Herrn C.C. bekannt gewesen sei.
Den Herren A.B. und C.C. sei bekannt gewesen, dass in den CPU-Handel involvierte Personen wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden seien und dass die Firma D.L. vornehmlich in die Niederlande exportiert habe. Auch sei die persönliche Verflechtung bei N./ -Y- besonders auffallend, bei dem Herr C.C. beschäftigt gewesen sei und der zunächst im Bürokomplex des Herrn A.B. ein Büro angemietet gehabt habe. Später sei er wegen einer Steuerstraftat verhaftet und verurteilt worden, was auch Herr A.B. aus Gesprächen mit Herrn C.C. gewusst habe.
Lieferbeziehungen mit einer Firma RR GmbH seien nach einer Steuerfahndungsprüfung abgebrochen worden. Als die Geschäftsführerin aber mit der neuen Firma SS wieder auf dem Markt aufgetreten sei, habe die Klägerin mit dieser Firma Lieferbeziehungen unterhalten.
Der Kundenstamm der Klägerin sei nicht ausgebaut worden, obwohl es hierzu Gelegenheit gegeben hätte, da man Sanktionen vom Karussell befürchtet habe.
Es sei großer Wert auf intakte Verpackungen gelegt, der Inhalt aber nicht überprüft worden.
Innerhalb kürzester Zeit seien hohe Umsätze und damit hohe Gewinne erzielt worden.
Branchenunüblich seien keine Zahlungsziele vereinbart worden; selbst Großkunden hätten per Blitzgiro zahlen müssen.
Mit Beweisbeschluss des erkennenden Senats vom 22. Januar 2007 wurde die Vernehmung der Personen UU, WW, EE, F.F., CC, KK, Ö., II und NN als Zeugen angeordnet. Die Ladung des Zeugen NN konnte nicht zugestellt werden, da er von der Stadt M am 17. September 2003 von Amts wegen mit unbekanntem Aufenthalt abgemeldet wurde. Mit weiterem Beweisbeschluss vom 15. März 2007 wurde die (eingeschränkte) Verlesung der Vernehmungsprotokolle des verstorbenen Herrn C.C. sowie der Herren DD und ÄÄ, deren Anschriften nicht ermittelt werden konnten, angeordnet. Durch weiteren Beweisbeschluss vom 22. März 2007 wurde die Vernehmung von Herrn N., Herrn Rechtsanwalt HH, Frau C.C., Herrn LL, Herrn -U- sowie Herrn Steuerfahnder EE als Zeugen angeordnet. Mit weiterem Beweisbeschluss vom 05. April 2007 wurde die Zeugenvernehmung der Steuerfahnderin BB und des Steuerfahnders ÜV sowie von Herrn KL angeordnet (alle Beweisbeschlüsse: s. Ordner Beweisbeschlüsse). Die Aussagen der Zeugen sowie die verlesenen Vernehmungsprotokolle sind in den Niederschriften über die mündliche Verhandlung protokolliert.
Schließlich wurde der Beklagte mit Auflagenbeschluss vom 08. Mai 2007 aufgefordert, "den jeweiligen Warenweg der den Vorsteuerkürzungen laut strafrechtlichem und steuerlichem Ermittlungsbericht vom 05. Dezember 2002 (dort aufgelistet in der Anlage 2) zugrundeliegenden Wareneinkäufe im einzelnen in geeigneter und nachvollziehbarer Weise darzustellen" sowie mitzuteilen, "inwieweit ein an der Lieferkette vorhergehend oder nachfolgend Beteiligter eine Umsatzsteuerhinterziehung oder einen Umsatzsteuerbetrug im Sinne der EuGH-Rechtsprechung begangen hat". Dem ist der Beklagte mit Schriftsätzen nebst Anlagen vom 29. Mai 2007 und vom 25. Juni 2007 nachgekommen.
Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte, den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (jeweils 1 Band Umsatzsteuer-, Rechtsbehelfs-, Steuerfahndungs-, Bilanz- und Allgemeine Akten, 1 Steuerfahndungsbericht D.L., 1 Steuerfahndungsakte Vorermittlungen, 1 Steuerfahndungsakte Kopie, 1 Ordner Ermittlungsvermerke, 12 Ordner Doppeldurchläufe/Warenbewegungen 99-01, 1 Ordner Beschuldigtenvernehmung, 1 Ordner PP NB/OPf. Vernehmungen Fahrer 1, 1 Ordner PP NB/OPf. Vernehmungen Fahrer 2, 5 Ordner PP NB/OPf. CPUKette 1999 - 2001, 1 Ordner PP NB/OPf. Auszüge aus TKÜ, 4 Ordner Finanzamt K - Steuerfahndungsstelle - FG-Verfahren -X-, 1 Ordner D.L. 1999, 1 Ordner -X- Strafurteile gg. (Vor) Lieferanten) sowie dem Inhalt der mündlichen Verhandlung entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.
Die Akten aus dem Verfahren 12 V 10/04 wurden beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Vorsteuerbeträge, soweit sie noch in Höhe von DM 18.314.273,00 (1999), DM 20.032.663,00 (2000) und DM 1.833.552,00 (2001) streitig geblieben sind, zu Recht nicht zum Abzug zugelassen.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der entsprechende Artikel 17 der 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer unter anderem die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert worden sind, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
Eine Lieferung liegt nach § 3 UStG vor, wenn der Unternehmer einem Anderen Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft. Nach dem entsprechenden Artikel 5 der 6. EG-Richtlinie gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug.
Die Klägerin verfügt über Rechnungen ihrer Lieferanten über die Lieferung von CPUs, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist. Die rechnungsmäßigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug liegen danach vor.
Die Lieferanten sind auch Unternehmer. Unternehmer ist, wer Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt erbringt. Entgegenstehendes ergibt sich auch nicht aus der 6. EG-Richtlinie. Nach dem maßgeblichen Art. 4 der 6. EG-Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger und damit dem Grunde nach als vorsteuerabzugsberechtigt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit, unter die nach Abs. 2 u.a. alle Tätigkeiten eines Händlers fallen, selbständig und unabhängig vom Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Die Lieferanten der Klägerin - im Wesentlichen die -V- GmbH - haben in erheblichem Umfang CPUs eingekauft und sowohl an die Klägerin als auch an andere Unternehmer (J., PP) weiter verkauft. Ebenso ist die Klägerin Unternehmerin. Sie ist hinsichtlich der von ihr erworbenen CPUs als Händlerin am Markt aufgetreten und hat durch deren Weiterverkauf tatsächlich Lieferungen erbracht. Dies hat sie selbständig getan, da sich eine Fremdbestimmung auch aus den Ermittlungsakten nicht entnehmen lässt. Auch aus der Einspruchsentscheidung ergibt sich folgender Ablauf der Lieferungen: "Herr C.C., der die Kontakte zu den entsprechenden Unternehmen hatte, informierte sich bei den Lieferanten über Größenordnung und Preis der zur Verfügung stehenden CPU-Lieferung und bot die Ware daraufhin potentiellen Abnehmern an. War man sich einig, bestätigte zuerst der Kunde unwiderruflich per Fax die Abnahme der CPU-Lieferung, bevor Herr C.C. ebenfalls per Fax unwiderruflich dem Lieferanten den Auftrag bestätigte." Dieser Ablauf ist unstreitig. Die Klägerin konnte mithin wie ein typischer Unternehmer handeln und die Verträge kamen durch Angebot und Annahme zustande. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin als sog. Buffer II in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden war und sich damit außerhalb des allgemeinen wirtschaftlichen Verkehrs betätigt haben soll. Real existierende Firmen und tatsächlich erfolgte Lieferungen schließen ein Tätigwerden außerhalb des allgemeinen wirtschaftlichen Verkehrs per se aus, es sei denn es handelt sich um Produkte, für die kein legaler Markt besteht, wovon bei CPUs nicht ausgegangen werden kann. Im Übrigen hat die Klägerin auch Umsatzsteuerklärungen abgegeben und die jeweilige Umsatzsteuerschuld bezahlt.
Die in den Rechnungen ausgewiesenen CPUs sind an die Klägerin auch tatsächlich geliefert und von dieser nach Veräußerung weitergeliefert worden.
Eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichem Sinn besteht in der Verschaffung der Verfügungsmacht zu Gunsten des Leistungsempfängers (§ 3 Abs. 1 UStG). Das bedeutet, dass dem Leistungsempfänger Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden müssen. Die Klägerin hat über ihre Angestellten C.C. und F.F. Verträge mit ihren Lieferanten über den Erwerb von Ü.-CPUs abgeschlossen, was auch vom Beklagten nicht bestritten wird. Die Geschäfte sind auch wie vereinbart durchgeführt worden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um Scheingeschäfte handelte, bei denen sich beide Parteien einig waren, das Geschäft nicht wie erklärt durchführen zu wollen, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil sind an die Klägerin tatsächlich Kunststoffpaletten mit darauf befestigten Kartons, in denen sich verpackt die CPUs als sog. trayware befunden haben, geliefert worden. Aufgrund der getroffenen Vereinbarungen hat die Klägerin Verfügungsmacht an den CPUs erhalten und diese dann an ihre Kunden weitergeliefert. Der Besitz- und Eigentumserwerb der Klägerin vollzog sich bei Lieferungen an den Firmensitz durch Einigung und Übergabe. Durch die Anlieferung und Weiterveräußerung der Ware ist es zu einem Eigentums- und Besitzwechsel an der Ware gekommen, so dass von Lieferungen im umsatzsteuerlichen Sinne auszugehen ist. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin in im Wesentlichen feste Lieferbeziehungen eingebunden war, denn dies entspricht einer üblichen wirtschaftlichen Praxis und ist zur Vermeidung von Lieferantenausfällen nicht unüblich. Dass bei Auftragslieferungen oder Auftragsfertigungen im Zulieferbereich, der oftmals mit nur einem Großkunden in Lieferbeziehung steht, wie z.B. in der Automobilindustrie, das Vorliegen einer Lieferung zu verneinen sei, wird selbst von Finanzbehörden nicht vertreten. Dass die Klägerin gezwungen gewesen wäre, ihre Ware im Wesentlichen von der -V- GmbH zu beziehen und an die D.L. AG zu veräußern, ist dem vorliegenden umfangreichen Aktenmaterial jedenfalls nicht zu entnehmen. Hier wird lediglich ohne weitere Nachweise von den Ermittlungsbehörden behauptet, dass ein Verlassen der festgelegten Lieferwege Sanktionen des Karussells zur Folge gehabt hätte.
Gegenüber der Klägerin sind damit von anderen Unternehmern Lieferungen erbracht worden, für die in Rechnungen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen worden ist. Insofern liegen die (objektiven) Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zugunsten der Klägerin vor.
Der der Klägerin danach zustehende Vorsteuerabzug kann nicht allein mit dem Hinweis darauf verweigert werden, sie habe innerhalb eines Umsatzsteuerkarussells gehandelt.
Das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug wird nicht dadurch berührt, dass in der Lieferkette, zu der der Umsatz des Steuerpflichtigen gehört, ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist. Dies ergibt sich daraus, dass das in Art. 17 ff der 6. EG-Richtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und deshalb grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen. Ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Umsätze geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus abgeführt wurde, ist für das Recht auf den Vorsteuerabzug damit unmaßgeblich. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer verbietet eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften. Die Einstufung eines Verhaltens als strafbar führt nicht ohne weiteres dazu, dass der fragliche Vorgang nicht steuerbar ist. Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, müssen auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen können, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren. Steht dagegen aufgrund objektiver Umstände fest, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" bzw. einen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen war, so verliert er sein Recht auf den Vorsteuerabzug (vgl Urteile des Europäischen Gerichtshofs - EuGH -vom 06. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04, Umsatzsteuerrundschau - UR - 2006, 594 sowievom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355-03 und C-484/03, UR 2006, 157 ; im Anschluss daran Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. April 2007 V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035).
Hinweise hierauf können die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Verbindungen zwischen den Akteuren liefern. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch die Position des Steuerpflichtigen bei der Manipulation. Je näher die Verbindung zum Missing-Trader ist, desto wahrscheinlicher ist eine Kenntnis von der Einbindung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung.
Nach Ansicht des Senats ist dabei die Beteiligung an einer "Mehrwertsteuerhinterziehung" bzw. einem "Mehrwertsteuerbetrug" nicht dahingehend zu verstehen, dass eine nach dem nationalen Recht strafbare Steuerhinterziehung gem. § 370 AO bzw. ein strafbarer Betrug gem. § 263 Strafgesetzbuch (StGB) vorliegen muss. Ziel der 6. EG-Richtlinie ist nämlich die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch. Insoweit ist es jedoch erforderlich, bereits bei bewussten Pflichtwidrigkeiten den Vorsteuerabzug zu versagen. Es ist also auch in den Fällen, in denen zwar Umsatzsteuererklärungen mit Zahllasten abgegeben worden sind, diese jedoch entsprechend dem vorgefassten Tatplan nicht beglichen worden sind, bei entsprechender Kenntnislage von einer vorsteuerschädlichen Beteiligung auszugehen, da es auch hierdurch zu einer Schädigung des Umsatzsteueraufkommens kommt.
Aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen (4 Leitzordner Finanzamt K - Steuerfahndungsstelle - FGVerfahren -X-) sowie dem landgerichtlichen Urteil in Sachen -V- ergibt sich, dass bei den letztendlich nicht anerkannten Vorsteuerbeträgen entweder einer der Vorlieferanten keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben oder zwar Umsatzsteuererklärungen mit Zahllasten abgegeben, diese aber gemäß gefasstem Tatplan nicht abgeführt hat. In sämtlichen Liefervorgängen, bei denen die Vorsteuer nicht zum Abzug zugelassen worden ist, waren Lieferanten involviert, bei denen bereits vom Landgericht K die "Missing- Trader-Eigenschaft" festgestellt worden ist. Zweifel an diesen Feststellungen haben sich im vorliegenden Verfahren für den Senat nicht ergeben; vielmehr haben sich diese Feststellungen im vorliegenden Verfahren bestätigt. Sie konnten anhand der eingereichten und bereits benannten Unterlagen verifiziert werden. Unbeachtlich ist insoweit, dass nicht in allen Fällen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erfolgt ist, da es hierauf nicht entscheidend ankommt. Wie bereits ausgeführt ist bei entsprechender Kenntnislage ein pflichtwidriges Verhalten eines Lieferanten der Lieferkette für die Aberkennung des Vorsteuerabzugs ausreichend.
Hinsichtlich dieser Umsätze ist zur Überzeugung des Senats auch zumindest von einem Kennen müssen der Klägerin auszugehen. Dabei ist der Klägerin nicht nur das Wissen ihres Geschäftsführers, sondern auch das der Angestellten C.C. und F.F. zuzurechnen (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 26. April 1988 VII R 124/85, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 153, 463 sowie BFH-Urteil vom 29. Juli 2003 VII R 3/01, BFH/NV, 2003, 1521). Entgegen den Ausführungen der Klägerseite bedingt die Zurechnung keinen Systemverstoß im Hinblick auf den Sofortabzug der Vorsteuer und stellt auch keinen Wertungswiderspruch zur Haftung nach § 69 Abgabenordnung (AO) dar. Insoweit gilt auch in der Umsatzsteuer der allgemeine Rechtsgedanke, dass jemand seine Stellung im Rechtsverkehr nicht dadurch verbessern darf, dass er Dritten die Erfüllung seiner Verpflichtungen überlässt und damit seinen Risikobereich ausweitet. Dies wäre aber der Fall, wenn durch die Beschäftigung eines bösgläubigen Arbeitnehmers Vorsteuern aus betrügerischen Umsatzsteuerkarussellen zum Abzug zugelassen würden. Demgegenüber liegt der Haftung eine ganz andere Situation zugrunde. Im Haftungsrecht geht es um das subsidiäre Einstehen müssen für eine fremde Schuld. Der als Vertreter Haftende wird zusätzlich zum Steuerpflichtigen herangezogen, weil er den Schaden durch Verletzung ihm persönlich obliegender Pflichten verursacht hat.
Jedenfalls hinsichtlich der Angestellten C.C. und F.F. ergibt sich ein Kennen müssen bereits aus den folgenden objektiven Umständen, wobei hinsichtlich des Kennenmüssens vor dem Hintergrund der Bekämpfung des Umsatzsteuermissbrauchs und der Wahrung der Wettbewerbsneutralität nicht auf die konkreten Verhältnisse, sondern auf den Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns abzustellen ist:
Sowohl Herr C.C. als auch Frau F.F. hatten Kenntnis von Mehrfach- bzw. Doppeldurchläufen. So ist von Frau F.F. auf verschiedenen Lieferscheinen bereits im Jahr 1999 vermerkt worden "schon mal gehabt". Dass Frau F.F. Doppeldurchläufe als Problem bekannt waren, wird des Weiteren bestätigt durch die Zeugenaussage der Frau F.F. in der Vernehmung vom 07. März 2007 (vgl. Seite 3 und 4 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 07. März 2007). Insoweit ist der Klägervortrag, dass es sich um unverfängliche Retouren gehandelt haben könne, nicht nachvollziehbar, zumal im Zusammenhang mit Retouren der Vermerk keinen Sinn macht. Herr C.C. hatte in seiner Vernehmung vom 03. April 2001 (Seiten 9, 10) von Doppeldurchläufen und entsprechenden Kennzeichnungen berichtet und in seiner Vernehmung vom 21. November 2001 eingeräumt, von Kennzeichnungen der Pakete durch die Firma Ä. zum Zwecke der Vermeidung von Mehrfachdurchläufen Kenntnis gehabt zu haben (Seite 1 letzter Absatz und Seite 2 erster Absatz des Vernehmungsprotokolls). Insoweit hatte er auch ein "Problembewusstsein". Deshalb reagierte er derart ungehalten auf entsprechende Lieferungen, was ebenfalls keinen Sinn machen würde, wenn Mehrfachdurchläufe mit gleichen Boxennummern ohne Aussagekraft und unverfänglich gewesen wären. Trotzdem wurde an der Firma -V- als Lieferanten festgehalten.
Diese Kenntnis und das damit verbundene Problembewusstsein werden bestätigt durch die glaubwürdige Aussage des Zeugen II (S. 21 ff der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 08. März 2007), der ebenfalls von einer Kenntnis des Herrn C.C. als Brancheninsider ausgegangen ist. Auch aus der Aussage der Frau Ö. als Zeugin in der mündlichen Verhandlung am 07. März 2007 geht hervor, dass es bei der Klägerin Doppeldurchläufe gegeben hatte und dass dies Herrn C.C. bekannt gewesen war (Niederschrift S. 9 und 10). Der Aussage des Zeugen KL in der mündlichen Verhandlung vom 02. Mai 2007 ist zu entnehmen, dass Herr C.C. von Doppeldurchläufen und entsprechend markierter Ware wusste und die gelieferte Ware auch dann angenommen hat, wenn diese "besonders auffällig markiert" angeliefert wurde (Niederschrift S. 3 und 4).Die Zeugin BB hat bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 02. Mai 2007 ausgesagt, Herrn C.C. seien die gesamten Geschäftspraktiken, wie es bei der Klägerin gelaufen sei, bekannt gewesen (Niederschrift S. 11 - 13).Dieses Wissen um die Mehrfachdurchläufe im Zusammenhang mit dem (teilweisen) äußeren Zustand der Kartons (Kennzeichnungen, Beschädigungen) und den Branchenkenntnissen (Steuerfahndungsprüfungen) lässt zumindest auf ein (zurechenbares) Kennen müssen von Herrn C.C. bzw. Frau F.F. schließen. Soweit die Klägerseite vorträgt, dass Kennzeichnungen der Kartons nicht erkannt worden seien, so ist dies bei einer Gesamtschau des Sachverhalts nicht glaubhaft. Insbesondere aus der Auflistung des Beklagtenschriftsatzes vom 19. September 2007, Anlage 4, drängt sich dies förmlich auf. So passierte die Box mit der Nummer ABCDEFG11 am 24. September, 11. Oktober und 14. Oktober die Klägerin. Beim ersten Durchlauf war das Label mit keiner Kennzeichnung versehen, beim zweiten mit einem deutlich erkennbaren Schrägstrich und beim dritten mit zwei Schrägstrichen. Ein ordentlicher Kaufmann hätte sich in dieser Situation davon überzeugt, dass in den Lieferbeziehungen keine steuerlichen Unregelmäßigkeiten vorkommen oder sie beendet und nicht darauf vertraut, dass alles seine Richtigkeit habe. Insoweit bedarf es auch keines Rückgriffs auf die Telefonüberwachungsprotokolle, deren unmittelbare sowie mittelbare Verwertung mangels Ermächtigungsgrundlage und der damit sonst verbundenen Verletzung eines verfassungsrechtlich geschützten Bereichs des Steuerpflichtigen (Art. 10 Grundgesetz, GG) einem qualifizierten materiell-rechtlichen Verwertungsverbot unterliegt (vgl. BFHBeschluss vom 26. Februar 2001 VII B 265/00, BStBl II 2001, 464 und BFH-Urteil vom 04. Oktober 2006 VIII R 53/04, BStBl II 2007, 227). Zwar ist mittlerweile - nach dem Ergehen der zitierten BFHRechtsprechung - § 477 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) in Kraft getreten. Diese Bestimmung beschränkt die Übermittlung personenbezogener Informationen, die u.a. durch Maßnahmen gemäß § 100 a StPO ermittelt wurden, auf Zwecke u.a. zur Abwehr von erheblichen Gefahren. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Verwertung der Telefonprotokolle stellt § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dar, da es aufgrund der abgeschlossenen Strafverfahren und der bereits erfolgten geänderten Steuerfestsetzungen mit anschließenden Vollstreckungsmaßnahmen an der Abwehr einer erheblichen Gefahr fehlt.
Es wurden sehr schnell hohe Umsätze (bereits im Jahr 1999 DM 127.057.270,49 und im Jahr 2000 DM 131.592.676,90) und Gewinne (bereits für 1999 Jahresüberschuss DM 588.868,67 mit Ausschüttung in Höhe von DM 100.000,- und für 2000 DM 459.003,68 und Ausschüttung in Höhe von DM 200.000,-) bei praktisch keinem Risiko erzielt, was einen ordentlichen Kaufmann ebenfalls hätte misstrauisch werden lassen müssen, da dies der unternehmerischen Realität widerspricht. Dies umso mehr, als die Klägerin über kein besonderes Know how verfügte, sondern lediglich auf der gleichen Handelsstufe Lieferbeziehungen unterhielt und bei Betrachtung der getätigten Geschäfte eine Auslastung von 2 Vollzeitkräften ausgeschlossen erscheint, die zudem in Anbetracht der verrichteten Tätigkeiten und Vorbildungen auch noch eine attraktive Entlohnung erhielten. Genau dies widerspricht auch dem von der Klägerseite als Begründung für die Mehrfachdurchläufe ins Feld geführten börsenmäßigen Handel der CPU's (vgl. insoweit auch Urteil des Finanzgerichts München vom 08. Februar 2007 14 K 1898/04, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 881), da die Klägerin mit festen Gewinnaufschlagsätzen bei festen Lieferbeziehungen kalkulierte, die sie dann auch jeweils realisieren konnte, so dass ihr aus den einzelnen Geschäften keine Verluste entstanden sind. Insoweit fehlt es an einem wesentlichen Element für den börsenmäßigen Handel, nämlich dem Verlustrisiko, das die Klägerin offensichtlich nicht trug.
Des Weiteren wäre einem ordentlichem Kaufmann aufgefallen, dass aufgrund der niedrigen Einkaufspreise nicht alles mit rechten Dingen zugehen konnte. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung LÖ (vgl. insoweit die Ausführungen des Zeugen ÜV, S. 5 ff der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 02. Mai 2007) hatte die an die Klägerin gelieferte Ware regelmäßig einen Preis, der unter dem Preis der OEM-Lieferanten lag, die ja bereits über besondere Preisvorteile verfügten. Einem ordentlichen Kaufmann, der sich in dieser Branche betätigt, wäre dies aufgefallen und er hätte von diesen Geschäften Abstand genommen, was wiederum durch die Aussage des Zeugen -U- bestätigt wird (vgl. S. 4 ff der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. April 2007).
Schließlich können die zahlreichen Umsatzsteuer-Sonderprüfungen im Jahr 1998 die Klägerin insoweit nicht entlasten. Zwar wurden bei diesen Prüfungen keine Unregelmäßigkeiten entdeckt; hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich nur um punktuelle Überprüfungen durch eine Behörde gehandelt hat, die zu diesem Zeitpunkt - im Gegensatz zur Klägerin - noch keine tieferen Branchenkenntnisse hatte, weshalb die Klägerin aus den beanstandungslosen Überprüfungen nicht auf die Seriosität ihrer Lieferbeziehungen schließen konnte. Im Gegenteil hätten diese gehäuften Prüfungen im Zusammenhang mit den bereits benannten Kriterien Anlass für die Klägerin sein müssen, sich kritisch mit ihren Lieferbeziehungen auseinanderzusetzen und diese genauer zu hinterfragen. Die Einholung von Bankauskünften und Handelsregistereintragungen ist bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht ausreichend (vgl. insoweit auch Ausführungen des Bundesrechnungshofs in seinem Bericht vom 03. September 2003, S. 25, veröffentlicht unter www.bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen/sonderberichte). Im Ergebnis dürften diese Kriterien in Verbindung mit einer nicht ausreichenden Überwachung der Angestellten auch für ein Kennen müssen des Geschäftsführers der Klägerin ausreichend sein (vgl. insoweit auch die staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügung vom 21. März 2003), worauf es aber im Ergebnis aufgrund des der Klägerin zurechenbaren Verhaltens von Herrn C.C. und Frau F.F. nicht ankommt.
Des Weiteren stellt die Kürzung der Vorsteuer bei der Klägerin trotz abgeführter Umsatzsteuern aus den nachfolgenden Geschäften keinen Verstoß gegen das umsatzsteuerliche Neutralitätsprinzip dar. Durch die Nichtabführung der Umsatzsteuer auf der Ebene der Missing trader ist es dort zu einer Störung gekommen, die durch die Kürzung der Vorsteuer bei der Klägerin zu beseitigen ist.
Schließlich stellt die Versagung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Das von der Sechsten Richtlinie anerkannte und geförderte Ziel, eine ordnungsgemäße Erhebung der Mehrwertsteuer zu sichern und Steuerhinterziehungen zu bekämpfen, stellt hohe Anforderungen an die Überprüfung von Geschäftsbeziehungen. Anhand der überdeutlichen Anzeichen für das Vorliegen inkriminierter Geschäfte, konnte die Klägerin sich nicht auf Formalprüfungen beschränken, sondern hätte die Geschäftsbeziehung zu ihren Vorlieferanten abbrechen müssen. Dadurch, dass sie dies nicht getan hat, ist es zu einem erheblichen Umsatzsteuerausfall gekommen, wofür die Klägerin als mit verursachendes Glied in der Kette einzustehen hat. Dies ist auch im Verhältnis zu den seriösen Händlern geboten, die von solchen Geschäften gerade Abstand genommen haben (vgl. insbesondere Zeugenaussage -U-, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2007, Seite 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO bzw. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
Der Klägerin waren im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Kosten ganz aufzuerlegen. Denn der Beklagte ist, soweit er dem Klageantrag im Verlaufe des Verfahrens entsprochen hat, nur zu einem geringen Teil unterlegen.
Die Revision war im Hinblick auf das beim BFH unter dem Aktenzeichen V B 54/07 anhängige Verfahren (Urteil des Finanzgerichts München vom 08. Februar 2007 14 K 1898/04, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 881) nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO als auch wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da der BFH soweit ersichtlich bislang nicht die Möglichkeit hatte, die vom EuGH aufgestellten Grundsätze weiter zu konkretisieren.
Ende der Entscheidung
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