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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 3 K 1217/07
Rechtsgebiete: GG, EStG
Vorschriften:
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 | |
GG Art. 103 Abs. 2 | |
EStG § 23 Abs. 1 |
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Besteuerung von zwei privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des sog. "Steuerentlastungsgesetzes" (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402) gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.
Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 26. Januar 1998 u.a. die Eigentumswohnungen (ETW) Nr. 2 und Nr. 46 in einem Gebäude in X, (X). Die Anschaffungskosten für die Wohnung Nr. 2 betrugen (umgerechnet) 35.301 EUR, für die Wohnung Nr. 46 (umgerechnet) 39.332 EUR. Diese Wohnungen vermietete er anschließend. Mit Verträgen vom 24. Januar 2004 veräußerte der Kläger die ETW Nr. 46 für 55.000 EUR. Mit Vertrag vom 21. Oktober 2005 veräußerte er die ETW Nr. 2 für 52.000 EUR. Zwischenzeitlich hatte der Gesetzgeber mit dem StEntlG 1999/2000/2002 im März 1999 die Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken von zuvor zwei auf zehn Jahre verlängert und mit der neu gefassten Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG (jetzt: § 52a Abs. 11 Satz 1 EStG 2009) angeordnet, dass diese Neuregelung auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden ist, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht.
In ihrer beim Finanzamt X (FA X) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 erklärten die Kläger einen privaten Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der Wohnung Nr. 46 in (unstreitiger) Höhe von 19.177 EUR, den das FA X im Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 20. Mai 2005 erklärungsgemäß berücksichtigte.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger beim FA X Einspruch ein, trugen vor, dass die rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist (früher: Spekulationsfrist) von zwei auf zehn Jahre verfassungswidrig sei, und beantragten, das Verfahren zu lassen. Dem Ruhensantrag entsprach das FA X mit Schreiben vom 31. Mai 2005.
In ihrer beim FA X eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 erklärten die Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung der Wohnung Nr. 2 in Höhe von 20.840 EUR. Gleichzeitig gaben sie an, in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten (des Finanzamts --FA--) verzogen zu sein. Das FA X gab daraufhin die Akten an das FA ab, das im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 19. Oktober 2006 den Veräußerungsgewinn auf --unstreitige-- 18.790 EUR reduzierte.
Auch gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit gleicher Begründung wie für das Jahr 2004 Einspruch beim FA ein und beantragten, das Verfahren ruhen zu lassen. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2006 teilte das FA den Klägern mit, dass die Einsprüche für die Jahre 2004 und 2005 aus Sicht des FA keine Aussicht auf Erfolg hätten und das Verfahren wegen Einkommensteuer 2004 fälschlich ruhe, weil im Streitfall zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung die frühere Spekulationsfrist von zwei Jahren noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Nachdem die Kläger, vertreten durch den Klägervertreter, nochmals Stellung genommen und erläutert hatten, warum auch in ihrem Fall von einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung auszugehen sei, wies das FA die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2007 als unbegründet zurück. Die Besteuerung der --in der Höhe unstreitigen-- Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sei nicht verfassungswidrig. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BStBl II 2004, 284, Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG--: 2 BvL 2/04) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Besteuerung privater Grundstücksveräußerungsgewinne mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar ist, als auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensteuer unterworfen werden. Dem Beschluss könne allerdings - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht entnommen werden, dass der BFH auch eine Verfassungswidrigkeit in Fällen annehme, bei denen --wie hier-- die frühere Spekulationsfrist von zwei Jahren noch nicht abgelaufen war. Der BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 15.07.2004 IX X 116/03, BStBl II 2004, 1000) messe dieser Rechtsfrage auch keine grundsätzliche Bedeutung mehr bei. Auch im Hinblick auf das vor dem BVerfG anhängige Verfahren 2 BvL 14/02 ergebe sich keine andere Beurteilung. Dort gehe es um die Frage, ob die rückwirkende Besteuerung privater Grundstücksveräußerungsgeschäfte innerhalb der von zwei auf zehn Jahre verlängerten Veräußerungsfrist verfassungswidrig sei, wenn die Veräußerung zwischen dem 1. Januar 1999 und dem Gesetzesbeschluss am 4. März 1999 erfolgt sei. Auch dieser Sachverhalt liege hier nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Klage, die bei den damals zuständigen Außensenaten des Finanzgerichts in Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 1 K 1217/07 erfasst wurde. Aufgrund des Geschäftsverteilungsplans des Gerichts für das Jahr 2008 ist zum 1. Januar 2008 der 3. Senat bei den Außensenaten Freiburg für den Streitfall zuständig geworden; die Klage wird seither unter dem Aktenzeichen 3 K 1217/07 geführt.
Die Kläger tragen vor, die nachträgliche Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre durch das StEntlG 1999/2000/2002 sei verfassungswidrig. Wegen dieser Verlängerung seien zum Az. 2 BvL 2/04 und 2 BvL 14/02 Verfahren beim BVerfG anhängig. Darüber sei noch nicht entschieden. Dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens sei stattzugeben gewesen.
Wegen durchgreifender verfassungsrechtlicher Bedenken habe der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 unter dem o.g. Az. BvL 2/04 dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Besteuerung privater Grundstücksveräußerungsgewinne mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar sei, als private Grundstücksgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen die Spekulationsfrist von zwei Jahren abgelaufen war, übergangslos der Einkommensteuer unterworfen werden dürfen. Die Regelung entfalte echte Rückwirkung, die nur zulässig sei, wenn sie vorhersehbar sei oder anders ein Notstand nicht zu beseitigen wäre. Dagegen werde verstoßen, wenn ein Gesetz rückwirkend Eingriffe in Rechte des Bürgers bzw. steuerliche Belastungen vorsieht, mit denen dieser zum Zeitpunkt, auf den die Regelung zurückwirkt, nicht rechnen konnte und die er bei verständiger Vorschau nicht zu berücksichtigen brauchte. Der maßgebliche Zeitpunkt für einen Vertrauenstatbestand sei aus der Sicht des Klägers nicht das Ende des Fristablaufs, sondern viel mehr der Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs. Zum Zeitpunkt des Erwerbs (Anfang 1998) sei mit der Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre weder zu rechnen gewesen, noch hätte diese bei verständiger Vorausschau berücksichtigt werden müssen. Die verfassungswidrige Rückwirkung werde auch nicht dadurch zulässig, dass ein Notstand anders nicht zu beheben sei. Dem Gesetzgeber ständen hierzu nach Auffassung von Steuerfachleuten geeignetere Maßnahmen wie z.B. der überfällige Abbau von Steuersubventionen oder die Haushaltskonsolidierung im Wege der Ausgabendisziplin zur Verfügung. Die nachträgliche Verlängerung der Spekulationsfrist sei daher verfassungswidrig, unabhängig davon, ob die alte Spekulationsfrist zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits abgelaufen war oder nicht. Der vom FA zitierten Auffassung des BFH könne insoweit nicht zugestimmt werden. Alle vom BFH für einen Vertrauensschutz genannten Gründe gälten auch im vorliegenden Fall. Ergänzend bringen sie vor, das jüngste Urteil des BVerfG zur Pendlerpauschale bestätige, dass es dem Staat verwehrt sei, aus Fiskalnotwendigkeiten die Bürger durch Beschneidung von steuerlichen Vergünstigungen weiter zu belasten.
Die Kläger beantragen,
die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 26. Juli 2007 aufzuheben und den Einsprüchen stattzugeben. Außerdem beantragen sie, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Verfahren 2 BvL 14/02 und 2 BvL 2/04 auszusetzen und das Verfahren bis dahin ruhen zu lassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es stimmt einem Ruhen des Verfahrens nach wie vor nicht zu und verteidigt die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten am 21. November 2008 auf den BFH-Beschluss vom 18. April 2008 IX B 6/08 (BFH/NV 2008, 1239) hingewiesen.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 und 9. Januar 2009 auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Dem Senat lagen bei seiner Entscheidung neben der Gerichtsakte 1 Band Einkommensteuerakten, 1 Band Rechtsbehelfsakten und 1 allgemeine Akte vor.
Entscheidungsgründe:
Der erkennende Senat legt das Klagebegehren und den Antrag der Kläger unter Berücksichtigung der Einspruchsschreiben vom 23. Mai 2005 und 20. Oktober 2006 dahin gehend aus, dass die Kläger sinngemäß beantragen, die in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden angesetzten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 19.177 EUR für 2004 und 18.790 EUR für 2005 außer Betracht zu lassen und die Einkommensteuer der Streitjahre entsprechend niedriger festzusetzen.
Die so verstandene Klage ist unbegründet. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahren in der vorliegenden Konstellation verfassungsgemäß ist. Die beantragte Aussetzung des Verfahrens kommt nicht in Betracht, weil die von den Klägern angeführten Verfahren des BVerfG andere Sachverhalte betreffen. Das beantragte Ruhen des Verfahrens scheidet aus, weil das FA nicht zugestimmt hat.
I. Das Verfahren ist nicht auszusetzen.
1. Gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen Rechtsstreits bildet. Davon kann auch dann auszugehen sein, wenn beim BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408). Die Entscheidung in dem anderen Rechtsstreit muss nicht bindend für das auszusetzende Verfahren sein; es genügt, wenn die in dem anderen Verfahren zu erwartende Entscheidung einen rechtlich erheblichen Einfluss auf die Entscheidung in dem auszusetzenden Verfahren hat, z.B. weil dasselbe Rechtsverhältnis betroffen ist und die Entscheidung in dem auszusetzenden Verfahren kraft Gesetzes oder rechtslogisch vom Bestehen/Nichtbestehen des in dem anderen Verfahren anhängigen Rechtsverhältnisses abhängt (BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 12/90, BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986; BFH-Beschluss vom 21. November 1996 IX B 86/96, BFH/NV 1997, 365).
2. Gemessen daran ist das Verfahren nicht auszusetzen. Beim BVerfG ist derzeit kein Musterverfahren anhängig, von dem die Entscheidung im Streitfall abhängt. Die Frage, ob die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre verfassungswidrig ist, ist zwar Gegenstand dreier Verfahren beim BVerfG (Az.: 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04 und 2 BvL 13/05). Diese sind jedoch anders gelagert und für den Streitfall nicht entscheidungserheblich; denn sie betreffen nicht die Verfassungswidrigkeit der § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG insgesamt, sondern lediglich ihre Verfassungswidrigkeit in Fallkonstellationen, in denen --anders als im Streitfall-- das Grundstück zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung entweder bereits veräußert oder "steuerentstrickt" war. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch die Entscheidungen des BVerfG über die Vorlagefragen keinen rechtlichen Einfluss auf den vorliegenden Rechtsstreit haben; denn das BVerfG hat bei Verstößen gegen das Rückwirkungsverbot den Rechtsfolgenausspruch auf die als verfassungswidrig beurteilten Fälle begrenzt (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Juli 2004 IX B 116/03, BFHE 206, 358, BStBl II 2004, 1000, .m.w.N.).
II. Auch ein Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung --ZPO--) kommt nicht in Betracht; denn das FA hat nicht --was erforderlich wäre-- einem Ruhen des Verfahrens zugestimmt. Das Ruhen wäre außerdem wegen der Ausführungen unter I. nicht zweckmäßig, zumal das BVerfG mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 den Klägern gegenüber erklärt hat, dass "frühestens "(Hervorhebung durch den Senat) im Laufe dieses Jahres mit einer Entscheidung in den Verfahren 2 BvL 14/02 und 2 BvL 2/04 gerechnet werden könne.
III. Die Klage ist unbegründet.
1. Im Streitfall liegen --was unstreitig ist-- die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG hinsichtlich der Wohnungen Nr. 2 und Nr. 46 vor. Auch § 23 Abs. 3 EStG hat das FA zutreffend angewendet und dabei den Gewinn für ein Streitjahr niedriger als erklärt angesetzt. All dies ist einhellige Auffassung der Beteiligten und bedarf keiner weiteren Erörterung. Die vom Kläger in den Streitjahren erzielten Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind in der vom FA angesetzten Höhe steuerpflichtig.
2. Die vom FA dabei angewandten Vorschriften des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG a.F. (jetzt: § 52a Abs. 11 Satz 1 EStG 2009) sind unter Umständen wie denen des Streitfalls nicht verfassungswidrig.
a) Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht und in seiner Freiheit erheblich gefährdet, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 285; vom 8. Juni 1977 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 167 f.; vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 257 f.; vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78). Der Staatsbürger muss vielmehr die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271; BVerfG-Beschluss vom 26. Februar 1969 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 290).
aa) Dies gilt auch und besonders im Steuerrecht. Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG ist zwar auf Steuergesetze nicht (entsprechend) anwendbar (BVerfG-Beschluss vom 24. Juli 1957 1 BvL 23/52, BVerfGE 7, 89, 95); da jedoch Abgabengesetze vom Staatsbürger Geldleistungen fordern, wenn er bestimmte Tatbestände verwirklicht, orientiert er sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen an den jeweils geltenden Steuergesetzen. Er muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. Soweit Steuertatbestände an Handlungen anknüpfen, muss also die Rechtsfolge bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich vorgesehen sein (BVerfG-Urteil in BVerfGE 13, 261, 271) .
bb) Rechtssicherheit und Vertrauensschutz stehen jedoch in einem Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber kann beachtliche Gründe haben, bestehende Rechtslagen zu ändern, auch wenn er dabei auf Tatbestände einwirken muss, die sich in der Entwicklung befinden und die im Vertrauen auf eine bestehende günstige Rechtslage geplant wurden. Er wäre in seinen Dispositionsmöglichkeiten unvertretbar eingeengt, wenn eine Einwirkung auf bestehende Rechtsverhältnisse grundsätzlich unzulässig wäre (BVerfG-Beschluss vom 13. März 1979 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, 396).
cc) In diesem Zusammenhang unterscheidet das BVerfG seit 1960 zwischen echter (retroaktiver) Rückwirkung und unechter (retrospektiver) Rückwirkung. Echte Rückwirkung eines Gesetzes liegt danach vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift; wo es nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, liegt eine unechte Rückwirkung vor (BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1960 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, 139, 145 f.). Der 2. Senat des BVerfG unterscheidet seit 1986 zwischen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 72, 200, 241 ff.) : Danach entfaltet eine Rechtsnorm dann Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm mit ihrer Verkündung gültig geworden ist. Gefragt wird danach, ob diese Rechtsfolgen für einen bestimmten, vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten sollen (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Eine tatbestandliche Rückanknüpfung ist hingegen einer Norm insoweit eigen, als sie den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht. Der 2. Senat des BVerfG macht durch synonyme Verwendung der Begriffe (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 105, 17, 36 f.; in BVerfGE 97, 67, 78 f.) deutlich, dass sachliche Differenzen zum 1. Senat des BVerfG nicht beabsichtigt sind.
dd) Bei der Abgrenzung der Rückbewirkung von Rechtsfolgen von der tatbestandlichen Rückanknüpfung führt allein der Umstand, dass eine oder mehrere Dispositionen des Klägers in der Vergangenheit liegen, nicht zur Annahme einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen, wenn das Geschehen noch nicht abgeschlossen ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 18, 135, 143; in BVerfGE 105, 17, 37 f.). Die gilt ungeachtet eines in der Vergangenheit liegenden Anknüpfungspunkts auch bei (erstmaliger) Begründung einer Steuerpflicht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 63, 312, 328 f.) . Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist nur gegeben, wenn ein neues Gesetz in Sachverhalte eingreift, die vor der Gesetzesverkündung abgeschlossen waren und die die Voraussetzungen eines bisher geltenden Tatbestands erfüllten (BVerfG-Beschluss vom 23. März 1971 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66, BVerfGE 30, 367, 386 f.). Bei einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ist in jedem Einzelfall ist zu prüfen, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (so BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 37).
b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist auch nach Auffassung des erkennenden Senats die rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke insoweit verfassungsgemäß, als der Gesetzgeber Anschaffungsvorgänge in die Regelung einbezogen hat, für die die "Spekulationsfrist" des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in der vor dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung noch nicht abgelaufen war.
aa) Bei der Neuregelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG a.F. handelt es sich um eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung; vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.3.).
bb) Der Kläger hat mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen im Januar 1998 eine wirtschaftlich motivierte Disposition getroffen und hierbei das Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Anspruch genommen. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG a.F. war als im Zeitpunkt der Anlagedisposition geltendes Parlamentsgesetz auch Grundlage des vom Kläger betätigten Vertrauens: Wenn ein Sachverhalt durch die Rechtsordnung geregelt ist, so bezieht der Einzelne in seine Überlegungen auch die Erwartung ein, dass diese Regelung für die Zukunft verbindlich bleibt (BVerfG-Urteil vom 5. Dezember 2002 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17 unter C. II. 3. b bb m.w.N.). Die Enttäuschung des betätigten Vertrauens des Klägers, er könne seine beiden Eigentumswohnungen nach Ablauf von zwei Jahren nicht steuerbar veräußern, bedarf daher grundsätzlich der Rechtfertigung.
cc) Andererseits darf der Kläger grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrecht erhält; dies gilt nicht nur für die Abschaffung von Steuervergünstigungen, sondern auch für die Erhebung zusätzlicher Steuern (BVerfG-Beschluss vom 9. März 1971 2 BvR 326/69, BVerfGE 30, 250 unter C.II.3.) und die Aufhebung von "Freiräumen" (BVerfG-Beschluss vom 8. März 1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, BVerfGE 63, 312 zu C.III.2.bbb). Es muss dem Gesetzgeber möglich sein, Normen, die an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerks zu reagieren oder durch eine solche Änderung erst bestimmte Gegebenheiten in einem gewissen Sinn zu beeinflussen, da die Gewährung eines vollständigen Schutzes gegenüber Gesetzesänderungen den Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen würde (BVerfG-Beschluss vom 30. September 1987 2 BvR 933/82 BVerfGE 76, 256, 348).
dd) Im Rahmen der danach gebotenen Abwägung schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des BFH an, dass in Situationen wie im Streitfall das Interesse des Gesetzgebers an der Änderung der Steuerrechtslage das schutzwürdige Vertrauen der Steuerpflichtigen überwiegt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B. III. 3. c bb und cc; vom 16. Dezember 2003 IX B 203/02, BFH/NV 2004, 650, unter II.3.; vom 15. Juli 2004 IX B 116/03, BFHE 206, 358, BStBl II 2004, 1000, unter II.1.; vom 18. April 2008 IX B 6/08, BFH/NV 2008, 1329; vgl. auch BFH-Beschluss vom 18. September 2006 IX B 154/05, BFH/NV 2007, 31, zur Verlängerung der Frist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG von sechs Monaten auf ein Jahr).
Zum Zeitpunkt der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 hatte der Kläger die Eigentumswohnungen vor weniger als zwei Jahren angeschafft. Sein Vertrauen war noch nicht durch den Ablauf der Spekulationsfrist zu einem Vertrauen in die "Steuerentstrickung" und die Systematik des EStG erstarkt, demgegenüber das allgemeine Interesse an einem alsbaldigen Wirksamwerden der Neuregelung zurücktreten müsste. Innerhalb der zeitlichen Grenzen des früheren Tatbestandes unterlag ein eventuell bereits eingetretener Wertzuwachs der Eigentumswohnungen im Veräußerungsfall noch der Besteuerung. Der Kläger konnte bis zur Gesetzesänderung zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, er könne seine Eigentumswohnungen nunmehr veräußern, ohne dass der Gewinn steuerpflichtig sei. Verlängert der Gesetzgeber für solche Fälle die Spekulationsfrist, so nimmt er lediglich seine Befugnis, Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens auch zeitlich unbefristet zu besteuern (BVerfG-Urteil in BVerfGE 26, 302 unter C. II. 3. d aa), ex nunc für längere Zeit als bisher in Anspruch; der Steuerzugriff erstreckt sich nur auf noch steuerverstrickte Wertzuwächse. Das Vertrauen des Klägers reduziert sich damit im Ergebnis auf die bloße Hoffnung, der Gesetzgeber werde die Regelung des § 23 EStG unverändert bis zu einer späteren Veräußerung beibehalten und seine Wohnungen würden zukünftig nach zwei Jahren steuerentstrickt werden. Die Enttäuschung dieses Vertrauens ist hinzunehmen, denn der Kläger verdient in der bloßen Erwartung, ein Umstand werde -bei Fortgeltung des bisherigen Rechts- in einem Zeitpunkt eintreten, nicht den gleichen Vertrauensschutz wie derjenige, bei dem dieser Umstand nach bisherigem Recht bereits gegeben war (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Oktober 1970 1 BvR 753/68 und 695, 696/70, BVerfGE 29, 245, 259).
Der Hinweis auf das Urteil des BVerfG zur sog. "Pendlerpauschale" (BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 2008 2 BvL 1/07 u.a., BFH/NV 2009, 338, unter C.II.2.) führt zu keiner anderen Beurteilung; denn der Gesetzgeber verfolgte mit der Gesetzesänderung nicht nur fiskalische Zwecke. Er war nämlich weiter der Auffassung, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Steuergerechtigkeit entspreche (BT-Drucks. 14/23, S. 179, zu Nr. 27).
4. Die Klage hat auch nicht insoweit Erfolg, als die Kläger eventuell rügen wollen, dass das FA gegen § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) verstoßen hat. Die Klageschrift kann zwar möglicherweise so verstanden werden, dass die Kläger (auch) einen Verstoß gegen § 363 Abs. 2 Satz 2 und 4 AO rügen. Allerdings greift diese Rüge in der Sache nicht durch, so dass dem zusätzlichen Umstand, dass die Kläger nunmehr einen Sachantrag gestellt und nicht die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung beantragt haben, keine entscheidende Bedeutung (mehr) zukommt.
a) Das FA muss sich einen Verstoß gegen § 363 Abs. 2 Satz 2 AO schon deshalb nicht vorhalten lassen, weil die Verfahren 2 BvL 14/02 und 2 BvL 2/04 insoweit nicht die gleiche, sondern eine andere Rechtsfrage betreffen (vgl. dazu schon unter I.2.), die für den Streitfall nicht --was erforderlich wäre (vgl. Pahlke in Pahlke/König, AO, § 363 Rz. 46 m.w.N.; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 363 AO Rz 18; BFH-Beschluss vom 6. April 2006 IV B 160/04, [...])-- entscheidungserheblich ist.
b) Die Klage hat auch hinsichtlich des Jahres 2004 nicht deshalb Erfolg, weil das FA B mit Schreiben vom 31. Mai 2005 einem Ruhen des Verfahrens zugestimmt hatte. Das Schreiben des FA vom 25. Oktober 2006 (dort Seite 2, drittletzter Absatz) kann als Widerruf der Zustimmung des FA B zum Ruhen des Verfahrens (vgl. dazu Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 363 AO Rz 151) und als Mitteilung nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO verstanden werden, mit dem den Einspruchsführern mitteilt wurde, dass das FA das Verfahren fortsetzt. Das FA hat dabei auch --was notwendig ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. September 2006 X R 39/05, BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222, dort zur Fortsetzung bei Zwangsruhe)-- die Gründe mitgeteilt, warum es das Verfahren fortsetzen will, indem es ausgeführt hat, dass aus seiner Sicht das Verfahren aus den im Schreiben genannten Gründen fälschlich ruht. Die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens war im Hinblick auf die fehlende Entscheidungserheblichkeit der von den Klägern herangezogenen Verfahren auch ermessensgerecht. Der Einspruch ist nämlich grundsätzlich kein Instrument zum bloßen Offenhalten des Steuerfalles wegen möglicher zukünftiger Entwicklungen der Rechtsprechung in Verfahren anderer Steuerpflichtiger (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Juli 1999 IV B 14/99, BFH/NV 1999, 1587).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
V. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Revisionsgründe nicht vorliegen. Insbesondere geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage zur Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist in Fällen der hier vorliegenden Art keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) hat und eine Revisionszulassung zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ebenfalls nicht erforderlich ist (zuletzt BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1329).
Ende der Entscheidung
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