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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 1 K 223/06
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 155
ZPO § 227 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

1 K 223/06

Tatbestand:

Streitig ist die Wiederaufnahme eines Klageverfahrens gegen die geschätzten Umsatzsteuervoranmeldungsbescheide für die Zeiträume III. und IV. Quartal 1991 sowie I., II. und IV. Quartal 1992.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 28.02.2005 die Wiederaufnahme mehrerer Verfahren des Finanzgerichts Baden Württemberg. Unter anderem beantragte er die Wiederaufnahme des Verfahrens "Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide" mit dem Aktenzeichen 9 K 200/94. Seinen Wiederaufnahmeantrag begründete er mit einer beabsichtigten Staatshaftungsklage gegen die Finanzverwaltung.

Aus den Akten des 9. Senats ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Schriftsatz vom 7.09.1994 erhob der Kläger Klage gegen die geschätzten Umsatzsteuervoranmeldungsbescheide für die Zeiträume III. und IV. Quartal 1991 sowie I., II. und IV Quartal 1992. Der Kläger hatte für sein Einzelunternehmen keine Umsatzsteuervoranmeldungen, zu deren vierteljährlicher Abgabe er verpflichtet war, eingereicht. Das Finanzamt ... hatte daraufhin die Steuer der entsprechenden Voranmeldungszeiträume geschätzt. Hiergegen hatte der Kläger Einspruch, nach Zurückweisung des Einspruchs Klage beim Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 9 K 200/94 erhoben. Mit Bescheiden vom 6.08.1993 hatte das Finanzamt ... die Umsatzsteuer der Jahre 1991 und 1992 geschätzt.

Im Klageverfahren gegen die geschätzten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide (9 K 200/94) erfolgte am 19.04.1994 ein Erörterungstermin, in dem der Kläger seine Klage gegen die geschätzten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide zurücknahm. Das Klageverfahren wurde daraufhin mit Beschluss vom 20.10.1994 eingestellt.

Aus den, vom Finanzamt überlassenen Umsatzsteuerakten ergibt sich darüber hinaus folgender weiterer Sachverhalt:

Der Einspruch gegen die geschätzten Umsatzsteuerjahresbescheide wurde zurückgewiesen. Im Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 8 K 350/98 reichte der Kläger erstmals Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1991 und 1992 ein, die das Finanzamt ... geänderten Umsatzsteuerjahresbescheiden zugrunde legte. Dem entsprechend erging am 25.01.2001 der geänderte Jahresbescheid für 1991, am 29.05.2001 der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1992. Aufgrund dieser Bescheide erhielt der Kläger Geld vom Finanzamt ... zurück. Die Bescheide sind bestandskräftig. Nach Ergehen der geänderten Umsatzsteuerbescheide nahm der Kläger die Klage beim 8. Senat zurück. Mit Beschluss vom 21. Juni 2001 wurde die Klage daher eingestellt.

Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Er hat am Tag der mündlichen Verhandlung ein zahnärztliches Attest an das Gericht gefaxt, aus dem sich ergibt, dass er vorübergehend arbeitsunfähig sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, dass die ursprüngliche Klage im Verfahren des 9. Senats im Erörterungstermin zurückgenommen worden war.

Entscheidungsgründe:

Der Wiederaufnahmeantrag ist unzulässig.

Dem nur konkludent gestellten Antrag des Klägers, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, brauchte der Senat nicht stattgeben. Eine Terminsaufhebung bzw. Terminsverlegung ist geboten, wenn eine Prozesspartei hierfür erhebliche Gründe darlegt und glaubhaft macht, § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO. Ein solcher erheblicher Grund liegt zwar regelmäßig bei einer plötzlichen und nicht vorhersehbaren Erkrankung vor, die den Beteiligten an der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hindert. Wird ein Terminsverlegungsantrag jedoch erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, ist der Beteiligte verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungs- und reiseunfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann. Ein für diesen Zweck vorgelegtes privatärztliches Attest muss deshalb die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben (ständige Rechtsprechung; Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 16.10.2006, I B 46/06, amtlich nicht veröffentlicht; Beschluss vom 5. Juli 2004 VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64 ;vom 3. August 2005 II B 47/04 , BFH/NV 2005, 2041 ).

Diesen Erfordernissen wird das vorgelegte privatärztliche Attest nicht gerecht. Aus ihm ist nur ersichtlich, dass der Kläger arbeitsunfähig sein soll. Dagegen ist eine Verhandlungsunfähigkeit bzw. Reiseunfähigkeit weder aus dem ärztlichen Attest erkennbar, noch hat sich der Kläger selbst auf das Vorliegen dieser Gründe berufen.

Nach § 134 FGO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften der §§ 578 ff ZPO wieder aufgenommen werden. Die ZPO kennt jedoch nur die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens. Dagegen kann nach der Rechtsprechung des BFH auch ein Verfahren, das mit Beschluss beendet wurde, der der materiellen Rechtskraft zugänglich ist, wieder aufgenommen werden (BFH - Beschluss vom 24.03.1998, V B 158/97, BFH/ NV 1998, 1237). Darüber hinaus kann nach der Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit auch ein durch deklaratorischen Einstellungsbeschluss eingestelltes Verfahren wieder aufgenommen werden (BFH - Beschluss vom 21.12.2004, IV B 103/04, BFH/NV 2005, 1103).

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens ist jedoch nach Ablauf von 5 Jahren, von dem Tag der Rechtskraft der Entscheidung an gerechnet, unstatthaft, § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Erkennt man mit dem BFH die erweiterte Möglichkeit der Wiederaufnahme eines mit deklaratorischem Beschluss eingestellten Verfahrens an, kann dessen Wiederaufnahme jedoch ebenfalls nur innerhalb der 5 Jahresfrist begehrt werden. Der Senat geht zugunsten des Klägers dabei bewusst über die Jahresfrist der §§ 72 Abs. 2 Satz 3, 56 Abs. 3 FGO hinaus.

Da das Verfahren 9 K 200/94 mit Beschluss im Jahr 1994 eingestellt worden ist, ist die 5 Jahresfrist längst abgelaufen, so dass die Wiederaufnahme eines Verfahrens auf Gewährung von Rechtschutz gegen rechtlich nicht mehr existente Vorauszahlungsbescheide, deren Regelungsgehalt in den bestandskräftigen Änderungsbescheiden der Jahre 1991 und 1992 eingegangen sind, nicht mehr begehrt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.



Ende der Entscheidung

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