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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: 1 K 450/04
Rechtsgebiete: UStG, SGB V, FGO


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 17 Abs. 1
SGB V § 130a Abs. 1
SGB V § 130a Abs. 2
FGO § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

1 K 450/04

Tatbestand:

Streitig ist, in welchem Umfang die Klägerin als Herstellerin von Pharmazeutika die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage um den sogenannten Herstellerrabatt im Wege einer Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG kürzen darf.

§ 130a Abs. 1 SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) in der hier einschlägigen Fassung des Beitragssicherungsgesetzes vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I 4637) hat folgenden Wortlaut:

Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 01. Januar 2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Herstellerabgabepreises. Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. Soweit pharmazeutische Großhändler nach Absatz 5 bestimmt sind, sind pharmazeutische Unternehmen verpflichtet, den Abschlag den pharmazeutischen Großhändlern zu erstatten. Der Abschlag ist den Apotheken und pharmazeutischen Großhändlern innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruchs zu erstatten.

Diese Regelung wird i.V.m. § 130a Abs. 2 SGB V meist als Herstellerrabatt bezeichnet.

Die Klägerin führt wie andere Hersteller die Erstattung aus Vereinfachungsgründen in der Weise durch, dass sie den Herstellerrabatt an Apothekenabrechnungszentren zahlt, die die Zahlungen gebündelt an die einzelnen Krankenkassen weiterleiten.

Im Rahmen einer das Jahr 2003 betreffenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass die Klägerin in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2003 zu Unrecht die ausgezahlten Erstattungen als Nettobeträge behandelt und die Minderung der Bemessungsgrundlage nicht durchgängig in dem Voranmeldungszeitraum durchgeführt habe, in dem der Hersteller den Rabatt erstattet habe. Der Herstellerrabatt von 161.288,89 EUR sei somit um erst in 2004 ausgezahlte Rabatte von 22.297,52 EUR zu kürzen und von dem verbleibenden Betrag von 138.991,37 EUR die darin enthaltene Umsatzsteuer von 19.171,23 EUR abzuziehen, so dass die Bemessungsgrundlage lediglich um den Netto-Herstellerrabatt von 119.820,14 EUR zu mindern sei. Auf dieser Grundlage ergab sich eine Änderung der Umsatzsteuer zu Lasten der Klägerin von 6.635,02 EUR (vgl. den Bericht vom 06. August 2004 über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung Bl. 137ff. der Rechtsbehelfsakte).

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember 2003 vom 18. August 2004 setzte der Beklagte diese Vorauszahlung auf der Grundlage des Ergebnisses der Umsatzsteuer-Sonderprüfung fest.

Den am 17. September 2004 hiergegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2004 als unbegründet zurück. Ergebe sich bei einer Lieferung im nachhinein eine Minderung des Kaufpreises um einen ganz bestimmten Betrag und erstatte der Lieferer dem Abnehmer diesen Betrag, so müsse es sich hierbei notwendig um einen Bruttobetrag handeln. In dem Gesamtbetrag, der an einen Abnehmer zurückfließe, müsse die Umsatzsteuer genauso zwingend enthalten sein wie in einem Gesamtbetrag, der einem Leistungsgeber zufließe. Dementsprechend habe das BMF in seinem Schreiben vom 19. Dezember 2003 in Tz. 10 für den Fall einer nachträglichen Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Ausgabe von Gutscheinen geregelt, dass der Nennwert des Gutscheins einem Bruttobetrag entspreche, so dass dieser die Umsatzsteuer einschließe.

Die Klägerin hat hiergegen am 06. Dezember 2004 Klage erhoben. Die Klägerin sei als pharmazeutisches Unternehmen berechtigt, die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage um den gesetzlich festgelegten und abgeführten sogenannten Herstellerrabatt zu kürzen. Die Hersteller bezahlten zur Vereinfachung den Zwangsrabatt nicht direkt an die Apotheken, sondern an Apothekenabrechnungszentren. Diese zahlten nicht an die einzelnen Apotheken, die verpflichtet wären, den Zwangsrabatt an die gesetzlichen Krankenkassen zu leiten, sondern leiteten die Zahlungen gebündelt zu den einzelnen gesetzlichen Krankenkassen. Der Zahlungsstrom wurde in der Anlage 1 zur Klagebegründung grafisch erläutert. Auf diese Anlage wird Bezug genommen. Die Abrechnung des Herstellerrabatts erfolge umsatzsteuerfrei, berechnet aus dem Nettoverkaufspreis. Das Finanzamt habe die Nettobemessungsgrundlage zur Berechnung der Umsatzsteuerschuld um den um 100/116 herunter gerechneten Herstellerrabatt gekürzt. Da der Herstellerrabatt aus dem Nettoverkaufspreis errechnet werde und ohne Umsatzsteuerbelastung bzw. Anrecht auf Vorsteuerabzug abgeführt werde, müsse zur Berechnung der Umsatzsteuerschuld der volle Herstellerrabatt abgezogen werden. Weiter sei auf die Antwort des Staatssekretärs beim BMF Halsch vom 08. Januar 2004 (in Kopie der Klagebegründung beigefügt) auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Solms hinzuweisen. Es handle sich um einen Nettorabatt. Der Klagebegründung waren außerdem Unterlagen beigefügt, aus denen sich beispielhaft die Berechnung des Herstellerrabatts ergibt. Ergänzend wird vorgetragen, dass der sogenannte Herstellerrabatt kein echter Rabatt sei, sondern eine zusätzliche Abgabe der Hersteller zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen, die sämtlichen Krankenversicherten zugute komme und nicht nur denjenigen, die den Umsatz getätigt hätten.

Nachdem inzwischen am 03. November 2006 ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Umsatzsteuerjahresbescheid für 2003 ergangen ist, in dem der Beklagte entsprechend seiner bisherigen Auffassung verfahren ist und die Klägerin das Begehren, die erst in 2004 ausgezahlten Rabatte bereits in 2003 zu berücksichtigen, nicht weiter verfolgt, beantragt diese nunmehr,

den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 03. November 2006 abzuändern und die Bemessungsgrundlage um 19.171 EUR zu vermindern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf die Einspruchsentscheidung Bezug. Ergänzend führt er aus: Für die umsatzsteuerliche Behandlung des von der Klägerin an das Apothekenabrechnungszentrum zu zahlenden Herstellerrabattes sei es unerheblich, dass sich der Herstellerrabatt aus dem Nettoverkaufspreis berechne. Genauso wie beim Verkauf der Arzneimittel der Gesamtbetrag, der der Klägerin zufließe, ein Bruttobetrag sei, müsse der als Herstellerrabatt zurückzuerstattende Betrag ein Bruttobetrag sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die dem Senat vorliegenden Behördenakten (je 1 Heft Rechtsbehelfs-, Umsatzsteuer- und Bilanzakten) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 06. November 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der am 03. November 2006 ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für das Jahr 2003 hat den damit unwirksam gewordenen Vorauszahlungsbescheid Dezember 2003 in seinen Regelungsgehalt aufgenommen. Dieser Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist somit in entsprechender Anwendung des § 68 FGO nunmehr Gegenstand des Verfahrens (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs; vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juli 2006, V B 198/05, BFH/NV 2006, 2112 m.w.N.).

Die so verstandene Klage ist begründet, weil der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin deshalb in ihren Rechten verletzt (vgl. § 100 Abs. 1 FGO). Die Bemessungsgrundlage ist im Wege der Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG im Hinblick auf den in 2003 ausgezahlten Herstellerrabatt um weitere 19.171 EUR zu reduzieren.

Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert hat. Die Berichtigung ist nach § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist.

Nach § 10 Abs. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten) gehören nicht zum Entgelt.

Maßgebend für die Höhe des Entgelts ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. Dem entspricht, dass die zunächst maßgebende vereinbarte Bemessungsgrundlage durch eine nachträgliche Vereinbarung mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden kann, und dass die Leistung des Unternehmers "letztendlich" nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert wird, die sich aufgrund der von ihm wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt (vgl. BFH-Urt. v. 19. April 2007, V R 44/05, BFH/NV 2007, 1548 undv. 16. Januar 2003, V R 72/01, BStBl II 2003, 620 m.w.N.).

Das Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG vermindert sich auch um solche Preisnachlässe, die ein in der Leistungskette beteiligter Unternehmer direkt dem Endverbraucher gewährt. Diese Interpretation des Begriffes "Entgelt" folgt aus dem materiellen Charakter der Umsatzsteuer als Endverbrauchssteuer; sie darf daher nicht höher sein als der in dem Gesamtbetrag enthaltene Umsatzsteuerbetrag, den der Endverbraucher letztlich aufwendet. Erstattet der erste Unternehmer in der Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der nächsten Stufe). Der erste Unternehmer hat deshalb den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (BFH-Urt. v. 12. Januar 2006, V R 3/04, BStBl II 2006, 479, BFHE 213, 69 im Anschluss an die EuGH-Urt. v. 15. Oktober 2002, C-427/98, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, BStBl II 2004, 328 undv. 24. Oktober 1996, C-317/94, Elida Gibbs, BStBl II 2004, 324 = UR 1997, 265).

Eine solche Entgeltminderung ist auch der vorliegende Rabatt nach § 130a Abs. 1 SGB V (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 17 Rn. 31 <Stand: April 2007>).

Bemessungsgrundlage für die Lieferung der Arzneimittel war zunächst das mit den Apotheken vereinbarte Entgelt ohne Berücksichtigung des Herstellerrabatts. Die Klägerin hat diese Beträge ihrer Buchführung zugrunde gelegt und den Abnehmern entsprechende, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen ausgestellt. Der jedenfalls teilweise prozentual nach § 130a Abs. 1 SGB V zu ermittelnde und von der Klägerin später gewährte Herstellerrabatt wurde unstreitig aus dem Nettobetrag errechnet und über die Verrechnungsstelle an die Krankenkassen geleitet, die für den gesetzlich versicherten Endverbraucher die Medikamente zahlen. Die Berechnung des Rabatts aus dem Nettobetrag (entgegen der Ansicht der Apothekenverbände; vgl. Amann, UR 2005, 180 <183> und Scharfenberg/Marbes, BB 2005, 361) entspricht der Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (vgl. das von der Klägerseite vorgelegte Schreiben des Staatssekretärs Dr. S vom 30. März 2005 an den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Apothekerverbandes e.V.) und dem Wortlaut des § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V seit der offenbar zur Klarstellung erfolgten Einfügung des Zusatzes "ohne Mehrwertsteuer" mit Wirkung ab 06. September 2005 (Änderung durch Art. 3 a Nr. 2 des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005, BGBl. I 2570).

Errechnet sich der Rabatt jedoch aus dem Nettowert der Lieferung, kann er bei Ermittlung der zutreffenden Umsatzsteuerbemessungsgrundlage der Klägerin auch nur als Minderung der Netto-Entgelte für Lieferungen und Leistungen der Klägerin angesetzt werden. Dagegen ist eine Umdeutung des Nettobetrags in einen Bruttobetrag, wie dies der Beklagte vorgenommen hat, nicht möglich. Vielmehr müssen die Apotheken als Abnehmer der Lieferungen der Klägerin, entsprechend dem aus dem Nettobetrag errechneten Rabatt den in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug berichtigen (vgl. Klenk a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist kein Raum für die vom Beklagten vertretene Auffassung, wonach der Rabatt als Bruttobetrag anzusehen ist.

Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben.

Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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