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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 1 K 46/07
Rechtsgebiete: AO, FGO, GG, StBGebV


Vorschriften:

AO § 89 Abs. 3 S. 1
FGO § 45 Abs. 1 S. 1
GG Art. 108 Abs. 5 S. 2
StBGebV § 13 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

1 K 46/07

Gebührenpflicht für verbindliche Auskunft

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gebührenpflicht für eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

Der Kläger beantragte beim beklagten Finanzamt (FA) im Januar 2007 eine verbindliche Auskunft zu der Frage, ob er Flugkosten zu Seminaren oder Kongressen als Betriebsausgaben für seine freiberufliche Dozententätigkeit abziehen kann. Nach seiner Rechtsauffassung seien die Flugkosten als Betriebsausgaben abziehbar, weil sie unmittelbar durch die jeweiligen Veranstaltungen und damit betrieblich veranlasst seien. Der Abzugsfähigkeit stehe nicht entgegen, dass die Reisen auch mit dem zum Betriebsvermögen gehörenden Pkw hätten durchgeführt werden können. Das Flugzeug werde genutzt, um die Abwesenheitszeiten am Betriebssitz in X zu reduzieren. Es würden nur Vortragsorte wie Berlin, Hamburg und gegebenenfalls Münster angeflogen. Die damit verbundene Zeitersparnis habe keine private ins Gewicht fallende Mitveranlassung. Die anfallenden Flugkosten schätzte der Kläger mit 1.000 EUR im Kalenderjahr.

In seiner verbindlichen Auskunft vom 10. Januar 2007 stimmte das FA der Rechtsauffassung des Klägers zu. Kosten für Flüge zu Seminaren und Kongressen seien Betriebsausgaben, wenn der Flug ausschließlich durch die Teilnahme an den Seminaren oder Kongressen verursacht sei. Werde die Reise allerdings mit einem privaten Aufenthalt am Seminarort verbunden, seien die Kosten insgesamt nicht abzugsfähig. Ob in einem solchen Fall gleichwohl eine Aufteilung der Flugkosten in einen beruflichen und privaten Anteil in Frage komme, sei zur Zeit Gegenstand eines Verfahrens, welches beim Großen Senat des Bundesfinanzhofs anhängig ist (GrS 1/06).

Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 setzte das FA für die Bearbeitung des Antrags auf verbindliche Auskunft eine Gebühr von 121 EUR fest. Der Gebührenfestsetzung lag ein Mindestgegenstandswert von 5.000 EUR zu Grunde.

Der Kläger hat gegen den Gebührenbescheid Sprungklage erhoben. Er trägt vor, in Anbetracht der dem deutschen Steuerrecht systemimmanent gewordenen Rechtsunsicherheit könne dem Steuerpflichtigen und den ihn beratenden Berufen nur durch verbindliche Auskünfte Verlässlichkeit verliehen werden. Es sei treuwidrig, wenn der Gesetzgeber einerseits ein nicht mehr durchschaubares Steuerrecht schaffe und dem Bürger anderseits nur durch eine kostenpflichtige Auskunft Rechtssicherheit gebe. Das verstoße gegen die allgemeine Betreuungspflicht der öffentlichen Gewalt gegenüber dem Bürger. Die Gebühr für eine verbindliche Auskunft könne daher nicht durch die Abschöpfung eines Sondervorteils gerechtfertigt werden. Die Gebührenpflicht sei auch keine zulässige Lenkungsnorm, um Bürger von verbindlichen Auskunftsanträgen abzuhalten. Die Höhe der festgesetzten Gegenstandsgebühr verstoße gegen das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Soweit die Finanzverwaltung statt der Gegenstandsgebühr eine Zeitgebühr festsetze, überschreite die Mindestgebühr von 50 EUR je angefangener halber Stunde die Zeitgebühr nach der Steuerberater-Gebührenverordnung (StBGebV). Allgemein sei fraglich, ob die Regelung der verbindlichen Auskunft gegen das Rechtsberatungs- oder das Steuerberatergesetz verstoße, weil die Finanzverwaltung damit in Konkurrenz zu den steuerberatenden Berufen gerate.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 24. Januar 2007 aufzuheben, hilfsweise dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 89 Abs. 3 bis 5 AO i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 verfassungsgemäß sei, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Es stimmt der Sprungklage zu und verweist zur Begründung des Klageabweisungsantrags darauf, dass der gebührenpflichtigen Auskunft eine gebührenfreie Einspruchsentscheidung gegenüberstehe. Von einer übermäßigen Belastung des Steuerpflichtigen könne daher keine Rede sein. Mit der gesetzlichen Normierung des Anspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft sei der Aufgabenbereich der Finanzverwaltung gegenüber dem früheren Rechtszustand erheblich erweitert und damit zu einer Dienstleistung gegenüber dem Steuerpflichtigen ausgedehnt worden, die über die Steuerfestsetzung und -erhebung hinausgehe. Die Erhebung einer Gebühr für eine besondere Inanspruchnahme der Finanzverwaltung sei dem steuerlichen Verfahrensrecht nicht fremd. So sei die Bundeszollverwaltung durch § 178 AO befugt, für besondere Amtshandlungen Gebühren zu erheben, ohne dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, sich treuwidrig zu verhalten. Im übrigen weise die gebührenauslösende Frage des Klägers zur steuerlichen Behandlung von Flugkosten keinen besonderen Schwierigkeitsgrad auf, die auch in einem fernmündlichen Gespräch kostenfrei hätte erläutert werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorliegende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO).

Die Klage gegen den Gebührenbescheid ist als Sprungklage ohne Vorverfahren zulässig (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO) aber unbegründet. Der Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Gebührenfestsetzung ist durch § 89 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 und 5 AO gedeckt. Der Senat hält die gesetzliche Regelung über die Gebührenerhebung und -berechnung nicht für verfassungswidrig, weshalb das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen ist.

1. Die Gebührenfestsetzung ist rechtmäßig. Das FA hat auf den Antrag des Klägers eine verbindliche Auskunft über die steuerliche Beurteilung eines vom Kläger hinreichend genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalts erteilt (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO). Für die Bearbeitung des Antrags auf Erteilung der verbindlichen Auskunft hat der Beklagte als zuständige Finanzbehörde eine Gebühr erhoben (§ 89 Abs. 3 Satz 1 AO). Die Gebühr wurde nach dem pauschalierten Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Kläger hatte (Gegenstandswert, § 89 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 AO). Das FA hat hierfür zutreffend den Mindestgegenstandswert zugrunde gelegt (§ 89 Abs. 5 Satz 2 AO) und die Gebühr in entsprechender Anwendung des § 34 GKG bestimmt (§ 89 Abs. 5 Satz 1 AO).

Entspricht die Gebührenfestsetzung den gesetzlichen Vorgaben, kann der Gebührenbescheid nur rechtswidrig sein, wenn das ihm zugrunde liegende Gesetz selbst verfassungswidrig ist. Der Bürger hat einen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zu Abgaben herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfGE 9, 3, 11; BVerfGE 97, 332, 340 f.). Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verletzung des Grundgesetzes durch das Gesetz einzuholen (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Das ist im vorliegenden Fall nicht geboten.

2. Der Senat sieht in der Gebührenpflicht für die dem Kläger erteilte verbindliche Auskunft weder dem Grunde noch der Höhe nach einen Verstoß gegen das Grundgesetz.

a) Die verbindliche Auskunft in Steuersachen wurde durch das Förderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl I 2006, 2098) erstmals gesetzlich normiert. Bis zur Einführung des § 89 Abs. 2 AO bildete die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Rechtsgrundlage für allgemeine Auskünfte der Finanzbehörden (vgl. grundlegend BFH-Urteil v. 4. August 1961 VI 269/60 S, BStBl III 1961, 562; BFH-Urteil v. 26. November 1997 III R 109/93, BFH/NV 1998, 808), die zuletzt im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 29. Dezember 2003 konkretisiert worden war (BStBl I 2003, 742).

Die streitige Gebührenpflicht für die verbindliche Auskunft war allerdings noch nicht im Förderalismusreform-Begleitgesetz enthalten, sondern wurde erst auf Initiative des Bundesrats in das Jahressteuergesetz 2007 vom 18. Dezember 2006 aufgenommen (BGBl. 2006 I S. 2878, vgl. zur Entstehungsgeschichte BT-Drs. 16/3036, BT-Drs. 16/3325, BT-Drs. 16/3368). Der Bundesrat befürchtete nach der Normierung des Anspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ein starkes Ansteigen der Anträge "im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts" und eines dadurch bedingten erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwandes der Finanzbehörden. Besonders bei Dauersachverhalten sei wegen der auf Jahre abzielenden Bindung der Finanzverwaltung eine sehr intensive Prüfung unerlässlich. Der Steuerpflichtige sei durch die Erhebung der Gebühr auch nicht übermäßig belastet, da die Gebührenhöhe sehr moderat ausfalle und neben den Gebühren keine zusätzlichen Auslagen erhoben würden. 99% der Steuerfälle seien gar nicht betroffen, da bei 30 Millionen Steuerverfahren pro Jahr nur mit circa 10.000 verbindlichen Auskünften zu rechnen sei. "Normale" Auskünfte (z.B. Anfragen zum Abzug von Kinderbetreuungskosten) seien wie bisher steuerfrei.

b) Die streitige Gebührenfestsetzung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Die in § 89 Abs. 3 bis 5 AO normierte Abgabe ist nach ihrer Bezeichnung und ihrem materiellen Gehalt eine (Verwaltungs-)Gebühr, für dessen Normierung dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Nach Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG steht dem Bund nicht nur das Recht zu, das Verfahren der Erhebung der Steuern zu normieren, sondern auch damit zusammenhängende Auskunftspflichten und die dafür zu erhebenden Gebühren zu regeln.

Die Auskunftsgebühr ist eine nichtsteuerliche Abgabe vom Typus der Gebühr. Sie ist eine öffentlich-rechtliche Geldleistung, die aus Anlass einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung dem Antragsteller als Gebührenschuldner gesetzlich auferlegt wird (vgl. BVerfGE 50, 217, 226; 97, 332, 345). Sie ist jedenfalls auch dazu bestimmt, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten zu decken. Sie wird nicht, wie eine Steuer im Sinne der Art. 105, 106 GG, "voraussetzungslos", sondern als Gegenleistung für eine öffentlich-rechtliche Leistung festgesetzt. Die Gebühr wird für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft erhoben (§ 89 Abs. 3 AO) und ist dem Steuerpflichtigen auf Grund ihrer Abhängigkeit von dessen vorheriger Antragstellung individuell zurechenbar. Die Gebührenhöhe wird primär nach dem Wert, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat, subsidiär nach dem in der für die Antragsbearbeitung aufgewendeten Zeit zum Ausdruck kommenden Verwaltungsaufwand bemessen (§ 89 Abs. 4 AO).

bb) Die Gebühr für die verbindliche Auskunft ist dem Grunde und der Höhe nach verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Sie ist durch die mit der Auskunft verursachten Kosten und dem individuell zurechenbaren Vorteil sachlich legitimiert.

Gebühren gehören ebenso wie Beiträge zu den "klassischen" Abgabenarten und damit zum tradierten Bestand staatlicher Tätigkeit. Gegen die Erhebung von Gebühren bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Anders als Steuern, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet werden, bedürfen Gebühren aber einer besonderen Rechtfertigung. Die sachliche Rechtfertigung der Gebühr kann sich jedenfalls aus den Gebührenzwecken der Kostendeckung, des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie aus sozialen Zwecken ergeben (vgl. BVerfGE 50, 217, 226 ff.; 85, 337, 346; 93, 319, 344; 97, 332, 345; 108, 1, 18).

(1) Der Gesetzgeber hat mit der Auskunftsgebühr erkennbar das Ziel verfolgt, den durch die Erteilung der verbindlichen Auskunft entstehenden Verwaltungsaufwand zu decken und den durch diese Dienstleistung dem Steuerpflichtigen zuteil werdenden Vorteil auszugleichen.

Bei der Erteilung von verbindlichen Auskünften geht es nicht mehr um eine Hauptaufgabe der Finanzverwaltung aus dem Bereich der Steuerfestsetzung und -erhebung, sondern um eine "individuelle Dienstleistung" gegenüber dem Auskunftssuchenden. Die Finanzverwaltung ist in erster Linie dazu verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 AO). Die Kostenfreiheit des Besteuerungsverfahrens ist nur insoweit garantiert als der Steuerpflichtige, der einen bestimmten Steuertatbestand erfüllt hat, sich seiner Besteuerung nicht entziehen kann, weil er deswegen einem staatlichen Besteuerungsverfahren unterworfen wird. Demgegenüber geht es bei der verbindlichen Auskunft um die Beurteilung eines vom Steuerpflichtigen nicht verwirklichten, hypothetischen Sachverhalts. Die behördliche Bearbeitung des Auskunftsersuchen verursacht daher zusätzliche, vorab und außerhalb des Veranlagungsverfahrens entstehende Kosten. Wird der vom Steuerpflichtigen geplante Sachverhalt nach Erteilung der Auskunft nicht verwirklicht, wäre die behördliche Prüfung auch im normalen Steuerverfahren nie durchgeführt worden. Das unterscheidet die gebührenpflichtige verbindliche Auskunft von der gebührenfreien "verbindlichen Zusage" nach einer Außenprüfung i.S. der §§ 204 ff. AO. Bei der verbindlichen Zusage hat sich das Prüfungsfinanzamt für einen abgelaufenen Veranlagungszeitraum mit einem bereits realisierten Sachverhalt intensiv befasst.

Der besondere Aufwand für die Bearbeitung einer verbindlichen Auskunft darf auch dann mit einer Gebühr abgegolten werden, wenn der Steuerpflichtige seine der Auskunft zugrunde liegenden Planungen später in die Tat umsetzt. Zwar wäre die Finanzverwaltung ohne Stellung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gehalten, die steuerliche Behandlung des jeweiligen Sachverhalts unter Aufwendung von personellen wie sachlichen Ressourcen zu prüfen, ohne hierfür Gebühren verlangen zu dürfen. Allerdings verursacht der eine verbindliche Auskunft begehrende Steuerpflichtige ein erhöhtes Maß an Arbeitsaufwand auf Seiten der Behörde. Die Verbindlichkeit der Auskunft führt zu einer Selbstbindung der Finanzverwaltung, die regelmäßig eine über das normale Veranlagungsverfahren hinausgehende Prüfungsintensität erforderlich macht. Zudem muss die Behörde im Veranlagungsverfahren den Fall jedenfalls insoweit erneut prüfen, als sie klären muss, ob die Voraussetzungen, unter denen sie die Zusage gegeben hat, tatsächlich vorliegen. Zu diesem Zeitpunkt war der besondere Prüfungsaufwand der Finanzverwaltung bereits entstanden und der Steuerpflichtige hat den Vorteil aus der ihm erteilten verbindlichen Auskunft genutzt.

Die mit der verbindlichen Auskunft bezweckte und bewirkte Planungs- und Rechtssicherheit ist ein individueller Vorteil, an den der Staat die Gebührenpflicht knüpfen durfte. Der Bürger erhält mit der verbindlichen Auskunft vorab eine seinen steuerlichen Verhältnissen und wirtschaftlichen Gestaltungsinteressen dienende Verwaltungshandlung. Aufgrund der verbindlichen Auskunft ist der Steuerpflichtige vor Durchführung des Veranlagungsverfahrens über die Rechtslage informiert und kann die Rechtsansicht der Finanzverwaltung seinen Planungen zu Grunde legen. Bedient sich ein Steuerpflichtiger hierfür eines Steuerberaters, steht die Berechtigung von dessen Honoraranspruch als Gegenleistung für die von ihm gegenüber seinem Mandanten erbrachte Leistung außer Frage. Für den Bürger ist die Auskunft nicht weniger vorteilhaft, wenn er sie von der Finanzverwaltung erhält. Darüber hinaus wohnt der verbindlichen Auskunft der Finanzbehörde ein zusätzlicher Mehrwert inne, als sie über eine reine Information hinausgeht und zu einer (Selbst-)Bindung gerade der zuständigen Behörde führt (Wienbracke, Gebühr für verbindliche Auskünfte verfassungsgemäß?, NVwZ 2007, 749). Ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in die Berufsausübung der steuerberatenden Berufe liegt hierin nicht. Die verbindliche Auskunft ist keine unzulässige Steuerberatung durch die Finanzbehörden. Sie setzt vielmehr voraus, dass der im Regelfall steuerlich beratene Steuerpflichtige einen bestimmten Sachverhalt darstellt und seinen Rechtsstandpunkt der Finanzbehörde darlegt (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung von § 89 Abs. 2 AO, BGBl. I 2007, 2783).

Die häufig beklagte Komplexität des geltenden Steuerrechts zwingt den Staat nicht, verbindliche Auskünfte gebührenfrei anzubieten (a.A. Simon, Die neue Gebührenpflicht für die Bearbeitung von verbindlichen Auskünften, DStR 2007, 557; Hans, Verfassungsrechtliche Zweifelsfragen der Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte, DStZ 2007, 421; Stark, Die Verfassungsmäßigkeit der Auskunftsgebühr, DB 2007, 2333). Die Vielgestaltigkeit der vom Steuerrecht zu erfassenden wirtschaftlichen Vorgänge und die vom Gesetzgeber verfassungsrechtlich zulässig verfolgten Lenkungszwecke ziehen eine gewisse Kompliziertheit des Steuerrechts unweigerlich nach sich. Das ist kein deutsches Sonderproblem, sondern ein allgemeines Phänomen moderner Volkswirtschaften. Selbst ein idealer Gesetzgeber wäre außerstande, ein Steuergesetz so abzufassen, dass aus ihm die geschuldete Steuer zweifelsfrei abgelesen und berechnet werden könnte. Für den jeweiligen komplexen Einzelfall bleiben zwangsläufig Rechtsunsicherheiten (Seer, in: Tipke/Kruse, § 89 AO Rdnr. 61). Dem entspricht es, dass verbindliche Auskünfte und deren Gebührenpflicht international nicht unüblich sind. Gebührenpflichtige Rechtsauskünfte gibt es in Dänemark, Österreich, Schweden, der Schweiz, den USA und Kanada (vgl. Birk, Gebühren für die Erteilung von verbindlichen Auskünften der Finanzverwaltung, NJW 2007, 1325 m.w.N.).

(2) Die Auskunftsgebühr ist im Fall des Klägers auch ihrer Höhe nach verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Neben der Erhebung der Gebühr dem Grunde nach ist die Gebühr in ihrer Höhe rechtfertigungsbedürftig. Auch die Bemessung der Gebühr bedarf im Verhältnis zur Steuer einer besonderen, unterscheidungskräftigen Legitimation (BVerfGE 108, 1, 19). Um die dem Grunde nach durch die Kosten und den individuellen Vorteil der Auskunft gerechtfertigte Gebühr zu bemessen, durfte sich der Gesetzgeber an dem pauschalierten steuerlichen Wert der Auskunft orientieren. Die Gebührenbemessung wäre verfassungsrechtlich erst dann nicht sachlich gerechtfertigt, wenn sie in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stünde (BVerfGE 108, 1, 19). Das ist nicht der Fall.

Gebühren werden in der Regel in Massenverfahren erhoben, bei denen jede einzelne Gebühr nicht nach Kosten, Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet, sondern vielfach nur vergröbert bestimmt und pauschaliert werden kann (vgl. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR Bd. IV, 2. Aufl., 1999, § 88 Rn. 206). Maßgebliche Bestimmungsgrößen der Gebührenbemessung, wie die speziellen Kosten der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistungen oder der Vorteil der Leistungen für den Gebührenschuldner werden sich häufig nicht exakt und im voraus ermitteln und quantifizieren lassen. Bei der Ordnung der Gebührenerhebung und Gebührenbemessung ist der Gesetzgeber daher berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen. Er darf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können.

Der Gesetzgeber hat mit seiner Anlehnung an das Gerichtskostengesetz einen vertretbaren Gebührenmaßstab gewählt und umgesetzt. Indem § 89 Abs. 5 AO auf § 34 GKG verweist hat der Gesetzgeber die Gerichtstätigkeit zum Vergleichsmaßstab für die Verwaltungstätigkeit gemacht. Beide Verfahren sind zwar nur eingeschränkt vergleichbar, insbesondere weil die Finanzbehörde angesichts des vom Antragsteller vorgegebenen Sachverhalts kein Streitverfahren gerichtsförmig zu ermitteln und zu leiten hat. Der die Auskunftsgebühr rechtfertigende Verwaltungsaufwand bleibt daher bei typisierender Betrachtung hinter einem kostenpflichtigen Gerichtsverfahren zurück. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber aber dadurch hinreichend Rechnung getragen, indem er die Kosten auf eine Gebühr beschränkte, während im streitig geführten Finanzgerichtsprozess vier Gebühren anfallen. Ein grobes Missverhältnis kann daher bei der im vorliegenden Fall festgesetzten geringsten Wertgebühr in Höhe von 121 Euro (§ 89 Abs. 5 Satz 2 AO i.V. mit § 34 Abs. 1 GKG) nicht festgestellt werden, zumal keine zusätzliche, auf Kostendeckung ausgerichtete Gebühren erhoben werden. Zwar beträgt der im vorliegenden Fall zugrunde gelegte Mindestgegenstandswert von 5.000 EUR (§ 89 Abs. 5 Satz 2 AO) ein Mehrfaches des Mindeststreitwerts von 1.000 EUR im Finanzgerichtsprozess. Die sich hieraus ergebende Mindestgebühr von 121 EUR liegt aber noch immer deutlich unter der Mindestgebühr des Gerichtsverfahrens von 220 EUR. Ob auch im höchsten Wertbereich von 30 Millionen Euro (§ 39 Abs. 2 GKG) die Auskunftsgebühr von 91.456 EUR noch verfassungskonform ist, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. Lahme/Reiser, Verbindliche Auskünfte und Gebührenpflicht, BB 2007, 408, 411 f.).

Zweifelhaft mag auch sein, ob der hilfsweise anzuwendende Zeitmaßstab verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, der sich auf "50 Euro je angefangene halbe Stunde und mindestens 100 Euro" (§ 89 Abs. 4 Satz 4 AO) beläuft, da die gesetzlich maximal vorgesehene Zeitgebühr von Steuerberatern nach § 13 S. 2 StBGebV lediglich 46 Euro je angefangene halbe Stunde beträgt. Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, weil im angefochtenen Gebührenbescheid der Wertmaßstab des § 89 Abs. 4 Satz 1 bis 3 AO zur Anwendung kam und eine nicht entscheidungserhebliche Rechtsfrage eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG von vornherein unzulässig macht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.



Ende der Entscheidung

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