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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 1 V 4305/08
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
UStG § 4
UStG § 6a Abs. 1
UStG § 14 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob die Antragstellerin steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen 2 erbracht hat.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand in den Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre mit "Vermietung von Video-Filmen, Im- und Export von Fahrzeugen" angegeben wird.

Geschäftsführer der GmbH sowie der von dieser beherrschten B GmbH ist der portugiesische Staatsangehörige F S-A.

In den Umsatzsteuer-Jahreserklärungen 2002 und 2003 erklärte die Antragstellerin in der Anlage UR umfangreiche steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen (12.661.246 EUR 2002 und in der berichtigten Erklärung 2003 12.965.649 EUR).

Aufgrund eines Rechtshilfeersuchens portugiesischer Behörden wurde 2005 ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin eingeleitet. Die Steuerfahndung (vgl. den strafrechtlichen und steuerlichen Teilbericht der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts X vom 17. Juni 2008 und dort insbesondere S. 16f.) kam zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen in erheblichem Umfang erklärt habe, bei denen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a Nr. 1 UStG für die Steuerfreiheit nicht vorgelegen hätten. Es seien Rechnungen für die Lieferung gebrauchter Kraftfahrzeuge nach Portugal erstellt worden, die dem ersten Anschein nach die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt hätten, aber lediglich dazu dienten, als angebliche Doppel der Originalrechnung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gegenüber den deutschen Finanzbehörden zu dokumentieren und die tatsächlichen Abnehmer in Portugal, an die die Antragstellerin die Fahrzeuge geliefert habe, zu verschleiern. Als "Originale" seien hiervon abweichende Rechnungen oder private Kaufverträge erstellt worden, die den tatsächlichen Erwerber oder von diesem benannte Privatpersonen, eine andere Kilometerleistung oder einen anderen steuerlichen Hinweis (§ 25a UStG statt § 6a UStG) enthalten hätten. Alle diese "Original" Rechnungen oder -kaufverträge hätten dazu gedient, den portugiesischen Behörden den Kauf eines nach § 25a UStG (Differenzbesteuerung) zu besteuernden Fahrzeugs oder einen nicht steuerbaren privaten Kauf vorzutäuschen, um die Erwerbsbesteuerung in Portugal zu verhindern. Die Antragstellerin habe dadurch den Abnehmern - überwiegend Firmen in Portugal - die Möglichkeit verschafft, die Fahrzeuge wegen der nicht oder nur zu einem geringen Teil entrichteten Umsatzsteuer zu einem geringeren Preis an ihre Endkunden zu veräußern. Die Antragstellerin habe durch dieses Vorgehen ihren eigenen Fahrzeugabsatz innerhalb weniger Jahre immens erhöhen können. In 2002 seien so 1.376.774,72 EUR und in 2003 1.801.001,60 EUR hinterzogen worden.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheiden vom 16. Juli 2008 erhöhte der Antragsgegner die Umsatzsteuerfestsetzungen 2002 und 2003 entsprechend dem vorgenannten Bericht der Steuerfahndung.

Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 21. Juli 2007 hiergegen Einspruch und beantragte zugleich beim Beklagten die Aussetzung der Vollziehung der vorgenannten Umsatzsatzsteuerbescheide. Diese wurde mit Schreiben des Finanzamts vom 15. August 2008 abgelehnt. Man schließe sich dem im Rahmen der Prüfung der Untersuchungshaft des Geschäftsführers ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts X vom 30. Juli 2008 (Az. xxx und xxx) an, wonach eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ohne Erfüllung der sich aus § 6a Abs. 3 UStG ergebenden Nachweispflichten auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung jedenfalls dann nicht in Betracht komme, wenn der handelnde Unternehmer durch Manipulation der beleg- und buchmäßigen Nachweise planmäßig die Erwerbsbesteuerung im Mitgliedsstaat der Beendigung der innergemeinschaftlichen Lieferung vereiteln wollte. Hier sei von einer solchen Fallgestaltung auszugehen.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2002 und 2003 vom 16. Juli 2008 ab Fälligkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache in Höhe von 1.386.774,72 EUR für 2002 und 1.801.001,60 EUR für 2003 auszusetzen und hilfsweise, die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung stehe fest, dass sämtliche Fahrzeuge physisch nach Portugal exportiert worden seien. Die tatsächlichen Erwerber seien überwiegend Autohändler gewesen. Für die nicht kommerziellen Abnehmer folge die Steuerfreiheit aus § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3c Abs. 1 UStG, wovon auch die Steuerverwaltung ausgehe. Hinsichtlich der kommerziellen Lieferungen bestehe Einigkeit, dass die formellen Vorschriften der §§ 17a und 17c UStDV nicht erfüllt seien, während den materiellen Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1b und 6a Abs. 1 und Abs. 3 UStG umfassend Genüge getan sei. Nach der neueren Rechtsprechung (etwa das BFH-Urt. v. 6. Dezember 2007, V R 59/03) seien die Nachweispflichten des Unternehmers keine materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung mehr. Zwar sei bei Nichterfüllung der Nachweispflichten danach grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt seien. Etwas anderes gelte aber nach der vorgenannten Rechtsprechung dann, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststehe, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorlägen. Ausweislich der Feststellungen der Steuerfahndung seien die materiellen Anforderungen innergemeinschaftlicher Lieferungen erfüllt. Zu einer Gefährdung des deutschen Steueraufkommens - und nur hierauf komme es an - könne es nicht kommen, weil das Gebot der Neutralität der Umsatzsteuer erfordere, dass die streitigen Umsätze allein im Bestimmungsland Portugal und nicht zusätzlich in Deutschland besteuert würden. Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung sei abzusehen, weil die Antragstellerin aufgrund des Vorgehens der Steuerbehörden zwischenzeitlich insolvent sei und damit keine Gefährdung des Steueranspruchs mehr bestehe. Auch der Schutz des EU-Landes Portugals könne nicht dazu führen, dass dem Ursprungsland ein Steueranspruch allein deshalb zuwachse, weil Portugal die Steuer bislang nicht erhoben habe. Zu beachten sei außerdem, dass die Verjährungsfrist bei Verbrauchssteuern nur ein Jahr betrage. Die Umsatzsteuer sei entgegen der im Urteil des BFH vom 16. Oktober 1986 (V B 64/8)6 vertretenen Auffassung wegen des im Jahre 1968 erfolgten Systemwechsels eine Verbrauchssteuer.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Soweit die Antragstellerin vortrage, dass sie Fahrzeuge nach Portugal geliefert, aber in ihrer Buchhaltung nicht die richtigen Abnehmer festgehalten habe, entspreche dies den Feststellungen der Steuerfahndung. Die Antragstellerin habe ihre wirklichen Lieferungen nach Portugal weder durch ordnungsgemäße Belege noch in ihren Büchern dokumentiert. Die Lieferungen seien deshalb umsatzsteuerpflichtig. Auch nach der neueren Rechtsprechung (BFH-Urt. v. 8. November 2007, V R 72/05 und v. 6. Dezember 2007, V R 59/03) könne nur ausnahmsweise trotz Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten Steuerfreiheit gewährt werden, wenn aufgrund objektiver Umstände keine Zweifel bestünden, dass die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 USG vorlägen. In diesen Urteilen sei streitig gewesen, ob für einen einzelnen Umsatz die Nachweise formell ordnungsgemäß seien. Dies sei auch für die betroffenen Unternehmer ein Ausnahmesachverhalt gewesen. Diese Ausnahmeregelung entbinde den Unternehmer nicht allgemein von einem ordnungsgemäßen Beleg- und Buchnachweis. Hier seien nachhaltig und absichtlich keine ordnungsgemäßen Nachweise geführt worden. Die Antragstellerin habe die Behörden sogar mit falschen Belegen getäuscht. Der von der Steuerfahndung ermittelte Sachverhalt ersetze nicht die von der Antragstellerin vorsätzlich nicht geführten Beleg- und Buchnachweise. Der hier zu beurteilende Fall sei deshalb anders als der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Urteil vom 27. September 2007 dem Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 6. Dezember 2007 entschiedene Fall von Anfang an auf eine missbräuchliche Ausnutzung des umsatzsteuerlichen Gemeinschaftsrechts und die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils angelegt gewesen. Hier liege ein wesentlicher Unterschied. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 14 Abs. 3 a.F. bzw. 14 c UStG könnten vorsätzlich unrichtig ausgestellte Belege durchaus zu einer Steuerbelastung führen. Die Umsatzsteuer sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Verbrauchssteuer. Im Übrigen sei die Unterscheidung zwischen Verbrauchssteuer und anderer Steuer hier ohne Bedeutung, weil hier eine Steuerhinterziehung vorliege, so dass die Festsetzungsfrist zehn Jahre betrage. Der Geschäftsführer der Antragstellerin sei mit Urteil vom 17. September 2008 wegen Umsatzsteuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass die Lieferung von gebrauchten Fahrzeugen an nicht kommerzielle Abnehmer nicht steuerbar sei, treffe dies zu, wenn sich der Ort der Lieferung nach § 3 c UStG nach Portugal verlagere. Die Antragstellerin möge mitteilen, für welche konkreten Lieferungen sie diese Regelung anwenden wolle.

Durch Beschluss des Amtsgerichts X vom 1. August 2008 (xxx) ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter über dass Vermögen der Antragstellerin bestellt worden, deren Vermögensverfügungen danach der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bedurften, der nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin war ("schwacher" vorläufiger Insolvenzverwalter). Am 18. Dezember 2008 hat das Amtsgericht X den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin mangels Masse abgelehnt und die angeordneten Sicherungsmaßnahmen aufgehoben.

Das Landgericht Y hat den Antragsteller mit Urteil vom 17. September 2008 (Geschäftsnummer: xxx) wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Es hat in den Gründen (vgl. S. 22 d. Urteils) unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1995 (NJW 1995, 2241f. ) die Auffassung vertreten, dass ein Ausnahmefall, in dem eine Steuerbefreiung trotz Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten in Frage komme, nicht vorliege, wenn durch Manipulation der beleg- und buchmäßigen Nachweise planmäßig eine den innergemeinschaftlichen Wettbewerb verzerrende Steuerverkürzung im Mitgliedsstaat des Abnehmers herbeigeführt werden solle und damit das dortige Steueraufkommen gravierend gefährdet werde. Hierin liege ein gezielter Missbrauch gemeinschaftsrechtlicher Regeln, welcher die Versagung der Steuerbefreiung auch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH rechtfertige.

Entscheidungsgründe:

Die Insolvenz der Antragstellerin steht einer Sachentscheidung nicht entgegen, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts X vom 18. Dezember 2008 mangels Masse abgelehnt worden ist.

Der Antrag ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der FGO kann die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch 17 überwiegende öffentliche Interessen gebotene unbillige Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen eine Unklarheit in der Beurteilung von Tatsachen oder eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte; dabei ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (st. Rspr., vgl. BFH Beschl. v. 11. Oktober 2002, VIII B 172/01, BFH/NV 2003, 306; v. 14. Februar 2006, VIII B 107/04, BStBl 18 In Anwendung dieses Maßstabs hat der Senat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide, weil offen ist, ob die streitigen Lieferungen der Antragstellerin an ihre tatsächlichen Abnehmer in Portugal als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerbefreit sind.

Eine - gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie - innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

Diese Vorschrift steht im Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der in den Streitjahren geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten u.a. die Lieferungen, die durch den Erwerber nach Orten außerhalb des Inlandes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt werden, der als solcher in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versandes oder der Beförderung des Gegenstandes handelt. Eine innergemeinschaftliche Lieferung erfordert neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH v. 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos u.a., DStRE 2008, 109, Rn. 24, 70; v. 27. 9. 2007, C-184/05, Twoh, UR 2007, 782, BFH/NV Beil. 2008, 39 Rn. 23). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (EuGH v. 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos u. a., a.a.O., Rn. 69 ff.).

Danach spricht hier Einiges dafür, dass die streitigen Umsätze größtenteils innergemeinschaftliche Lieferungen sind. Die Fahrzeuge sind nach Aktenlage tatsächlich als Lieferungen der Antragstellerin nach Portugal gelangt, wobei Abnehmer überwiegend portugiesische Unternehmen waren. Dies wird vom Antragsgegner eingeräumt und entspricht den bisherigen Feststellungen der Steuerfahndung, soweit diese dem Senat derzeit zugänglich sind (vgl. die Antragserwiderung vom 1.Oktober 2008 Bl. 24f. GA und den Teilbericht der Steuerfahndung vom 17. Juni 2008 S. 24f.; die vollständigen Ermittlungsakten sind auf die Aktenanforderung des Senats nicht vorgelegt worden). Dass diese Lieferungen durch die Steuerfahndung festgestellt und nicht durch die Antragstellerin nachgewiesen wurden, ist unerheblich, weil die Frage, ob eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 27. 9. 2007, C-184/05, Teleos u.a., DStRE 2008, 109) grundsätzlich anhand objektiver Kriterien zu erfolgen hat (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27. November 2008, 6 K 1463/08 - [...] - und FG Köln, Urt. v. 20. Februar 2008, 7 K 5969/03, EFG 2008, 889). Dass der Senat nach Aktenlage derzeit nicht anhand von Listen oder anderen Beweismitteln einzelne Wagenlieferungen bestimmten Abnehmern konkret zuordnen kann, führt im Hinblick auf die o.g. Feststellungen der Steuerfahndung zu keiner anderen Beurteilung. Die konkrete Lieferung jedes einzelnen Wagens ist aber im Hauptsacheverfahren abzuklären, was im Hinblick auf die die Antragstellerin treffende Feststellungslast für die Voraussetzungen der Steuerbefreiung dazu führen kann, dass die Klage zumindest teilweise abzuweisen ist. Ebenfalls im Hauptsacheverfahren ist der Frage nachzugehen, ob einzelne nach Portugal gelieferte Wagen an Nichtunternehmer geliefert wurden und ob es dann nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3c Abs. 1 UStG an einer im Inland steuerbaren Lieferung fehlt.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urt. v. 6. Dezember 2007, V R 59/03, BFHE 219, 469 = DStR 2008, 297) fehlt es auch nicht deshalb an den Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung, weil die Antragstellerin die nach § 6a Abs. 3 UStG bei einer innergemeinschaftliche Lieferung erforderlichen Nachweise hier nicht erbracht hat. Denn diese Nachweispflichten sind keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Zwar ist in einem solchen Fall danach weiterhin grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, ist die Steuerbefreiung nach der Auffassung des Bundesfinanzhofs in der o.g. Entscheidung, der sich der Senat anschließt, aber zu gewähren. Soweit hier nach den Feststellungen der Steuerfahndung von der Antragstellerin gebrauchte Kraftfahrzeuge an portugiesische Unternehmer geliefert worden sind, dürften die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG hier vorliegen.

Offen ist, ob die Qualifizierung der streitigen Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen und die damit verbundenen Steuerbefreiung entsprechend der Auffassung des Antragsgegners und der Rechtsprechung der Strafgerichte (vgl. das BGH-Beschl. v. 20. November 2008, 1 StR 354/08 - [...] - sowie das gegenüber dem Geschäftsführer der Antragstellerin ergangene Urteil des LG Y v. 17. September 2008) deshalb ausgeschlossen ist, weil die Antragstellerin sich nach Aktenlage dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft hat, dass sie durch Ausstellung unzutreffender Rechnungen ihre wahren Abnehmer verschleiert und den tatsächlichen portugiesischen Abnehmern ermöglicht hat, portugiesische Umsatzsteuern zu hinterziehen. Zwar darf die Nichterfüllung der vom Mitgliedstaat aufgestellten formellen Nachweisanforderungen nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. d. Urt. v. 27. September 2007, a.a.O. Rn. 37 sowie Englisch, UR 2008, 481 <484>) nicht zu einer Gefährdung des Steueraufkommens führen. Der EuGH hat aber in dem vorgenannten Urteil zugleich erkennen lassen, dass sich diese Einschränkung wegen des Grundsatzes der steuerlichen Territorialität allein auf den Mitgliedstaat bezieht, in dem der Endverbrauch erfolgt, so dass die Nichterhebung von Mehrwertsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung durch den Herkunftsstaat der Lieferung nicht als Gefährdung des Steueraufkommens angesehen werden kann (so auch FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27. November 2008 a.a.O. Rz. 34). Die vom Landgericht im Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin zur Begründung seiner Auffassung angeführte Entscheidung des BGH (NJW 1995, 2241f. ) beruht auf einer von der Rechtsprechung des EuGH abweichenden Auffassung, der der Senat nicht folgt.

Allerdings obliegt dem nationalen Gericht nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urt. v. 27. September 2007, C-146/05, DStR 2007, 1811 - Collee - Rz. 38) die Prüfung, ob das Vorgehen des Steuerpflichtigen Züge einer Mehrwertsteuerhinterziehung hat. Eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist danach nicht erlaubt (vgl. EuGH- Urt. v. 6. Juli 2006, C-439/04 und C-440/04, DStR 2006, 1274, Kittel und Ricolta Recycling, Rn. 54). Ebenso kann die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht so weit gehen, dass Umsätze gedeckt werden, die zu dem Zweck getätigt wurden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen (vgl. EuGH-Urt. v. 21. Februar 2006, C-155-02, Halifax, Rn. 68f.).

Hier mag das Verhalten der Antragstellerin insofern Züge einer Mehrwertsteuerhinterziehung haben, als nach Aktenlage vorsätzlich falsche Belege ausgestellt wurden, um die Hinterziehung von Umsatzsteuern durch die portugiesischen Abnehmer zu ermöglichen. Der Senat hält es aber für zweifelhaft, ob dies der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegen gehalten werden kann. Denn insoweit beruft sich die Antragstellerin wohl schon deshalb nicht missbräuchlich auf das Gemeinschaftsrecht, weil die materiellen Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung - soweit bei summarischer Prüfung ersichtlich - objektiv vorlagen. Anderes ergibt sich entgegen der vom Bundesgerichtshof bei einer ähnlichen Fallgestaltung vertretenen Ansicht (BGH-Beschl. v. 20. November 2008, a.a.O. Rn. 12f.) auch nicht ohne weiteres aus dem grundsätzlichen Verbot missbräuchlicher Praktiken auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer. Die Feststellung einer solchen Praxis erfordert zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe. Zum anderen muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird. Denn das Missbrauchsverbot ist nicht relevant, wenn die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung haben als nur die Erlangung von Steuervorteilen (vgl. EuGH-Urt. v. 21. Februar 2006 - Halifax - a.a.O. Rn. 74 f.). Hier ist zweifelhaft, ob diese beiden Voraussetzungen missbräuchlicher Praktiken vorliegen. Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen entspricht dem System der Mehrwertsteuer, wonach lediglich der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland der Besteuerung unterworfen wird. Zudem erklären sich die von der Antragstellerin getätigten Umsätze keineswegs allein durch die Erlangung von Steuervorteilen. Vielmehr ging es der Antragstellerin offensichtlich gerade nicht um die Erlangung umsatzsteuerlicher Vorteile für sich, sondern darum, mehr Autos nach Portugal zu verkaufen, in dem sie ihren Abnehmern ermöglichte, dort Umsatzsteuern zu hinterziehen. Ob dies aber ausreicht, um wegen Missbräuchlichkeit des Vorgehens der Klägerin die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen zu versagen, bedarf der Klärung im Hauptsacheverfahren.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann deshalb auch nicht der "Rechtsgedanke des § 14 Abs. 3 UStG a.F. bzw. § 14c UStG" zu einer Steuerbelastung wegen vorsätzlich unrichtig ausgestellter Belege führen. Gerade die Existenz dieser Vorschriften spricht dafür, dass eine solche Regelung einer gesetzlichen Grundlage bedürfte, an der es hier fehlt.

Dem Antrag ist deshalb unabhängig von der Frage der Festsetzungsverjährung mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben.

Im Hinblick darauf, dass nicht erkennbar ist, dass die Antragstellerin die Umsatzsteuernachforderung in nennenswertem Umfang beglichen hat oder bereits Vollstreckungsmaßnahmen in deren Vermögen erfolgt sind und der Antragsgegner sich zur Frage einer Sicherheit nicht geäußert hat, sieht der Senat auch keinen Anlass, eine Sicherheitsleistung anzuordnen.

Die Beschwerde ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick darauf vorliegen, dass in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bisher nicht geklärt ist, ob die vorsätzliche Ausstellung unzutreffender Rechnungen durch den Lieferanten der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen entgegensteht.

Ende der Entscheidung

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