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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 10 K 366/03
Rechtsgebiete: EStG, GG
Vorschriften:
EStG § 3 Nr. 40 | |
EStG § 3c Abs. 2 | |
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 | |
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 | |
GG Art. 3 Abs. 1 |
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 10. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg ohne mündliche Verhandlung am 13. Juli 2006 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ... ehrenamtliche Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Werbungskosten im Streitjahr 2002.
Der Kläger ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma ...-SteuerungsTechnik GmbH in .... Mit notariellem Vertrag vom 07.12.2001 erwarb er 1/3 der Gesellschaftsanteile. Der Erwerb wurde fremdfinanziert; die Darlehenszinsen betragen im Streitjahr 52.103,- EUR.
Der Beklagte erließ am 18.09.2003 den Einkommensteuerbescheid 2002. Unter Hinweis auf die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 c Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG) ließ er lediglich den hälftigen Betrag (26.052,- EUR) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zum Abzug zu.
Hiergegen legte der Kläger am 13.10.2003 mit der Begründung Einspruch ein, die Abzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG sei steuersystematisch nicht gerechtfertigt, weshalb im Schrifttum erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestünden.
Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidung vom 28.10.2003 den Einspruch des Klägers unter Hinweis darauf ab, die Voraussetzungen des § 3 c Abs. 2 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG seien vorliegend erfüllt.
Der Kläger hat am 26.11.2003 Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg erhoben. Er beantragt,
1. den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 18.09.2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.10.2003 insoweit abzuändern, als bei den Einkünften aus Kapitalvermögen weitere Werbungskosten i.H.v. 26.052,- EUR berücksichtigt werden;
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen
Zur Begründung wird vorgetragen, die Dividendeneinkünfte natürlicher Personen sollten ausweislich der Gesetzesbegründung typisierend einer Normalbelastung - sprich: einer ähnlichen Belastung wie der anderer Einkunftsarten - unterworfen werden. Der Gesetzgeber habe sich dabei des § 3 Nr. 40 EStG bedient, welcher jedoch keine Steuerbefreiung im herkömmlichen Sinne darstelle, sondern ein steuertechnisches Instrument zur Herstellung eben dieser gewünschten Belastungswirkung. Daher dürfe die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 40 EStG nicht gesondert betrachtet werden, sondern sei im Kontext mit der steuerlichen Vorbelastung auf Ebene der Kapitalgesellschaft zu sehen. Bei dieser Betrachtungsweise werde klar, dass das Halbabzugsverbot von Aufwendungen eindeutig systemwidrig sei und sowohl gegen das objektive Nettoprinzip wie auch gegen das Leistungsfähigkeitsgebot verstoße. Der Gesetzesbegründung folgend müsse daher auch der mit der Dividende zusammenhängende Aufwand zwingend steuerliche Relevanz besitzen, insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber selbst den Vorbelastungscharakter der Körperschaftsteuer anerkenne.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
Die Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten liegen dem Gericht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sie und die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichteten (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid 2002 vom 18.09.2003 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.10.2003 sind rechtmäßig; sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz FGO).
Die vom Kläger im Streitjahr aufgewendeten Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegen dem Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2 EStG und sind daher vom Beklagten zu Recht nur in Höhe von 50% berücksichtigt worden.
Nachdem durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 (BStBI 1 S. 1428) eingefügten § 3c Abs. 2 EStG dürfen Werbungskosten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einnahmen stehen, die nach § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte von der Einkommensteuer befreit sind, bei der Ermittlung der Einkünfte unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen, nur zur Hälfte abgezogen werden (periodenübergreifende Wirkung). § 3c Abs. 2 EStG betont ausdrücklich, dass das Abzugsverbot unabhängig davon gilt, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen. Das Gesetz fordert insoweit weder einen unmittelbaren Zusammenhang noch einen zeitlichen Bezug zu den steuerfreien Einnahmen (FG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2003 13 K 5410/02 E, EFG 2003, 1070). Mithin greift das Abzugsverbot unabhängig davon ein, ob die zugehörigen Einnahmen in demselben Zeitraum erzielt worden sind oder nicht (FG Münster, Urteil v. 28.05.2004 11 K 1743/03 E, EFG 2004, 1507; FG Düsseldorf, Urteil v. 19.01.2006 15 K 328/04 E, Ki, EFG 2006, 572).
Schuldzinsen sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Wird ein Kredit zum Erwerb einer Kapitalanlage aufgenommen, ist ein entsprechender wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne eines Veranlassungszusammenhangs mit den Einkünften aus Kapitalvermögen zu bejahen, wenn bei der Kapitalanlage nicht die Absicht der Erzielung steuerfreier Vermögensvorteile im Vordergrund steht. Die vom Kläger aufgewendeten Schuldzinsen sind danach grundsätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu qualifizieren. Die von ihm im Streitjahr 2002 erbrachten Zinsaufwendungen stehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit gemäß § 3 Nr. 40 lit. d EStG zur Hälfte steuerfreien Einnahmen, so dass nur ein hälftiger Werbungskostenabzug (§ 3c Abs. 2 EStG) in Betracht kommt.
Der Umstand, dass es in den Jahren 2001 oder 2002 nicht zu einer Ausschüttung und damit auch nicht zu einer entsprechenden Besteuerung von Zinseinkünften beim Kläger gekommen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2 EStG setzt nicht die tatsächliche Vornahme einer Gewinnausschüttung voraus. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Danach gilt - wie eingangs ausgeführt - das Abzugsverbot unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen (FG Münster, Urteil v. 28.05.2004 11 K 1743/03 E, EFG 2004, 1507; FG Düsseldorf, Urteil v. 19.01.2006 15 K 328/04 E, Ki, EFG 2006, 572); so auch Heinicke in Schmidt EStG § 3c Rn 26). Das Gesetz spricht damit gerade nicht von vereinnahmten oder tatsächlich geleisteten Gewinnausschüttungen, insbesondere setzt es nicht voraus, dass Einnahmen und Werbungskosten im selben Veranlagungszeitraum zugeflossen bzw. aufgewendet worden sind. Maßgeblich ist allein der wirtschaftliche Zusammenhang von Werbungskosten und den dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einnahmen.
Damit waren die geltend gemachten Zinsaufwendungen im Streitfall nur zur Hälfte zum Werbungskostenabzug zuzulassen.
Eine Vorlage des Rechtsstreits an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nach Auffassung des Senats nicht geboten.
Das Halbeinkünfteverfahren soll die definitive (niedrige) Vorwegbelastung auf Unternehmensebene durch eine Halbbesteuerung auf Anteilseignerebene ergänzen, um insgesamt eine Einmalbesteuerung zu erreichen, die typisierend der Steuerbelastung anderer Einkünfte entspricht (BT-Drucks. 14/2683, S.94). Mit diesem Gedanken der steuerlichen Einmalbelastung scheint § 3c Abs. 2 EStG nicht in Einklang zu stehen, da die Erwerbsaufwendungen wie bei anderen Einkunftsarten auch vollständig abziehbar sein müssten (von Beckerath, in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 3c Rdnr. 29 m.w.Nachw.). Gleichwohl vermag das Gericht keinen Verstoß des Gesetzgebers gegen das Verfassungsgebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 84, 239 <271>; 93, 121 <136>; 99, 88<95>; 99, 280 <290>, 101, 132 <138>; 101, 151 <155>) durch die Abzugsbeschränkung festzustellen. Insbesondere verstößt § 3c Abs. 2 EStG nicht gegen die vom Einkommensteuergesetz statuierte Sachgesetzlichkeit. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens zwar den Vorbelastungscharakter der Körperschaftsteuer anerkannt. Wenn er aber eine ertragsteuerliche Einmalbesteuerung ausgeschütteter Gewinne beim Anteilseigner typisierend bereits bei einer nur hälftigen Berücksichtigung korrespondierender Ewerbsaufwendungen annimmt, ist diese Wertung durch den Gestaltungsraum des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 84, 239 <271>; 93, 121 <136>; 99, 88 <95>; 99, 280 <290>; 101, 132 <138>; 101, 151 <155>; siehe hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 - juris) umfasst und vom Gericht nicht zu beanstanden.
Im Übrigen vermag das Gericht in der Abzugsbeschränkung im Halbeinkünfteverfahren schon deshalb keine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbare ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen, weil die Verfassung den Gesetzgeber nicht zu einer Gesamtschau von körperschaftssteuerlicher und einkommensteuerlicher Belastung verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 - juris). Das Grundgesetz hat die Körperschaftsteuer in ihrer klassischen Form der Doppelbelastung vorgefunden und über Jahrzehnte nicht in Frage gestellt (vgl. zu alledem FG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.05.2006 - 10 K 328/04 -)
Die Klage war somit mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO benannten Zulassungsgründe vorliegt.
Ende der Entscheidung
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