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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Entscheidung verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: 11 K 130/02
Rechtsgebiete: EGV


Vorschriften:

EGV Art. 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

11 K 130/02

Tatbestand:

I.

1. Die Beteiligten streiten über die zolltarifliche Einreihung von Omega-3 Wgk-Kapseln (Fischölkapseln mit Vitamin E). Jede Kapsel enthält 600 mg konzentriertes Fischöl (In-cromega EPA SR 500 TG) und 22,8 mg konzentriertes Vitamin E (d-alpha-Tocopherol-Konzentrat. Die Kapselhüllen bestehen aus jeweils 212,8 mg Gelatine, 77,7 mg Glycerol und 159,6 mg gereinigtem Wasser. Für die Herstellung von Omega-3 Wgk- Kapseln wird Fisch kalt gepresst und mit einem Zusatz an Vitamin E in Kapseln abgefüllt. Eine darüber hinausgehende Be- oder Verarbeitung findet nach dem unwidersprochenen Klägervortrag nicht statt.

2. Die Klägerin meldete am 8. Februar 2001 zwei Boxen "Omega-3 Wgk, nicht in Aufmachung für den Einzelverkauf" unter der Unterposition 2106 9098 des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 (ABl. EG Nr. L 267/1) - Kombinierte Nomenklatur (KN) - in der zum Einfuhrzeitpunkt gültigen Fassung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Das beklagte Hauptzollamt (HZA) nahm die Zollanmeldung an, wobei es die Einfuhrabgaben nicht abschließend festsetzte (525,73 DM), sondern eine mitgelieferte Probeschachtel entnahm und die Durchführung einer Warenuntersuchung anordnete. In ihrem Einreihungsgutachten kam die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt München der Oberfinanzdirektion Nürnberg (ZPLA) zu dem Ergebnis, dass die Kapseln unter der Unterposition 1517 9099 KN einzureihen seien. Die von der Klägerin vorgenommene Einreihung führte zu einem Zollsatz von 0% und einer Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) von 7%, wogegen die Einreihung durch die ZPLA zu einem Zollsatz i. H. v. 16% und einem Einfuhrumsatzsteuersatz i. H. v. 16% führte.

3. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 erhob das beklagte HZA die seiner Ansicht nach zu wenig erhobenen Einfuhrabgaben i. H. v. insgesamt 1.058,30 EUR (614,40 EUR Zoll und 443,90 EUR EUSt) gemäß Art. 220 des Zollkodex ( Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) nach. Den Einspruch der Klägerin wies das HZA mit Bescheid vom 5. April 2002 als unbegründet zurück.

4. Daraufhin erhob die Klägerin Klage. Eine Einreihung in die Position 1517 KN komme nicht in Betracht. Sie setze voraus, dass das Produkt mindestens aus zwei Ölen, zwei Fetten oder einem Öl und einem Fett bestehen müsse. Ein Öl oder Fett, das nicht bearbeitet worden sei, unterfalle nicht dieser Position.

5. Darüber hinaus seien die Omega-3 Wgk-Kapseln aber auch deshalb nicht in die Position 1517 KN einzureihen, weil der Zusatz von 22 mg Vitamin E nicht gering i.S.d. Abs. 5 der Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Position 1517 sei. Dabei sei zur Beurteilung, ob es sich um einen geringen Zusatz handele, nicht auf die Menge bzw. auf den prozentualen Anteil eines Zusatzes in Bezug auf den gesamten Kapselinhalt abzustellen. Vom Wortlaut der Position 1517 KN werde das Produkt nämlich dann nicht mehr erfasst, wenn der Zusatz in einer Dosis vorliege, die weit über dem zur allgemeinen Ernährung notwendigen oder empfohlenen Maß liege. Durch den hohen Anteil an Vitamin E werde deutlich, dass das Produkt über reines Fischöl hinausgehe und es vielmehr den Charakter eines Ergänzungslebensmittels haben solle. Gemessen am notwendigen bzw. empfohlenen Tagesbedarf an Vitamin E seien 22,8 mg nicht mehr als gering anzusehen.

6. Die Position 1517 KN erfasse das hier in Rede stehende Erzeugnis erst recht nicht vollständig, wenn bei der Beurteilung der Ware auch die Kapselhülle berücksichtigt werde. Bei dieser handele es sich nicht um eine Verpackung i.S.d. Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN (AV) 5b.

7. Das HZA ist der Klage entgegen getreten und führt aus, es handle sich um eine Zubereitung aus konzentriertem Fischöl und konzentriertem Vitamin E. Dass diese Zubereitung in Gelatinekapseln abgefüllt werde, sei dabei ohne Bedeutung. Die Kapseln würden nicht von Position 1516 KN umfasst. Sie seien auch nicht durch Anmerkung 1 c zu Kapitel 15 KN von diesem Kapitel ausgenommen, da sie nach dem Untersuchungsergebnis und dem vorgelegten Chargenprotokoll keine Erzeugnisse der Position 0405 enthielten. Der Zusatz von 22,8 mg Vitamin E pro Gelatinekapsel bewege sich im Rahmen der nach den ErlHS zu Position 1517 Rz. 05.0 in geringem Umfang zugelassenen Zusätze von bestimmten Stoffen.

8. Aus dem Wortlaut der Position 1517 KN sei nicht zu entnehmen, dass zur Einreihung in diese Position zwingend Mischungen oder Zubereitungen von mindestens zwei tierischen und pflanzlichen Fetten oder Ölen vorliegen müssten.

9. Die Kapselhüllen aus Gelatine, Glycerol und gereinigtem Wasser seien keine Zusätze der Zubereitung im Sinne der ErlHS, sondern lediglich Verpackungen im Sinne der AV 5 b, weshalb die Kapselhüllen wie die darin enthaltenen Waren einzureihen seien. Im Übrigen käme auch unter Berücksichtigung der Bestandteile der Kapselhüllen nur eine Einreihung in Position 1517 KN in Betracht, da die Waren trotz dieser Bestandteile als Zubereitung aus tierischen Ölen anzusehen wären, weil der Gelatineanteil für die Zubereitung ohne Bedeutung sei. Sowohl die Funktion der Kapselhüllen als Umhüllung der Zubereitung als auch bei der Darreichung seien nur Hilfsfunktionen, die den Charakter der Erzeugnisse nicht veränderten.

Entscheidungsgründe:

II.

10. Der Senat setzt das Klageverfahren aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Unterabs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft die im Orientierungssatz formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die Entscheidung über die beim Finanzgericht anhängige Klage hängt von der Beantwortung der vorgelegten Fragen ab, da diese darüber entscheidet, wie Omega Wgk-Kapseln von der KN erfasst werden. Die in Frage kommenden Tarifpositionen führen zu unterschiedlichen Zoll- und EUSt-Sätzen.

11. Nach den AV A 1 sind maßgeblich für die Einreihung der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die AV.

12. Kapitel 15 KN hat den Wortlaut "Tierische und pflanzliche Fette und Öle; Erzeugnisse ihrer Spaltung; genießbare verarbeitete Fette; Wachse tierischen und pflanzlichen Ursprungs". Position 1517 KN hat den Wortlaut "Margarine; genießbare Mischungen und Zubereitungen von tierischen oder pflanzlichen Fetten und Ölen sowie von Fraktionen verschiedener Fette und Öle dieses Kapitels, ausgenommen genießbare Fette und Öle sowie deren Fraktionen der Positionen 1516".

13. Kapitel 21 KN lautet "Verschiedene Lebensmittelzubereitungen". Position 2106 hat die Überschrift "Lebensmittelzubereitungen, anderweitig weder genannt noch inbegriffen".

14. Die AV 2 b lautet: "Jede Anführung eines Stoffes in einer Position gilt für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Jede Anführung von Waren aus einem bestimmten Stoff gilt für Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehenden Waren werden nach den Grundsätzen der AV 3 eingereiht.

15. In den AV 3 b ist bestimmt: "Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann."

Zu Frage 1:

16. Mischungen von tierischen oder pflanzlichen Fetten und Ölen erfordern der Begriffsbestimmung "Mischungen" zufolge grundsätzlich eine Zusammensetzung aus zumindest zwei Fetten oder Ölen bzw. einem Fett und einem Öl. Beim Begriff "Zubereitung" ist dies sprachlich nicht zwingend, er setzt lediglich voraus, dass das Fett oder Öl nicht völlig unverändert als einziger Bestandteil in einer Ware enthalten sein darf, wenn er der Position 1517 KN unterfallen soll. Offen bleibt, was unter einer "Zubereitung" konkret zu verstehen ist, insbesondere ob allein der Zusatz geringfügiger Mengen anderer Stoffe bereits als "Zubereitung" anzusehen ist.

17. Auch mit Hilfe der AV kann diese Frage nicht geklärt werden. Vorliegend handelt es sich gerade nicht um eine Mischung, sondern um einen "Stoff in Verbindung mit einem anderen Stoff" im Sinne der AV 2 b, sodass die Einreihung zwar nach dem charakterbestimmenden Bestandteil erfolgen soll (AV 3 b). Die Voraussetzung des Vorliegens einer Mischung, wie sie der Wortlaut der Position 1517 KN erfordert, ist damit jedoch nicht erfüllt.

18. Zur Auslegung sind daher die Erläuterungen heranzuziehen, die für das HS vom Rat der Europäischen Gemeinschaften für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens sowie für die KN von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden. Sie stellen ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen dar (ständige Rechtsprechung des EuGH, vergleiche EuGH-Urteile vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00, EuGHE I 2002, 1389 Rz. 21; Urteil vom 10. Dezember 1998 Rechtssache C - 328/97 - Glob-Sped -, EuGHE I 1998, 8357, Rz. 26).

19. Unter einer Mischung oder Zubereitung sind den ErlHS zu Position 1517 in Rz. 01.0 fortfolgende im Allgemeinen flüssige oder feste Mischungen und Zubereitungen von verschiedenen tierischen Fetten und Ölen zu verstehen oder deren Fraktionen, verschiedenen pflanzlichen Fetten und Ölen und deren Fraktionen oder sowohl tierischen als auch pflanzlichen Fetten oder Ölen oder deren Fraktionen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.

20. In den ErlHS zu Position 1517 sind als zugehörig zu dieser Position unter Rz. 06.0 "Lebensmittelzubereitungen aus nur einem Fett oder Öl (oder dessen Fraktionen), auch hydriert, die durch Emulgieren, Kirnen, Texturieren und so weiter bearbeitet worden sind" ausdrücklich genannt. Voraussetzung ist danach, dass das eine Fett oder Öl in einer solchen Weise bearbeitet worden ist. Zwar sind die in Rz. 06.0 ErlHS zu Position 1517 genannten Bearbeitungsformen nicht abschließend aufgezählt; aus ihnen könnte jedoch geschlossen werden, dass es sich um eine Bearbeitung handeln muss, die den dort genannten Bearbeitungsformen ähnlich ist. Beim Emulgieren, Kirnen und Texturieren wird direkt auf die Struktur/Konsistenz des Fettes oder Öls eingewirkt.

21. Vorliegend wurde Fisch kalt gepresst und das so gewonnene Öl mit Vitamin E (22,8 mg pro Kapsel) versetzt und in Kapseln abgefüllt. Eine Einwirkung auf die Struktur des Öls findet nicht statt. Eine Bearbeitung im Sinne des Rz. 06.0 der ErlHS Position 1517 wäre dann auszuschließen.

Zu Frage 2:

22. Wenn das Zusetzen von Vitamin E oder das Abfüllen in die Kapseln dagegen als Bearbeitung anzusehen wäre, wäre weitere Voraussetzung für die Einreihung in die Position 1517 KN, dass die Kapseln nicht durch den Zusatz von 22,8 mg Vitamin E ausgewiesen sind. Nach Rz. 05.0 ErlHS schließen geringe Zusätze von Lecithin, Stärke, Farbstoffen, Aromastoffen, Vitaminen und Butter oder anderen Fettstoffen aus der Milch die Erzeugnisse dieser Position nicht von einer Einreihung in Position 1517 aus. Den ErlHS ist allerdings nicht zu entnehmen, nach welchen Kriterien die Frage, ob es sich um einen geringen Zusatz handelt, zu beurteilen ist. Bestimmt man die Grenze der Geringfügigkeit gewichtsbezogen, ist wohl von einem lediglich geringen Zusatz auszugehen, denn der Anteil des Vitaminzusatzes an der Kapselfüllung beträgt lediglich 3,7% (22,8 mg / 622,8 mg). Bezieht man die Kapselhülle mit ein, ist sie noch geringer. Sollte dagegen der Tagesbedarf maßgeblich sein, könnte die Grenze der Geringfügigkeit überschritten sein, da der Zusatz von 22,8 mg pro Kapsel bei der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen Tagesdosis von 12 bis 15 mg bereits bei einer Einnahme von 1 Kapsel pro Tag deutlich über dem Tagesbedarf liegt.

23. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 17. November 1998 hierzu durch Urteil festgestellt, lediglich für Waren der Position 0405 KN sei gemäß Anmerkung 1 c zu Kapitel 15 ein Höchstprozentanteil festgelegt. Im Übrigen gelte für die in Rz. 05.0 ErlHS zur Position 1517 genannten Zusätze, dass sie nur in geringem Umfang in einer Ware der Position 1517 enthalten sein dürften, wobei es nicht auf den gewichtsmäßigen Anteil ankommen könne. Vielmehr sei in Anwendung der AV 1 Satz 2 entscheidend, ob das Erzeugnis trotz der Zusätze noch vom Wortlaut der Position 1517 KN erfasst werde (VII R 50/97, www.[...].de, BFH/NV 1999, 688). In dem dort streitigen Fall hat der BFH entschieden, dass Kapseln mit 500 mg Nachtkerzenöl, 14 bzw. 15 mg Milchfett, 15 mg Antioxidant (Vitamin E) in die Position 1517 KN einzureihen seien. Der Zusatz von 15 mg Vitamin E führe nicht zu einer Ausweisung aus der Position nach Rz. 05.0 der ErlHS.

24. Das HZA hat sich bei seiner Tarifierung u.a. auf dieses Urteil berufen. Die Klägerin hält die dem vorliegenden Fall zugrunde liegenden Fall für nicht vergleichbar, da die Nachtkerzenölkapseln 14 bzw. 15 mg Milchfett enthielten, so dass eine Zubereitung von tierischen und pflanzlichen Fetten vorgelegen habe.

25. Im Hinblick auf die Frage der Ausweisung aus der Position 1517 KN aufgrund des Zusatzes von Vitamin E sind die Waren jedoch vergleichbar. Folgt man der Entscheidung des BFH, würde ein Zusatz von 22,8 mg bezogen auf 622,8 mg Gesamtkapselinhalt wohl noch als gering anzusehen sein. In dem vom BFH entschiedenen Fall betrug der Anteil des Vitamin E 15 mg auf 529 bzw. 530 mg Gesamtkapselinhalt.

26. Zu Frage 3:

Fischölkapseln mit Vitamin E wären jedoch aus der Position 1517 KN ausgewiesen, wenn die Kapselhülle nicht als Verpackung im Sinne der AV 5 b anzusehen wäre.

27. Die AV 5 lauten:

"Zusätzlich zu den vorstehenden Allgemeinen Vorschriften gilt für die nachstehend aufgeführten Waren folgendes:

a) Behältnisse für Fotoapparate, Musikinstrumente, Waffen, Zeichengeräte, Schmuck und ähnliche Behältnisse, die zur Aufnahme einer bestimmten Ware oder Warenzusammenstellung besonders gestaltet oder hergerichtet und zum dauernden Gebrauch geeignet sind, werden wie die Waren eingereiht, für die sie bestimmt sind, wenn sie mit diesen Waren gestellt und üblicherweise zusammen mit ihnen verkauft werden. Diese Allgemeine Vorschrift wird nicht angewendet auf Behältnisse, die dem Ganzen seinen wesentlichen Charakter verleihen.

b) Vorbehaltlich der vorstehenden Allgemeinen Vorschrift 5 a werden Verpackungen wie die darin enthaltenen Waren eingereiht, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind. Diese Allgemeine Vorschrift gilt nicht verbindlich für Verpackungen, die eindeutig zur mehrfachen Verwendung geeignet sind."

28. Nach Fußnote 1 zu den AV 5 b gelten als Verpackungen "innere und äußere Behältnisse, Aufmachungen, Umhüllungen und Unterlagen mit Ausnahme von Beförderungsmitteln - insbesondere Behälter -, Planen, Lademitteln und des bei der Beförderung verwendeten Zubehörs. Der Ausdruck "Verpackungen" umfasst nicht die in der Allgemeinen Vorschrift 5 a) angesprochenen Behältnisse."

29. Unstreitig handelt es sich bei der Kapselhülle nicht um Behältnisse der AV 5 a. Die Kapselhüllen sind insbesondere nicht, wie nach der AV 5 a erforderlich, zum dauernden Gebrauch bestimmt.

30. Aber auch der Wortlaut der AV 5 b trifft auf Kapselhüllen der bezeichneten Art nicht eindeutig zu.

Schon die Begriffsbestimmung "Verpackung" legt nahe, dass die Ware nicht dauerhaft mit ihr verbunden ist, sondern spätestens beim Ge- oder Verbrauch der Ware von dieser getrennt wird. Dies ist auch nach dem vom HZA zitierten EuGH-Urteil vom 11. Februar 1982 in der Rs. C-278/80 Chem-Tec B.H. Naujoks gegen HZA Koblenz der Fall (EuGHE 1982 S. 439).

31. Noch am ehesten trifft der Begriff der "Umhüllung" aus der Fußnote 1 zur AV 5 b auf die Kapselhüllen zu. Auch die ErlHS zur AV 5 b, die als wichtiges Hilfsmittel zur Auslegung herangezogen werden können (s.o.), nennen als Gegenstand der AV 5 b die Einreihung von "Verpackungsmaterial und Behältern, wie sie gewöhnlich zum Verpacken von Waren verwendet werden, zu denen sie gehören." (ErlHS zu AV 5 b Rz. 16). In beiden Fällen liegt keine feste Verbindung zwischen Ware und Verpackung vor. Auch ist zweifelhaft, ob Kapselhüllen eine übliche Verpackung für Fischöl mit Vitaminzusatz darstellen.

32. Gegen die Annahme einer Verpackung könnte auch sprechen, dass die Kapselhülle in der Regel nicht nur eine Umhüllung einer Flüssigkeit, eines Granulats oder Ähnlichem in einer bestimmten Dosierung zur Aufnahme in den Körper darstellt, sondern auch darüber entscheidet, an welcher Stelle im Körper die Aufnahme des Wirkstoffes erfolgt. So werden Kapseln grundsätzlich unzerkaut mit etwas Flüssigkeit eingenommen. Dabei hängt es von der Art der Kapselhülle ab, ob die Aufnahme der Wirkstoffe in den Körper im Magen oder im Darm erfolgt, je nachdem ob die Kapseln sich bereits im Magen auflösen oder magensaft-resistent sind und den enthaltenen Wirkstoff erst im Darm freisetzen. Den Kapseln kommt damit eine eigenständige Funktion zu.

Zu Frage 4:

33. Wären die Bestandteile der Kapselhülle nicht als Verpackung, sondern als Zusätze zu behandeln, würden sie wohl zu eine Ausweisung aus der Position 1517 KN führen, da sie in einer Menge vorhanden sind, die im Verhältnis zu dem die Position begründenden Fischöl nicht mehr als gering anzusehen wäre (212,8 mg Gelatine, 77,7 mg Glycerol und 159,6 mg gereinigtes Wasser im Verhältnis zu 600 mg Fischöl).

34. Auch die Anwendung der AV 3 b dürfte dem nicht entgegenstehen. Denn welcher Bestandteil charakterbestimmend ist, das Öl mit Vitaminzusatz oder die Kapselhülle, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten. Schließlich ist es gerade die durch die Kapseln bestimmte Art und Weise der Aufnahme, die die Bestimmung und den Charakter der Ware (mit) ausmacht und sie damit von anderen Ölen unterscheidet.

35. Dagegen spricht allerdings die Avise zu Unterposition 1517 90. Danach gehört in diese Position "Nachtkerzenöl mit zugesetztem Vitamin E und Milchfett in Gelantine/Glycerin-Kapseln, für den Einzelverkauf in Blisterpackungen aufgemacht, zur Ergänzung der Diät mit den essentiellen Fettsäuren, die in dem Öl enthalten sind (insbesondere Gammalinolensäure)". Wären Gelatinekapseln nicht als Verpackung anzusehen, hätten - der dargestellten Argumentation folgend - auch die Gelatinekapseln mit Nachtkerzenöl aus Position 1517 KN ausgewiesen sein müssen. Allerdings sind die Avise im Gegensatz zu den AV nicht verbindlich.

36. Das Gleiche gilt für die Einzelentscheidung zur Kombinierten Nomenklatur zu Unterposition 1517 9099 (Verordnung (EWG) Nr. 3513/92 der Kommission vom 3. Dezember 1992, ABl. EG L 355/12). Einzelentscheidungen sind zwar rechtlich ebenfalls nicht verbindlich, können jedoch ähnlich wie die Erläuterungen und die Avise einen Anhaltspunkt für die Auslegung des Wortlauts der Positionen und Unterpositionen bieten. Nach der genannten Einzelentscheidung gehört in die Unterposition 1517 9099 KN "zubereitetes Öl in Gelatinekapseln, in Aufmachung für den Einzelverkauf. Jede Kapsel enthält:

37. Öl von Samen der gelben Nachtkerze (Oenothera biennis L.) 500 mg

flüssiges Milchfett 14 mg

Antioxidant (Vitamin E) 15 mg

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie nach dem Wortlaut der KN-Codes 1517, 1517 90 und 1517 9099."

38. Sollte eine Einreihung unter die Position 1517 KN nicht in Betracht kommen, wären die Kapseln als Lebensmittelzubereitungen unter die Position 2106 KN, "verschiedene Lebensmittelzubereitungen, anderweitig weder genannt noch inbegriffen", zu tarifieren. Unstreitig handelt es sich bei den Kapseln um Lebensmittelzubereitungen.

39. Eine Einreihung in eine andere Position außer 1517 KN kommt nicht in Betracht. Die einzig denkbare Position wäre 3004 KN: "Arzneiwaren (ausgenommen Erzeugnisse der Position 3002, 3005 oder 3006), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert (einschließlich solcher, die über die Haut verabreicht werden) oder in Aufmachung für den Einzelverkauf". Ein therapeutischer oder prophylaktischer Zweck ist nicht ersichtlich und wird von den Beteiligten auch ausgeschlossen.



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