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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: 11 K 571/04
Rechtsgebiete: DBA/Schweiz, EStG


Vorschriften:

DBA/Schweiz Art. 15a Abs. 2 S. 2
EStG § 32b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

11 K 571/04

Tatbestand:

I. Streitig ist, ob der Arbeitslohn des Klägers aus seiner Beschäftigung in der Schweiz im Inland steuerfrei zu belassen und lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32 b Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.

Der verheiratete Kläger wohnte im Streitjahr 2002 in X und wurde auf Antrag getrennt zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Im Streitjahr war er vom 1. Januar bis 30. September als Projektleiter bei der Firma P AG, S/Schweiz, beschäftigt. Die Firma P AG vertrieb Parkanlagen und Parksysteme. Der Kläger war schwerpunktmäßig für den Vertrieb in Italien, Frankreich, Portugal, Spanien und die französische und italienische Schweiz tätig.

Ende Juli/Anfang August 2002 wurde der Arbeitsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen gelöst, der Kläger wurde freigestellt. Während der Tätigkeit bei der Firma P AG unternahm der Kläger zahlreiche Geschäftsreisen, u.a. nach Mailand, Lyon, Bologna, Madrid, Lissabon, Amsterdam und Italien. Hierzu legte er mit der Einkommensteuererklärung eine von der Firma P AG unterschriebene Bescheinigung über 64 Nichtrückkehrtage vor, die vom kantonalen Steueramt für Quellensteuer mit einem Sichtvermerk abgezeichnet worden war. Auf deren Inhalt wird verwiesen. Diese sind unstreitig zwischen den Beteiligten.

In der Zeit vom 1. bis 15. Dezember 2002 war er anschließend bei der Firma G AG tätig. In dieser Zeit wurden keine Nichtrückkehrtage nachgewiesen.

Der Kläger gab seine Einkommensteuererklärung 2002 am 26. Februar 2004 zusammen mit der Anlage N-GRE ab. Beigefügt waren die Lohnausweise für die Steuererklärung über die Tätigkeit bei den Firmen P AG und G AG mit bescheinigten Bruttolöhnen von 96.862 SFr und 29.851 SFr sowie abgeführten Quellensteuern von 9.246,20 SFr und 4.108 SFr. Der Kläger begehrte, seine Bezüge für den gesamten Streitzeitraum unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen und nur die Einkünfte für die Tätigkeit in Drittländern zu besteuern. Hierauf entfielen - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - 80 Tage, woraus Einkünfte aus der Tätigkeit bei der Firma P AG von 43.780 SFr entfielen, die zwischen den Beteiligten der Höhe nach ebenfalls unstreitig sind. Für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma G AG von 29.851 SFr vertrat das beklagte Finanzamt (FA) hingegen die Auffassung, dass diese in der Bundesrepublik zu versteuern seien, da es sich um einen anderen Arbeitgeber handele und keine Nichtrückkehrtage nachgewiesen worden seien. Nachdem die Probezeit nicht in ein reguläres Arbeitsverhältnis überführt wurde, bezog der Kläger ab 23. Dezember bis 31. Dezember 2002 Arbeitslosengeld i. H. v. 328,50 EUR.

Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 1. Juli 2004, auf dessen Inhalt verwiesen wird, erfasste das beklagte FA den von der Firma G AG bezogenen Arbeitslohn, kürzte die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entsprechend den Drittlandeinkünften auf 80/177 und setzte demzufolge die ESt auf 14.140 EUR fest, worauf es Schweizer Abzugssteuern von 2.253 EUR anrechnete.

Dagegen richtete sich der form- und fristgerecht eingelegte, jedoch erfolglos gebliebene Einspruch. Der Kläger macht geltend, er habe die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass er für das gesamte Jahr von der inländischen Besteuerung freizustellen sei, da er Grenzgänger nach Art. 15 a DBA sei. Er habe bis zum 30. September 2002 mehr als 60 Nichtrückkehrtage nachgewiesen. Das beklagte FA hingegen verlange, dass die anteilige 60-Tage-Regelung auch ab 1. Oktober 2002 erfüllt werden müsse. Die beiden Vertragsstaaten hätten sich zwar im Einführungsschreiben darüber verständigt, wie ein Arbeitsplatzwechsel zu beurteilen sei, die gefundene Lösung sei jedoch nach Meinung von Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Kommentar zum DBA Deutschland-Schweiz zweifelhaft. Vom Sinn der Grenzgängerregelung her, die auf die überwiegende Bindung an den Wohnsitzstaat abstelle, sei eine arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise zu wählen. Der Kläger habe insgesamt mehr als 60 Tage der Nichtrückkehr nachgewiesen und erfülle damit die Voraussetzungen von Art. 15 a Abs. 2 DBA. Dass ein Grenzgänger, der für zwei Arbeitgeber tätig ist, sowohl Grenzgänger sein solle als auch nicht, könne nicht überzeugen. Maßgebend sei, dass das Gesetz eindeutig darauf abstelle, dass innerhalb eines Jahres die Anzahl an Nichtrückkehrtagen vorliegen müsse. Das Gesetz selber erwähne auch den Arbeitsplatzwechsel nicht, dieses beziehe sich demzufolge nur auf das Jahr. Anknüpfungspunkt sei somit nicht das Arbeitsverhältnis als solches, sondern nur die reine Anzahl der Nichtrückkehrtage. Die Auffassung des beklagten FA widerspreche damit eindeutig dem Wortlaut von Art. 15 a DBA/Schweiz. Die zeitanteilige Aufteilung widerspreche dem Wortlaut des DBA. Wenn der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber die Tagesanzahl für das ganze Jahr erfülle, so sei das gesamte, innerhalb eines Jahres erzielte Einkommen in dem anderen Vertragsstaat zu versteuern.

Der Kläger beantragt,

1. den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 1. Juli 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2004 dahingehend abzuändern, dass der von der G AG bezogene Arbeitslohn in Höhe von 29.851 Sfrs (= 20.299 EUR) steuerfrei belassen und lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32 b EStG berücksichtigt werde, wobei die Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten entsprechend gekürzt werden sollen,

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

3. die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Das beklagte FA beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

2. die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Zur Begründung trägt es die von der Finanzverwaltung in Randziffer 17 des BMF-Schreibens vom 19. September 1994 BStBl I 1994, 683 vertretene Rechtsauffassung vor. Es weist darauf hin, dass die Vertragsparteien im Verhandlungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 unter Tz. II Nr. 3 vereinbart hätten, die für die Grenzgängereigenschaft nicht schädlichen Tage der Nichtrückkehr in der Weise zu berechnen, dass für einen vollen Monat der Beschäftigung fünf Tage und für jede volle Woche der Beschäftigung ein Tag anzusetzen seien. Maßgebend für die Frage der Grenzgängereigenschaft sei dann die Gesamtzahl der auf diese Weise errechneten Tage. Nach der Verständigungsvereinbarung habe bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Kalenderjahres im Tätigkeitsstaat eine entsprechende Kürzung der 60-Tage-Grenze, bezogen auf das jeweilige Arbeitsverhältnis, zu erfolgen. Daher sei für jedes Arbeitsverhältnis gesondert zu prüfen, ob der betreffende Steuerpflichtige als Grenzgänger anzusehen sei. Einer arbeitnehmerbezogenen Betrachtungsweise könne nicht gefolgt werden. Die zuständigen Behörden hätten, gestützt auf Art. 26 Abs. 3 und Art. 15 a Abs. 4 DBA/Schweiz, vereinbart, dass die Voraussetzungen der Grenzgängereigenschaft für jedes Arbeitsverhältnis getrennt zu beurteilen seien. Da diese Vorgehensweise sowohl von den deutschen, als auch den Schweizer Vertragspartnern akzeptiert und angewendet werde, sei die getroffene Regelung als eine allgemeine, für die Finanzämter verbindliche Verständigungsvereinbarung anzusehen.

Am 25. Juni 2007 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, auf dessen Niederschrift vollinhaltlich verwiesen wird. Darin ist die Anzahl der Übernachtungen und Nichtrückkehrtage mit 64 Nichtrückkehrtagen unstreitig gestellt worden, wobei einzelne Reisen erörtert wurden. Ferner wurde unstreitig gestellt, dass die Werbungskosten nicht weiter zu kürzen seien und die 80 Tage für die Tätigkeit in Drittlandstaaten unstreitig waren. Außerdem war zwischen den Beteiligten unstreitig, dass im Fall des Obsiegens des Klägers eine Steueranrechnung der bisher angerechneten schweizerischen Quellensteuer für die Zeit vom 1. Oktober bis 15. Dezember 2002 nicht erfolgen kann.

Bezüglich des weiteren Vortrags im einzelnen wird auf die im Besteuerungs-, Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung vor dem Senat nach § 90 Abs. 2 FGO verzichtet.

Das beklagte Finanzamt hat auf Anforderung des Berichterstatters eine zwischenzeitlich zwischen den Beteiligten unstreitige Proberechnung erstellt, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger ist im gesamten Jahr kein Grenzgänger, da er mehr als 60 Nichtrückkehrtage nachgewiesen hat.

a) Nach Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA/Schweiz entfällt bei in einem Vertragsstaat ansässigen und im anderen Vertragsstaat arbeitenden Personen die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Ergänzend dazu heißt es in Nr. II.3 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 (Bundesgesetzblatt II 1993, 1889; BStBl I 1993, 929), dass die für die Grenzgängereigenschaft nicht schädlichen Tage der Nichtrückkehr bei einem Arbeitnehmer, der nicht während des gesamten Kalenderjahres in dem anderen Staat beschäftigt ist, in der Weise zu berechnen ist, dass für einen vollen Monat der Beschäftigung fünf Tage und für jede volle Woche der Beschäftigung ein Tag anzusetzen sei. Maßgebend für die Frage der Grenzgängereigenschaft ist die Gesamtzahl der auf diese Weise errechneten Tage. Diese Bestimmung enthält eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA/Schweiz (so für die Ziffer II.1 des Verhandlungsprotokolls: BFH-Urteil vom 15. September 2004 I R 67/03 BFH/NV 2005, 267;vom 16. Mai 2001 I R 100/00 BStBl II 2001, 633). In dem Einführungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. September 1994, das aufgrund einer Verständigungsvereinbarung mit den zuständigen Behörden der Schweiz erging, ist unter Tz. 15 ausgeführt, dass dann, wenn ein Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Kalenderjahres im Tätigkeitsstaat stattfinde, die Kürzung der 60- Tage-Grenze entsprechend Tz. II Nr. 3 des Verhandlungsprotokolls erfolge, bezogen auf das jeweilige Arbeitsverhältnis. Der hier gegebene Fall, dass in einem Arbeitsverhältnis bereits 60 Nichtrückkehrtage vorhanden sind, wird jedoch dort nicht erfasst. Unter Tz. 17 wird ausdrücklich geregelt, dass die Voraussetzungen der Grenzgängereigenschaft für jedes Arbeitsverhältnis getrennt zu beurteilen sind.

b) Die hier gegebene Fallgestaltung wird dennoch für den hier gegebenen Fall von der Eidgenössischen Steuerverwaltung nicht dieser Verständigungsvereinbarung unterworfen. Diese vertritt vielmehr die Auffassung, dass nach dem Wortlaut des Art. 15 a Abs. 2 DBA nicht als Grenzgänger gelte, wer an mehr als 60 Tagen pro Jahr aus beruflichen Gründen nicht an den Wohnsitz zurückkehre. Werden diese 60 Tage überschritten, so entfalle die Grenzgängereigenschaft in jedem Falle. Nach Schweizer Auffassung gilt die Verständigungsvereinbarung daher nur für Personen, die einen Arbeitgeberwechsel während des Kalenderjahres hatten und insgesamt nicht mehr als 60 Nichtrückkehrtage pro Jahr aufweisen. Wird hingegen die 60-Tages-Grenze bei einem Arbeitsverhältnis überschritten, kommt die Verständigungsvereinbarung nicht zum Tragen, da nach dem Wortlaut von Art. 15 a Abs. 2 DBA die Grenzgängereigenschaft nicht mehr gegeben ist (so ausdrücklich Eidgenössische Steuerverwaltung, Verfügung vom 16. August 2004, zitiert nach Kolb in Locher/Meyer/von Siebenthal/Kolb, Kommentar zum Doppelbesteuerungsabkommen, § 15 a DBA Nr. 24).

Entgegen der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist der hier streitige Fall dadurch von der Verständigungsvereinbarung ersichtlich nicht erfasst.

c) In der Literatur sind die Auffassungen umstritten.

Während die Finanzverwaltung im zitierten Einführungsschreiben und ihr nahe stehende Autoren (Hund, Der Betrieb 1995, 171 unter III.2, Geiger/Hartmann/Alscher, IStR 1994, 9, 13) die Auffassung der Finanzverwaltung teilen, vertreten namhafte Stimmen in der Literatur die Gegenauffassung. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die von den Vertragsstaaten gefundene Lösung, wie ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Jahres zu beurteilen sei, zweifelhaft sei. Die Finanzverwaltung habe sich einer arbeitgeberbezogenen Betrachtungsweise angeschlossen. Betrachte man jedoch den Sachverhalt aus der Sicht des Arbeitnehmers, so seien die Voraussetzungen der Steuerfreistellung erfüllt. Vom Sinn der Grenzgängerregelung her, die auf die überwiegende Bindung an den Wohnsitzstaat abstelle, müsse der arbeitnehmerbezogenen Betrachtungsweise der Vorrang eingeräumt werden. Sie habe zwar den Nachteil, dass der jeweilige Arbeitgeber von Informationen seines Vorgängers abhängig sei. Dies sei jedoch nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht maßgebend. Die arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise sei aus dem Wortlaut eher abzuleiten, da dort auf die Beschäftigung der Person im gesamten Kalenderjahr, und somit auf eine einheitliche Sicht abgestellt werde (Debatin/Wassermeyer, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 15 a Anm. 49; Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, DBA Deutschland/Schweiz, Art. 15 a Anm. 37 - 39).

2. Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung, da diese dem Wortlaut und Sinn des Art. 15 a Abs. 2 DBA entspricht.

a) Nach dem Wortlaut des Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Das durch das zitierte Zustimmungsgesetz in ein inländisches Gesetz transformierte Verhandlungsprotokoll hat unter II. Nr. 3 lediglich den Fall geregelt, dass ein Arbeitnehmer nicht während des gesamten Kalenderjahres in dem anderen Staat beschäftigt ist, demzufolge, wenn er teilweise nicht beschäftig ist. Nicht geregelt ist dort hingegen der hier gegebene Fall des Arbeitgeberwechsels und der Beschäftigung während fast eines gesamten Kalenderjahres, mit Ausnahme der letzten zwei Wochen. Diese einem Gesetz gleichstehende Regelung führt im Streitfall dazu, dass für die letzten zwei vollen Wochen der Nichtbeschäftigung zwei Nichtrückkehrtage weniger anzusetzen wären, somit für das ganze Kalenderjahr nur 58 Nichtrückkehrtage. Die zitierte Verständigungsvereinbarung im BMF-Schreiben vom 19. September 1994 a.a.O. wird - wie gezeigt - für den hier streitigen Fall von beiden Seiten unterschiedlich ausgelegt, sodass sich die Finanzverwaltung hierauf nicht stützen kann. Ungeachtet dessen kann eine Verständigungsvereinbarung im Verwaltungswege auch nur dann seitens der Gerichte zu beachten sein, wenn sie eine zutreffende Auslegung des Gesetzes darstellt und dessen Wortlaut nicht widerspricht.

Die Auffassung der Deutschen Finanzverwaltung widerspricht dem Wortlaut des Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz, da der Kläger die Zahl von 60 Nichtrückkehrtagen - bezogen auf das Kalenderjahr - überschreitet, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Bereits der Wortlaut spricht nach Auffassung des Senates für die arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise, da maßgebend die Person, somit der Arbeitnehmer und dessen Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres ist. Bei wie viel Arbeitgebern dies der Fall ist, ist für die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht maßgebend, vielmehr ist nur die Beschäftigungsdauer und die Anzahl der sog. Nichtrückkehrtage aufgrund der Arbeitsausübung maßgebend.

b) Auch Sinn und Zweck dieses Artikels sprechen für diese Auslegung. Art. 15 a DBA Schweiz regelt den 11 K 571/04 Seite 4 von 7 http://lrbw.[...].de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&Gerich... 11.06.2008 Konflikt zwischen Ansässigkeitsstaat und Staat des Arbeitsortes. Nach Art. 15 Abs. 1 DBA werden die Einkünfte für Einkommen aus unselbständiger Arbeit grundsätzlich der ausschließlichen Besteuerung des Wohnsitzstaates zugeordnet. Wird die Arbeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt, hat dieser das (konkurrierende) Recht zur Besteuerung (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweiz, sog. Arbeitsortsprinzip; Becker/Höppner/Grother/Kroppen, Art. 15 DBA/Schweiz, Anm. 1 - 3). Die Besteuerung der Pendler im Wohnsitzstaat wurde für die beste Lösung gehalten, da die ausschließliche Besteuerung im Wohnsitzstaat durch die Gewährung der durch die mit der unbeschränkten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat verbundenen steuerlichen Entlastungen für persönliche und familienbezogene steuerliche Vergünstigungen die für die Pendler günstigste Lösung ist. Zum Ausgleich der Fiskalinteressen des Tätigkeitsstaates wurde deshalb bei der Revision des DBA Schweiz ein auf maximal 4,5% der Bruttovergütung begrenztes Quellenbesteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates eingeführt. Das prinzipielle Besteuerungsrecht liegt daher beim Wohnsitzstaat. Dann jedoch, wenn der Arbeitnehmer im gesamten Kalenderjahr mehr als 60 Tage aufgrund der Arbeitsausübung nicht zurückkehren kann, sieht das DBA Schweiz die Bindung des Arbeitnehmers an den Ansässigkeitsstaat als so gelockert an, dass das Besteuerungsrecht dem anderen Staat zusteht und die hieraus erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat unter Progressionsvorbehalt freizustellen sind. In der Person des Arbeitnehmers sind demzufolge die Tage der beruflich bedingten Nichtrückkehr zu kumulieren, gleichgültig, bei wie vielen Arbeitgebern diese angefallen sind. Wird die Anzahl von 60 Tagen im Jahr in der Person des Arbeitnehmers überschritten, so greift das Arbeitsortsprinzip ein mit der Folge, dass das Besteuerungsrecht dem Staat des Arbeitsortes zusteht.

c) Diese Auslegung hat zusätzlich den Vorteil, dass sie innerhalb eines Jahres klare und eindeutige Verhältnisse schafft und zu einer klaren Abgrenzung zwischen Ansässigkeits- und Staat des Arbeitsortes führt.

Soweit sich verwaltungsmäßige Schwierigkeiten bei einzelnen Arbeitgebern ergeben könnten, erscheinen diese leicht lösbar, da der Arbeitnehmer von seinem vorhergehenden Arbeitgeber sowohl einen Lohnausweis nach schweizerischem Muster als auch eine Aufstellung der berufsbedingten Nichtrückkehrtage verlangen und diese seinem neuen Arbeitgeber vorlegen kann. Hingegen würde der Arbeitnehmer durch die sog. arbeitgeberbezogene Auslegung ohne gesetzliche Grundlage benachteiligt, der Senat hält daher diese Auslegung für eine im Streitfall verbotene Analogie zu Lasten der jeweiligen Arbeitnehmer.

d) Das Verhandlungsprotokoll zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

aa) Dieses findet nach seinem Wortlaut unter II. Ziffer 3 ausdrücklich nur dann Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer nicht während des gesamten Kalenderjahres in dem anderen Staat beschäftigt ist. In diesem Fall findet eine Kürzung der erforderlichen Nichtrückkehrtage zeitanteilig statt. Es handelt sich demnach um eine Regelung, die zugunsten der jeweiligen Grenzgänger wirkt, indem die Anzahl der erforderlichen Nichtrückkehrtage zeitanteilig gekürzt wird, sodass der Wegfall der Grenzgängereigenschaft früher eintreten kann. Die Anwendung dieser Regelung auf den Falle des Arbeitgeberwechsels zu Lasten des Klägers bedeutet daher eine entsprechende Anwendung, die jedoch der juristischen Methodenlehre widerspricht.

bb) Eine Analogie ist nur dann zulässig, wenn eine planwidrig unvollständige Gesetzeslücke vorhanden ist, die durch die entsprechende Anwendung einer Vorschrift geschlossen werden soll, um den tatsächlichen Gesetzeszweck zu verwirklichen.

Voraussetzung hierfür ist, dass der Gesetzgeber einen bestimmten Gesetzeszweck realisieren wollte, dies aber nicht gelungen ist. Das Gesetz ist, gemessen an dem ursprünglichen Plan, unvollständig und fehlerhaft formuliert. Dieser teleologisch adäquate Lückenbegriff ist im Steuerrecht allgemein anerkannt. Nur im Falle einer solchen Lücke ist der Rechtsanwender zur Analogie und damit der Rechtsfortbildung befugt (Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 5 Randziffer 53 bis 68; Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, Seite 370 ff).

Eine solche Gesetzeslücke liegt jedoch nach Auffassung des Senats nicht vor, da der Wortlaut des Art. 15 a Abs. 2 DBA Schweiz eindeutig ist und nur die Auslegung zulässt, dass bei 60 Nichtrückkehrtagen im Kalenderjahr - zu welchem Zeitpunkt auch immer - die Steuerpflicht in den Staat des Arbeitsortes wechselt. Diese Regelung ist klar und eindeutig und wird durch das Verhandlungsprotokoll nur für den Fall modifiziert, dass ein Arbeitnehmer nicht während des gesamten Kalenderjahres, sondern nur zeitweise dort arbeitet. Nur für diesen genau umschriebenen Fall besteht ein Bedürfnis für eine die Anzahl der Nichtrückkehrtage zugunsten des Arbeitnehmers mindernde Konkretisierung. Daher ist im vorliegenden Fall die sprachliche Zuordnung des Sachverhaltes zum Tatbestand nach Auffassung des Senats so eindeutig, dass die verbale Gesetzesauslegung dem Zweck des Gesetzes am besten entspricht und einer rechtsfortbildenden Lückenausfüllung nicht zugänglich ist.

cc) Dies zeigt, dass die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf den hier gegebenen Fall den Sinn dieser Regelung in ihr Gegenteil verkehrt, indem eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung in eine den Steuerpflichtigen belastende Regelung umgekehrt wird. Da weder eine Gesetzeslücke vorliegt, noch die Regelung des Verhandlungsprotokolls in II. Nr. 3 sinnentsprechend für den hier streitigen Fall angewandt werden kann, handelt es sich um eine Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen, die im Streitfall nach Auffassung des Senats unzulässig ist.

dd) Nur dieses Ergebnis hält auch einem Vergleich mit den Rechtsfolgen stand, die bei dem Arbeitnehmer eintreten, der ganzjährig bei ein und demselben Arbeitgeber beschäftigt ist.

Bei diesem Arbeitnehmer geht auch die Finanzverwaltung entsprechend dem Wortlaut des Art. 15 a DBA davon aus, dass es gleichgültig ist, zu welchen Zeiten im Jahre die berufsbedingten Nichtrückkehrtage anfallen. Sie verlangt dort nicht, dass jeden Monat entsprechend II Ziffer 3 des Verhandlungsprotokolls fünf Nichtrückkehrtage anfallen. Hat der Arbeitnehmer mit einem Arbeitgeber -wie im Streitfall- bis Juli 60 Nichtrückkehrtage überschritten, so entfällt auch nach Auffassung der Finanzverwaltung das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik, dieses steht nach dem Wortlaut des Art. 15 a DBA und dem Verhandlungsprotokolle eindeutig der Schweiz für das ganze Kalenderjahr zu. Dieser Arbeitnehmer kehrt auch dann nach dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig während des gesamten Kalenderjahres, auf dass das DBA eindeutig abstellt, an mehr als 60 Arbeitstagen, also mehr als etwa einem Viertel aller Arbeitstage in der Schweiz, auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurück. Wollte man den Falle des Arbeitgeberwechsels anders behandeln, obwohl in beiden Fällen der Arbeitnehmer das ganze Jahr arbeitet und beide die gleiche Anzahl von Nichtrückkehrtage haben, so verstieße diese Auslegung nach Auffassung des Senats gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, da der Arbeitgeberwechsel keinen sachlichen Grund für eine ungleiche steuerliche Belastung des Arbeitnehmers darstellen kann. Maßstab für dessen Belastung kann nur die in beiden Fällen gleiche steuerliche Leistungsfähigkeit und Belastung sein. Dieser ist von der Anzahl der Arbeitgeber unabhängig, vielmehr hängt diese nur von den während des gesamten Kalenderjahres erzielten Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit ab.

3. Der Kläger hat den Nachweis erbracht, dass er im Streitjahr an mehr als 60 Nichtrückkehrtage berufsbedingt nicht an seinen Wohnort zurückkehren konnte.

Der Kläger hat eine Bescheinigung seines Arbeitgebers über 64 Übernachtungen vorgelegt, unter anderem in Mailand, Lyon, Bologna, Madrid, Lissabon, Amsterdam und Mailand. Dabei handelt es sich teils um Messebesuche, teils um die Besuche von Kunden, unter anderem zur Lösung von aktuell aufgetretenen Problemen oder zur Schulung von Mitarbeitern. Teilweise lag der Reisebeginn bereits am Sonntagabend oder die Reise dauerte bis zum Sonntag. Die Aufstellung über die Nichtrückkehrtage umfasste nach den auch nach Auffassung des beklagten Finanzamtes glaubhaften Angaben des Klägers in Übereinstimmung mit der ausgestellten Bescheinigung nur die jeweiligen Übernachtungen, sodass der tatsächliche Reisebeginn jeweils einen Tag früher als in den angegebenen Übernachtungen erfolgte, die Aufstellung weist daher die beruflich bedingten Übernachtungen und damit die jeweiligen Nichtrückkehrtage aus. Dies ergibt sich aus den unbestrittenen Angaben des Klägers im Erörterungstermin.

Der Kläger hat auch -ebenfalls vom beklagten Finanzamt anerkannt-, angegeben, dass die Aufstellung aufgrund der Reisekosten- und Spesenaufstellungen gefertigt wurde. Die Reisekosten einschließlich derjenigen, die am Wochenende anfielen, wurden vom Arbeitgeber getragen. Damit liegen die Voraussetzungen von Randziffer 11 Satz 4 der Verständigungsvereinbarung mit der Schweiz (BStBl I 1997, 723) vor, nach der bei mehrtägigen Geschäftsreisen alle Wochenende- und Feiertage als Nichtrückkehrtage angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die Reisekosten trägt. Muss der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen Wochenenden fern von seinem Wohnsitz auf Grund von vom Arbeitgeber verlangten Dienstreisen verbringen, so liegen auch insoweit beruflich bedingte Tage der Nichtrückkehr vor. Die Zahlung der Reisekosten ist insoweit lediglich ein Indiz, dass für die vom Arbeitgeber angeordnete berufliche Tätigkeit spricht. Dies war nach den unbestrittenen Angaben des Klägers im Erörterungstermin in der Fall. Auch das beklagte Finanzamt hat die Angaben des Klägers im Erörterungstermin für glaubwürdig gehalten und deshalb die Anzahl der Übernachtungen einschließlich derjenigen am Wochenende und der Nichtrückkehrtage unstreitig gestellt. Dem folgt der Senat in Einklang mit der zitierten Verständigungsvereinbarung.

Nach diesen Grundsätzen war der Klage stattzugeben. Die ESt errechnet sich entsprechend der Probeberechnung, die als Anlage zum Urteil genommen wird und auf deren Inhalt der Senat verweist, auf 7.108 EUR.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, da es sich um eine schwierige und grundsätzliche Rechtsfrage handelt.

Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, die - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden wurde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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