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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: 11 V 32/05
Rechtsgebiete: BierStG, HBeglG 2004, FGO


Vorschriften:

BierStG § 2 Abs. 2
HBeglG 2004 Art. 15
FGO § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

11 V 32/05

Gründe:

I. Mit dem streitigen Steuerbescheid vom 8. Juli 2005 setzte der Antragsgegner durch die Zentralstelle Verbrauchsteuern - Biersteuer - in S für den Monat Juni 2005 insgesamt 44.845,19 EUR Biersteuer gegen die Antragstellerin fest, die von dieser auch bezahlt worden ist. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, den sie der Höhe nach auf den Unterschiedsbetrag beschränkte, der sich aus der Differenz zwischen den ab dem 1. Januar 2004 angewandten Steuersätzen nach § 2 Abs. 2 Biersteuergesetz (BierStG), zuletzt geändert durch Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I, 3076; HBeglG 2004) und den bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Biersteuersätzen ergibt (4.238,31 EUR). Gegen die den Einspruch zurückweisende Einspruchsentscheidung des Antragsgegners hat die Antragstellerin Klage erhoben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen 11 K 496/04 geführt wird. Mit Beschluss des Gerichts vom 13. Dezember 2004 wurde dieses Verfahren so lange ausgesetzt, bis das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die - die streitige Rechtsfrage entscheidende - Verfassungsbeschwerde 2 BvR 412/04 entschieden hat.

Den von der Antragstellerin - nach Zurückweisung des Aussetzungsbegehrens durch den Antragsgegner - bei Gericht gestellten Aussetzungsantrag in Höhe des vorgenannten Unterschiedsbetrages begründet sie im Wesentlichen mit einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 28. Februar 2005 (Az. 4 V 410/05 A VBi). In dieser hatte das Gericht das die höheren Biersteuersätze begründende HBeglG 2004 insoweit für verfassungswidrig erklärt und die Aussetzung der Vollziehung im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des BVerfG (2 BvR 412/04) gewährt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Aussetzungsantrag zurückzuweisen,

da ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Art. 15 HBeglG 2004 - entgegen dem o. g. Beschluss des FG Düsseldorf - nicht bestünden.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die den Beteiligten bekannte Entscheidung des FG Düsseldorf Bezug genommen.

II. Der Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Begründete Zweifel liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit des Bescheids sprechenden Umständen gewichtige, gegen seine Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der zu entscheidenden Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der zugrunde liegenden Tatfragen bewirken (vgl. z.B. den BFHBeschluss vom 5. März 1979 GrS 5/77, BStBl II 1979, 570, 573). Die Begründetheit der Zweifel verlangt, dass nach dem substantiierten, glaubhaften und schlüssigen Vortrag des Antragstellers ein nicht nur geringer - wenn auch nicht überwiegender - Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren Erfolg haben wird. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes können auch dann bestehen, wenn ernste verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit eines Gesetzes selbst bestehen (BFH Beschluss vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508).

Von der Gewährung einer Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung ist jedoch dann abzusehen, wenn Umstände vorliegen, die hierdurch so schwerwiegende Nachteile für den Staat befürchten lassen, dass das Interesse des Bürgers zurücktreten muss. (Gräber/Koch, FGO-Kommentar, 6. Aufl., § 69 Rz. 112). Eine Interessenabwägung ist im Hinblick auf den Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zu Stande gekommenen Gesetzes insbesondere dann erforderlich, wenn - wie hier - zur Begründung eines Antrags auf Aussetzung beziehungsweise Aufhebung der Vollziehung geltend gemacht wird, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides ergäben sich aus der Verfassungswidrigkeit des angewendeten Gesetzes (BFH Beschluss vom 6. November 2001, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Vollziehung der Bescheide insbesondere im Hinblick auf eine geordnete Haushaltsführung zu verneinen sein (BFH Beschluss vom 6. November 2001, a.a.O.).

Hiernach war die Aufhebung der Vollziehung in dem beantragten Umfange auszusprechen. Wegen der Begründung wird auf den o. g. Beschluss des FG Düsseldorf vom 28. Februar 2005 Bezug genommen. Die hierin geäußerten und im summarischen Aussetzungsverfahren ausreichenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 15 HBeglG 2004 teilt der Senat. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das BVerfG die auch in diesem Streitfall relevanten Bedenken zum Anlass genommen hat, hierüber - nach einer Mitteilung auf der Homepage des BVerfG voraussichtlich noch in diesem Jahr - zu entscheiden.

Bei der Höhe des streitigen Betrages von 4.238,31 EUR kann - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - nicht davon ausgegangen werden, dass das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung höher zu bewerten ist als das Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 i.V.m. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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