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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 31.10.2008
Aktenzeichen: 11 V 3738/08
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 90 Abs. 1
AO § 162 Abs. 1
AO § 370
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Vollziehung der Einkommensteuerfestsetzungen für 1989, 1990, 1991, 1992 und 1994, jeweils vom 11. März 2008, sowie der unter dem gleichen Datum erfolgten Vermögenssteuerfestsetzungen für die Jahre 1989 bis 1994 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die hierüber jeweils anhängigen Einsprüche oder einer anderen Erledigung jener Verfahren ausgesetzt; soweit durch diese Festsetzungen Bescheide geändert worden oder (bzgl. der Einkommensteuer 1989 und 1990) darin im Wege des Lohnsteuerabzugs erhobene Beträge angerechnet worden sind, gilt dies nur in Höhe der über die zuvor festgesetzten bzw. angerechneten Beträge hinausgehenden Beträge. Soweit die Bescheide schon vollzogen sind, wird die Vollziehung aufgehoben.

2. Die Antragsteller tragen (als Gesamtschuldner) 1/4, der Antragsgegner trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 2.783 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die beiden 1956 und 1960 geborenen, miteinander verheirateten Antragsteller werden vom Antragsgegner (Finanzamt --FA--) zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Aus der Ehe sind die beiden Kinder C (geb. 1987) und E (geb. 1993) hervorgegangen. Die Antragsteller haben in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen; der Antragsteller betreibt überdies seit dem Wirtschaftsjahr 1991/92 eine Landwirtschaft und erzielt als Holzrücker gewerbliche Einkünfte. Seit 1997 erklären die Antragsteller ferner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV). Während sie für das 1992 Einnahmen aus Kapitalvermögen (KV) in Höhe von 799 DM erklärt hatten, haben sie in der entsprechenden Zeile des Mantelbogens ihrer ESt-Erklärungen für 1993 bis 1995 jeweils durch Ankreuzen erklärt, ihre Einnahmen aus KV hätten nicht mehr als 12.200 DM betragen; für die nachfolgenden Jahre sind in den ESt-Bescheiden ausgehend von ihren Angaben Einnahmen aus KV wie folgt berücksichtigt:

 19965.784 DM
19976.279 DM
19984.283 DM

Für 1999 enthält ihre Steuerakte keine Anlage KSO.

Erklärungen zur Vermögensteuer (VSt) hatten die Antragsteller nicht eingereicht, weshalb zunächst auch die Durchführung entsprechender Hauptveranlagungen auf den 01.01.1989 und den 01.01.1993 unterblieben ist.

Während für 1989 und 1990 keine Veranlagungen durchgeführt worden waren, waren die ESt-Bescheide der Antragsteller für die übrigen Streitjahre seit Anfang 2002 formell und (bis auf die Festsetzung für 1999) auch materiell bestandskräftig. Mit Bescheiden vom 11. März 2008 hat das FA unter Hinweis auf einen Steuerfahndungsbericht vom 12. November 2007 und die "Schätzung weiterer fehlender Angaben" die ESt der Antragsteller für 1989 und 1990 erstmals und für 1991, 1992 sowie 1994 bis 1999 unter Änderung der vorausgegangenen Festsetzungen neu festgesetzt. Ebenso hat die Behörde erstmals VSt-Bescheide auf den 01.01.1989 und 01.01.1993 erlassen und darin die VSt für die Jahre 1989 bis 1992 auf jeweils 163,61 EUR und für die Jahre 1993 und 1994 auf jeweils 237,75 EUR festgesetzt.

Hiergegen haben die Antragsteller Einspruch eingelegt und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide gestellt. Zur Begründung lassen sie ausführen, dass die Bescheide für 1989 bis 1995 schon deshalb rechtswidrig seien, weil sie erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen worden seien. Es sei unzulässig, die für die Annahme einer Steuerhinterziehung erforderlichen Tatsachen zu schätzen oder auf bloße Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu stützen. Auch die Änderungsbescheide für die Jahre 1996 bis 1999 seien rechtswidrig, da sich aus ihnen nicht ergebe, welche Tatsachen und/oder Beweismittel das FA zur Änderung der bestandskräftig gewordenen Bescheide veranlasst habe.

Die Antragsteller hätten in ihren Steuererklärungen korrekte Angaben gemacht.

In der vom FA daraufhin eingeholten Stellungnahme der Steuerfahndungsstelle des FA X, teilte diese unter dem 07. Mai 2008 mit, dass im Rahmen von Ermittlungen bei der Bezirkssparkasse Y festgestellt worden sei, dass der Antragsteller am 09. Dezember 1992 U-Papiere (Tafelpapiere) im Wert von 245.400 DM gekauft habe; diese Wertpapiere seien über sein Girokonto Nr. ... bezahlt worden, wobei eine Barauszahlung und eine Bareinzahlung jeweils in Höhe von 245.400 DM gebucht worden seien; das sei seinerzeit von den Banken so gehandhabt worden, um eine anonyme Abwicklung der Tafelgeschäfte zu gewährleisten. Es sei gegen den Antragsteller ein Strafverfahren eingeleitet worden. Der Antragsteller habe seine Mitwirkung im Rahmen der Anhörung auf die Mitteilung beschränkt, die Steuererklärungen richtig abgegeben zu haben. Das Schreiben schließt mit der Einschätzung des Fahnders, dass der Antragsteller seine Kapitalerträge in den Jahren 1991 bis 1998 zu nieder erklärt habe und deshalb die Schätzung dieser Besteuerungsgrundlagen gerechtfertigt sei. Der Mitteilung sind Kopien eines Stammdatenausdrucks, eines Auslieferungsbelegs der Bezirkssparkasse Y (ergänzt um einen Computerausdruck) sowie der Anfrage an den Strafverteidiger und Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 12. Oktober 2004 (ohne die darin erwähnten Zusammenstellungen) beigefügt worden.

Auf Blatt 8 bis 13 der Rechtsbehelfsakten wird Bezug genommen.

Im Hinblick darauf lehnte das FA mit Verfügung vom 23. Mai 2008 den Antrag auf AdV ab und wies zur Begründung darauf hin, dass nach Rückfrage bei der Steuerfahndungsstelle X Steuerhinterziehung und neue Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorlägen. Einen hiergegen eingelegten Einspruch hat das FA zwischenzeitlich durch Entscheidung vom 26. September 2008, auf die wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Mit ihrem bereits am 13. August 2008 beim Finanzgericht gestellten Antrag auf AdV machen die Antragsteller ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide geltend, die sie im Wesentlichen mit den schon im Einspruchsverfahren vorgetragenen Erwägungen und im Übrigen mit der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung des 2002 eingeleiteten Strafverfahrens begründen.

Sie beantragen,

die Vollziehung der am 11. März 2008 ergangenen ESt-Bescheide für 1989 bis 1999 und VSt- Bescheide für 1989 bis 1994 auszusetzen und -- soweit eine Vollziehung bereits erfolgt ist -- diese aufzuheben.

Das FA beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit seien nicht begründet. Die Antragsteller hätten den aufgrund des Bekanntwerdens des Erwerbs von Tafelpapieren aufgekommenen Verdacht der Unrichtigkeit der eingereichten ESt-Erklärungen nicht ausräumen können. Die aufgrund ihrer Mitwirkungsverweigerung angestellten ergänzenden Ermittlungen hätten weitere nicht erklärte Kapitaleinkünfte ergeben. Eine Schätzung unter Einbeziehung der ermittelten Einkünfte sei mithin gerechtfertigt gewesen. Die Einstellung des Strafverfahrens stehe dem nicht entgegen. Soweit sie auf § 170 der Strafprozessordnung (StPO) gestützt worden sei, beruhe das darauf, dass die festgestellten Kapitalerträge unter dem Freibetrag des § 20 EStG gelegen hätten, soweit es sich um eine Einstellung nach § 153 StPO handele, sei sie aufgrund der langen Verfahrensdauer und der steuerlichen Auswirkungen erfolgt. Da die Steuerhinterziehung deshalb nachgewiesen sei, fehle den Ausführungen der Antragsteller jede Grundlage.

Mit Beschluss vom 30. Oktober hat der Senat den Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf den Einzelrichter übertragen.

II. Das Gericht geht davon aus, dass sich das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller ungeachtet der anderslautenden Formulierung nicht (auch) auf einen Bescheid zur ESt 1993 beziehen soll. Zur ESt 1993 ist im Anschluss an die Steuerfahndungsprüfung kein Änderungsbescheid ergangen.

Davon abgesehen ist der Antrag zulässig, nachdem das FA zuvor einen entsprechenden Antrag mit Verfügung vom 23. Mai 2008 abgelehnt hatte (§ 69 Abs. 4 FGO). Die Antragsteller brauchten den Ausgang des gegen die ablehnende Verfügung erhobenen Einspruchs nicht abzuwarten.

Der Antrag ist auch teilweise begründet.

Nach der im Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sind nach den dem Gericht vorgelegten Erkenntnisgrundlagen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der die Jahre vor 1995 betreffenden ESt- und VSt-Bescheide nicht von der Hand zu weisen. Hingegen bestehen solche ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der für die nachfolgenden Vze ergangenen ESt-Änderungsbescheide nicht.

1. Da die die Vze 1989, 1990, 1991, 1992 und 1994 betreffenden ESt-Erklärungen sämtliche vor 1996 beim FA eingereicht worden waren und am 31.12.1996 auch die Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO) für die Abgabe der VSt-Erklärung auf den 01.01.1993 endete, war bezogen auf die für Zeiträume bis 1994 entstandene ESt und VSt Ende 2001 sowohl die reguläre Festsetzungsfrist von 4 Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) als auch die in Fällen leichtfertiger Steuerverkürzung auf 5 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 zweite Alt. AO) bereits abgelaufen; ein im Jahr 2002 eingeleitetes Steuerstrafverfahren konnte darauf keinen Einfluss mehr haben. Anders verhält es sich nur, soweit Steuern der Antragsteller hinterzogen worden sind. Für diesen Fall ergibt sich aus § 169 Abs. 2 Satz 2 erste Alt. AO eine auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist. Deren Ablauf konnte durch ein im Jahr 2002 eingeleitetes Strafverfahren auch in Bezug auf die Steueransprüche der Jahre 1989 bis 1994 noch gehemmt werden.

Ob die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung für diese Zeiträume vorgelegen haben, ist zwischen den Beteiligten allerdings umstritten. Das FA trägt hierfür die Feststellungslast (vgl. hierzu und zu den Anforderungen an eine diesbezügliche Überzeugungsbildung das Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 07. November 2006 VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364). Ob dieser genügt ist, vermag das Gericht anhand der vorliegenden Akten nicht zu erkennen. Es spricht allerdings wenig dafür.

a) In der vorstehend zitierten Entscheidung des BFH ist klargestellt, dass die Annahme einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) in einem finanzbehördlichen ebenso wie in einem gerichtlichen Verfahren voraussetzt, dass sowohl deren objektive Tatbestandsmerkmale als auch eine vorsätzliche Handlungsweise festgestellt werden. Diese Feststellung muss von einer Überzeugung vom Vorliegen der entsprechenden Tatumstände getragen sein und sich auf eine eigene Würdigung aller erheblichen Tatsachen und Beweismittel stützen. Können Zweifel hinsichtlich von für die Annahme einer Steuerhinterziehung erheblichen Tatsachen nicht behoben werden, kann die erforderliche Gewissheit nicht erlangt werden. Es ist in solchen Fällen auch dann nicht zulässig, den Erkenntnismaßstab der vollen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch ein reduziertes Beweismaß zu ersetzen, wenn der Steuerpflichtige an der Sachaufklärung nicht mitwirkt.

Wird der Vorwurf der Steuerhinterziehung auf das pflichtwidrige Verschweigen von Einnahmen aus Kapitalvermögen gestützt, dann setzt dies in objektiver Hinsicht auch voraus, dass diese Einnahmen insgesamt höher waren als die Summe aus dem Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) und nachgewiesenen oder pauschal anzusetzenden (§ 9 a Satz 1 Nr. 2 EStG) Werbungskosten. Anderenfalls konnten sich etwaige unzutreffende Angaben auf die Höhe der festgesetzten Steuer nicht auswirken.

Ebenso verhält es sich in Bezug auf den Vorwurf der Hinterziehung der VSt; eine solche kann nur vorliegen, wenn das festgestellte Vermögen zum jeweiligen Stichtag die Freibeträge überstiegen hat.

b) Ausgehend davon, dass dem Antragsteller im Dezember 1992 ein Betrag in Höhe von knapp 250.000 DM zur Verfügung stand, mit dem er seinerzeit Inhaberschuldverschreibungen im Wege eines Tafelgeschäfts erworben hat, erscheint es zwar durchaus nahe liegend, dass ihm und der Antragstellerin aus der Anlage ihres Kapitalvermögens in den Streitjahren höhere Einnahmen als die Summe aus Sparerfreibetrag und Werbungskostenpauschbetrag zugeflossen sind (dies gilt insbesondere für die Zeit vor 1993, in der Einnahmen aus Kapitaleinkünfte bereits ab 1.400 DM zu steuerpflichtigen Einkünften führten). Sicher ist dies allerdings nicht.

Es ist nicht bekannt, seit wann der Antragsteller über den im Dezember 1992 angelegten Betrag verfügte und wie er ihn bis dahin angelegt hat. Ob er hierzu im Besteuerungsverfahren befragt worden ist, lässt sich den vorliegenden Akten nicht entnehmen. Dass er im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht konstruktiv an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt hat, kann ihm vorliegend schon deshalb nicht entgegen gehalten werden, weil dies dort aufgrund seiner Rechtsstellung als Beschuldigter keine Pflichtverletzung bedeutete; ein Beschuldigter darf schweigen (Nemo-tenetur-Prinzip; vgl. auch § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Im Besteuerungsverfahren besteht hingegen eine Pflicht des Steuerpflichtigen zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts (§ 90 Abs. 1 AO), die von der Anhängigkeit eines etwa gegen ihn laufenden Steuerstrafverfahrens grundsätzlich unberührt bleibt (393 Abs. 1 Satz 1 AO) und aus deren Verletzung durchaus auch für den Steuerpflichtigen nachteilige Schlüsse gezogen werden können.

Dem steht das BFH-Urteil vom 07. November 2006 (a.a.O.) nicht entgegen; diese Entscheidung schränkt nämlich den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht ein, sondern macht lediglich deutlich, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflichten den Rechtsanwender nicht davon entbindet, sich vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Steuerhinterziehung eine Überzeugung zu verschaffen, sofern dies für Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakt rechtserheblich ist. Eine diesbezügliche Überzeugung kann je nach deren Erkenntniswert auch aus Indizien gewonnen werden, insbesondere wenn sich der Steuerpflichtige auf bloßes Bestreiten beschränkt und sich bei der Sachaufklärung im Übrigen passiv verhält. Bei Nichtbeantwortung von zur Aufklärung des im Raum stehenden Verdachts der Steuerhinterziehung gestellten konkreten Fragen wird zu erwägen sein, ob aufgrund einer solchen Mitwirkungsverweigerung letzte Zweifel an der nahe liegenden Überlegung überwunden werden können, dass dem Antragsteller das im Dezember 1992 auf einem auf seinen Namen lautenden Bankkonto ausgewiesene Guthaben (mindestens zu einem großen Teil) schon in den Jahren seit 1989 zur Verfügung gestanden hat und verzinslich angelegt worden ist.

c) Die Klärung dieser Fragen muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dabei wird sich das FA nicht auf eine Wiedergabe der Würdigung der Steuerfahndungsstelle beschränken können, sondern eine eigene Würdigung auf der Grundlage ihm selbst vorliegender Beweismittel vornehmen müssen. Auch wird es -- anders als bisher -- aus einer Einstellung eines Strafverfahrens jedenfalls keine nachteiligen Schlüsse für die Antragsteller ziehen dürfen (vgl. z.B. das BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 I B 93/99, BFH/NV 2001, 639 zu der nur mit Zustimmung des Beschuldigten zulässigen Einstellung nach § 153 a StPO); abgesehen davon ist den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen, dass bezüglich von Steueransprüchen der Jahre vor 1995 überhaupt ein Strafverfahren anhängig war.

2. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheide betreffend die Vze 1995 bis 1999 fällt die summarische Beurteilung indessen anders aus. Zwar trägt auch insofern das FA die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Bescheidänderungen vorliegen, namentlich dafür, dass dem FA eine rechtserhebliche Tatsache nachträglich bekannt geworden ist und diese zur Annahme von Kapitaleinkünften der Antragsteller in der den Änderungsbescheiden zugrunde gelegten Größenordnung berechtigte. Allerdings spricht für einen solchen Sachverhalt jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit.

Beim derzeitigen Verfahrensstand reicht das auch aus. Denn angesichts der bislang fehlenden Bereitschaft der Antragsteller, sich zu den mit den U-Papieren erzielten Einnahmen plausibel zu erklären, erscheint eine Feststellung der steuererhöhenden Umstände mittels reduzierten Beweismaßes zulässig; auch sind die den Änderungsbescheiden zugrunde gelegten Schätzungen der Höhe nach nicht zu beanstanden.

a) Im Rahmen im Jahr 2002 begonnener strafrechtlicher Ermittlungen sind Unterlagen erhoben worden, die jedenfalls bei summarischer Prüfung den Schluss erlauben, dass mit dem dem Konto Nr. ... belasteten Betrag in Höhe von 245.400 DM bei der kontoführenden Bezirkssparkasse Y am 09. Dezember 1992 im Wege eines Tafelgeschäfts "U-Papiere S-Rendite 1/98" mit der Wertpapier-Kenn-Nr. ... im Kurswert von 245.400 DM erworben und dem persönlich bekannten Kunden in effektiven Stücken ausgehändigt worden sind. Das rechtfertigt mangels anderer Anhaltspunkte die Annahme, dass die mit dieser Anlage erwirtschafteten Erträge dem Antragsteller, für den die Sparkasse das Konto Nr. ... führte, zuzurechnen sind. Solche für die steuerliche Würdigung bedeutsamen anderen Anhaltspunkte ergeben sich nicht schon daraus, dass die Antragsteller dies als Unterstellung abtun.

Auch wenn sich aus den aus dem Monat Dezember 1992 stammenden Unterlagen der Bezirkssparkasse Y nicht unmittelbar die Höhe der von den Antragstellern aus dieser Anlage in den Jahren ab 1995 erzielten Kapitaleinkünfte ablesen lässt, handelt es sich dabei doch um Beweismittel, die insofern rechtserhebliche Erkenntnisse auch für die Höhe der Kapitaleinkünfte und der daraus resultierenden ESt auch dieser Vze vermitteln, als sie zumindest ein starkes Indiz dafür hergeben, dass die Antragsteller ihre Kapitaleinkünfte in den Jahren ab 1995 unvollständig erklärt haben. Denn die Antragsteller haben für diese Vze dem FA gegenüber teils in den Steuererklärungen, teils aber auch auf konkrete Nachfrage zwar konkrete Kapitalerträge, nicht aber solche aus der streitbefangenen Anlage erklärt. Sie haben Kapitaleinkünfte vor allem nicht in einer Größenordnung erklärt, die unter Berücksichtigung ihrer konkret belegten Zinseinkünfte bei der Anlage eines Betrages von rd. 250.000 DM seinerzeit realistisch erscheint.

Insofern liegen die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor.

b) Wenn sich die Antragsteller -- mit diesen Erkenntnissen im Strafverfahren konfrontiert -- darauf beschränkt haben, nochmals die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben in den Steuererklärungen zu versichern, dann durfte das FA ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen schätzen. Hierfür genügt es nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, dass das FA die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln kann; dies gilt vor allem, wenn dies darauf beruht, dass der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Diese Voraussetzungen haben nach dem vorstehend Ausgeführten vorgelegen. Angesichts der für eine unvollständige Offenbarung der Kapitaleinkünfte durch die Antragsteller sprechenden Hinweise, reicht deren Beteuerung, alles richtig erklärt zu haben, nämlich zur Behebung diesbezüglicher Zweifel nicht aus.

c) Anders als für die unter 1. gewürdigten Zeiträume, ist für die Berechtigung zur Änderung der ESt- Festsetzungen 1995 bis 1999 unter dem Gesichtspunkt der Festsetzungsverjährung der Nachweis einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung nicht erforderlich. Ihre ESt-Erklärung für 1995 haben die Antragsteller ausweislich der Steuerakten im September 1997 mit der Folge eingereicht; dass die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1997 anlief (vgl. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Mit der gegenüber dem Antragsteller im Jahr 2002 erfolgten Einleitung des Strafverfahrens wurde der Ablauf der für leichtfertige Steuerverkürzung geltenden fünfjährigen (vgl. § 169 Abs. 2 Satz 2 zweite Alt. AO) Festsetzungsfrist gehemmt (§ 171 Abs. 5 AO). Das gilt ebenso für die Festsetzungsfrist der nachfolgenden Vze 1996 bis 1999. Die aufgrund dieses Strafverfahrens gewonnenen Erkenntnisse durften demnach in den angefochtenen Bescheiden ausgewertet werden, und zwar ungeachtet dessen, ob sie zum Nachweis einer Steuerhinterziehung geeignet und auch ausreichend waren oder nicht.

Deshalb hat es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide auch keine Bedeutung, ob und ggf. auf welcher Grundlage (ob nach § 170 oder nach § 153 StPO) das für diese Vze eingeleitete Strafverfahren später eingestellt wurde.

Erforderlich, aber auch ausreichend für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide für 1995 bis 1999 ist vielmehr, dass das FA nach Durchführung der für diese Jahre durchgeführten Veranlagungen Erkenntnisse erlangt hat, aufgrund derer an der vollständigen steuerlichen Erfassung der Kapitaleinkünfte der Antragsteller Zweifel entstehen konnten, die Antragsteller als mitwirkungsverpflichtete Steuerpflichtige zur Behebung dieser Zweifel nichts beigetragen haben, (nur für 1995 außerdem) einen der Antragsteller mindestens der Vorwurf leichtfertiger Steuerverkürzung trifft und - das FA bei Wahrnehmung der hierdurch eröffneten Schätzungsbefugnis die Kapitaleinkünfte in der Höhe angesetzt hat, die die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat.

Daran bestehen indessen nach den vorstehend gemachten Ausführungen keine Zweifel von solchem Gewicht, dass eine AdV geboten wäre. Insbesondere sind Anhaltspunkte dafür, dass die in den Anlagen 2 und 3 des Steuerfahndungsberichts vom 12. November 2007 näher aufgegliederte Schätzung nicht auf plausiblen Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruht, weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Sollten die Einkünfte aus KV der Antragsteller in den angefochtenen Bescheiden gleichwohl zu hoch angesetzt sein, dann liegt es an den Antragstellern, das FA durch rückhaltlose Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts davon zu überzeugen, dass ihre -- ggf. zu ergänzenden -- Angaben der Wahrheit entsprechen. Dazu haben sie im laufenden Einspruchsverfahren Gelegenheit.

3. Soweit danach vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, geschieht dies für die Dauer des derzeit anhängigen Einspruchsverfahrens und ist -- entsprechend dem gestellten Antrag -- auch die Aufhebung der Vollziehung mit der Folge anzuordnen, dass für die Zeit bis zum Wirksamwerden dieses Beschlusses keine Säumniszuschläge verwirkt sind. Ob und ggf. inwieweit AdV auch für die Dauer eines sich etwa anschließenden Klageverfahrens zu gewähren sein wird, hängt von dem dann gegebenen Erkenntnisstand ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die im Tenor ausgewiesenen Quoten entsprechen ungefähr dem jeweiligen Unterliegen der Beteiligten.

Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der nach § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO entsprechend anwendbaren Regelung des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), seine Bemessung auf § 52 GKG in Verbindung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach der Streitwert in Verfahren zur Erlangung von AdV mit 10% der streitbefangenen Beträge zu bemessen ist.

Dabei sind allerdings regelmäßig nur die Steuern und nicht auch die davon abhängigen steuerlichen Nebenleistungen zu berücksichtigen. Der hiervon ausgehend im Schriftsatz des FA vom 19. September 2008 mitgeteilte Streitwert (2.669 EUR) war noch um die streitbefangenen Beträge zur VSt zu erhöhen.

Ende der Entscheidung

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