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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 12 K 172/01
Rechtsgebiete: DBA CHE, EStG 1997


Vorschriften:

DBA CHE Art. 15 Abs. 4 S. 1
DBA CHE Art. 24 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1997 § 32b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1997, 1998, 1999 und 2000

hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2003 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Richter am Finanzgericht ehrenamtliche Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1.Die Einkommensteuerbescheide für das Jahr 1997 vom 15. Juni 2000, für das Jahr 1998 vom 19. Juni 2000, für das Jahr 1999 vom 02. Mai 2001, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2001, sowie der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 16. Juli 2003 werden dahingehend abgeändert, dass die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für die ... AG von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer unter Anwendung des Progressionsvorbehalts ausgenommen werden. Die festzusetzende Einkommensteuer ist durch den Beklagten zu berechnen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.Die Revision wird zugelassen.

3.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4.Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5.Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des mit Kostenfestsetzungsbeschluss angesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

Tatbestand

Streitig ist insbesondere, ob die Arbeitseinkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die ... AG mit Sitz in der Schweiz von der deutschen Besteuerung freizustellen sind.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nachdem sie ursprünglich in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz hatten, sind sie Anfang April 2001 in die Schweiz verzogen. Der Kläger ist laut Arbeitsvertrag vom 25. April 1994 Geschäftsführer der ... AG, deren Tochter-... sowie der ... GmbH, jeweils mit Sitz in der Schweiz. Das Gehalt wird durch die ... GmbH, ebenfalls mit Sitz in der Schweiz, ausgereicht. Wirtschaftlich wird es von der ... AG, deren schweizerischen Tochtergesellschaften sowie der ... GmbH getragen. Arbeitsort ist nach dem Arbeitsvertrag an den Sitzen der Konzerngesellschaften. Die Arbeitszeit richtet sich entsprechend dem Arbeitsvertrag nach den Bedürfnissen der Gesellschaft, wobei die Vertragsparteien von einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 2-3 Tagen die Woche ausgehen. Der Kläger verfügt über eine Mietwohnung in der Schweiz, die nur wenige Kilometer vom Sitz der Gesellschaft entfernt ist und in der er an den berufsbedingten Nichtrückkehrtagen übernachtet. Ausweislich einer Bestätigung der betreffenden Gemeinde in der Schweiz vom 16. Mai 2000 ist der Kläger seit 1994 mit seinem schweizerischen Einkommen in der Schweiz steuerpflichtig. In der Schweiz deklariert und versteuert wurden danach die Bruttolohnsummen aus der Tätigkeit als Geschäftsführer der ... AG, deren Tochter-... sowie der ... GmbH. Daneben bezieht der Kläger Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Firma ... GmbH mit Sitz in Deutschland. In den vorliegenden Einkommensteuererklärungen der Jahre 1997 bis 2000 beantragte der Kläger den Arbeitslohn aus der Schweiz als steuerfrei (unter Progressionsvorbehalt) zu behandeln. Hiervon abweichend behandelte der Beklagte (Bekl) in den streitgegenständlichen Bescheiden die Einkünfte aus der Schweiz zu 50 % als in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn. Unberücksichtigt blieben auch Aufwendungen für Dienstreisen mit dem privaten PKW in Höhe von DM 3.120,- im Jahr 1997 sowie DM 2.080,- im Jahr 1998. Sämtliche Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Zur Begründung führte der Beklagte hinsichtlich der 50 %igen Besteuerung der Einkünfte aus der Schweiz sinngemäß aus, dass der Kläger keine Nachweise über den Ort der tatsächlichen Tätigkeit erbracht habe, wozu er nach § 90 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) verpflichtet sei. Deshalb sei eine sachgerechte Schätzung dahingehend erfolgt, dass die Tätigkeit des Klägers zu 50 % außerhalb der Schweiz erfolgt sei. Auch eine Anrechnung der schweizerischen Steuern sei mangels eines entsprechenden Nachweises nicht möglich. Aufwendungen für Dienstreisen könnten mangels Nachweis nicht berücksichtigt werden. Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einsprüche (für das Jahr 2000 noch gegen den Vorauszahlungsbescheid) wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 12. April 2001, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Für das Jahre 2000 ist mittlerweile mit Datum vom 16. Juli 2003 ein Jahressteuerbescheid ergangen, der ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO steht.

Mit der vorliegenden Klage wenden sich die Kläger gegen die abweichenden Festsetzungen durch den Beklagten.

Zur Begründung tragen sie sinngemäß vor, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit in der Schweiz nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Beschluss vom 15. Dezember 1998 I B 45/98, BFH/NV 1999, 751) unabhängig vom Tätigkeitsort nur in der Schweiz zu versteuern seien. Darüber hinaus sei der Kläger nicht für seinen schweizerischen Arbeitgeber in Deutschland tätig geworden, so dass selbst bei der Annahme einer grundsätzlichen Steuerpflicht in Deutschland eine Steuerpflicht entfalle. Dies ergebe sich bereits aus dem Arbeitsvertrag sowie den vom Kläger zu erbringenden Tätigkeiten. Zwischen den ... Gesellschaften in Deutschland und der ... AG bestünde keine Konzernverbindung. Die ... AG verfüge über keine Arbeitsorte in Deutschland. Für die Tätigkeiten als Geschäftsführer für die deutschen Gesellschaften bestünde ein eigenes Beschäftigungsverhältnis mit gesondertem Arbeitsvertrag und getrennter Vergütung. Auch aus den Ermittlungen der Steuerfahndung ergäben sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger in Deutschland für seinen schweizerischen Arbeitgeber tätig geworden sei. Bereits seit 1994 habe der Kläger berufsbedingt in unmittelbarer Nähe zum Arbeitgeber in der Schweiz eine Wohnung angemietet und eine B/C-Aufenthaltsbewilligung erhalten. Entgegen dem Beklagtenvortrag sei durch den Schriftverkehr mit den ... keine Tätigkeit des Klägers in Deutschland für seinen schweizerischen Arbeitgeber nachgewiesen. Das Schreiben von Herrn ... vom 07. Januar 1997 sei an die Firma ... in ... gerichtet und beziehe sich auch nur auf die Geschäftsverbindungen zwischen der ... GmbH und der Firma ... in ... Auch der Reisebericht von Herrn ... vom 21. Oktober 1997 lasse keine Rückschlüsse zu, dass der Kläger für seinen schweizerischen Arbeitgeber in Deutschland tätig gewesen sei. Aus weiteren, ebenfalls von der Steuerfahndung sichergestellten Belegen (GABl 136-138) ergebe sich, dass der ... einkauf tatsächlich aus der Schweiz erfolgt sei. Hintergrund der Notizen seien Telefonate der Firma ... mit dem Einkäufer der Firma ... Schweiz, Herrn ... In den Notizen sei ausdrücklich festgehalten, dass Herr ... die Angelegenheiten mit dem Kläger besprechen werde. Aus den Notizzetteln gehe eindeutig hervor, dass der Kläger regelmäßig bei der ... Schweiz, anwesend gewesen sei. Herr ... habe in all diesen Fällen nicht beim Kläger in ... angerufen, sondern habe abgewartet, bis dieser wieder vor Ort in der Schweiz gewesen sei. Auch das Schreiben der ... GmbH vom 08. März 1999 belege dies. Herr ... von der Firma ... GmbH habe Herrn ... von der ... GmbH berichtet, dass der Kläger in der Schweiz gewesen sei und sich dort den Preisvergleich angesehen habe. Erst nach der Rückkehr zur ... am 12. März 1999 habe der Kläger dann über die Auftragsvergabe endgültig entscheiden gewollt. Er habe also gerade nicht seine Geschäfte für die schweizerische Gesellschaft in ... abwickeln wollen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tätigkeit des Klägers für seinen schweizerischen Arbeitgeber in Deutschland seien mithin nicht ersichtlich. Weiter seien bis 1996 ohne besondere Aufzeichnungen zum Tätigkeitsort - wozu auch aufgrund der von der Finanzverwaltung bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 07. Juli 1997 erfolgten Handhabung keine Veranlassung bestanden habe - die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis in der Schweiz beanstandungslos als steuerfrei anerkannt worden.

Schließlich habe der Kläger die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten durch die Vorlage des Arbeitsvertrages und der Bestätigung des Steuerkommissaires sowie der Veranlagungsbehörde ... vom 16.05.1999 über Steuerzahlungen in der Schweiz erfüllt. Die vom Bekl vorgenommene Schätzung sei vor diesem Hintergrund willkürlich, insbesondere hätte zumindest eine Anrechnung der schweizerischen Lohnsteuer gegebenenfalls im Schätzungswege erfolgen müssen.

Schließlich seien auch die geltend gemachten Werbungskosten im Rahmen der PKW-Nutzung anzuerkennen. Werbungskosten seien insbesondere auch dann anzuerkennen bzw. im Schätzwege zu berücksichtigen, wenn das Entstehen der Werbungskosten in hohem Maße glaubhaft sei.

Die Kläger beantragen:

1. Die Einkommensteuerbescheide für das Jahr 1997 vom 15. Juni 2000, für das Jahr 1998 vom 19. Juni 2000 sowie für das Jahr 1999 vom 02. Mai 2001, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2001 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für die ... AG von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer unter Anwendung des Progressionsvorbehalts ausgenommen werden, ferner die steuermindernde Berücksichtigung von Aufwendungen für Dienstreisen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von DM 3.120,- im Jahr 1997 sowie DM 2.080,- im Jahr 1998 und schließlich die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung bei den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 1997, 1998 und 1999.

2. Den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 16. Juli 2003 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für die ... AG von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer unter Anwendung des Progressionsvorbehalts ausgenommen werden.

3. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu eklären.

4. Hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In Art. 15 Abs. 4 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) DBA-Schweiz sei die steuerliche Behandlung von leitenden Angestellten geregelt. Gemäß Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz könne eine natürliche Person, die in einem der Vertragsstaaten ansässig sei (hier: Deutschland), aber als Geschäftsführer einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Kapitalgesellschaft (hier: Schweiz) tätig sei, in diesem Staat besteuert werden. Nach der Sonderregelung des Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz für leitende Angestellte, könne der Ansässigkeitsstaat (hier: Deutschland) jedoch die Einkünfte nur besteuern, wenn es im Quellenstaat der Kapitalgesellschaft (hier: Schweiz) zu keiner Besteuerung komme. Die Frage, ob der Ansässigkeitsstaat (hier: Deutschland) die Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung oder durch Steueranrechnung vermeide, werde nicht in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz, sondern in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) DBA-Schweiz geregelt. Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 d) DBA-Schweiz beschränke die Anwendung der Freistellung unter Progressionsvorbehalt ausdrücklich auf Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S.v. Art. 15 DBA-Schweiz, vorausgesetzt, die Tätigkeit werde in der Schweiz ausgeübt. Soweit diese Bedingung nicht erfüllt sei, werde die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung beseitigt. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF-Schreiben vom 7. Juli 1997, BStBl I 1997, 723) werde eine Steuerfreistellung nur noch insoweit gewährt, als die Tätigkeit tatsächlich in der Schweiz ausgeübt werde. Bei Arbeitsausübung im Inland oder Drittstaaten werde die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der schweizerischen Steuer vermieden. Da der Kläger bislang keinen Nachweis dafür erbracht habe, dass er für seinen schweizerischen Arbeitgeber ausschließlich in der Schweiz tätig gewesen sei, sei unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens und des Arbeitsvertrages davon auszugehen, dass der inländische Anteil der Einkünfte aus der Schweiz 50 % betrage. Im Übrigen sei es angesichts der Organisation der Unternehmen, für die der Kläger tätig sei, völlig lebensfremd von einer jederzeitigen strikten Trennung der einzelnen Bereiche auszugehen, wie dies im vorliegenden Verfahren vorgetragen werde. Vor allem der Schriftverkehr mit den ... lieferanten ergebe (Allgemeine Akten-Einsprüche 1997, Bl 27 f, 41 ff), dass diese die Abgrenzung, wie sie sich aus dem Innenverhältnis ergebe, entweder nicht gekannt hätten oder jedenfalls von sich aus nicht nachvollzogen hätten. Die von den Klägern insoweit eingeräumten Unklarheiten bei den Vertragspartnern seien auch nach 1996 offensichtlich noch vorhanden gewesen.

Durch Gerichtsbescheid des erkennenden Senats vom 02. Oktober 2003 (Zugang beim Beklagten am 23. Oktober 2003) wurde der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Mit Schriftsatz vom 17. November 2003 hat der Beklagte fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte, den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (3 Bände Einkommensteuerakten, 5 Bände Allgemeine Akten) sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat vom 10. Dezember 2003 entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Einkommensteuer-Jahresbescheid 2000 vom 16. Juli 2003 ist nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden.

Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz gewährt der Schweiz - vorbehaltlich Art. 15 a - ein Besteuerungsrecht, wenn eine in Deutschland ansässige natürliche Person, die als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, sofern die Tätigkeit nicht so abgrenzbar ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Wird diese Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt, so stellt Deutschland die Einkünfte gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) frei. In welchem Staat eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, richtet sich in der Regel auch bei leitenden Angestellten nach dem tatsächlichen Tätigkeitsort (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 67/93, BFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95; BFH-Beschluss vom 22. Mai 1997 I B 117/96, BFH/NV 1998, 18). Abkommensrechtliche Begriffe sind jedoch eigenständig auszulegen und zu verstehen (BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 57/97, BFHE 186, 374, BStBl II 1998, 672). Hiernach ist davon auszugehen, dass bei leitenden Angestellten schweizerischer Kapitalgesellschaften das Tatbestandsmerkmal "in der Schweiz ausgeübt" in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) DBA-Schweiz nicht nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen ist, sondern nach der in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz getroffene Sonderregelung. Danach wird kraft Fiktion die Tätigkeit am Ort des Sitzes der Kapitalgesellschaft ausgeübt. Bereits zum DBA-Schweiz 1931/1959 hatte der Große Senat des BFH entschieden, die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH mit Sitz im Inland werde stets am Sitz der Gesellschaft ausgeübt, wenn der Geschäftsführer seinen Wohnsitz in der Schweiz habe. Maßgebend sei, dass die einheitlich zu beurteilende Leitungstätigkeit erst am Ort des Sitzes der Gesellschaft wirksam werde (Beschluss vom 15. November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68). Dieser Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber durch Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz im Verhältnis zur Schweiz Geltung verschaffen. Hierfür spricht, dass nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz der. Sitz der Gesellschaft nur im Regelfall für das Besteuerungsrecht entscheidend ist, nicht jedoch, wenn die Tätigkeit lediglich (abgegrenzte) Aufgaben außerhalb des Ansässigkeitsstaates der Kapitalgesellschaft umfasst. Entsprechend wird der Tätigkeitsort von leitenden Angestellten einer Kapitalgesellschaft durch deren Sitz bestimmt (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1998 I B 45/98, BFH/NV 1999, 751). Weiter spricht hierfür auch die Entwicklung der Bestimmung des Art. 15 DBA-Schweiz im Vertragstext. Bei der Auslegung des Abkommens aus den Jahren 1931/1959 ging die deutsche Steuerverwaltung davon aus, dass Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften ihre Tätigkeit am Sitz des Unternehmens ausübten, wohingegen die Schweiz den tatsächlichen Aufenthalt als den Ort der Arbeitsausübung ansah. In das aktuelle Abkommen wurde, nachdem der BFH die Auffassung der deutschen Steuerverwaltung bestätigt hatte, diese im Vertragstext verankert. Nachdem Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) DBA-Schweiz direkt auf Art. 15 DBA-Schweiz rekurriert, ist dies bei der Auslegung maßgeblich zu berücksichtigen. Soweit der Beklagte hiergegen einwendet, dass bei dieser Auslegung Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) DBA-Schweiz ins Leere liefe und damit keine praktische Wirkung entfalten könne, da diese Bestimmung sich nur auf Art. 15 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 auswirken könne, ist diese Argumentation für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar. Wie der Beklagte selbst vorträgt ist in Art. 15 Abs. 1 bis 4 das (konkurrierende) Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geregelt. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) bestimmt nunmehr, dass die entsprechenden Einkünfte von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, wenn die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Danach sind in der Schweiz erzielte "normale" Arbeitnehmereinkünfte in Deutschland steuerfrei. Insoweit besteht auch ein Anwendungsbereich, da dadurch eine Doppelbesteuerung vermieden wird. Auch die Einkünfte der Personengruppe des Art. 15 Abs. 4 unterliegen dem generellen Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates. Liegen die Voraussetzungen dieses Absatzes jedoch vor, so muss der Wohnsitzstaat Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung treffen. Dies wird wieder über Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d) erreicht. Da diese Personengruppe aber ihre Tätigkeit im Regelfall am Sitz der Kapitalgesellschaft ausübt, sind die hieraus erzielten Einkünfte in Deutschland von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, obwohl die tatsächliche Arbeitsleistung gegebenenfalls teilweise nicht in der Schweiz erfolgt ist.

Schließlich sprechen für diese Auslegung auch Praktikabilitätsgesichtspunkte, denn gerade bei dieser Personengruppe wäre das Führen eines ansonsten erforderlichen "Tagebuchs" kaum zumutbar.

Hieraus folgt für den Streitfall, dass es auf den tatsächlichen Tätigkeitsort des Klägers nicht ankommt, sondern aufgrund seiner Geschäftsführertätigkeit für die ... AG mit Sitz in der Schweiz, die hieraus bezogenen Einkünfte unter Progressionsvorbehalt freizustellen sind, nachdem die Einkünfte in der Schweiz ausweislich der Bestätigung der Wohnsitzgemeinde tatsächlich der Besteuerung unterlegen haben und es sich beim Kläger in den Streitjahren aufgrund der Wohnung in der Schweiz und den arbeitsvertraglichen Regelungen unstreitig um keinen Grenzgänger nach Art. 15 a DBA-Schweiz gehandelt hat.

Soweit die Kläger in den Streitjahren 1997 und 1998 Aufwendungen für Dienstreisen mit dem privaten PKW in Höhe von DM 3.120,- bzw. DM 2.080,- als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit des Klägers geltend machen, hat der Bekl diese zu Recht unberücksichtigt gelassen. Für das Vorliegen von Werbungskosten dem Grunde und der Höhe nach trifft den Steuerpflichtigen die objektive Beweislast (Feststellungslast). Die Kläger haben insoweit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass entsprechende Aufwendungen entstanden sind, zumal der Kläger über einen Firmenwagen verfügte. Dass dieser während der Wintermonate nicht genutzt werden konnte, erscheint als wenig glaubwürdig. Insoweit wäre von den Klägern anhand geeigneter Nachweise darzulegen gewesen, an welchen Tagen und in welchem Umfang eine betriebliche Nutzung des privaten PKW stattgefunden hat.

Schließlich konnte der Klage auch insoweit kein Erfolg beschieden sein, als die Aufhebung der Vorbehaltsfestsetzungen begehrt wird. Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) können Steuern, solange die Steuerfestsetzung nicht abschließend geprüft worden ist, allgemein öder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Das Gesetz überlässt es in diesem Rahmen der Finanzbehörde, ob sie einen Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen lassen will (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684, 686, m.umf.N). Für die Anwendung dieser Regelung genügt es jedenfalls, dass der Fall noch nicht abschließend geprüft worden ist und im Zeitpunkt der Festsetzung nicht bereits feststeht, dass eine abschließende Prüfung nicht mehr stattfinden wird. Aus den Akteninhalt ergibt sich, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, insbesondere was die schweizerischen Arbeitgeberfirmen des Klägers betrifft. Insoweit war die Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ermessensgerecht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Kläger haben im Wesentlichen erreicht, was sie erreichen wollten. Das Unterliegen hinsichtlich der Vorbehaltsfestsetzungen und der Aufwendungen für Dienstreisen wiegt demgegenüber gering.

Die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Zwar handelt es sich bei der Klägerin um eine Steuerberaterin. Da es sich jedoch bei Fragen des internationalen Steuerrechts um eine Spezialmaterie handelt, bei der auch auf Seiten des Finanzamts speziell geschulte Sachbearbeiter für internationales Steuerrecht eingesetzt werden, gebietet es der Grundsatz der Waffengleichheit trotz an sich bestehender Qualifikation der Klägerin, die Notwendigkeit der Zuziehung nicht zu verneinen. Das Gericht erachtet hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren als notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Bestimmung des Tätigkeitsorts eines Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft in der Schweiz nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Im Übrigen ist zu dieser Frage bereits unter dem Aktenzeichen I R 49/03 ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig.

Ende der Entscheidung

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