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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: 12 K 193/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 10 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Der Kläger betrieb im Streitjahr 2000 ein Lady-Fitness-Sportstudio. Seine Umsätze versteuerte er nach vereinnahmten Entgelten. In der Regel schloss er mit seinen Kundinnen Verträge mit einer Mindestlaufzeit von 6 Monaten ab. Im Streitjahr wurden bei Zahlungsverzug der Kundinnen die Forderungen des Klägers an ein Inkassobüro verkauft. Der an ihn gezahlte Kaufpreis lag in allen Fällen bei 25% der Höhe der jeweils verkauften Forderung.

Da das Inkassounternehmen Gläubiger der Forderungen wurde und insoweit auch das volle Ausfallrisiko der dann eigenen Forderungen trug, lag unstreitig ein Fall des sogenannten "echten Factorings" vor.

Sowohl in den Umsatzsteuervoranmeldungen als auch in der -erklärung für 2000 legte der Kläger der Umsatzbesteuerung als Bemessungsgrundlage für Lieferungen und sonstige Leistungen zu 16% den tatsächlich gezahlten Kaufpreis, also 25% der Gesamtforderung zu Grunde.

Bei einer im Jahr 2000 für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2000 durchgeführten Umsatzsteueraußenprüfung berücksichtigte der Prüfer dagegen das mit den Kundinnen vereinbarte Entgelt, den verkauften Forderungsbetrag, als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage. Der Kläger hatte wegen mangelnder Mitwirkung des Inkassobüros nicht nachweisen können, welche Forderung in welcher Höhe zu welchem Zeitpunkt durch das Inkassounternehmen noch tatsächlich hatte eingezogen werden können (vgl. Bericht über die Umsatzsteueraußenprüfung vom 25. Oktober 2000). Es wurde lediglich allgemein bekannt, dass das Inkassobüro etwa die Hälfte der gekauften Forderungen hatte realisieren können. Die übrige Hälfte war uneinbringlich geblieben (Schreiben des Finanzamts vom 30. November 2004, Blatt 101 ff der Umsatzsteuerakten).

Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen und erhöhte im Streitjahr die Bemessungsgrundlage für Lieferungen und sonstige Leistungen zu 16% zunächst um DM 16.955,- (die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2000 betreffend), später dann um weitere DM 87.518,19 (den restlichen Zeitraum in 2000 betreffend).

Der dagegen form- und fristgerecht eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 08. Juli 2007, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen sinngemäß vor, dass die Versteuerung der Forderungen nur in Höhe des vom Inkassounternehmen an ihn gezahlten Betrages (25% der ursprünglich mit den Kundinnen vereinbarten Beträge) zu erfolgen habe. Schließlich könne bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, Bemessungsgrundlage nur das sein, was der Unternehmer tatsächlich erhalten habe.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 31. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08. Juli 2005 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer um DM 16.715,68 (EUR 8.546,59) herabgesetzt wird, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, Bemessungsgrundlage im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei im Streitfall nicht der Abtretungsbetrag, sondern die mit den Kundinnen vereinbarten Entgelte für die Leistungen des Klägers. Gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG sei Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Dabei sei nach Abschnitt 149 Abs. 1 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) sowohl bei der Versteuerung nach vereinnahmten als auch bei der nach vereinbarten Entgelten nur das zu versteuern, was für die Leistung tatsächlich vereinnahmt worden sei und nicht das, was der Unternehmer tatsächlich erhalten habe. Streitig sei hier letztlich, was für die Leistung des Klägers tatsächlich vereinnahmt worden sei.

Die Steuer des Leistenden richte sich zunächst nach dem vereinbarten Entgelt. Sollte der Leistungsempfänger weniger als vereinbart bezahlen sei eine Minderung der Steuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG möglich. Voraussetzung für diese Entgeltsminderung sei jedoch, dass der Leistende die teilweise Uneinbringlichkeit nachweise. Auch im Falle der Abtretung einer Forderung unter dem Nennwert bestimme sich deshalb das Entgelt nach den tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsempfängers (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Mai 1987, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1987, 739 und Abschnitt 223 Abs. 6 UStR). Aus diesem Grund habe der Kläger zunächst den vereinbarten Forderungsbetrag zu versteuern. Nachdem er keine Kenntnis darüber habe erlangen können, welchen Betrag das Inkassounternehmen für die einzelnen Forderungsbeträge letztlich habe einziehen können, verbleibe es im Streitfall wegen des fehlenden Nachweises und der Darlegungslast, die beim Kläger liege, auch endgültig bei diesem Ansatz.

Die vom Kläger zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. Juni 2003, BStBl 2004, 688 und des BFH vom 4. September 2003, BStBl 2004, 667 sowie das hierzu erschienene Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 3. Juni 2004, BStBl I 2004, 737 beurteilten den Streitfall entgegen der Auffassung des Klägers nicht anders. Die Rechtsprechung führe in den genannten Urteilen in Bezug auf den so genannten Anschlusskunden (hier: dem Kläger) lediglich aus, dass dieser, bei Übernahme des tatsächlichen Einzugs und des Ausfallrisikos durch den Factor (hier: dem Inkassounternehmen), mit der Abtretung seiner Forderung keine Leistung an diesen erbringe. Der Anschlusskunde sei im Gegenteil Empfänger einer Leistung des Factors. Die Abtretung der Forderung vollziehe sich letztlich im Rahmen einer "nicht steuerbaren Leistungsbeistellung".

Der Umstand, dass der Kläger lediglich die Differenz zwischen dem Nennwert der Forderung und dem vom Factor ausgezahlten Betrag erhalte, stelle eine umsatzsteuerlich unbeachtliche Abkürzung des Zahlungsweges dar.

Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte, den vom Beklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten (jeweils 1 Band Umsatzsteuer-, Betriebsprüfungs- und Prüferhandakten) entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Die Akten aus dem Verfahren 12 V 36/05 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht das mit den Kundinnen vereinbarte Entgelt als Bemessungsgrundlage und nicht den vom Factor ausgezahlten Betrag der Umsatzbesteuerung unterworfen.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG bestimmt sich die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage ausschließlich nach der vom Leistungsempfänger erbrachten Gegenleistung, also dessen tatsächlichem Aufwand. Tatsächlicher Aufwand ist im Streitfall der Aufwand, den der Leistungsempfänger zu zahlen hat. Leistungsempfänger ist im Streitfall die einzelne Kundin, nicht das Inkassobüro. Diese Schlussfolgerung wird dadurch gestützt, dass nach der neuesten Rechtsprechung der so genannte Anschlusskunde mit der Abtretung seiner Forderungen an den Factor keine Leistung an diesen erbringt. Im Gegenteil, der Anschlusskunde ist Empfänger einer Leistung des Factors (EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003 C-305/01 , a.a.O. und BFH-Urteil vom 4. September 2003 V R 34/99, a.a.O.). Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, dass Umsätze nur mit derjenigen Bemessungsgrundlage besteuert werden sollen, die sich auf Grund der letztendlich vereinnahmten Gegenleistung ergibt. Diese Aussage enthält eine verallgemeinernde Umschreibung der materiell-rechtlichen Regelungsinhalte der §§ 10 Abs. 1, 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG und besagt nichts zu dem hier streitigen Punkt, welcher Betrag als aufgewendet und -hiermit korrespondierend im besonderen Falle der Forderungsabtretung - als vereinnahmt anzusehen ist.

Bei der Entscheidung dieser Frage spielt § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Rolle. Danach liegt ein Leistungsaustausch vor, wenn sich die Leistung auf den Erhalt einer Gegenleistung richtet und damit die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung auslöst, so dass schließlich die wechselseitig erbrachten Leistungen miteinander innerlich verbunden sind. Keine Voraussetzung des Leistungsaustauschs ist es, dass das Entgelt als Gegenleistung vom Empfänger selbst erbracht wird, wenn nur eine innere Verknüpfung zwischen der steuerbaren Leistung und der Entgeltszahlung seitens eines Dritten besteht. Der Tatbestand der "Leistung gegen Entgelt" setzt eine Wechselbeziehung und gegenseitige Abhängigkeit der von den am Austauschverhältnis Beteiligten einander gewährten Leistungen voraus.

Die Umsätze im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG werden nach dem Entgelt bemessen. Als Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG kommen auch Zahlungen an Dritte in Betracht, sofern sie für Rechnung des leistenden Unternehmers entrichtet werden und im Zusammenhang mit der Leistung stehen. Dagegen erhöhen Zahlungen des Leistungsempfängers auf eigene Schuld gegenüber Dritten das Entgelt nicht. Auch in dieser Hinsicht bedarf es einer "inneren Verknüpfung des Entgelts mit der Leistung", die die Rechtfertigung dafür ist, dass die Umsatzsteuer "nach dem Entgelt bemessen" wird. Zwar ist für das Umsatzsteuerrecht unerheblich, ob mit einem Austauschverhältnis eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung tatsächlich erreicht wird. Es geht jedoch, insoweit abhebend auf den idealtypischen Fall eines gelungenen Interessenausgleichs, davon aus, dass die wirtschaftliche und damit steuerrechtliche Wertigkeit der Leistung gegen Entgelt aufgrund subjektiver Einschätzung der am Umsatz Beteiligten bestimmt wird. Der von den Beteiligten gefundene Wert bleibt unbeeinflusst von der auf Grund anderer Bewertungskriterien zu beantwortenden Frage, welchen Preis ein Abtretungsempfänger für die Forderung zu zahlen bereit ist. Die Differenz zwischen Nennwert der Forderung und gezahltem Betrag drückt das von den an der Abtretung Beteiligten subjektiv eingeschätzte Risiko eines Ausfalls der Forderung aus und gilt den Aufwand für den Einzug der Forderung ab. Diese Wertbemessung hat aber keinen rechtlichen Bezug zur Wertbestimmung des ursprünglichen Umsatzes.

Dass die Wertigkeit des Umsatzes durch die Forderungsabtretung unberührt bleibt, ergibt sich auch aus der Erwägung, dass der Abtretende über die Forderung mit ihrem vollen Nennwert (zuzüglich Mehrwertsteuer) verfügt und dem Factor dieser Bruttobetrag zur Realisierung zugewiesen wird.

Diese Auslegung entspricht auch dem System des Mehrwertsteuerrechts. Als Vorsteuer abziehbar ist u.a. die "gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen und sonstigen Leistungen" ( § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Dieser Vorsteuerbetrag entspricht dem Steuerbetrag, der in der Rechnung als auf das Entgelt ( § 10 UStG) entfallend gesondert ausgewiesen wird ( § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 6 UStG). Wollte man in Fällen der hier streitigen Art eine die Bemessungsgrundlage berührende Entgeltsminderung annehmen, wäre das vom Gesetzgeber angestrebte betragsmäßige Gleichgewicht von Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerschuld gestört. Demgegenüber fallen die praktischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass dem Leistenden für eine etwa gebotene Anwendung des § 17 UStG die Änderung der Bemessungsgrundlage nicht ohne weiteres bekannt ist, nicht ins Gewicht ( BFH-Urteil vom 27. Mai 1987 X R 2/81, a.a.O.).

Die vom Kläger beantragte Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ( § 20 UStG) führt zu keiner anderen Beurteilung des Streitfalles. Schließlich kommt es wirtschaftlich auf dasselbe heraus, ob der so genannte Anschlusskunde den abgetretenen Betrag tatsächlich vereinnahmt oder ob er an dessen Stelle über diesen Vermögenswert in anderer Weise verfügt, um für ihn ein anderes Entgelt, hier den Kaufpreis des Factors, zu erzielen (Schuhmann, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 10 Rn. 152).

Der Umstand, dass das Inkassobüro die abgetretenen Forderungen bei den Kundinnen des Klägers nur teilweise oder überhaupt nicht realisieren konnte, wirkt sich auf die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Leistung des Klägers an seine Kundinnen nur über § 17 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus. In diesem Fall haben die Kundinnen nunmehr weniger aufgewendet, um die Leistung des Klägers zu erhalten. Eine entsprechende Korrektur setzt jedoch voraus, dass der Kläger die teilweise oder komplette Uneinbringlichkeit jeder einzelnen Forderung nachweist. Im Streitfall ist dies nicht geschehen.

Das Ergebnis ist auch europarechtskonform. Zwar ist gemäß Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG darauf abzustellen, was der Leistende für den Umsatz erhält und nicht, wie nach § 10 UStG, darauf, was der Leistungsempfänger aufwendet. Insofern könnte angenommen werden, dass die Zahlung des Factors das Entgelt für den Abtretenden darstellt. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH eine Zahlung grundsätzlich nur dann Entgelt für eine bestimmte Leistung, wenn sie für die Leistung gewährt wird bzw. der Leistende sie hierfür erhält. Zwischen Leistung und Gegenleistung muss, wie bereits dargestellt wurde, ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, die Zahlung eines Dritten für die Leistung des Unternehmers an den Leistungsempfänger gewährt werden (EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 C- 317/94, HFR 1997,111, vom 15. Mai 2001 C-34/99, Umsatzsteuerrundschau -UR- 2001, 308 und BFH-Urteil vom 19. Oktober 2001 V R 75/98, BFH/NV 2002, 547). Im Streitfall fehlte dieser unmittelbare Zusammenhang, da die Zahlung des Kaufpreises durch das Inkassobüro nicht für die Leistung des Klägers an die Kundinnen erfolgte. Damit darf auch unter Beachtung von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG die Zahlung des Inkassobüros nicht als Teil des Entgelts für die Leistung des Klägers an dessen Kundinnen gewertet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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