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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 12 K 1944/09
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 90a
FGO § 100 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 1
UStG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
12 K 1944/09 12 V 2023/09

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Steuerpflichtiger die Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann, die ihm bei der Begebung einer Inhaberschuldverschreibung berechnet wird.

Die Klägerin und Antragstellerin (künftig: Klägerin) beabsichtigte, eine Anleihe im Gesamtnennbetrag von xx Mio. Euro zu begeben. Die Anleihe sollte in xx.000 Teilschuldverschreibungen mit einem Nennbetrag von je 1.000 Euro eingeteilt werden. Die Teilschuldverschreibungen sollten auf den Inhaber lauten. Sie sollten ferner ab dem 1. Februar 2005 mit 7 vom Hundert jährlich verzinst werden. Die Zinsen sollten - nachträglich - jeweils am 1. Februar eines Jahres fällig werden, die Rückzahlung des Anleihebetrags am 1. Februar 2010. Zuvor sollten die Anleihegläubiger die Anleihe nur - aus im Einzelnen näher bestimmten Gründen - kündigen können. Außerdem beabsichtigte die Klägerin eine weitere Anleihe im Gesamtnennbetrag von x Mio. Euro zu begeben, wiederum geteilt in Teilschuldverschreibungen mit einem Nennbetrag von je 1.000 Euro. Diese sollten ebenfalls ab dem 1. Februar 2005 mit 7 vom Hundert jährlich verzinst werden. Die Anleihen erhielten die International Securities Identification Number (ISIN) .... Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die folgenden, von der Klägerin dem Senat vorgelegten Unterlagen:

den "Vertrag über die Abwicklungsdienstleistungen und den Zahlstellendienst im Zusammenhang mit der Emission einer 7% Inhaberverschreibung über nominal Euro xx.000.000" vom 12. Januar 2005,

die "Anleihebedingungen" hierfür,

den "Vertrag über die Abwicklungsdienstleistungen und den Zahlstellendienst im Zusammenhang mit der Emission einer 7% Inhaberverschreibung über nominal Euro x.000.000" vom 7./21. Februar 2005,

den "Verkaufsprospekt ISIN ..... ... (vom) 9. 12. 2004".

Bei einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, die Klägerin habe insoweit die folgenden Vorsteuerbeträge abgezogen:

im Besteuerungszeitraum (Streitjahr) 2004: xx.xxx, xx Euro und

im Streitjahr 2005: xx.xxx, xx Euro.

Im Anschluss an den Bericht des Prüfers vom 10. Juni 2008 (Abschn. 93) vertritt der Beklagte und Antragsgegner (künftig: Beklagte) die Ansicht, diese Beträge seien vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Jedenfalls sei aber zu berücksichtigen, dass von der Bemessungsrundlage auf steuerfreie Umsätze entfallen würden:

im Streitjahr 2004: 0,60 vom Hundert und

im Streitjahr 2005: 0,64 vom Hundert.

Dementsprechend müssten - ausgehend von der Ansicht der Klägerin - die Vorsteuerbeträge wie folgt gekürzt werden:

für das Streitjahr 2004 um: xxx, xx Euro und

für das Streitjahr 2005 um: xxx, xx Euro.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Bericht über die Außenprüfung vom 10. Juni 2008 und auf die von der Klägerin ausdrücklich im Wege der Sprungklage angefochtenen Bescheide über die Umsatzsteuer für die Streitjahre vom 19. März 2009.

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der am 19. März 2009 geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2004 und 2005 lehnte der Beklagte durch Entscheidung vom 22. April 2009 ab.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 2004 und 2005 vom 19. März 2009 zu ändern und dabei die festgesetzte Umsatzsteuer zu mindern

für den Besteuerungszeitraum 2004 um xx.xxx,xx Euro und

für den Besteuerungszeitraum 2005 um xx.xxx,xx Euro.

Die Klägerin beantragt außerdem,

die Vollziehung dieser Bescheide auszusetzen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt zudem,

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide 2004 und 2005 zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist begründet.

Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 FGO hebt das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur dann auf oder ändert ihn, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die im Streitfall angefochtenen Bescheide (jeweils) vom 19. März 2009 sind zum Teil rechtswidrig.

Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetz (UStG) die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen als Vorsteuer abziehen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

a) Im Streitfall vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG Beträge in Höhe von xxx, xx Euro (Streitjahr 2004) und in Höhe von xxx, xx Euro (Streitjahr 2005), denn diese Beträge hat die Klägerin - unstreitig - zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

b) Abgesehen von diesen Beträgen, kann die Klägerin den streitigen Vorsteuerabzug beanspruchen.

Die Klägerin hatte insoweit Kosten für Dienstleistungen aufzuwenden, die offenbar Teil ihrer allgemeinen Kosten waren und damit zu den Preiselementen aller Produkte ihres Unternehmens gehören. Im Streitfall sind jedenfalls gegenteilige Anhaltspunkte tatsächlicher Art weder von den Beteiligten vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich.

Solche Dienstleistungen hängen indes direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 27. September 2001, C-16/00, Cibo Participations, Deutsches Steuerrecht [DStR] 2001, 1795, Rdnrn. 27 ff., 33; vom 26. Mai 2005, C-465/03, Kretztechnik, DStR 2005, 965, Rdnrn. 35 ff. und vom 8. Februar 2007, C-435/05, Investrand, Umsatzsteuer-Rundschau 2007, 225, Rdnr. 24). Diese Kosten waren insbesondere deshalb Teil ihrer allgemeinen Kosten, weil die Klägerin mit der Inhaberschuldverschreibung weder einen Gegenstand geliefert noch eine sonstige Leistung erbracht, sondern Geldmittel - gegen ein Entgelt - genutzt hat, um einstweilen die Aufwendungen ihres Unternehmens zu finanzieren. Lediglich ergänzend weist der Senat noch auf die folgenden Erwägungen hin:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 18. November 2004, V R 16/03 (Bundesssteuerblatt [BStBl] II 2005, 503, unter II. 2., b, m. w. Nachw.) ausgeführt, eine Gesellschaft erbringe bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt i. S. des Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) und deshalb auch keinen steuerbaren Umsatz i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Diese Grundsätze zur Ausgabe von Anteilen durch eine Personengesellschaft würden entsprechend auch für Kapitalgesellschaften gelten.

Sie müssen nach Ansicht des erkennenden Senats aber auch gelten, wenn - wie im Streitfall - ein Steuerpflichtiger eine Inhaberschuldverschreibung begibt, um das so erworbene Kapital für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten einzusetzen. Entscheidend ist auch hier, dass die Kosten der bezogenen Beratungsleistungen allgemeine Kosten des Unternehmens sind und deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit - und damit mit den in Art. 17 Abs. 2 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Umsätzen - zusammenhängen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2004, V R 32/00, BStBl II 2004, 1022, unter II. 3. c). Dagegen sind Anhaltspunkte tatsächlicher Art weder von dem Beklagten vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich, nach denen die Klägerin über die bloße Begebung der Inhaberschuldverschreibung hinaus gegen Entgelt eine Leistung erbracht haben könnte (vgl. - zur Beteiligung an einem anderen Unternehmen - BFH-Urteil vom 18. November 2004, V R 16/03, BStBl II 2005, 503, unter II. 2., c, aa, [...]Rdnr. 39, m. w. Nachw.). Auch ist der Unterschied zwischen Eigenkapital und Fremdkapital insoweit - im Hinblick auf den von dem Steuerpflichtigen verfolgten Zweck, dieses für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten einzusetzen - nicht von entscheidendem Gewicht.

c) Anhaltspunkte tatsächlicher Art, nach denen die von den Beteiligten angenommenen Vorsteuerbeträge oder das Verhältnis der auf die steuerfreien Umsätze entfallenden Bemessungsgrundlage zu der gesamten Bemessungsgrundlage fehlerhaft sein könnten, sind im Streitfall weder von den Beteiligten vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich.

2. Hinsichtlich der Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer ist der Senat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, 3 FGO verfahren.

3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistung beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung.

5. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO durch den vorliegenden Gerichtsbescheid zu entscheiden.

6. Da die im Streitfall angefochtenen Bescheide - wie vorstehend zu 1. ausgeführt - rechtswidrig sind, ist auch insoweit deren Vollziehung auszusetzen (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO).

7. Die Vollziehung der im Streitfall angefochtenen Bescheide ist ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Im Streitfall ist eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht zu befürchten (vgl. hierzu etwa BFH-Beschluss vom 25. November 2005, V B 75/05, BStBl II 2006, 484, unter II. 4. b, m. w. Nachw.). Der Beklagte hat jedenfalls Anhaltspunkte tatsächlicher Art, die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechen könnten, weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Auch sonst sind entsprechende Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Insbesondere die Höhe der Steuerforderung begründet für sich, ohne dass weitere tatsächliche Anhaltspunkte hinzutreten, auch im Streitfall keine Gefährdung des Steueranspruchs (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2002, VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12, unter II. b).

8. Der Beklagte trägt in den Verfahren 12 K 1944/09 und 12 V 2023/09 jeweils gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten.

Ende der Entscheidung

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