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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 13 K 2626/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob ein steuerfreier Sachbezug oder steuerpflichtiger Barlohn vorliegt.

Im Jahr 2007 wurde bei der Klägerin, einem Zusammenschluss von Rechtsanwälten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für den Zeitraum 2003 bis 2006 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass die Arbeitnehmer der Klägerin im Prüfungszeitraum berechtigt waren, bei einer Vertragstankstelle ihrer Arbeitgeberin auf deren Kosten gegen Vorlage einer elektronischen Karte zu tanken. Auf dieser Karte waren nach den Feststellungen des Lohnsteuer- Außenprüfers die Literzahl eines bestimmten Kraftstoffs und ein Höchstbetrag (hier: 44 EUR) gespeichert. Eine lohnsteuerliche Erfassung erfolgte insoweit nicht.

Der Lohnsteuer-Außenprüfer vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Zuwendung eines Benzingutscheines, auf dem neben der Ware auch ein Höchstbetrag von 44 EUR angegeben ist, nicht um einen Sachbezug, sondern um eine Barlohnzuwendung handele. Die Freigrenze für Sachbezüge in Höhe von monatlich 44 EUR sei daher nicht anwendbar (vgl. Tz. 2 des Berichts über die Lohnsteuer- Auenprüfung vom 24. Mai 2007, Bl. 4 der Lohnsteuerakten). Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) schloss sich der Rechtsauffassung des Lohnsteuer-Außenprüfers an. Mit Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 29. Mai 2007 setzte er gegenüber der Klägerin für den Prüfungszeitraum Nachforderungsbeträge in Höhe von insgesamt 9.299,84 EUR fest.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie führte aus, dass die Rückforderung von Lohnsteuer nicht auf den Gesetzestext gestützt werden könne. Über die Handhabung, wie ein sog. Warengutschein auszusehen habe, treffe das Gesetz keine Aussage. Auch bei zutreffender Auslegung der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) 2005 R 31 Abs. 1 Satz 7 könne eine Rückforderung nicht verlangt werden. Ihren Mitarbeiterinnen sei eine Tankkarte für eine ganz spezifische bestimmte Tankstelle übergeben worden. Damit habe nur Kraftstoff (Normal- oder Superbenzin bzw. Diesel) bezogen werden können. Der Bezug einer anderen Ware sei ausgeschlossen gewesen. Eine Höchstbegrenzung und ein Betrag seien auf der übergebenen Tankkarte nicht vermerkt gewesen. Vielmehr seien aufgrund einer zwischen ihr und dem Tankstellenbetreiber getroffenen Vereinbarung die Karten so programmiert gewesen, dass bei Erreichung eines Betrages von 44 EUR der Kraftstoffzufluss automatisch abgeschaltet habe. Die Ware habe lediglich in einer variierenden Quantität bezogen werden können. Somit seien alle vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzungen für einen Warenbezug erfüllt gewesen, da die Empfänger keinerlei Dispositionsbefugnis gehabt hätten. Die von ihr geübte Praxis sei daher nicht zu beanstanden. Hinzu komme, dass sich am 27. Januar 2003 auch die Oberfinanzdirektion (OFD) ihrer Auffassung angeschlossen habe.

Mit Entscheidung vom 24. Oktober 2007 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. In R 31 Abs. 1 Satz 7 LStR 2004 ff. seien die Grundsätze zur steuerlichen Behandlung von Warengutscheinen dargestellt. Danach sei ein bei einem Dritten einzulösender Gutschein dann kein Sachbezug, wenn neben der Bezeichnung der abzugebenden Ware oder Dienstleistung ein anzurechnender Betrag oder Höchstbetrag angegeben sei. Soweit die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG auf vor dem 1. April 2003 eingelöste Gutscheine mit darauf angegebenem Anrechnungs- oder Höchstbetrag angewendet worden sei, sei dies nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall sei die "Sache" zwar auf Kraftstoff beschränkt, nicht aber hinsichtlich der Treibstoffart oder Menge bestimmt, sondern nur durch die Wertabgabe begrenzt. Ohne den gespeicherten EUR-Betrag sei der Tankstellenbesitzer nicht in der Lage, die abzugebende Menge Kraftstoff zu ermitteln. Die Karte legitimiere die Arbeitnehmer der Klägerin gegenüber dem Kassenpersonal der Tankstelle im Rahmen der mit dieser getroffenen Vereinbarung Kraftstoff auf Rechnung der Klägerin zu beziehen. Die Karte sei daher mit einem bei der Tankstelle einlösbaren Geldschein vergleichbar.

Am 27. November 2008 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren. Es handele sich nicht um eine Barlohnzahlung. Durch die gewählte Abrechnungsweise sei ausschließlich Kraftstoff zugewendet worden. Ihre Arbeitnehmer hätten zu keinem Zeitpunkt über den Geldbetrag selbst verfügen können. Es habe ausschließlich an einer Tankstelle Kraftstoff bezogen werden können.

Die Klägerin beantragt:

Der Nachforderungsbescheid des FA vom 29. Mai 2007 sowie die Einspruchsentscheidung des FA vom 24. Oktober 2007 werden aufgehoben

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an seiner im Einspruchverfahren vertretenen Auffassung fest.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die dem Senat vorliegenden Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Nachforderungsbescheid vom 29. Mai 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2007 sind rechtmäßig. Das FA hat in der Übernahme der Kosten für die von den Arbeitnehmern der Klägerin bezogenen Kraftstoffe zu Recht keine lohnsteuerlich begünstigte Sachzuwendung gesehen, sondern zutreffend eine Geldzuwendung angenommen, so dass die für Sachbezüge geltende Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht anzuwenden ist. Der kostenlose Bezug von Kraftstoff stellt für die Arbeitnehmer der Klägerin in vollem Umfang steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Nach § 2 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Es ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Einnahmen in Geld oder Geldeswert werden von § 8 Abs. 1 EStG erfasst. Nicht in Geld bestehende Einnahmen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge) sind nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Sachbezüge, die nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG zu bewerten sind, bleiben außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 50 EUR (bis 2003) bzw. 44 EUR (ab 2004) im Kalendermonat nicht übersteigen (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG). Bezugspunkt der Vorschrift des § 8 Abs. 1 EStG ist demnach ein Geldbetrag, während dies im Falle des § 8 Abs. 2 EStG eine Ware bzw. ein sonstiger Sachbezug ist. Bei einer Einnahme in Geld oder Geldeswert nach § 8 Abs. 1 EStG ist der anzusetzende Geldbetrag die vorgegebene fixe Größe, variabel ist dagegen die Menge des mit diesem Geldbetrag möglichen Sachbezugs. Gerade umgekehrt liegen die Verhältnisse beim Sachbezug nach § 8 Abs. 2 EStG. In diesem Fall ist die (nach Art und Umfang bestimmte) zugewendete Menge die feststehende Größe, variieren kann dagegen der für diese Menge (Ware) aufzuwendende Geldbetrag. Anknüpfungspunkt der Vorschrift des § 8 Abs. 2 EStG ist somit die Ware bzw. der sonstige Sachbezug (vgl. FG München, Beschluss vom 26. November 2007 8 V 3556/07, EFG 2008, 368).

Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies, dass eine nach § 8 Abs. 1 EStG zu beurteilende Barlohnzuwendung vorliegt. Denn der Sachbezug "Kraftstoff" war nicht eindeutig festgelegt bzw. bestimmt worden. Nach dem Vorbringen der Klägerin im Einspruchsverfahren und den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung wurde auf den ihren Arbeitnehmern ausgehändigten Tankkarten weder die zu tankende Kraftstoffmenge noch die zu tankende Kraftstoffart (z.B. Superbenzin, Normalbenzin oder Diesel) angegeben. Fest stand nur der maximale Gesamtwert des den Arbeitnehmern zugewendeten Kraftstoffs, da aufgrund einer zwischen der Klägerin und dem Tankstellenbetreiber getroffenen Vereinbarung die Tankkarten so programmiert waren, dass der Kraftstoffzufluss bei Erreichung des Betrag von 44 EUR automatisch abschaltete.

Hinzu kommt, dass den Tankkarten im vorliegenden Fall die Funktion einer auf den Erwerb von Kraftstoff beschränkten Firmenkreditkarte zukam. Der Kauf von Kraftstoff mit einer Tankkarte des Arbeitgebers führt immer zu Barlohn, der nicht unter die 44 EUR-Grenze (bis 2003: 50 EUR) fällt. Auch ein zusätzlich überlassener Benzingutschein, der für sich betrachtet die Voraussetzungen eines Sachbezugs erfüllt, wäre insoweit bedeutungslos, da in einem solchen Fall die in Form der Tankkartenüberlassung erfolgte Bargeldhingabe zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Vordergrund steht (vgl. auch OFD Hannover, Verfügung vom 24. April 2008 S 2334-281-StO 212, [...]). Mit der Zuwendung der Tankkarten, denen jedenfalls wirtschaftlich eine Kreditkartenfunktion beizumessen war, floss den Arbeitnehmern somit eine nach § 8 Abs. 1 EStG zu erfassende Einnahme in Geldeswert zu. Die Tankkarten hatten in ihrer wirtschaftlichen Wirkungsweise Bargeldcharakter und für ihre Benutzer Bargeldfunktion. (vgl. auch OFD Hannover, Verfügung vom 24. April 2008 S 2334-281-StO 212, [...]). Einer Bewertung bzw. einer Umrechnung in Geld, wie es bei den unter § 8 Abs. 2 EStG fallenden Einnahmen regelmäßig der Fall ist, bedurfte es hier nicht.

Zuwendungen, die wirtschaftlich Bargeldersatz darstellen und ohne nennenswerten Aufwand in Geld umgerechnet werden können, fallen aber unter § 8 Abs. 1 EStG. Auf solche Zuwendungen kann der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 8 Abs. 2 EStG und die nur für Sachbezüge geltende Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht ausgedehnt werden. Dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat insoweit in seinem Urteil vom 27. Oktober 2004 VI R 51/03, BFHE 207, 314, BStBl II 2005, 137, ausgeführt: "Die Sachbezugsfreigrenze wurde durch Art. 1 Nr. 13 des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) in das Einkommensteuerrecht eingeführt. Wie sich aus den dazu veröffentlichten Gesetzesmaterialien ergibt (BTDrucks 13/1686, S. 8), verfolgte der Gesetzgeber damit die Absicht, über die bisherigen Möglichkeiten der Festsetzung von Sachbezugswerten nach § 8 Abs. 2 Sätze 6 bis 8 EStG und über die seit 1990 geltende Sonderregelung für Belegschaftsrabatte in § 8 Abs. 3 EStG hinaus auch die Erfassung der von Dritten bezogenen Waren und Dienstleistungen sowie die Besteuerung der privaten Nutzung betrieblicher Einrichtungen (z.B. des Telefons am Arbeitsplatz) zu vereinfachen. Von der Freigrenze ausgeschlossen sein sollten jedoch diejenigen Sachbezüge, deren Erfassung bereits durch amtliche Sachbezugswerte vereinfacht ist. Das zeigt, dass durch die Neuregelung nur die Erfassung bestimmter Einnahmen erleichtert werden soll, deren zutreffende Einordnung und Bewertung ansonsten in keinem vertretbaren Verhältnis zu ihrer steuerlichen Auswirkung stehen würde. Sie hat hingegen nicht den Zweck, es dem Arbeitgeber zu ermöglichen, seinen Arbeitnehmern auf wie auch immer geartete Weise einen monatlichen Gegenwert von 50 DM (jetzt 44 EUR) steuerfrei zukommen zu lassen." Nach diesen Grundsätzen ist nach Auffassung des erkennenden Senats für eine Ausdehnung der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG dann kein Raum, wenn ein Arbeitnehmer anstelle von Barlohn etwas erhält, was in der wirtschaftlichen Wirkungsweise Bargeldcharakter hat und keinen unvertretbaren Einordnungs- und Erfassungsaufwand zur Folge hat. Hiervon ist bei der Überlassung von Tankkarten an Arbeitnehmer auszugehen. Auch auf einen solchen Fall kann die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht ausgedehnt werden.

Von einer unter § 8 Abs. 1 EStG fallenden Barlohnzahlung war somit allein schon deshalb auszugehen, weil zum einen der zugewendete Kraftstoff weder der Art noch der Menge nach (eindeutig) bestimmt war und zum anderen den überlassenen Tankkarten Bargeldcharakter beizumessen war. Es konnte daher im Streitfall offen bleiben, ob die Überlassung des Kraftstoffs nur aufgrund einer zwischen der Tankstelle und der Klägerin getroffenen vertraglichen (Rahmen-)Vereinbarung erfolgte oder ob hinsichtlich der konkreten Leistungen auch die Arbeitnehmer der Klägerin zivilrechtlich Vertragspartner des Leistungserbringers (der Tankstelle) waren, so dass für den Kraftstoffbezug (auch) eigenständige Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern der Klägerin und der Tankstelle maßgebend waren (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 13. September 2007 VI R 26/04, BFHE 219, 54, BStBl II 2008, 204).

Die Grundsätze von Treu und Glauben stehen der Geltendmachung der Lohnsteuernachforderungsbeträge nicht entgegen. Auf eine am 27. Januar 2003 von der OFD erteilte Auskunft kann sich die Klägerin insoweit jedenfalls nicht berufen. Die OFD war für eine Lohnsteuerauskunft die unzuständige Behörde. Denn für eine Auskunft darüber, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind, entscheidet allein das Betriebsstättenfinanzamt (§ 42 e EStG), nicht jedoch die funktionell unzuständige OFD. Hinzu kommt, dass die am 27. Januar 2003 erteilte Auskunft zum damaligen Zeitpunkt noch der (bis zum 31. März 2003 geltenden) Verwaltungsauffassung entsprach und somit aus Sicht der OFD zutreffend war. Soweit die Klägerin die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG für die vor dem 1. April 2003 eingelösten Gutscheine mit darauf angegebenem Anrechnungs- oder Höchstbetrag in Anspruch nahm, wurde dies offensichtlich vom FA auch nicht beanstandet. Erst für die Zeit ab 1. April 2003 wurde die insoweit allgemein praktizierte Verwaltungsübung für die Zukunft geändert (vgl. hierzu Bl. 20 der Rechtsbehelfsakten) und Lohnsteuer nachgefordert. Dass die Auskunft der (unzuständigen) OFD auch für diesen Fall der künftigen Änderung der Verwaltungsübung Geltung haben sollte, kann dem vorgelegten Aktenvermerk der Klägerin jedenfalls nicht entnommen werden. Hinzu kommt, dass die Klägerin rechtskundig vertreten war. Sie kann sich daher nicht auf Treu und Glauben berufen, da ihr die Einholung einer die Finanzverwaltung bindenden Anrufungsauskunft bei dem nach § 42 e EStG zuständigen Betriebsstättenfinanzamt zuzumuten war.

Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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