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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: 2 K 128/05
Rechtsgebiete: GrEStG, BGB


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 3 Nr. 2
GrEStG § 3 Nr. 3
BGB § 1094
BGB §§ 2147 f.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

2 K 128/05

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Erwerb eines Grundstücks durch Ausübung eines - durch Vermächtnis erworbenen - dinglichen Vorkaufsrechts gemäß § 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Besteuerung ausgenommen ist.

Mit notariellem Testament vom 2. Oktober 2003 setzte die Mutter der Klägerin ihre drei Kinder als Erben zu gleichen Teilen ein. Nach § 3 Nr. 1 des Testaments erhielten die beiden Geschwister der Klägerin als Vorausvermächtnis ohne Anrechnung auf den Erbteil das Hausgrundstück FlSt.-Nr. 000/1, Gebäude- und Freifläche, Straße 9 in X (Hausgrundstück) und das landwirtschaftliche Grundstück FlSt.-Nr. 999/3 zu je 1/2 Miteigentumsanteil. Die Klägerin erhielt vermächtnisweise an dem Hausgrundstück ein dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, das auf Kosten der Begünstigten im Grundbuch abzusichern war.

Nachdem die Erblasserin am 16. Oktober 2003 verstorben war, übertrugen die Erben mit Vermächtniserfüllungsvertrag vom 17. Februar 2004 das Eigentum an den Grundstücken auf die beiden Geschwister der Klägerin. Gleichzeitig erfolgte die Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts im Grundbuch.

Am 5. Juli 2004 verkauften die Geschwister der Klägerin das Hausgrundstück - unter ausdrücklichem Hinweis auf das bestehende Vorkaufsrecht - zum Kaufpreis von 255.000 Euro an Dritte. Daraufhin übte die Klägerin am 13. September 2004 ihr Vorkaufsrecht aus und erwarb das Grundstück.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA) beurteilte diesen Vorgang als einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Grundstückskauf und setzte durch Bescheid vom 24. September 2004 Grunderwerbsteuer in Höhe von 8.925,00 Euro fest.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 erhob die Klägerin Einspruch. Zur Begründung wies sie zunächst darauf hin, dass ein Mitarbeiter des FA ihr vor der Ausübung des Vorkaufsrechts mündlich die Auskunft erteilt habe, dass dieser Erwerb steuerbefreit sei. Diese Aussage sei wesentlicher Bestandteil ihrer Kaufpreisfinanzierung gewesen. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Januar 2005 ließ sie ergänzend vortragen, dass die Rechtsprechung bisher nicht geklärt habe, wie die Einräumung und Ausübung eines Vorkaufsrechts grunderwerbsteuerlich zu behandeln sei. Die Klägerin habe noch zu Lebzeiten ihrer Mutter das Nachbargrundstück FlSt.-Nr. 000 erhalten, welches sie zusammen mit ihrem schwerkranken Sohn bewohne. Um zu gewährleisten, das jedes ihrer drei Kinder gleichmäßig im Falle ihres Todes bedacht werde, habe die Erblasserin die Konstruktion der Einräumung eines Vorkaufsrechts gewählt, um Streitigkeiten zwischen den Erben über die Höhe des Verkehrswerts des Hausgrundstücks zu vermeiden. Hilfsweise wurde der Erlass der festgesetzten Grunderwerbsteuer beantragt. Bei dem streitigen Sachverhalt handele es sich um eine Regelungslücke, die vom Gesetzgeber weder gesehen noch beabsichtigt worden sei. Das Gesetz enthalte eine unbillige Härte, denn die Klägerin leite wie jeder andere Erbe das Eigentum an dem Grundstück unmittelbar von der Erblasserin her.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2005 wies das FA den Einspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Zuwendung des Rechts, ein Grundstück vom Erben zum Verkehrswert zu kaufen, keinen Zuwendungscharakter, sondern bloße instrumentale Bedeutung habe. Das Rechtsgeschäft unterliege nach § 1 Abs. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.

Am 6. Juni 2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wird ergänzend dargelegt, dass im Streitfall ein Erwerb von Todes wegen vorliege. Denn als solcher gelte auch der Erwerb eines Vermächtnisses im Sinne der §§ 2147 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Zwar sei im Streitfall nicht unmittelbar ein Grundstück vererbt worden. Der Klägerin sei jedoch von Todes wegen das Recht eingeräumt worden, ein bestimmtes zum Nachlass gehörendes Grundstück zu einem bestimmten Preis zu erwerben. Die Einräumung eines solchen Ankaufrechts sei zivilrechtlich als Vermächtnis zu werten. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 21. Juli 1993 II R 118/90 (BFHE 172, 118; BStBl II 1993, 765) entschieden, dass das Recht, ein Nachlassgrundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben, insgesamt als grunderwerbsteuerbefreiten Vorgang anzusehen sei. Die Frage, ob lediglich von einer Teilschenkung bzw. einem zum Teil grunderwerbsteuerrechtlich relevanten Vorgang auszugehen sei, habe er sich nicht gestellt. Nichts anderes könne gelten, wenn die Klägerin vermächtnisweise das Recht erhalten habe, ein Grundstück zum Verkehrswert zu erwerben. Aus erbschaftsteuerrechtlicher Sicht habe der BFH zwar mit Urteilen vom 6. Juni 2001 II R 76/99 (BFHE 195, 415; BStBl II 2001, 605) und II R 14/00 (BFHE 195, 419; BStBl II 2001, 725) entschieden, dass bei einem Kaufrechtsvermächtnis, durch das der Bedachte den Anspruch auf Übertragung des Nachlassgegenstandes und die Verpflichtung zur Zahlung des Übernahmepreises enthält, nicht das Grundstück selbst, sondern das Übernahmerecht als Gestaltungsrecht den Erwerbsgegenstand darstelle. Bei diesen Urteilen gehe es jedoch primär um die Frage, wie ein Ankaufsrecht erbschaftsteuerrechtlich zu bewerten sei. Aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht habe das Finanzministerium Baden-Württemberg dagegen betont, dass diese BFH-Urteile nicht auf die Grunderwerbsteuer übertragbar seien (Erlass vom 23. Juni 2003 3 S-4505/16; vgl. auch FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 28. August 2003 S 4505 - 3 V A 2). Vielmehr sei davon auszugehen, dass § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG auch auf Grundstückserwerbe anzuwenden sei, die auf Grund einer durch Erwerb von Todes wegen entstandenen Übereignungsverpflichtung erfolgen. Dieser Ansicht sei zu folgen, da sie dem Umstand Rechnung trage, dass das Ankaufsvermächtnis ein Recht sei, das von Todes wegen zugewandt werden könne und das gleichzeitig ein Vermögenswert sei, der der Erbschaftsteuer unterliege.

Für den Fall, dass § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG auf den Streitfall keine Anwendung finden könne, sei von einer Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG auszugehen. Da die Klägerin das Grundstück durch Ausübung des durch Vermächtnis von ihrer Mutter erhalten Vorkaufsrechts erworbenen habe, müsse der Erwerb so behandelt werden, als ob er unmittelbar von der Mutter erfolgt sei. Es entspreche Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift, auch im Streitfall von einer Grunderwerbsteuerbefreiung auszugehen.

Die Klägerin beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 24. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2005 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären; hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass im Streitfall kein Erwerb von Todes wegen im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) vorliege. Insbesondere habe die Klägerin kein Ankaufsrecht, sondern lediglich ein Vorkaufsrecht erworben, das sie berechtigt habe, das Grundstück unter den Bedingungen eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrages und damit zum Verkehrswert zu übernehmen. Durch die Zuwendung eines solchen Rechts sei die Klägerin nicht bereichert worden.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die dem Gericht vorliegenden Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Der gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerbsvorgang ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, weil die Klägerin das Grundstück nicht durch Erwerb von Todes wegen im Sinne des ErbStG erworben hat.

Der Begriff des Erwerbs von Todes wegen wird durch § 3 ErbStG konkretisiert. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt der Erwerb durch Vermächtnis (§ 2147 f. BGB) als Erwerb von Todes wegen. Ist daher Gegenstand eines Vermächtnisses ein Grundstück, ist dieser Erwerb nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen.

Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sie zumindest das Vorkaufsrecht durch Vermächtnis erworben hat. Denn Gegenstand eines Vermächtnisses kann alles sein, was als Inhalt der Leistungspflicht eines Schuldners nach § 241 BGB vereinbart werden kann, sofern ein Vermögensvorteil zugewandt wird. Der Begriff des Vermögensvorteils ist dabei weit zu verstehen und zwar im Sinne eines Anspruchs auf eine Leistung und nicht nur auf einen Vermögenswert. Es muss also nicht zu einer Bereicherung des Bedachten im Sinne einer Vermögensmehrung kommen, sondern nur zu seiner Begünstigung. Als Vermögensvorteil kann deshalb auch ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages oder das Recht zum entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks zugewendet werden. Daher kann entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur die Einräumung eines Ankaufsrechts, sondern auch die Zuwendung eines dinglichen Vorkaufsrechts im Sinne des § 1094 BGB Gegenstand eines Vermächtnisses sein (Schlichting in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, vor § 2147 RdNr. 3). Hierdurch erhält der Vermächtnisnehmer das Recht, ein Grundstück zu kaufen, wenn der Eigentümer das mit dem Vorkaufsrecht belastete Grundstück an einen Dritten verkauft. Insoweit kann bei der Anordnung eines Vermächtnis statt dem Zuwendungscharakter eine instrumentale Bedeutung im Vordergrund stehen. Darunter sind Regelungen des Erblassers zu Einzelheiten der Abwicklung des Nachlasses und der Abstimmung unter mehreren Bedachten zu verstehen, die zivilrechtlich nur als Vermächtnis zu fassen sind.

Allerdings ist im Streitfall Gegenstand des Vermächtnisses nicht unmittelbar das Grundstück selbst, sondern nur das Vorkaufsrecht als Gestaltungsrecht. Der wesentliche Unterschied gegenüber dem unmittelbaren Grundstücksvermächtnis besteht darin, dass der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Anspruch auf Auflassung des Grundstücks nicht bereits mit dem Anfall des Vermächtnisses, sondern erst nach Ausübung des Vorkaufsrechts entsteht. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, ein Rechtsgeschäft unter Lebenden zwischenzuschalten, hat zur Folge, dass der Anspruch auf Eigentumsübertragung - anders als beim Grundstücksvermächtnis - nicht unmittelbar auf der letztwilligen Verfügung des Erblassers, sondern auf einem rechtlich selbständigen Entstehungsgrund, nämlich dem durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zustande kommenden Kaufvertrag (§ 1098 BGB), beruht.

Der nicht unmittelbar durch den Vermächtnisanfall entstehende Anspruch auf Übereignung des Grundstücks ist auch bei dem durch den BFH mit Urteil vom 21. Juli 1993 II R 118/90 (BFHE 172, 118; BStBl II 1993, 765) entschiedenen Fall eines Kaufrechtsvermächtnisses gegeben, bei dem durch Vermächtnis das Recht eingeräumt wurde, ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben (Ankaufsvermächtnis). Für diese Fallgruppe ist der BFH von der Anwendbarkeit der Befreiungsregel des § 3 Nr. 2 GrEStG ausgegangen. Er hat sich dabei von den Gedanken leiten lassen, dass der Vermächtnisnehmer auch bei einem Grundstücksvermächtnis nicht unmittelbar kraft Gesetzes Eigentümer des Grundstücks wird, sondern lediglich einen Anspruch gegen den von dem Vermächtnis Beschwerten auf Leistung des vermachten Gegenstandes hat (§ 2174 BGB). Dass bei einem Kaufrechtsvermächtnis dieser Anspruch erst mit Ausübung des Ankaufsrechts entstehe, sei grunderwerbsteuerrechtlich unschädlich, weil die Steuerbefreiung bei einem Grundstücksvermächtnis auch dann in vollem Umfange erhalten bleibe, wenn das Grundstück entweder belastet oder das Vermächtnis mit einer (sonstigen) Auflage verbunden sei. Der wirtschaftlich gleich gelagerte Fall eines Kaufrechts auf ein Nachlassgrundstück zu einem Preis unter dem Verkehrswert unterliege als solcher ebenfalls der Erbschaftsteuer und sei deshalb als von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst anzusehen.

Es kann offen bleiben, ob diese Entscheidung durch die Urteile des BFH vom 6. Juni 2001 II R 76/99 (BFHE 195, 415; BStBl II 2001, 605) und II R 14/00 (BFHE 195, 419; BStBl II 2001, 725) zu der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung eines Kaufrechtsvermächtnisses bzw. durch das Urteil des BFH vom 10. Juli 2002 II R 11/01 (BFHE 199, 28; BStBl II 2002, 775) zu der grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung von Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüchen in Frage gestellt wird, oder ob angesichts des - bei generell typisierender Betrachtung - bei dem Kaufrechtsvermächtnis unter dem Verkehrswert gegebenen erbschaftsteuerlich relevanten Zuwendungscharakters und wegen der Vergleichbarkeit von Grundstücksvermächtnis gegen Aufpreis einerseits und Kaufrechtsvermächtnis unter dem Verkehrswert anderseits weiterhin von der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG auszugehen ist (so Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 3 RdNr. 132; Franz in Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, 3. Aufl. 2005, § 3 RdNr. 95; vgl. auch die Erlasse des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 23. Juni 2003, 3 - S 4505/16, DStR 2003, 169, und des Finanzministeriums Nordhein-Westfalen vom 28. August 2003, S 4505 - 3 V A 2; a. A. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl. 2004, § 3 RdNr. 10; vgl. auch den Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 20. August 2002 3-S 4505/16, DB 2002, 1804). Denn das im Streitfall gegebene Vorkaufsrecht unterscheidet sich maßgeblich von dem von dem BFH entschiedenen Fall eines Kaufrechtsvermächtnisses zu einem Preis unter dem Verkehrswert.

Bei einem durch Vermächtnis erworbenen Vorkaufsrecht besteht im Vergleich zu dem Kaufrechtsvermächtnis zunächst die Besonderheit, dass der Vorkaufsberechtigte es nicht in der Hand hat, das Grundstück nach dem Vermächtnisanfall jederzeit aufgrund seines Willensentschlusses zu erwerben. Er muss vielmehr zuwarten, bis derjenige, der das Grundstück unmittelbar durch Erwerb von Todes wegen erhalten hat, sich zum Verkauf des Grundstücks an einen Dritten entschlossen hat. Außerdem hat er keinerlei Einfluss auf die Gestaltung des Kaufpreises, sondern kann das Grundstück nur zu den Konditionen erwerben, die der Eigentümer mit dem Dritten vereinbart hat, egal ob der Kaufpreis im Vergleich zum Verkehrswert eher günstig ist oder nicht. Damit hat weder der Erblasser als Vermächtnisgeber noch der Vermächtnisnehmer einen Einfluss darauf, ob und zu welchem Preis der Vermächtnisnehmer das Grundstück jemals erwerben kann.

Diese Unterscheidung macht deutlich, dass das Vermächtnis im Streitfall keinen erbschaftsteuerrechtlich relevanten Zuwendungscharakter mehr hat, sondern diesem nur noch instrumentale Bedeutung zukommt. Denn der erbschaftsteuerrechtlich relevante Wert eines Vorkaufsrechts kann regelmäßig nur nach dem Wertzuwachs bemessen werden, der dem Berechtigten erwächst, wenn sich aus seiner Anwartschaft aus dem Vorkaufsrecht ein Vollrecht ergibt. Ob sich ein solcher Wertzuwachs jemals realisieren lässt, ist aber zum Zeitpunkt des Vermächtnisanfalls noch völlig offen. Sinn und Zweck dieser testamentarischen Regelung kann nur sein, es der Klägerin zu ermöglichen, das Elternhaus in Familienbesitz zu erhalten, falls ihre Geschwister sich dazu entschließen sollten, es jemals zu veräußern. Nach herrschender Auffassung hat das dingliche Vorkaufsrecht für sich allein daher zumindest solange keinen Wert, wie es lediglich auf dem Grundstück ruht und nicht realisierbar ist (Kleiber in Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl. 2002, S. 2356 RdNr. 508). Der Streitfall ist damit am ehesten mit dem vom BFH in seinem Urteil vom 21. Juli 1993 II R 118/90 (BFHE 172, 118; BStBl II 1993, 765) ausdrücklich offen gelassenen Fall eines Kaufrechtsvermächtnisses zu vergleichen, bei dem der Vermächtnisnehmer das Nachlassgrundstück lediglich zum Verkehrswert erwerben kann. Auch in diesem Fall hat das Vermächtnis mangels Bereicherung keinen erbschaftsteuerrechtlich relevanten Zuwendungscharakter.

Nach Auffassung des Senats besteht im Streitfall keine Veranlassung, den Erwerb eines Grundstücks durch Ausübung eines durch Vermächtnis erworbenen Vorkaufsrechts dem Grundstückserwerb von Todes wegen gleichzusetzen. Denn das Gestaltungsrecht, das die Klägerin vermächtnisweise erworben hat, steht unter einer aufschiebenden Bedingung und unterliegt mangels Bereicherung nicht der Erbschaftsteuer, so dass es nicht zu einer Doppelbelastung mit Erbschafsteuer und Grunderwerbsteuer kommen kann. Für eine den Anwendungsbereich von § 3 Nr. 2 ErbStG erweiternde Auslegung ist daher auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift kein Raum.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass - nach dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - die Erblasserin schon bei der Errichtung des Testaments der festen Überzeugung gewesen sei, dass ihre Geschwister keinesfalls ein Interesse daran haben könnten, das Hausgrundstück selbst zu behalten. Denn ihr weiterer Sachvortrag, dass ihre Geschwister nicht bereit gewesen seien, ihr das Hausgrundstück zum (durch einen amtlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ermittelten) Verkehrswert zu veräußern, sondern alsbald nach dem Erbfall - unter Inkaufnahme von Kosten in Höhe von ca. 16.000 Euro - einen Makler mit der Suche nach Käufern beauftragt hätten, macht deutlich, wie uneinig und zerstritten die Geschwister damals untereinander gewesen sein dürften. Das Vorhandensein solcher Zwistigkeiten und die Ungewöhnlichkeit der gewählten Gestaltung sprechen neben der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des notariellen Testaments dafür, dass die Erblasserin das Vorkaufsrecht mit Bedacht gewählt hat. Denn hätte sie nur sicherstellen wollen, dass das Hausgrundstück der Klägerin und ihrem behinderten Sohn auf jeden Fall erhalten blieb, hätte sich eine andere Regelung angeboten.

Entgegen der Rechtsauffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin kann auch die Befreiungsregelung in § 3 Nr. 3 GrEStG auf den Streitfall keine Anwendung finden. Danach ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses von der Besteuerung ausgenommen. Die Befreiung greift nur, soweit ein Grundstück noch zum ungeteilten Nachlass gehört. Im Streitfall war das Hausgrundstück jedoch bereits mit Vermächtniserfüllungsvertrag vom 17. Februar 2004 in das Bruchteilseigentum der Geschwister der Klägerin übergegangen und damit aus der durch die Erbengemeinschaft begründeten gesamthänderische Verbundenheit ausgeschieden (vgl. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl. 2004, § 3 RdNr. 23). Ist ein ursprünglich zum Nachlass gehörendes Grundstück aus diesem ausgeschieden, so kann eine spätere weitere Übertragung an einen Miterben nicht mehr nach § 3 Nr. 3 GrEStG begünstigt sein. Dies gilt auch dann, wenn die nachfolgende weitere Übertragung - wie im Streitfall - "planmäßig" erfolgt, d.h. die zum Ausscheiden aus dem Nachlass führende erste Übertragung von Anfang an nur als Zwischenlösung gedacht war (vgl. Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 3 RdNr. 317).

Da die Klägerin und ihre Geschwister keine Verwandte in gerader Linie sind, ist auch § 3 Nr. 6 GrEStG nicht anwendbar. Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin kann die Klägerin nicht so behandelt werden, als ob sie das Grundstück unmittelbar von ihrer Mutter erworben hätte.

Der Klägerin ist schließlich auch eine Berufung auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes versagt. Eine abweichende Steuerfestsetzung kann zwar ausnahmsweise dann geboten sein, wenn die Festsetzung der Steuer in der gesetzlich festgelegten Höhe gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen würde. Im Streitfall liegen aber die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vor.

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann u.a. dann in Betracht kommen, wenn der zuständige Beamte der Finanzbehörde aufgrund einer Anfrage des Steuerpflichtigen, in der ein konkreter, in der Zukunft liegender Sachverhalt vollständig und richtig vorgetragen wird, eine verbindliche Auskunft oder Zusage über die steuerliche Beurteilung dieses Sachverhalts abgibt und wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft bzw. Zusage entsprechende Vermögensdispositionen trifft. Eine Auskunft oder Zusage kann nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich erteilt werden. Allerdings spricht im Falle einer nur mündlichen Äußerung eine Vermutung gegen den Bindungswillen der Finanzbehörde. An den Nachweis der eine Bindung des Finanzamts begründenden Merkmale sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss zweifelsfrei feststehen, dass der Sachverhalt und die steuerrechtliche Frage zutreffend dargelegt und von dem Auskunft erteilenden Beamten richtig verstanden worden sind. Unklarheiten im Sachverhalt gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Verbindlichkeit einer Auskunft beruft (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274 , 276).

Der Vortrag der Klägerin lässt nicht erkennen, dass die Finanzbehörde ihr eine verbindliche Auskunft erteilen wollte und erteilt hat. Schriftliche Unterlagen liegen nicht vor. Es ist deshalb für den Senat nicht nachvollziehbar, welchen Sachverhalt die Klägerin im Einzelnen dargelegt hat und welche Auskunft ihr daraufhin erteilt worden ist. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Auskunft unverbindlich gegeben worden ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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