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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.12.2000
Aktenzeichen: 2 K 164/00
Rechtsgebiete: EStG 1997
Vorschriften:
EStG 1997 § 19 Abs. 1 Nr. 1 | |
EStG 1997 § 3 Nr. 1 Buchst. a |
Tatbestand
Streitig ist im Veranlagungszeitraum 1997, ob das an den Kläger ausgezahlte Krankengeld nach § 3 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes - EStG - steuerfrei ist.
Der Kläger war im Streitjahr als sogenannter Grenzgänger in der Schweiz bei der Firma ... für einen monatlichen Bruttolohn von 4.500 schweizer Franken nichtselbständig tätig. Nachdem er seit dem 21. Oktober 1996 krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen ist, wurde das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1997 gekündigt. Von Januar - Juni 1997 betrug der Bruttolohn insgesamt 24.300 Schweizer Franken. Ab Juli - Dezember 1997 bezog er Krankentagegelder i. H. v. 26.133 Schweizer Franken. Ausbezahlt wurde das Krankentagegeld von der ... Versicherungs-Gesellschaft.
In Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem schweizerischen Obligationsrecht - OR - und der mit dem Kläger getroffenen arbeitsvertraglichen Regelung hatte der Arbeitgeber des Klägers bei der ... Versicherung eine Kollektiv-Krankentagegeldversicherung zugunsten der Mitarbeiter abgeschlossen. Hiernach erhielten die Mitarbeiter im Krankheitsfalle von der ...-Versicherung eine Entschädigung von 80% des letzten Bruttogehaltes während der Dauer der Krankheit, längstens während 720 Tagen. Für die Prämie wurde den Mitarbeitern je 1% von ihrem Bruttolohn in Abzug gebracht. Im übrigen wurde die Prämie vom Arbeitgeber getragen.
Artikel 324 a OR bestimmt u. a. folgendes:
"Wird ein Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, ... ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, ..., sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
Sind durch ... Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen ...".
Das für den Kläger verbindliche Anstellungsreglement enthält u. a. folgende Regelungen:
"Alle fest angestellten Mitarbeiter sind in einer kollektiven Krankentaggeldversicherung eingeschlossen ...
Die Versicherungsleistung beträgt 90% des AHV-pflichtigen Bruttolohnes bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit ... Die Leistung beginnt am 31. Tag der ... Arbeitsunfähigkeit.
Für den Mitarbeiter schließt diese Krankentagegeldleistung an die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von 100% während 1 - 6 Monaten an. ... Lohnfortzahlung und Krankentaggeld werden zusammen während höchstens 730 Tagen pro Krankheitsfall ausgerichtet.
Nach Austritt aus dem Unternehmen kann der Mitarbeiter die Versicherung als Einzelversicherung ... weiterführen ...
Mit Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 16. August 1999 - aus hier nicht interessierenden Gründen geändert durch Bescheid vom 19. Januar 2000 - behandelte das beklagte Finanzamt - FA - die Tagegelder als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Hiergegen wenden sich die Kläger nach vorangegangenem erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren mit ihrer Klage, in deren Verlauf sie ihm Wesentlichen folgendes vortragen lassen: Zum Zeitpunkt der Auszahlung des "Lohnes" sei der Kläger schon schwer erkrankt gewesen. Die Zahlungen habe letztendlich nicht der ehemalige Arbeitgeber, sondern die ... Versicherung geleistet, bei der der Kläger über eine Kollektiv-Krankenversicherung als Versicherungsunternehmer versichert gewesen sei. Dies werde auch bestätigt durch ein Schreiben der ...-Versicherung vom 12. Juni 1997, mit dem bestätigt werde, "dass Herr ... bei unserer Gesellschaft durch einen Krankenkollektiv-Vertrag der Firma ... versichert ist".
Die Prämien für diese Versicherung hätten der Arbeitgeber und der Kläger gemeinsam aufgebracht, wobei der Kläger lediglich zu 1% seines Bruttolohnes hierzu herangezogen worden sei. Dies bestätige der frühere Arbeitgeber des Klägers in seinem Schreiben vom 18. Oktober 1999, in dem u. a. ausgeführt wird: ... hat bei der ... Versicherung eine Kollektiv-Krankenversicherung zugunsten der Mitarbeiter abgeschlossen. Für die Prämien wird dem Mitarbeiter 1% vom Bruttolohn in Abzug gebracht. Im Falle einer Krankheit erhält der Mitarbeiter von der ...-Versicherung eine Entschädigung von 80% des letzten Bruttogehaltes während der Dauer der Krankheit respektive längstens während 720 Tagen".
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Mai 1998 (VI R 9/96, BStBl II 1998, 581) handele es sich in einem solchen Falle jedoch nicht um Lohnzahlungen, sondern um Krankengeldzahlungen, die steuerfrei zu belassen seien. Entgegen der Auffassung des FA beruhten diese Leistungen nicht auf einer Rückversicherung des Arbeitgebers. Der Kläger sei Versicherungsunternehmer. Irrelevant sei in diesem Zusammenhang, wer die Prämien zahle. Der Arbeitgeber des Klägers sei gemäß § 324 a OR verpflichtet gewesen, diese Krankenversicherung abzuschließen. Es sei demnach nicht richtig, wenn das FA behaupte, es liege eine Rückversicherung des Arbeitgebers vor.
Dies sei auch daran zu erkennen, dass nach Ausscheiden des Klägers die ...-Versicherung direkt an den Kläger gezahlt habe. Auszahlungen könnten aber nur an den Versicherungsnehmer erfolgen. Unterstellt, die Auffassung des FA sei zutreffend, hätte nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb die Versicherung nicht mehr leisten dürfen, da der ehemalige Betrieb seinen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger ledig gewesen sei. Der frühere Arbeitgeber des Klägers sei zur Zahlstelle gewesen und habe keinen Lohn ausgezahlt.
Der Kläger stellt sinngemäß den Antrag,
den Einkommensteuerbescheid vom 19. Januar 2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung zu ändern, und die Einkommensteuerschuld von 11.304 DM auf 1.779 DM herabzusetzen.
Das FA stellen den Antrag,
die Klage abzuweisen und bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2000.
Ergänzend hierzu wird noch folgendes vorgetragen:
Im Streitfall lägen keine Zahlungen einer Betriebskrankenkasse vor, bei denen der Arbeitnehmer Versicherungsunternehmer und Versicherter sei, so dass schon aus diesem Grunde das von den Klägern zur Stützung ihrer Auffassung herangezogene BFH-Urteil nicht einschlägig sei. Es gehe vielmehr um die Beurteilung von Leistungen aus einer kollektiven Krankentagegeldversicherung. In solchen Fällen sei jedoch von Arbeitslohn auszugehen, unabhängig davon, dass der Arbeitnehmer einen Teil der Versicherungsprämien zu tragen habe.
Derartige Fälle habe das Finanzgericht Baden-Württemberg bereits entschieden. Umstände oder Tatsachen, auf Grund derer die Möglichkeit einer hiervon abweichenden Beurteilung in Betracht kämen, lägen nicht vor. Versicherungsnehmer sei nicht der Kläger, wie von diesem behauptet, sondern der Arbeitgeber.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Tagegelder zu Recht als Arbeitslohn der Besteuerung unterworfen, da der Kläger keine Leistungen aus einer Krankenversicherung, sondern Lohnfortzahlung erhalten hat.
Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Bezüge und Vorteile, die "für eine Beschäftigung" gewährt werden, d. h. als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sind (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, zuletzt Urteil des BFH vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, Deutsches Steuerrecht 1997, 2016). Dabei ist die Frage, ob eine Zuwendung Ertrag der Arbeitsleistung ist, danach zu beurteilen, wozu die Zahlung erfolgt ist, und nicht danach, wer die Zahlung vorgenommen hat.
Soweit Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis auf eigene - nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehende - Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht werden, liegt regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn vor, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird. Etwas anderes gilt aber in den Fällen, in denen sich der Arbeitgeber zur Finanzierung arbeitsrechtlicher Ansprüche rückversichert und selbst alleiniger Anspruchsberechtigter gegenüber dem Versicherungsunternehmen ist. Auch hier wird der Arbeitslohncharakter grundsätzlich nicht davon berührt, dass die Auszahlung an den Arbeitnehmer über den Arbeitgeber oder auf dessen Weisung direkt von der Versicherung erfolgt (BFH-Urteil vom 26. Mai 1998, a. a. O.).
Nach diesen auch vom erkennenden Senat für zutreffend erachteten Grundsätzen des BFH handelt es sich bei den streitigen Zahlungen um Lohnfortzahlungen und nicht um nach § 3 Nr. 1 a EStG steuerfreie Krankentagegelder.
Nach § 324 a Abs. 1 OR hat der Arbeitgeber im Fall der Krankheit eines Arbeitnehmers ihm "für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten". Als "beschränkte Zeit" wird nach der Rechtsprechung der Gerichte des Kantons Basel und des Kantons Zürich je nach der Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers eine Zeit von drei Wochen bis sechs Monaten angesehen (vgl. Berner Kommentar zum OR, § 324 a Abschnitt 3). Nach § 324 a Abs. 4 OR kann durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist.
Eine solche abweichende Regelung enthält das Anstellungsreglement, in dem sich der frühere Arbeitgeber des Klägers u. a. verpflichtet hat, zugunsten seiner Arbeitnehmer eine kollektive Krankentaggeldversicherung bei der ...-Versicherung abzuschließen. Danach hatte der Arbeitnehmer - und damit auch der Kläger - in der "beschränkten" Zeit von bis zu sechs Monaten einen Anspruch auf 100% des Arbeitslohnes, an den sich die Krankentaggeldleistungen i. H. v. 90% des AHV-pflichtigen Bruttolohnes für einen Zeitraum von bis zu insgesamt 730 Tagen anschlossen. Insgesamt erfüllte der frühere Arbeitgeber des Klägers hiermit seine aus § 324 a OR folgende gesetzliche bzw. aus dem Anstellungsvertrag i. V. m. dem Anstellungsreglement sich ergebende Pflicht zur Fortzahlung des Arbeitslohns im Krankheitsfalle seiner Arbeitnehmer.
Im Ergebnis stellt der Kollektiv-Vertrag zur Krankenversicherung mit der ...-Versicherung somit eine Rückversicherung des Arbeitgebers des Klägers zur Erfüllung seiner gesetzlichen bzw. vertraglichen Verpflichtung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle dar. Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigte gegenüber der ...-Versicherung aus diesem Kollektivvertrag waren nicht die einzelnen Arbeitnehmer, sondern der frühere Arbeitgeber des Klägers. Dies ergibt sich sowohl aus dem Schreiben der ...-Versicherung vom 9. Juni 1997 als auch aus dem Schreiben des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 18. Oktober 1999, in denen übereinstimmend bestätigt wird, dass der kollektive Krankentaggeldversicherungsvertrag von der Firma ... - und nicht von den jeweiligen Mitarbeitern - abgeschlossen worden ist.
Dass die Arbeitnehmer, also auch der Kläger, einen Teil der Versicherungsprämie (1% des Bruttoarbeitslohns) zu tragen hatten, ändert hieran ebenso wenig etwas, wie der Umstand, dass die Leistungen aus der kollektiven Krankentaggeldversicherung unmittelbar von der ...-Versicherung an den Kläger ausbezahlt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1998, a. a. O.).
Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich auch die den Mitarbeitern im Anstellungsreglement ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, nach Austritt aus dem Unternehmen diese Versicherung als Einzelversicherung weiterzuführen. Würde es sich bei der Kollektivversicherung um einen zwischen dem Kläger und der ...-Versicherung abgeschlossenen Einzelversicherungsvertrag handeln, wäre in diesem Fall eine Umstellung zu einer bzw. der ausdrückliche Hinweis auf eine Fortführung als Einzelversicherung nicht erforderlich.
Nach allem liegen Versicherungsleistungen, wie sie nach § 3 Nr. 1 a EStG steuerfrei gestellt sind, im Streitfall nicht vor.
Ende der Entscheidung
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