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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.03.2008
Aktenzeichen: 2 K 173/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 22 Nr. 2
EStG § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

2 K 173/05

Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei teilentgeltlicher Anschaffung und Veräußerung

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe eines Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Kläger sind vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagte Eheleute. Die Klägerin und ihr Bruder waren in Erbengemeinschaft Eigentümer des bebauten Grundstücks Flurstück Nr. xxx X-str. 11 in W. Die Miterbenanteile betrugen jeweils 1/2. Mit Erbteilungsvertrag des Notariats II V vom 20. April 1995 UR Nr. beendeten die Miterben die zwischen ihnen bestehende Erbengemeinschaft "in der Weise, dass das Grundstück von der Miterbin, der Klägerin, übernommen wird, und zwar zusammen mit ihrem Ehemann, dem Kläger, in Miteigentum je zur Hälfte". Für die Übernahme des Grundstücks in ihr Alleineigentum hatten die Kläger an den Bruder der Klägerin 132.500 DM zu zahlen.

In den Jahren 1995 und 1996 wurde das Gebäude umgebaut. Hierbei fielen nachträgliche Herstellungskosten i. H. v. 65.441 DM (1995) sowie 36.295 DM (1996) an.

Mit Schenkungsvertrag des Notariats V II vom 6. September 2000 UR Nr. übertrugen die Kläger das in ihrem hälftigen Miteigentum stehende Grundstück X-str. 11 auf ihre Tochter C C. Dabei bewerteten die Vertragsparteien das Grundstück einvernehmlich mit 450.000 DM. Die Tochter hatte Ausgleichszahlungen sowie Schuldübernahme i. H. v. insgesamt 145.003 DM zu leisten. Dies alles ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung 2000 machten die Kläger einen Verlust aus der Veräußerung des Grundstücks X-str. 11 in W i. H. v. 5.858 DM geltend, den das FA in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) am 18. Oktober 2002 ergangenen Einkommensteuerbescheid 2000 antragsgemäß berücksichtigte.

Anlässlich einer beim Kläger im Jahr 2004 für die Jahre 2000 bis 2002 durchgeführten Außenprüfung ermittelte der Prüfer in Tz. 22 des Änderungsberichts über die Außenprüfung vom 18. Februar 2005 aus der Grundstücksveräußerung einen Gewinn i. H. v. 26.878 DM wie folgt:

 Anschaffungskosten Erbteilskauf (entgeltl. Teil)zzgl. hälftige nachträgl. Herstellungskosten 132.500 DM
1995 (32.720 DM) und 1996 (18.148 DM) 50.868 DM
Summe entgeltlicher Teil 183.368 DM
Wert des entgeltlich erworbenen Teils (183.368 DM x 2 x 32,2%) 118.162 DM
Veräußerungspreis entgeltl. Teil 145.003 DM
Veräußerungsgewinn 26.878 DM

Am 8. April 2005 erließ das FA für das Jahr 2000 einen Einkommensteueränderungsbescheid gem. § 164 Abs. 2 AO nach den Prüfungsfeststellungen.

Hiergegen legten die Kläger am 2. Mai 2005 mit dem Antrag Einspruch ein, den Veräußerungsgewinn auf 13.420 DM herabzusetzen. Nach den Feststellungen der Außenprüfung sei das Gebäude zum Preis von 145.003 DM, mithin zu einem Anteil von 32,22 v. H. entgeltlich veräußert worden. Das Entgelt habe sich danach auf das Gesamtgebäude bezogen. Andererseits stelle lediglich der durch Erbteilskauf erworbene ideelle Anteil von 50 v. H. ein privates Veräußerungsgeschäft dar. Die andere Grundstückshälfte sei durch Erbauseinandersetzung unentgeltlich erworben worden. Deshalb sei der Veräußerungspreis i. H. v. 145.003 DM hinsichtlich 50 v. H. Entgelt für das durch den Erbteilskauf steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäft, hinsichtlich der restlichen 50 v. H. Entgelt für die durch Erbfall unentgeltlich erworbene Grundstückshälfte. Somit errechne sich aus einem anteiligen Veräußerungspreis von 72.501 DM (50 v. H. von 145.003 DM) und anteiligen Anschaffungskosten von 59.081 DM (50 v. H. von 118.162 DM) ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von 13.420 DM.

Das FA hielt an der Ermittlung des Veräußerungsgewinns durch die Außenprüfung fest und wies den Einspruch durch Entscheidung vom 7. Juli 2005 als unbegründet zurück. Jeweils bezogen auf die Verkehrswerte sei das Grundstück im Jahr 1995 zu 50 v. H. entgeltlich erworben und im Jahr 2000 zu 32,22 v. H. entgeltlich verkauft worden. Es sei grundsätzlich zutreffend, dass lediglich der im Jahr 1995 entgeltlich erworbene Anteil für die Berechnung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns maßgebend sei. Dieser betrage unstreitig 118.162 DM. Bezogen auf den Verkehrswert sei das Grundstück nur zu 32,22 v. H. entgeltlich zum Preis von 145.003 DM veräußert worden. Allein diese beiden Beträge seien zueinander im Verhältnis zu sehen. Diese Beträge noch einmal zu halbieren, führe zu einem unzutreffenden Ergebnis. Denn in diesem Fall würden lediglich 25 v. H. des entgeltlichen Teils der tatsächlich fünfzigprozentigen entgeltlichen Anschaffung in das Veräußerungsgeschäft einbezogen. In der Einspruchsentscheidung erklärte das FA den Einkommensteuerbescheid 2000 antragsgemäß hinsichtlich der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gem. § 165 Abs. 1 AO für vorläufig.

Zur Begründung der am 1. August 2005 erhobenen Klage lassen die Kläger im Wesentlichen Folgendes vortragen: Die schenkweise Übertragung des Grundstücks X-str. 11 in W auf ihre Tochter gegen Ausgleichszahlungen bzw. Schuldübernahme unterliege grundsätzlich der Anwendung des § 23 EStG, soweit das übertragene Grundstück oder ein Miteigentumsanteil hieran innerhalb der Veräußerungsfrist von zehn Jahren entgeltlich oder teilentgeltlich erworben worden sei. Das für die Übertragung des gesamten Grundstücks erzielte Entgelt von 145.003 DM entspreche danach in Bezug auf den Verkehrswert von 450.000 DM (zum Veräußerungszeitpunkt) unstreitig einer entgeltlichen Quote von 32,22 v. H. Nach Auffassung des FA unterliege das Veräußerungsentgelt von 145.003 DM für das gesamte Grundstück vollumfänglich der Steuerpflicht nach § 23 EStG, obwohl zuvor tatsächlich und unstreitig nicht das gesamte Grundstück, sondern jeweils ein Viertel Miteigentumsanteile im Jahr 1995 vollentgeltlich erworben worden seien. Der Grundstücksanteil, der sich bereits im hälftigen Miteigentum der Klägerin befunden habe, sei vollumfänglich unentgeltlich angeschafft worden. In die Berechnung des Veräußerungsgewinns seien die Gebäudeteile nur insoweit einzubeziehen, soweit das Grundstück als entgeltlich erworben gelte. Nachdem von ihnen insgesamt nur 1/2 Miteigentumsanteile an dem genannten Grundstück entgeltlich erworben worden seien, könne danach auch nur 1/2 des Veräußerungserlöses bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns angesetzt werden. Insoweit lasse sich eine eindeutige Zuordnung des anteiligen Veräußerungserlöses von 72.502 DM (1/2 von 145.003 DM) zum entgeltlichen Anschaffungsgeschäft vom 20. April 1995 treffen. Danach bemesse sich der teilentgeltliche Veräußerungserlös i. S. v. § 23 EStG mit 72.502 DM. Die Anschaffungskosten für den im Jahr 1995 entgeltlich erworbenen hälftigen Miteigentumsanteil beliefen sich auf 132.500 DM. Von den nachträglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten der Jahre 1995 und 1996 von insgesamt 101.736 DM entfielen 1/2, nämlich 50.868 DM auf den entgeltlich erworbenen Teil. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten für den entgeltlich erworbenen hälftigen Miteigentumsanteil beliefen sich somit auf insgesamt 183.368 DM. Nachdem das Grundstück am 7. September 2000 nur hinsichtlich einer Quote von 32,22 v. H. entgeltlich veräußert worden sei, könne andererseits auch nur die entsprechende Quote als Anschaffungs- und Herstellungskosten des veräußerten hälftigen Miteigentumsanteils angesetzt werden, mithin 59.086 DM. Aus der Gegenüberstellung des anteiligen Veräußerungserlöses von 72.502 DM zu den anteiligen Anschaffungs- und Herstellungskosten von 59.086 DM errechne sich folglich ein Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG von 13.416 DM, der mit jeweils 6.708 DM bei ihnen anzusetzen sei. Die vom FA vertretene Rechtsauffassung führte dazu, dass der gesamte (teilentgeltliche) Veräußerungserlös der Besteuerung unterworfen werde, obwohl nur hinsichtlich eines hälftigen Miteigentumsanteils die Grundsätze des § 23 EStG anzuwenden seien. Diese Rechtsauffassung entspreche im Übrigen auch nicht dem Sinn der Tz. 32 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Oktober 2000 (BStBl I 2000, 1383).

Die Kläger beantragen, den Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2000 vom 8. April 2005 in Form der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2005 zu ändern und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Kläger jeweils i. H. v. 6.708 DM anzusetzen.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt es auf die Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2005 Bezug.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, sie ist indessen nicht begründet.

Der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid 2000 ist rechtmäßig. Das FA hat die Einkünfte der Kläger aus dem privaten Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG zutreffend ermittelt.

Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind zu sonstigen Einkünften führende private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) bei Grund-stücken Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Eine Anschaffung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das Grundstück entgeltlich erworben wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 3. August 1976 VIII R 192/74, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1977, 382).

Darüber, dass es sich bei dem Grundstücksgeschäft vorliegend um ein nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft handelt, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Streitig ist lediglich, wie der Veräußerungsgewinn nach dieser Vorschrift zu ermitteln ist.

Nach der maßgeblichen bürgerlich-rechtlichen Gestaltung (vgl. Urteil des BFH vom 23. April 1985 IX R 39/81, BStBl II 1985, 720) erwarben die Kläger vom Bruder der Klägerin durch Erbteilungsvertrag vom 20. April 1995 eine Grundstückshälfte entgeltlich zum Preis von 135.500 DM. Hinsichtlich der anderen Grundstückshälfte liegt hingegen kein entgeltlicher Erwerb vor. Denn insoweit erhielten die Kläger etwas, was der Klägerin schon vor der Auseinandersetzung, wenn auch in gesamthänderischer Bindung, gehörte. Die Klägerin gab zwar für die Übertragung des Alleineigentums ihre ihrem hälftigen Erbteil entsprechende Gesamthandsberechtigung an dem gesamten Grundstück auf. Insoweit handelt es sich um eine Erbauseinandersetzung durch Realteilung gem. § 2042 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 752 BGB. Dieser Austausch ist jedoch ein unentgeltlicher Vorgang. Ein entgeltlicher Vorgang ist demnach insoweit gegeben, als die Kläger mehr erhielten, als der Gesamthandsbeteiligung der Klägerin am Nachlassgrundstück entsprach. Für diese Grundstückshälfte hatten sie 135.500 DM zu zahlen.

Die Kläger haben das Grundstück, welches sie am 20. April 1995 zum Teil entgeltlich erworben hatten, am 6. September 2000 und damit innerhalb der zehnjährigen Frist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG) veräußert. Die Einkünfte aus dem privaten Veräußerungsgeschäft waren mithin als sonstige Einkünfte zu besteuern.

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger hat das FA die Höhe der Einkünfte zutreffend ermittelt. Bei einem teilweise entgeltlichen Erwerb führt nur die Veräußerung des entgeltlich erworbenen Teils zu einem Gewinn nach § 23 EStG (Urteil des BFH vom 22. September 1987 IX R 15/84, BStBl II 1988, 250).

Die Kläger erwarben von dem Grundstück - wie dargelegt - 50 v. H. entgeltlich; insoweit liegt mithin eine Anschaffung vor.

Im Jahr 2000 veräußerten sie das Grundstück zu 33,22 v. H. entgeltlich an ihre Tochter. Von dem im Jahr 1995 zur Hälfte entgeltlich erworbenen Grundstück wurden sonach lediglich 33,22 v. H. entgeltlich zum Preis von 145.003 DM weiterveräußert. Zur Ermittlung des Gewinns gem. § 23 Abs. 3 EStG ist deshalb der Veräußerungspreis von 145.003 DM dem Anschaffungspreis für einen Grundstücksanteil von 33,22 v. H. gegenüber zu stellen. Dieser anteilige Anschaffungspreis beträgt - unstreitig - 118.162 DM. Dies ergibt den von der Außenprüfung ermittelten Veräußerungsgewinn von 26.878 DM.

Die von den Klägern hiergegen erhobene Einwendung, der Veräußerungspreis sei nur zur Hälfte anzusetzen, greift nicht durch. Denn durch diese Berechnung würden nur 16,11 v. H., d. h. die Hälfte des entgeltlichen Grundstückskaufs, bei der Besteuerung erfasst. Dies verkennen die Kläger.

Die Frage, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 1999, 402) mit dem Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG a.F.) bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn das FA hat den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren 2 BvL 2/04, in welchem diese Rechtsfrage geklärt werden soll, bezüglich der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 EStG auf das hier streitige Veräußerungsgeschäft gem. § 165 Abs. 1 AO für vorläufig erklärt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).



Ende der Entscheidung

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