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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 2 K 212/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 139 Abs. 1
FGO § 149
Keine Erstattung von Kosten für Sicherheitsleistung
Finanzgericht Baden-Württemberg

2 K 212/05

Tatbestand:

Streitig ist der Ersatz von Kosten (Avalgebühren), die für eine Sicherheitsleistung zur Abwendung der Vollziehung von Steuerbescheiden aufgebracht wurden.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das Geldspielautomaten und Unterhaltungsgeräte in Gaststätten und ihr gehörenden Spielhallen zur entgeltlichen Nutzung aufstellt.

Mit Schreiben vom 04. Dezember 2001 beantragte die Klägerin unter Verweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 30. November 2000 V B 87/00, BFH/NV 2001, 657 die Umsätze aus Geldspielautomaten sowie die damit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge als steuerfrei bzw. nicht abzugsfähig zu behandeln und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Im Hinblick auf die Höhe der auszusetzenden Beträge forderte die Beklagte (Finanzamt - FA -) die Klägerin auf, Sicherheit zu leisten. Dieser Aufforderung kam die Klägerin am 22. März 2002 mit Einlieferung einer Bankbürgschaft der Kreissparkasse X über 30.000 EUR nach. In der Folgezeit gewährte das FA Aussetzung der Vollziehung für diese und weitere Umsatzsteuerbeträge. Die mit Verfügung vom 10. November 2003 gewährte Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 4/02 - 13/02 über insgesamt 75.215,82 EUR wurde aufgrund der bisher geleisteten Sicherheit in Höhe von 30.000 EUR gewährt. Weitere Sicherheiten bis zur vollen Höhe des ausgesetzten Betrages wurden nicht mehr verlangt. Einen Antrag nach § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit dem Begehren, Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu gewähren, stellte die Klägerin nicht.

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechtsauffassung der Klägerin bestätigt hatte, gab das FA am 16. März 2005 die Bürgschaftsurkunde der Kreissparkasse X zurück. Diese stellte der Klägerin Avalgebühren in Höhe von 1.107,50 EUR in Rechnung (Rechtsbehelfsakte - nicht paginiert -).

Mit Schreiben vom 11. Juli 2005 beantragte die Klägerin beim FA die Erstattung der von ihr für die Bürgschaft geleisteten Avalgebühren. Das FA lehnte dies ab. Eine Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit einer Sicherheitsleistung bei einer Aussetzung der Vollziehung sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Weder § 361 Abs. 2 Satz 5 Abgabenordnung (AO) noch den Vorschriften über die Sicherheitsleistung (§§ 241 - 248 AO) lasse sich ein solcher Anspruch entnehmen. Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs verwies die Klägerin darauf, dass die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten auf Rechtsprechung beruhe, die mehrere Jahrzehnte alt sei und daher heutzutage nicht mehr zwingend Bestand haben müsse. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 06. September 2005).

Mit der hiergegen am 10. Oktober 2005 fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung lässt sie im Wesentlichen folgendes vortragen: Die AO treffe keine Aussage darüber, wer die Kosten einer Sicherheitsleistung bei einer Aussetzung der Vollziehung zu tragen habe. Diese Regelungslücke sei durch Analogie oder Rückgriff auf allgemeine Regeln zu schließen. Es könne eine Analogie zu § 788 oder auch zu § 91 Zivilprozessordnung (ZPO) gezogen werden. Die von der Klägerin getragenen Avalgebühren seien notwendige Kosten zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung gewesen, die, da die vom FA vertretene Rechtsauffassung durch das Urteil des EuGH nicht bestätigt wurde, analog zu diesen Vorschriften zu erstatten seien. Des Weiteren habe nach allgemeinen wirtschaftlichen Grundsätzen der Verursacher von Kosten diese auch zu tragen. Das FA habe aufgrund einer falschen rechtlichen Betrachtungsweise die Bürgschaft angefordert. Die Avalgebühren müssten demnach auch dem FA zur Last fallen. Die Klägerin verweist weiter auf den Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 24. Januar 2007 3 K 7/03, EFG 2007, 783. Auch wenn der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit dem Sachverhalt der vorgenannten Entscheidung identisch sei, seien die rechtlichen Überlegungen übertragbar. Die bisher ergangenen Urteile zur Versagung der Erstattung von Avalgebühren behandelten nur die Frage, ob diese zu den im Rahmen des § 149 FGO erstattungsfähigen Kosten gehören. Da die Klägerin kein Gerichts- oder Aussetzungsverfahren angestrengt habe, seien sie auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Verwaltungsakts vom 18. Juli 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2005 das FA zu verpflichten, Avalgebühren in Höhe von 1.107,50 EUR zu erstatten.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an der im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest, dass der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage, nach der Kosten für eine Sicherheitsleistung erstattet werden, nicht vorgesehen habe. Die Kosten der Sicherheitsleistung seien vom Antragsteller zu tragen, weil mit ihr der Vorteil der Aussetzung der Vollziehung verbunden sei. Der Grund für die Entstehung der Avalgebühren habe in der Aussetzung der Vollziehung in einem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gelegen. Hier hätten grundsätzlich Steuerpflichtige und Finanzbehörden jeweils ihre eigenen Aufwendungen zu tragen.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die dem Senat vorliegenden Steuerakten verwiesen.

In der Streitsache hat am 30. April 2008 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Da die Klägerin gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung in der Aussetzungsverfügung kein gerichtliches Verfahren angestrengt hat, in dem ein Anspruch auf Erstattung der Avalgebühren hätte geltend gemacht werden können (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 08. Juni 1982 VIII R 68/79, BFHE 136,65; BStBl II 1982, 602), ist ein Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Durchführung des vorliegenden Verfahrens gegeben.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das FA ist nicht verpflichtet der Klägerin, die für die Bankbürgschaft angefallenen Avalgebühren. Für einen solchen Anspruch fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Die AO trifft keine Regelung dazu, wer die Kosten für eine zur Abwendung der Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides geleistete Sicherheit zu tragen hat. Da die Sicherheitsleistung grundsätzlich eine Gegenleistung für dem Steuerpflichtigen gewährte Vorteile - im Streitfall die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung - ist, fallen nach überwiegender Meinung die Kosten der Sicherheitsleistung dem Steuerpflichtigen zur Last (Brockmeyer in Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, Vor § 241, Anm. 2; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, § 361 Anm. 244; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Vor § 241 - 248 Anm. 26; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 241 Anm. 17). Diese Auffassung steht in Einklang mit der Entscheidung des Gesetzgebers, in abgabenrechtlichen Streitigkeiten für das (kostenfreie) Einspruchsverfahren im Regelfall keinen Anspruch des obsiegenden Beteiligten auf Erstattung von Kosten und Aufwendungen vorzusehen. Nach den Regelungen der AO über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren beinhaltet der außergerichtliche Rechtsschutz gegen Steuerverwaltungsakte die rechtliche Überprüfung des Verwaltungsakts durch die Behörde im Einspruchsverfahren. Ein Ersatz der in Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Steuerverwaltungsakt entstandenen Aufwendungen oder sonstiger Vermögensnachteile ist hingegen - anders als bei einem nachfolgenden finanzgerichtlichen Verfahren - regelmäßig nicht vorgesehen.

Auch außerhalb der Abgabenordnung ist - abgesehen von dem in einem finanzgerichtlichen Verfahren nicht zu überprüfenden Schadensersatzanspruch im Rahmen der Amtshaftung nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch, Art. 34 Grundgesetz - eine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht ersichtlich (vgl. hierzu FG Hamburg-Urteil vom 27. März 2007 4 K 195/06, veröffentlicht in [...]).

Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Avalgebühren aufgrund des öffentlich- rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs liegt nicht vor. Die Entstehung eines solchen Anspruchs ist zwar grundsätzlich auch für das Steuerrecht anerkannt. Der Folgenbeseitigungsanspruch erfasst jedoch nur die unmittelbaren Folgen der Vollziehung des Verwaltungsakts. Das bedeutet, dass er sich in der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes erschöpft, der durch die Vollziehung des Verwaltungsakts geschaffen wurde. Hingegen umfasst er nicht die Beseitigung der durch die Vollziehung entstandenen weiteren mittelbaren Folgen. Die Kosten für die Beschaffung der Sicherheit sind jedoch nur eine mittelbare Folge des die Sicherheitsleistung anordnenden Verwaltungsakts. Jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die Vollziehung nicht gegen eine bestimmte Art der Sicherheit ausgesetzt wird (BFH-Urteil vom 20. Februar 1982 II R 20/78, veröffentlicht in [...]).

Eine Erstattung der Avalgebühren nach §§ 149, 139 Abs. 1 FGO scheidet vorliegend bereits deshalb aus, weil die Klägerin kein Klage- oder gerichtliches Aussetzungsverfahren geführt hat. Auf die in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob Avalgebühren zu den nach § 139 Abs. 1 FGO erstattungsfähigen Kosten eines finanzgerichtlichen Verfahrens gehören (vgl. hierzu FG Baden-Württemberg Beschluss vom 24. Januar 2007 3 KO 7/03, EFG 2007, 783), braucht daher nicht näher eingegangen werden. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften oder der vom Prozessbevollmächtigten genannten §§ 91, 788 ZPO kommt im Streitfall nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine ergänzende Rechtsfortbildung durch Analogie nicht vorliegen. Es ist weder eine Regelungslücke noch die Vergleichbarkeit des nicht gesetzlich geregelten Sachverhalts mit dem geregelten gegeben. Wie bereits oben dargelegt, hat der Gesetzgeber für das Einspruchsverfahren, dem kein Klageverfahren oder gerichtliches Aussetzungsverfahren nachfolgt, eine Erstattung von Kosten und Aufwendungen des obsiegenden Beteiligten nicht bzw. nur in Ausnahmefällen, wie z.B. § 77 Einkommensteuergesetz bei Kindergeldsachen, vorgesehen. Hingegen gehören nach § 139 Abs. 1 FGO für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger in einem nachfolgenden finanzgerichtlichen Verfahren obsiegt, auch die Kosten des Vorverfahrens zu den erstattungsfähigen Kosten. Diese dem Gesetz zu entnehmende unterschiedliche Ausgestaltung der Kostenerstattung im Einspruchsverfahren auf der einen und im finanzgerichtlichen Verfahren auf der anderen Seite würde unterlaufen, wenn aus einer entsprechenden Anwendung der zu der Frage der Kostenerstattung im gerichtlichen Verfahren ergangenen Vorschriften der geltend gemachte Erstattungsanspruch hergeleitet würde. Im Streitfall hat die Klägerin entsprechend der behördlichen Anordnung zur Abwendung der Vollziehung Sicherheit geleistet. Sie hat die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Sicherheitsleistung nicht einer gerichtlichen Prüfung unterzogen. Daher kann sie sich auch nicht auf die Kostenregelungen des finanzgerichtlichen Verfahrens berufen.

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Erstattung der Avalgebühren auf den von weiteren Voraussetzungen abhängigen und nicht auf dem Finanzrechtsweg zu verfolgenden Amtshaftungsanspruch zu verweisen.

Die Klage ist mit der Kostenfolge aus § 135 FGO abzuweisen.



Ende der Entscheidung

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