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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 3 K 104/05
Rechtsgebiete: BewRGr, BewG


Vorschriften:

BewRGr Abschnitt 37 Abs. 1 S. 3 ff.
BewG § 85
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 K 104/05

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen der Einheitswertermittlung auf den 1. Januar 2004 die Auslegung des Abschnitts 37 Abs. 1 Sätze 3 ff. der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr). Objekt der fraglichen Einheitsbewertung im Sachwertverfahren ist ein in Y liegendes Grundstück mit einem im Jahr 2003 errichteten Einkaufszentrum.

Streit besteht zwischen den Beteiligten im Hinblick auf Büroräume im Obergeschoss, und zwar hinsichtlich der Frage, ob zwischen diesen Räumen und dem Dach ein nicht ausgebauter Dachraum besteht, der bei der Ermittlung des für die Herstellungskosten maßgeblichen umbauten Raumes nur zu einem Drittel zum Ansatz kommt. Die Beteiligten streiten inzwischen nur noch über diese Frage, die nach ihren übereinstimmenden Angaben einen Teilbetrag von 47.529,25 DM des Einheitswerts ausmacht. Im Übrigen ist der bislang mit 2.291.000 DM festgestellte Einheitswert auf den 1. Januar 2004 der Höhe nach unstreitig.

Die zum B-Konzern gehörende Klägerin ist eine grundstücksverwaltende Kommanditgesellschaft mit Sitz in Z (früher Q). Sie ist Eigentümerin des Geschäftsgrundstücks X Straße ... in Y (Flst.-Nr. ... /..). Das Grundstück hat eine Fläche von 166,34 a. Die Klägerin kaufte das Grundstück konzernintern durch notariellen Vertrag vom 10. Oktober 2003 von der B Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH, ihrer Kommanditistin. Der Kaufpreis für den Grund und Boden betrug 3.115.900 EUR zzgl. Umsatzsteuer.

In derselben notariellen Urkunde schloss die Klägerin mit der B Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH als Auftragnehmerin einen "Generalübernehmervertrag" zur "Planung und schlüssel- und betriebsfertigen Errichtung eines Einkaufszentrums mit Lebensmittel- und Getränkemarkt, Einzelhandelsmärkten (Shops) und Außenanlagen". Als Pauschalpreis hierfür wurde ein Betrag von 5.034.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Vertraglich vereinbarter Fertigstellungstermin für die damals bereits begonnene Errichtung des Gebäudes war der 31. Dezember 2003. Ebenfalls in derselben notariellen Urkunde schloss die Klägerin mit der B Gesellschaft mbH als Mieterin einen Immobilien-Mietvertrag.

Wegen aller Einzelheiten des notariell beurkundeten Sammelvertragswerks wird auf Blatt 70 ff. der Einheitswertakte verwiesen.

Das Einkaufszentrum wurde noch im Jahr 2003 fertig gestellt. In einem Teilbereich ist das ansonsten eingeschossige Gebäude zweigeschossig und mit einem Pultdach versehen. Im Obergeschoss befinden sich dort Büroräume. Zwischen dem geneigten Dach und diesen Räumen ist eine abgehängte, waagerechte, nicht begehbare Decke eingezogen. Die Büroräume sind nach oben hin durch diese Decke abgeschlossen. Eine Geschossdecke zwischen den Büroräumen und dem Dach besteht nicht. Ebenso wenig besteht infolgedessen ein über den Büroräumen liegendes Dachgeschoss.

Wegen der Baupläne des B-Marktes im Einzelnen wird auf Blatt 153 ff. und 167 der Einheitswertakte, wegen der fraglichen Räume auf Blatt 8 der Gerichtsakte verwiesen (siehe den mit Textmarker schraffierten Bereich). Innen- und Außenaufnahmen des Einkaufszentrums sind aus der Einheitswertakte (Blatt 206 ff.) ersichtlich. Gemäß der zwischen den Beteiligten unstreitigen Berechnung eines Architekten beträgt das vorliegend fragliche, zwischen dem Dach und der abgehängten Decke befindliche Raumvolumen 868,54 m 3 (Gerichtsakte Blatt 9, Einheitswertakte Blatt 186).

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2003 forderte das Finanzamt Y die B Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 2004 auf. Die angeforderte Erklärung nebst Anlagen reichte die B Gesellschaft mbH hierauf am 20. Januar 2004 ein.

Wegen der Einzelheiten der Erklärung wird Bezug genommen auf Blatt 146 ff. der Einheitswertakte, insbesondere auf Blatt 152 hinsichtlich der Berechnung des umbauten Raumes für das Gesamtgebäude und auf Blatt 153 ff. hinsichtlich der vorgelegten Baupläne.

Das Finanzamt führte am 9. März 2004 eine Ortsbesichtigung durch, an der auch die Bausachverständige des Finanzamts teilnahm. Wegen der protokollierten Merkmale der baulichen Ausstattung wird auf die Einheitswertakte verwiesen (Blatt 165 zum eingeschossigen Gebäudeteil, Blatt 166 zum zweigeschossigen Gebäudeteil mit Büro).

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der Ortsbesichtigung ermittelte das Finanzamt im Sachwertverfahren den Einheitswert auf den 1. Januar 2004 mit 2.689.000 DM.

Mit Nachfeststellungsbescheid vom 19. Juli 2004 stellte das Finanzamt daraufhin den Einheitswert für das Flst.-Nr. ... / .. auf 1.374.863 EUR (2.689.000 DM) fest.

Hiergegen legte die Klägerin am 17. August 2004 Einspruch ein. Sie begründete den Einspruch insbesondere damit, dass aus dem Ansatz der umbauten Räume nicht ersichtlich sei, dass das "nicht ausgebaute Dachgeschoss" von 868,54 m 3 nur mit einem Drittel berücksichtigt worden sei. Es sei hiervon nur ein Drittel, nämlich 289,514 m 3 zu berücksichtigen. Wegen der für das Klageverfahren nicht mehr relevanten weiteren Einwendungen der Klägerin wird auf die Einspruchsbegründung verwiesen (Einheitswertakte Blatt 185).

Mit Blick auf den streitig gebliebenen Punkt verwies das Finanzamt demgegenüber darauf (Einheitswertakte Blatt 194 f.), dass nach den vorgelegten Bauplänen und den Erkenntnissen der Ortsbesichtigung bei dem Gebäude kein unausgebautes Dachgeschoss entsprechend den Berechnungsvorschriften des umbauten Raumes nach DIN 277 (1950) vorhanden sei. Vielmehr handle es sich um "Dachdecken, die gleichzeitig die Decke des obersten Vollgeschosses bilden" (Hinweis auf Rz. 1.133 der Anlage 12 zu Abschnitt 37 BewRGr). Im Bereich des Daches seien sämtliche Versorgungsleitungen des Gebäudes verlegt, die entsprechend verkleidet seien. Eine Drittelung des umbauten Raumes sei nicht möglich.

Die Klägerin hielt den Einspruch unter Hinweis auf Abschnitt 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr und Rz. 1.2 der Anlage 12 zu Abschnitt 37 BewRGr aufrecht (Einheitswertakte Blatt 203). Beide Seiten blieben in der Folgezeit bei ihrer Rechtsauffassung (Einheitswertakte Blatt 205, 208).

Gemäß einer Stellungnahme der Bausachverständigen vom 21. April 2005 könne es im vorliegenden Fall keine Drittelung des umbauten Raumes geben, da kein Dachgeschoss vorhanden sei (Einheitswertakte Blatt 209).

Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2005 (Einheitswertakte Blatt 223 ff.) änderte das Finanzamt den Nachfeststellungsbescheid und setzte den Einheitswert (aus anderen Gründen) auf 1.171.369 EUR (2.291.000 DM) herab (vgl. Anlage zur Einspruchsentscheidung, Einheitswertakte Blatt 178 f.). Im Übrigen wies es den Einspruch zurück (zwar nicht ausdrücklich im Tenor, wohl aber ausweislich der Begründung).

Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 16. Juni 2005 erhobene Klage. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, von den fraglichen 868,54 m 3 seien zwei Drittel bzw. 579,026 m 3 nicht als umbauter Raum anzusetzen. Für den streitigen Rauminhalt liege ein nicht ausgebauter Dachraum im Sinne von Abschnitt 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr in Verbindung mit der Anlage 12 vor. Der vorliegende Fall entspreche in vollem Umfang dem Beispiel gemäß Rz. 1.2 der Anlage 12. Wenn die Ansicht des Finanzamts richtig wäre, liefe nach der Auffassung der Klägerin dieses Beispiel stets und immer leer.

Der Drittelansatz sei nach Abschnitt 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr auch dann zu berücksichtigen, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar sei. Auf die Frage, ob es sich bei der Deckenabhängung um eine Staubdecke oder um eine andere Trennung des Dachraumes von den übrigen Räumen handle, komme es nicht an, da die Staubdecke nur beispielhaft genannt sei. Das unstreitige Vorliegen einer abgehängten Decke führe deshalb dazu, dass der oberhalb dieser abgehängten Decke bestehende Rauminhalt nur zu einem Drittel anzusetzen sei. Die Klägerin verweist ferner auf die ihres Erachtens eindeutigen Zeichnungen in Rz. 1.13 der Anlage 12 der BewRGr.

Ein nicht ausgebauter und dementsprechend nicht voll nutzbarer Dachraum sei gegeben. Der Drittelansatz sei daher sachlich gerechtfertigt. Ein nicht voll nutzbarer Dachraum liege vor, wenn er nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sei. Entgegen der Annahme des Finanzamts seien in einem Dachraum verlaufende Elektroleitungen, Ablüftungen oder ähnliche Vorrichtungen der Gebäudetechnik nicht "Ausbauelemente". Einzelne Installationen führten nicht dazu, dass ein Dachraum als ausgebaut anzusehen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf Blatt 5 ff., 29 f., 40 f. und 50 f. der Gerichtsakte verwiesen.

Die Klägerin beantragt (Gerichtsakte Blatt 3),

den Einheitswertbescheid vom 19. Juli 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2005 dahingehend zu ändern, dass der festgestellte Einheitswert von derzeit 2.291.000 DM um 47.529,25 DM auf gerundet 2.243.000 DM (1.146.827 EUR) herabgesetzt wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt (Gerichtsakte Blatt 24, 33, 47),

die Klage als unbegründet abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Es verweist auf weitere Stellungnahmen der Bausachverständigen vom 12. August 2005 und vom 23. Januar 2006 (Gerichtsakte Blatt 26, 34).

Der fragliche umbaute Raum sei voll anzurechnen, da "kein ausgebauter Dachraum" (wohl gemeint: kein nicht ausgebauter Dachraum) im Sinne des Abschnitts 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr vorliege (vgl. die Klageerwiderung vom 12. September 2005).

Das zu bewertende Gebäude habe zwar eine abgehängte Decke. Diese erfülle aber nicht die Anforderungen an eine Geschossdecke, weil keine Geschosse getrennt würden und die abgehängte Decke die Anforderungen für ausreichenden Brand- und Schallschutz nicht gewährleiste. Da es ohne eine Geschossdecke keinen Dachraum gebe, der darüber liegen könnte, komme Abschnitt 1.133 der DIN 277 zur Anwendung.

Unter dem in den BewRGr genannten Begriff der Staubdecke werde nicht eine abgehängte Decke wie im vorliegenden Fall verstanden, sondern eine Glas-Zwischendecke wie z.B. bei Oberlichtverglasungen.

Eine Drittelung des umbauten Raums im Bereich einer bloßen abgehängten Decke sei aus verschiedenen Gründen nicht schlüssig. Die Drittelung entspreche ungefähr lediglich dem Rohbauanteil an den Gesamtkosten eines Gebäudes, also ohne den Kostenanteil für den Ausbau. Der Einbau einer abgehängten Decke verursache aber im Gegenteil zusätzliche Herstellungskosten.

Bei Räumen mit abgehängter Decke befinde sich oberhalb derselben in der Regel die für die Nutzung des Raums notwendige Gebäudetechnik (z.B. Lüftungskanäle, Elektroleitungen). Die abgehängte Decke verdecke die Installationen. Der Bereich über der abgehängten Decke beinhalte daher Ausbauelemente. Dies sei anders als bei sog. Nagelbinderkonstruktionen ohne Ausbau unter dem Dach, bei denen die Technik in einem darunter liegenden Zwischenbereich liege, für den kein Drittelansatz gelte.

Das Finanzamt verweist ferner auf den Vergleichsfall eines (ansonsten identischen) Raumes ohne Einbau einer abgehängten Decke. Dieser Raum sei dann mit seinem vollen Volumen anzusetzen, selbst wenn die Installationen unterhalb der Geschossdecke sichtbar seien. Der Drittelansatz bei Vorliegen einer abgehängten Decke sei mit dem vollen Ansatz bei Fehlen einer solchen Decke nicht vereinbar, da in beiden Fällen des Beispiels die Herstellungskosten identisch sein könnten (abgesehen von den durch die abgehängte Decke sogar noch hinzukommenden Kosten).

Zur Veranschaulichung des von ihm geltend gemachten Widerspruchs verweist das Finanzamt beispielhaft auf ein einheitlich gestaltetes 5-geschossiges Bürogebäude mit abgehängten Decke in allen Geschossen (vgl. näher Gerichtsakte Blatt 47). Die Drittelung für das oberste Geschoss würde nach Ansicht des Finanzamts im Vergleich zu den anderen Geschossen zu nicht sachgerechten Herstellungskosten und damit zu einem nicht die tatsächlichen Kosten widerspiegelnden Sachwert führen.

Wegen der Ausführungen des Finanzamts im Einzelnen wird auf Blatt 24 ff., 33 ff. und 46 f. der Gerichtsakte verwiesen.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (Gerichtsakte Blatt 30, 36, vgl. auch Blatt 55 Rückseite).

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung die Gerichtsakte und die Einheitswertakte des beklagten Finanzamts (1 Ordner) vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend auch begründet. Lediglich die Rundungsvorschrift des § 30 Bewertungsgesetz (BewG) führt dazu, dass ein geringfügig höherer Einheitswert festzustellen war, als ihn die Klägerin beantragt hat.

1.) a) Das Finanzamt hat die Einheitswertermittlung zutreffend im Sachwertverfahren durchgeführt (vgl. nur BFH, Urteil vom 12. Juni 2002 II R 15/99, BFH/NV 2002, 1282). Das hat die Klägerin auch nicht angegriffen. Bei der Ermittlung des in den Einheitswert einfließenden Gebäudewerts hat das Finanzamt jedoch entgegen dem Abschnitt 37 BewRGr zu Unrecht den von der Klägerin begehrten Drittelansatz für den oberhalb der Büroräume im Obergeschoss gelegenen Teil des umbauten Raums versagt. Hierfür besteht angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bewertungsrichtlinie (Sätze 3 ff. des ersten Absatzes) keine Rechtfertigung. Auch sieht der Senat trotz fehlender eigener Bindung an die Verwaltungsanweisung und trotz einzuräumender Zweifel an der sachlichen Angemessenheit der Regelung des Satzes 4 keine Rechtfertigung, zu Lasten der Klägerin von der klaren, auf die DIN 277 (1950) Bezug nehmenden Richtlinienbestimmung des Abschnitts 37 BewRGr abzuweichen.

Bei der Bewertung eines Grundstücks im Sachwertverfahren ist vom Bodenwert, vom Gebäudewert und vom Wert der Außenanlagen auszugehen (§ 83 Satz 1 BewG). Der Ausgangswert ist durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen (§§ 83 Satz 2, 90 Abs. 1 BewG). Für die Ermittlung des Gebäudewerts ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG). Dieser Wert ist nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) umzurechnen (§ 85 Satz 2 BewG). Der so errechnete Gebäudenormalherstellungswert ist Grundlage zur Findung des Gebäudesachwerts unter Berücksichtigung der §§ 86, 87 BewG, der nach Maßgabe des § 88 BewG in besonderen Fällen ermäßigt oder erhöht werden kann (§ 85 Sätze 3 und 4 BewG).

Zwischen dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 und dem vorliegend zu beurteilenden Bewertungsstichtag 1. Januar 2004 liegt ein Zeitraum von exakt 40 Jahren. Der bereits Jahrzehnte in der Vergangenheit liegende Hauptfeststellungszeitpunkt und der hieraus resultierende, vielfach beklagte "überlange" Hauptfeststellungszeitraum sind für die Praxis der Einheitsbewertung sowie deren Nachvollziehbarkeit und auch Akzeptanz in zunehmendem Maße problematisch. In rechtlicher Hinsicht ist durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings geklärt, dass die Verfassungsmäßigkeit des Einheitsbewertungsrechts trotz des unveränderten Hauptfeststellungszeitpunkts 1. Januar 1964 weiterhin zu bejahen ist (vgl. BFH, Beschlüsse vom 4. Juli 2007 II B 95/06, BFH/NV 2007, 1829 undvom 18. Oktober 2006 II B 10/06, BFH/NV 2007, 13 mit weiteren Nachweisen).

b) Über die näheren Einzelheiten der Ermittlung des Gebäudewerts enthält das Bewertungsgesetz selbst keine detaillierten Regelungen.

Maßgeblich für die Praxis der Einheitsbewertung ist insoweit die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) vom 19. September 1966 (BAnz Nr. 183, Beilage; BStBl I S. 890). Diese Verwaltungsvorschrift hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung der Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundvermögens auf den 1. Januar 1964 auf der Grundlage des Art. 108 Abs. 6 Grundgesetz (GG) a.F. erlassen (vgl. inzwischen Art. 108 Abs. 7 GG). Ausweislich der den Bewertungsrichtlinien vorangestellten Einführung behandeln die BewRGr Zweifelsfragen und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung, um eine einheitliche Anwendung des Bewertungsrechts durch die Behörden der Finanzverwaltung sicherzustellen. Die Richtlinien geben außerdem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Anweisungen an die Finanzämter, wie in bestimmten Fällen verfahren werden soll. Sie gelten für die auf den 1. Januar 1964 durchzuführende Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundvermögens und der Betriebsgrundstücke.

Die gesetzlichen Vorschriften über die Bewertung im Sachwertverfahren gemäß den §§ 83 ff. BewG werden in den Abschnitten 34 ff. der BewRGr in ausführlicher Weise konkretisiert. Die Anlage 10 (zu Abschnitt 34 Abs. 2) BewRGr gibt einen groben Überblick über das Sachwertverfahren. Die Einzelheiten der Ermittlung des Gebäudewerts (§ 85 BewG) sind in den Abschnitten 36 ff. BewRGr geregelt. Insbesondere ist hierbei die Anzahl der Kubikmeter umbauten Raumes (Abschnitt 37 BewRGr) mit einem durchschnittlichen Preis pro Kubikmeter dieses umbauten Raumes zu multiplizieren (Abschnitt 38 BewRGr). Für die Ermittlung des umbauten Raumes nimmt Abschnitt 37 Abs. 1 BewRGr auf die DIN 277 in der Fassung vom November 1950 Bezug. Diese DIN-Norm dient zur Ermittlung von Grundflächen und Rauminhalten von Bauwerken oder Teilen von Bauwerken im Hochbau. Die Norm definiert insbesondere die Regeln für die Berechnung von Flächen- und Rauminhalten, die sowohl der Ermittlung der Herstellungskosten von Gebäuden als auch der Ermittlung von Miet- und Kaufpreisen dienen.

c) Der vorliegend maßgebliche Abschnitt 37 Abs. 1 BewRGr lautet:

"Der umbaute Raum ist nach DIN 277 (November 1950 ×) zu berechnen (vgl. auch Anlage 12). Danach werden Vollgeschosse, Keller und ausgebaute Dachgeschosse mit dem vollen Rauminhalt angesetzt.

Nicht ausgebaute Dachräume werden mit einem Drittel ihres Rauminhalts berücksichtigt. Das gilt auch dann, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoß nicht begehbar ist (z.B. unterhalb des Daches aufgehängte Staubdecken). Im einzelnen vergleiche die Zeichnungen der Anlage 12."

Abweichend vom Normalfall der vollen Berücksichtigung werden nicht ausgebaute Dachräume lediglich mit einem Drittel ihres Rauminhalts berücksichtigt (Satz 3), und zwar auch dann, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss - wie in dem beispielhaft genannten Fall einer Staubdecke - nicht begehbar ist (Satz 4). Ein solcher nicht ausgebauter Dachraum liegt im Streitfall vor. Einzelne Ausbauelemente reichen nicht hin, um bereits deshalb anzunehmen, dass ein ausgebauter Dachraum besteht. Die gegenteilige Argumentation des Finanzamts ist ergebnisorientiert, ohne nachvollziehbare Kriterien für den behaupteten Ausbau der Dachräume erkennen zu lassen.

Dass der vorliegende Fall vom Wortlaut der Richtlinie erfasst wird, belegt das im Klammerzusatz des Satzes 4 genannte Beispiel. Unter dem Begriff der Staubdecke (vgl. http://www.baubegriffe.com) wird eine Glaszwischendecke verstanden, über welcher sich in der Regel ein lichtdurchlässiges Sheddach befindet.

Zwischenräume werden meist dazu genutzt, um Installationsleitungen oder Kanäle von raumlufttechnischen 47 Anlagen unterzubringen. Die Staubdecke dient auch zur Wärmedämmung (Energieeinsparung), zur Abhaltung des im Zwischenraum aufgewirbelten Staubs und letztendlich auch zur Verschönerung der Raumgestaltung durch eine gute Optik der Decke. Als Problem wird oft gesehen, dass die Staubdecken von der Oberseite nur schlecht zu reinigen sind und der dort abgelagerte Staub den Lichteinfall behindert.

Unstreitig ist im vorliegenden Fall oberhalb der Büroräume im zweigeschossigen Gebäudeteil eine abgehängte, nicht begehbare Decke eingezogen, welche die genannten Begriffsmerkmale einer derartigen Staubdecke zwar nicht erfüllt. Gleichwohl ist Abschnitt 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr seinem Wortlaut nach erfüllt, da über dem Obergeschoss als oberstem Vollgeschoss eine nicht begehbare Decke besteht. Mehr als das ist nach dem Wortlaut nicht erforderlich, mehr kann von der an die Verwaltungsanweisung gebundenen Finanzverwaltung infolgedessen auch nicht verlangt bzw. in den Tatbestand hineingelesen werden.

Die Staubdecke selbst ist nach dem unmissverständlichen Wortlaut nur ein einzelner explizit genannter Fall im Sinne eines möglichen, aber eben gerade nicht notwendigen Beispiels. Das Fehlen einer Staubdecke hindert nicht die Annahme, dass Abschnitt 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr erfüllt sein kann, wenn zwar keine eigentliche Staubdecke, wohl aber eine - mit dieser ihrem Wesen und ihrer Funktion nach vergleichbare - abgehängte Decke gegeben ist. Genau das ist vorliegend der Fall.

Die in Abschnitt 37 Abs. 1 Satz 5 BewRGr in Bezug genommene Anlage 12 der BewRGr bestätigt die Wortlautauslegung der Sätze 3 und 4. Da die untere Decke des Dachraums nicht begehbar sein muss, entspricht der hier zu beurteilende Dachraum der Rz. 1.2 der Anlage 12.

d) Die Bezugnahme auf die DIN 277 in der Fassung des Jahres 1950 kann auch nicht als dynamische Verweisung auf die jeweils aktuelle Fassung dieser DIN-Vorschrift interpretiert werden. Insoweit verdient Beachtung, dass in den späteren Fassungen der DIN 277 aus den Jahren 1973, 1987 und zuletzt 2005 der Drittelansatz der DIN 277 (1950) nicht mehr beibehalten wurde. Die Ermittlung des umbauten Raumes nach der DIN-Fassung des Jahres 1950 und die Ermittlung des Bruttorauminhalts nach den späteren Fassungen sind grundlegend zu unterscheiden (vgl. nur Rössler/Langner/Simon/Kleiber, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 6. Aufl. 1990, S. 221 ff., zu den Unterschieden vgl. auch die tabellarische Übersicht auf S. 231 ff.). Bei Gegenüberstellung der DIN-Fassungen ergeben sich erhebliche Wertdifferenzen, je nachdem, ob die Berechnung gemäß der Fassung 1950 oder aber gemäß einer späteren Fassung erfolgt (Rössler/Langner/Simon/Kleiber, a.a.O., S. 237).

Die Verweisung auf die DIN 277 (1950) und die Anlage 12 können nicht zuletzt auch deshalb nur als statische Verweisung verstanden werden, weil ein Redaktionsversehen angesichts des jahrzehntelangen unveränderten Fortbestands der Verwaltungsvorschrift trotz der neueren DIN-Fassungen auszuschließen ist.

Hinzu kommt, dass die unverändert gebliebene Bezugnahme auf die DIN 277 (1950) im Kontext der althergebrachten, die Baupreisverhältnisse des Jahres 1958 für maßgeblich erachtenden Einheitswertermittlung und des nach wie vor maßgeblichen Hauptfeststellungszeitpunkts 1. Januar 1964 in gewisser Weise sogar folgerichtig erscheint.

e) Ebenso wenig wie der Einwand, es liege in Wahrheit ein ausgebauter Dachraum vor, vermag auch der Einwand des Finanzamts, der bloße Drittelansatz widerspreche dem Sinn und Zweck der Ermittlung sachgerechter Herstellungskosten, im Ergebnis zu überzeugen. Zwar hält der Senat die vom Finanzamt vorgetragenen Bedenken insoweit für durchaus beachtlich. Die vom Finanzamt angestellten Wertungsüberlegungen genügen jedoch nicht, um den klaren und nach Auffassung des Senats eindeutigen Wortlaut aus teleologischen Gründen zu reduzieren. Eine teleologische Reduktion liefe im Ergebnis auf eine vollständige Ignorierung bzw. faktische Eliminierung jedenfalls des Satzes 4 des Abschnitts 37 BewRGr hinaus. Hierzu sieht das Gericht das Finanzamt schon wegen des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung nicht als befugt an (vgl. BFH, Urteil vom 7. November 1975 III R 120/74, BFHE 118, 59, BStBl II 1976, 277).

Auch der erkennende Senat selbst sieht schließlich - trotz fehlender eigener Bindung an die Verwaltungsanweisung (vgl. BFH in BFHE 118, 59, BStBl II 1976, 277, zur grundsätzlichen Möglichkeit der Gerichte, von Verwaltungsanweisungen abzuweichen, vgl. BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 IV R 92/05, BStBl II 2008, 583 unter Ziff. II 3 b) - keine Veranlassung, eine nach seiner Auffassung eindeutig zu interpretierende Verwaltungsanweisung, die auf in den Jahren 1958 bzw. 1964 gültige DIN-Vorschriften Bezug nimmt, punktuell außer Kraft zu setzen. Finanzgerichte können die BewRGr grundsätzlich ohne Weiteres anwenden (vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH, Urteil vom 16.05.2007 II R 36/05, BFH/NV 2007, 1827). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. In Anbetracht des klaren Wortlauts muss sich das Finanzamt bei der durch die BewRGr gerade sicherzustellenden einheitlichen Anwendung des Bewertungsrechts an der seit Jahrzehnten bestehenden Verwaltungsanweisung festhalten lassen.

2.) Die Klage hat hiernach ganz überwiegend Erfolg. Allerdings war der Einheitswert nicht wie von der Klägerin beantragt auf 1.146.827 EUR festzustellen. Entgegen der im Antrag der Klägerin zum Ausdruck kommenden Rundungsmethode wird der in DM ermittelte Einheitswert gemäß § 30 BewG auf volle hundert Deutsche Mark nach unten abgerundet und danach in Euro umgerechnet; der umgerechnete Betrag wird sodann auf volle Euro abgerundet. Aufgrund des zu bejahenden Drittelansatzes reduziert sich der Einheitswert so von bisher 2.291.060 DM um 47.529,25 DM auf 2.243.530,75 DM. Dieser Betrag ist nach § 30 BewG auf 2.243.500 DM (1.147.083,34 EUR) bzw. 1.147.083 EUR abzurunden.

3.) a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt aus § 151 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

b) Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob bei Einheitsbewertungen im Sachwertverfahren der in Abschnitt 37 BewRGr für den Dachbereich vorgesehene Drittelansatz einschränkend zu interpretieren ist, gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Soweit ersichtlich, besteht insoweit bislang keine veröffentlichte Rechtsprechung der Finanzgerichte.

c) Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beruht auf dem diesbezüglichen Einverständnis der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 FGO ).

Ende der Entscheidung

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