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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: 3 K 60/07
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 44 Abs. 1
EStG § 31 S. 1
EStG § 32 Abs. 6 S. 3 Nr. 1
EStG § 66 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 K 60/07 11 K 256/04

Tatbestand:

Der am 3. Februar 1938 geborene Kläger wird mit seiner am 22. Juni 2000 verstorbenen Ehefrau (im Folgenden auch: die Erblasserin) für das Jahr 2000 (Streitjahr) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Rechtsnachfolger nach der Erblasserin wurden der Kläger zu 1/2 und die gemeinsamen Kinder S (geb. am 24. August 1972), B (geb. am 21. Dezember 1973) und C (geb. am 07. Juli 1977) zu je 1/6 (Hinweis auf den Erbschein des Notariats X - Nachlassgericht - vom 21. Juli 2000, Bl. 71 der FG-Akten).

Die Töchter befanden sich im Streitjahr noch in Ausbildung (Hinweis auf Zeile 107 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung, (Bl. 29 Rückseite der Einkommensteuerakten) und Anlage Kinder (Bl. 32/2000 der Einkommensteuerakten)).

Durch den (ursprünglichen) Bescheid vom 12. November 2001 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer 2000 nach einem zu versteuernden Einkommen von 159.154 DM nach der Splittingtabelle auf 31.716 DM fest. Kinderfreibeträge berücksichtigte das FA für die Töchter B und C und im Übrigen rechnete es das für die beiden Töchter gezahlte Kindergeld in Höhe von 6.480 DM nach § 36 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung - EStG - der Einkommensteuer hinzu. Im Bescheid versteuerte das FA auf Antrag (Zeile 45 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung (Bl. 38/Rs der Einkommensteuerakten)) den vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 140.000 DM (= 200.000 DM ./. 60.000 DM (Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG a.F.)) nach der sog. Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 - StEntlG 1999/2000/2002 - vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402, BStBl. I 1999, 304). Die Vergleichsrechnung (sog. Günstigerprüfung), nach der die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums für die insoweit allein in Betracht kommenden Töchter B und C nicht bereits durch das ausgezahlte Kindergeld, sondern erst durch die Kinderfreibeträge bewirkt wurde, wurde (nach den Angaben des FA) wie folgt durchgeführt (Bl. 90-92 der Einkommensteuerakten):

Berechnung ohne Kinder

 DMDMDMDM
Einkommen  172.978
Kinderfreibetrag   
zu versteuerndes Einkommen  172.978
./. Außerordentliche Einkünfte (E 34 Abbs. 2 Nr. 1 EStG)  140.000
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:   
   32.978
Einkommensteuer (für laufende Einkünfte)  1.432
Einkünfte (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)140.000  
hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)28.000  
+ zu versteuerndes (verbleibendes Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:32.978  
Summe60.978  
Einkommensteuer für verbleibendes zu versteuerndes Einkommen zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte: 8.874 
./. Einkommensteuer für laufende Einkünfte: 1.432 
Unterschied 7.442 
Betrag x 5  37.210
Gesamt  38.642

Berechnung mit einem Kind

 DMDMDM
Einkommen  172.978
Kinderfreibetrag  (für B) 6.912
zu versteuerndes Einkommen  166.066
./. außerordentliche Einkünfte (§ 34 abs. 2 Nr. 1 EStG)  140.000
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:  26.066
Einkommensteure für laufende Einkünfte:  0
außerordentliche Einkünfte140.000  
hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)28.000  
+zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:26.066  
Summe54.066  
Einkommensteuer für verbleibendes zu versteuerndes Einkommen   
zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte 6.936 
./. Einkommensteuer für laufende Einkünfte: 0 
Unterschied 6.936 
Betrag  34.680
Einkommensteuer (für laufende und außerordentliche) Einkünfte  34.680
+ Kindergeld für 1. Kind (B)  3.240
Gesamt  37.920
Einkommensteuer (ohne Kinderfreibetrag) 38.642 
günstigermit Kinderfreibetrag  

Berechnung mit 2 Kindern

 DMDMDM
zu versteuerndes Einkommen mit 1 Kind  166.066
Kinderfreibetrag (für 2. Kind)  6.912
zu versteuerndes Einkommen  159.154
außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)  140.000
zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der   
nichtbegünstigten Einkünfte  19.154
Einkommensteuer  0
außerordentliche140.000  
Einkünfte hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)28.000  
+ zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der   
außerordentlichen Einkünfte:19.154  
Summe47.154  
Einkommensteuer 5.064 
./. Einkommensteuer für laufende Einkünfte 0 
Unterschied 5.064 
Betrag x 5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)  25.320
Einkommensteuer (für laufende und außerordentliche Einkünfte)  25.320
+ Kindergeld (für B und C)  6.480
Gesamt  31.800
Einkommensteuer (ohne Kinderfeibetrag) 37.920 
günstigermit Kinderfreibetrag 

Der Bescheid vom 12. November 2001 wurde dem Kläger bekannt gegeben. Die Gesamtrechtsnachfolge nach seiner im Streitjahr verstorbenen Ehefrau wurde nicht berücksichtigt. Im Übrigen wurde der an den Kläger gerichtete Bescheid formell bestandskräftig, weil kein Einspruch eingelegt wurde.

Am 12. Februar 2003 gab das FA einen auf die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - gestützten Einkommensteueränderungsbescheid zur Post. Dabei berücksichtigte es die im Grundlagenbescheid vom 21. Januar 2003 festgestellten Einkünfte aus Kapitalvermögen von 2.485 DM (= 3.575 DM (Einnahmen) ./. 1.090,14 DM (Werbungskosten) - Bl. 55/2000 der Einkommensteuerakten -).

Das FA setzte die Einkommensteuer im Änderungsbescheid nach einem zu versteuernden Einkommen von 175.463 DM nach der Splittingtabelle auf 39.106 DM fest ("Mehr"steuer gegenüber dem ursprünglichen Bescheid: 7.390 DM). Kinderfreibeträge berücksichtigte das FA nicht mehr, weil die Günstigerprüfung ergeben habe, dass die Freistellung des Existenzminimums der Kinder B und C bereits durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden sei. Die Günstigerrechnung wurde wie folgt durchgeführt:

 Berechnung ohne KinderDMDMDM
Einkommen  175.463
Kinderfreibetrag zu versteuerndes Einkommen  175.463
./. außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)  140.000
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:  35.463
Einkommensteuer für laufende Einkünfte:  2.048
außerordentliche Einkünfte140.000  
Hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)28.000  
+ zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:35.463  
Summe63.463  
Einkommensteuer für verbleibendes zu versteuerndes Einkommen 9.584 
zuzüglich eines Fünftels der außergewöhnlichen Einkünfte: ./. Einkommensteuer für (laufende) Einkünfte: 2.048 
Unterschied 7.536 
Betrag x 5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG) Einkommensteuer füraußerordentliche Einkünfte  37.680
Einkommensteuer (insgesamt)  39.728
Berechnung mit 1 Kind   
Einkommen  175.463
Kinderfreibetrag (für B)  6.912
Zu versteuerndes Einkommen  168.551
./. außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)  140.000
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:  28.551
Einkommensteuer (für laufende Einkünfte)  374
außerordentliche Einkünfte140.000  
Hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)28.000  
+ zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:28.551  
Summe56.551  
Einkommensteuer für außerordentliche Einkünfte: 7.624 
./. Einkommensteuer (für laufende Einkünfte) 374 
Unterschied 7.250 
Betrag x 5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)  36.250
Einkommensteuer  36.624
+ Kindergeld für B  3.240
Festzusetzende Einkommensteuer  39.863
Ohne Kinderfreibetrag 39.728 
günstigerohne Kinderfreibetrag  

Der Einkommensteueränderungsbescheid vom 12. Februar 2003 enthält keinen Hinweis auf die Gesamtrechtsnachfolge nach der im Streitjahr verstorbenen Ehefrau des Klägers. Im Übrigen wurden die im Feststellungsbescheid vom 21. Januar 2003 angesetzten steuerfreien Einnahmen unter Progressionsvorbehalt (§ 32 b EStG) in Höhe von 368,22 DM nicht berücksichtigt. Schließlich ermäßigte das FA die tarifliche Einkommensteuer durch den Steuerabzug für ausländische Einkünfte in Höhe von 622 DM (im ursprünglichen Bescheid: 84 DM).

Mit seinem form- und fristgerecht erhobenen Einspruch macht der Kläger geltend, die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums sei im Streitfall durch den Ansatz von zwei Kinderfreibeträgen zu bewirken. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 10. Februar 2004 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das FA führt aus: Der Familienleistungsausgleich erfolge nach § 31 Satz 1 EStG durch die Zahlung von Kindergeld oder durch den Abzug von Kinderfreibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG. Während des laufenden Kalenderjahres erfolge der Ausgleich stets durch die Zahlung von Kindergeld (§ 31 Satz 3 EStG). Werde die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld für das einzelne Kind nicht in vollem Umfang bewirkt, seien bei der Veranlagung nach Ablauf des Kalenderjahres die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG 3 K 60/07; 11 K 256/04 Seite 4 von 11 http://lrbw.[...].de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&Gerich... 02.07.2008 abzuziehen (§ 31 Satz 4 EStG). Dies sei der Fall, wenn der Abzug von Kinderfreibeträgen zu einer Einkommensteuerminderung führe, die höher sei als das Kindergeld. In diesem Fall sei das Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen, und es erhöhe somit die festzusetzende Einkommensteuer (§§ 31 Satz 5, 2 Abs. 6 Satz 2, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Ob im Einzelfall das Kindergeld oder die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG günstiger seien, werde im Rahmen der Veranlagung von Amts wegen geprüft (sog. Günstigerprüfung). Bei der Günstigerprüfung sei stets auf das einzelne Kind abzustellen. Dies ergäbe sich aus der Formulierung in § 31 Satz 1 EStG, derzufolge die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes (sog. Einzelbetrachtungsweise) entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder das Kindergeld bewirkt werde. Die Reihenfolge der Kinder bestimme sich nach deren Alter. Das älteste Kind sei stets das erste. Bei zusammen zu veranlagenden Ehegatten seien für jedes gemeinsame Kind die verdoppelten Freibeträge des § 36 Abs. 2 Satz 2 EStG mit dem Kindergeld zu vergleichen.

Im vorliegenden Fall sei die Günstigerprüfung vom EDV-Referat der Oberfinanzdirektion (im Folgenden: OFD) nochmals überprüft worden. Es träfen Einkünfte, die nach der Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG ermäßigt zu besteuern seien, mit der Günstigerprüfung zusammen. Von der Programmiergruppe der OFD sei für das erste Kind die Steuerermäßigung durch den Ansatz des Kinderfreibetrages ermittelt worden. Sei die Steuerermäßigung dabei höher als das erhaltene Kindergeld, so werde das zu versteuernde Einkommen unter Berücksichtigung des Kinderfreibetrages errechnet. Sei wie im vorliegenden Fall das Kindergeld höher, so werde (auch) für die weitere Berechnung das zu versteuernde Einkommen nicht um den Kinderfreibetrag für das erste Kind gekürzt, d.h. für das zweite Kind entspräche die Berechnung derjenigen für das erste Kind:

 zu verst. Einkommen ohne Kinder:DMDM
 175.463 
ESt nach Tabelle + § 34 EStG Günstigerprüfung für das 1. Kind: 39.728
zu verst. Einkommen mit 1 Kinderfreibetrag168.551 
FSt nach Tabelle + § 34 EStG  36.624
Differenz d.h. weniger als 3.240 DM Kindergeld 3.104

Folglich sei für das erste Kind das Kindergeld günstiger. Da die Berechnung für das zweite Kind der Berechnung für das erste Kind entspräche, sei auch für das zweite Kind das Kindergeld günstiger (Hinweis auf das Amtliche Einkommensteuerhandbuch 2003 zu § 31 EStG R 175 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2). Damit sei die Günstigerprüfung korrekt vorgenommen worden. Nach Aktenlage habe sich bei der Steuerberechnung (Günstigerprüfung) im ursprünglichen Bescheid eine außergewöhnlich günstige Konstellation beim Zusammentreffen von Günstigerprüfung mit der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG ergeben. Die aus dem Änderungsbescheid sich ergebende vergleichsweise hohe Einkommensteuernachzahlung basiere jedoch ebenfalls auf der zutreffenden Anwendung der zuvor dargelegten Berechnungsgrundsätze.

Mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, nach der im Streitfall die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums für seine beiden Kinder nicht bereits durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden sei, sondern durch die Kinderfreibeträge für die beiden Töchter zu bewirken sei. Das FA lege die steuerlichen Vorschriften über den Familienleistungsausgleich (§ 31 EStG) falsch aus, indem es stets davon ausgehe, dass bei der Günstigerprüfung auf das einzelne Kind abzustellen sei. In der Regel führe dies zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis, als wenn die durch die Summe der Kinderfreibeträge erzielte Steuerersparnis einerseits und die Summe des insgesamt ausgezahlten Kindergeldes andererseits miteinander verglichen würden. Durch die Berechnung des FA werde aber im vorliegenden Fall die Regelung des § 31 Satz 4 EStG ad absurdum geführt. Sie verwandele sich zu einer "Ungünstigerprüfung". Die Regelung des § 31 Satz 4 EStG a.F. solle sicherstellen, dass die als Kindergeld gewährte Steuervergütung auch dann nicht zurückgezahlt werden müsse, wenn sich nach Ablauf des Jahres und Durchführung der Einkommensteuerveranlagung herausstelle, dass die tatsächliche Zahlung des Kindergeldes höher sei als es zur Sicherung der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erforderlich gewesen wäre. Der Kläger verweist insoweit auf das Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 14. Oktober 2002 1 K 925/98, rechtskräftig (EFG 2003, 169). Aus dem angegriffenen Änderungsbescheid ergäbe sich eine Einkommensteuer von 39.106 DM. Der ursprüngliche Steuerbescheid habe eine Einkommensteuerschuld von 31.716 DM ausgewiesen. Nach der Berechnung des FA würden die zusätzlich im Änderungsbescheid angesetzten Einkünfte von 2.485 DM eine Mehrsteuer in Höhe von 7.390 DM bewirken, was einem Grenzsteuersatz von 297 v.H. entspräche und dem verfassungsmäßigen Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in extremer Weise widerspreche.

Der Kläger beantragt,

den - an ihn gerichteten - Einkommensteueränderungsbescheid für 2000 vom 12. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2004 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 34.590 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und in den Schriftsätzen vom 11. Mai 2004 und vom 30. Januar 2007 (Bl. 19 und 57 der FG-Akten). Im Übrigen verweist es auf die Verfügung der OFD Cottbus vom 09. Februar 2004 S 2280 - 9 - St 212 (Bl. 81 der FG-Akten). Werde danach die gebotene steuerliche Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch das gezahlte Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, seien gemäß § 31 Satz 4 EStG bei der Veranlagung die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen. Bei der durchzuführenden Vergleichsberechnung werde - so die Auffassung der Finanzverwaltung - das jeweils zugrunde zu legende zu versteuernde Einkommen nur bei Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vermindert. Sei bei einem älteren Kind das Kindergeld günstiger als der für dieses Kind angesetzte Freibetrag, werde bei der Vergleichsberechnung für das nachfolgende Kind das gleiche zu versteuernde Einkommen (das nicht um Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG geminderte zu versteuernde Einkommen) angesetzt. Aufgrund dieser Berechnungsschritte könne es in Fällen mit. Einkünften nach § 34 EStG (Tarifermäßigung unter Anwendung der Fünftelregelung) im Vergleich zu Fällen ohne solche Einkünfte zu schlechteren steuerlichen Ergebnissen kommen. Deshalb sei auf Bundesebene geprüft worden, ob das zu versteuernde Einkommen in diesen Fällen bei jedem Kind um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG zu vermindern sei, unabhängig davon, ob beim älteren Kind diese Freibeträge aufgrund der Vergleichsberechnung tatsächlich abgezogen worden seien. Nach dem Ergebnis der Erörterung zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder werde die Auffassung vertreten, dass an der bestehenden Regelung zur Günstigerprüfung zwingend festzuhalten sei. In den meisten Fällen sei die bestehende Günstigerprüfung steuerlich günstiger als eine hiervon abweichende Günstigerprüfung, bei der beispielsweise eine Gegenüberstellung der insgesamt für die betreffenden Kinder zu gewährenden Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG mit dem für diese Kinder insgesamt gewährten Kindergeld vorgenommen werde. Soweit bei der Einkommensteuerveranlagung tarifbegünstigte Einkünfte nach § 34 EStG berücksichtigt worden seien und nunmehr eine von der programmierten Festsetzung abweichende Festsetzung begehrt und dies mit der Feststellung eines günstigeren steuerlichen Ergebnisses begründet werde, wenn eine nach § 31 Satz 4 EStG abweichende Günstigerprüfung durchgeführt werde, seien entsprechende Änderungsanträge oder Einsprüche abzulehnen bzw. als unbegründet zurückzuweisen.

Bei der Einkommensteuerschuld lt. dem vorgenannten Klageantrag sind nunmehr die unter dem Progressionsvorbehalt stehenden Einkünfte lt. dem Grundlagenbescheid vom 21. Januar 2003 berücksichtigt (Bl. 55 der Einkommensteuerakten). Die Steuerberechnung erfolgte insoweit einvernehmlich zwischen den Beteiligten (Hinweis auf die Schriftsätze vom 29. März und vom 5. April 2007). Dabei wurde die ausländische Steuer auf Antrag des Klägers bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen (Hinweis auf § 34c Abs. 2 EStG) und diese verminderten sich infolgedessen um 622 DM ("Mehr"steuer gegenüber dem ursprünglichen Bescheid: 2.874 DM).

Am 12. März 2007 fand vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes statt. Auf die den Beteiligten hierzu bekannt gegebene Niederschrift wird Bezug genommen (Bl. 74-77 der FG-Akten).

Dem Senat lagen vor:

1 Bd. Einkommensteuerakten Bd. VI StNr. ....

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

1. Die Erbinnen nach der im Streitjahr verstorbenen Ehefrau des Klägers, deren Töchter Stephanie, B und C (Hinweis auf den Erbschein vom 21. Juli 2000, Bl. 71 der FG-Akten) waren nicht zum finanzgerichtlichen Verfahren (notwendig) beizuladen (§ 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Wenn im Fall der Zusammenveranlagung nur einer der Ehegatten Klage erhebt, bedarf es auch dann nicht der Beiladung des anderen gemäß § 60 Abs. 3 FGO, wenn man nicht von übereinstimmenden Interessen der Beteiligten ausgehen kann (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. BFH-Beschluss vom 20. Januar 1972 I B 51/68, BStBl. II 1972, 287; BFH-Urteile vom 12. August 1977 VI R 61/75, BStBl. II 1977, 870;vom 11. April 1989 VIII R 219/84, BFH/NV 1989, 755). Gleiches gilt, wenn an die Stelle eines Ehegatten dessen Erben gerückt sind; auch in diesem Fall geht die Verbindung zwischen den Beteiligten nicht über die Gesamtschuldnerschaft (§ 44 AO 1977) hinaus. Die Gesamtschuldnerschaft schließt aber unterschiedliche Steuerfestsetzungen nicht aus (BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 VIII R 33/88, BFH/NV 1992, 793; BFH-Beschluss in BStBl. II 1972, 287).

2. Der streitige Einkommensteueränderungsbescheid vom 12. Februar 2003 ist wirksam geworden. Er ist (insbesondere) zutreffend adressiert.

Nach § 119 Abs. 1 AO 1977 muss ein Verwaltungsakt, darunter ein Steuerbescheid, inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dazu gehört die Angabe des Steuerschuldners (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Das war im Streitfall allein der Kläger; er ist in dem streitigen Bescheid benannt.

Der dem Kläger bekannt gegebene Bescheid ist allerdings auch an P (die im Streitjahr verstorbene Ehefrau des Klägers) adressiert (s. Angaben im Kopf des Bescheides zu "Für ..."). Das beeinträchtigt seine Wirksamkeit gegenüber dem Kläger jedoch nicht.

Bei den äußerlich zusammengefassten Einkommensteuerbescheiden im Rahmen der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) handelt es sich um zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige Verwaltungsakte (BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 82/84, BStBl. II 1986, 545 zu 1. a bb). Ein gemäß § 155 Abs. 3 AO 1977 zusammengefasster Bescheid kann auch nach dem Tode eines der Ehegatten gegenüber dem überlebenden Ehegatten und den Erben des Verstorbenen erlassen werden (vgl. BFH-Urteil in BStBl. II 1986, 545). Neben den an den Kläger gerichteten Einkommensteueränderungsbescheid tritt die Steuerfestsetzung gegenüber (der verstorbenen) P. Ob der an die verstorbene Ehefrau des Klägers gerichtete Bescheid auch ohne einen Zusatz über die eingetretene Rechtsnachfolge inhaltlich bestimmt ist, kann offen bleiben. Jeder der zusammengefassten Bescheide kann für sich beurteilt werden (BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 l R 52/05, BFH/NV 2006, 1243).

Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist nur der Bescheid, der auch Gegenstand der Einspruchsentscheidung war (§ 44 Abs. 2 FGO). Die Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2004 richtet sich lediglich an den Kläger. Es fehlt ein Hinweis auf die Eigenschaft des Klägers als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau (wie übrigens auch im Bescheid vom 12. Februar 2003). Im Ergebnis geht es hier wie im BFH-Urteil in BStBl. II 1986, 545 (ebenso im BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 793) nur um den Bescheid, in dem der Kläger als Gesamtschuldner gemäß § 44 Abs. 1 AO 1977 in Anspruch genommen wird. An der inhaltlichen Bestimmtheit dieses Bescheids bestehen keine Zweifel.

Gegen die Wirksamkeit des an den Kläger gerichteten Einkommensteueränderungsbescheides kann - wie bereits erwähnt - nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass die an die verstorbene Ehefrau des Klägers nach deren Tod gerichtete Steuerfestsetzung unwirksam ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BStBl. II 1993, 174, 1. a). Die gegenüber dem Kläger ergangene Steuerfestsetzung bleibt in solchen Fällen regelmäßig wirksam (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 16. Aufl., § 122 AO 1977, Tz. 8. a). Dies ergibt sich aus dem in § 125 Abs. 4 AO 1977 enthaltenen Rechtsgedanken, wonach bei Teilnichtigkeit eines Verwaltungsaktes der Verwaltungsakt im Ganzen (nur dann) nichtig ist, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Dieser Rechtsgedanke ist auch auf selbständige, in einem zusammengefassten Bescheid verbundene Verwaltungsakte anwendbar. Danach ist der wirksame "Teil" eines zusammengefassten Einkommensteuerbescheides nur dann nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Bescheid ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Das ist bei Einkommensteuerbescheiden gegenüber zusammen veranlagten Ehegatten regelmäßig nicht der Fall. Zusammenveranlagte Ehegatten sind nach § 44 Abs. 1 AO 1977 Gesamtschuldner der Einkommensteuer. Sie schulden nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 jeweils die gesamte Leistung. Bei derartigen Bescheiden ist deshalb davon auszugehen, dass das FA den Bescheid auch ohne den nichtigen Teil erlassen hätte (Hinweis in diesem Zusammenhang auf den BFH-Beschluss vom 29. Juli 1998 II R 64/95, BFH/NV 1998, 1455 zu 2.).

Der streitige Einkommensteueränderungsbescheid ist auch wirksam bekannt gegeben worden (§§ 122 Abs. 1, 155 Abs. 1 AO 1977). Da es hier nur um den Bescheid geht, der sich unmittelbar an den Kläger richtet und nicht um denjenigen, der sich an dessen verstorbene Ehefrau richtet, genügt es, wenn er dem Kläger bekannt gegeben worden ist (BFH-Urteile in BFH/NV 1992, 793; in BStBl. II 1986, 545 zu 1. b).

3. Der angegriffene Einkommensteueränderungsbescheid ist rechtswidrig. Bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr 2000 sind für die insoweit allein in Betracht kommenden Kinder des Klägers, B und C, die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG anzusetzen (von jeweils 6.912 DM, insgesamt 13.824 DM), weil das dem Kläger für die beiden Kinder zustehende Kindergeld (von jeweils 3.240 DM, insgesamt 6.480 DM - vgl. § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG -) geringer ist, als die steuerliche Entlastung, die sich bei Abzug der Kinderfreibeträge ergibt.

Nach § 31 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung wird die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes (einschließlich des Betreuungsbedarfs) alternativ (BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 88/98, BStBl. II 2005, 594) durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach §§ 66 ff. EStG bewirkt. Kindergeld und Kinderfreibetrag können nach Einführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250, BStBl. I 1995, 438) nicht mehr - wie nach früherem Recht - kumulativ, sondern nur noch alternativ in Anspruch genommen werden (Bundestagsdrucksache 13/1558, S. 139; Jachmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 31 Rn. A 1). Der Kinderfreibetrag ist bei der Einkommensteuerveranlagung nur dann abzuziehen, wenn die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht in vollem Umfang durch das während des Kalenderjahres gezahlte Kindergeld erreicht wird (§ 31 Satz 4 EStG). Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen besteht insoweit nicht. Ergibt die nach § 31 Satz 4 EStG vorzunehmende Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung), dass die Steuerentlastung durch den Abzug des Kinderfreibetrages geringer ist als das dem Steuerpflichtigen zuzurechnende Kindergeld, so ist die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch das Kindergeld bewirkt (§ 31 Satz 1, 2. Alternative EStG; BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 76/00, BFH/NV 2005, 856).

Ob das während des Kalenderjahres als Steuervergütung gezahlte Kindergeld in ausreichendem Umfang die Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums bewirkt, ergibt sich allein aus der Höhe des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) und dem Ergebnis der Günstigerprüfung (BFH-Beschluss vom 30. November 2004 VIII R 51/03, BFH/NV 2005, 443 zu V.d.). Die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung) besteht in der Gegenüberstellung der Differenz der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen ohne Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen abzüglich der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG einerseits und dem Anspruch auf Kindergeld andererseits (Jachmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 31 Rn. B 30, m.w.N.). Ist der Differenzbetrag größer als das während des Jahres gezahlte Kindergeld, sind die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung abzuziehen und das Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen (§ 31 Satz 4 EStG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG; vgl.: Plenker, Der Betrieb - DB - 1996, 2095). Demzufolge verbleibt es bei dem dem Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum gezahlten Kindergeld, wenn dieses höher ist als die steuerliche Entlastung durch den Ansatz des Kinderfreibetrags (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 856 zu 2. d) bzw. wenn es die Wirkung der jeweils in Betracht kommenden Freibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) mindestens erreicht (Blümich/Oepen, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, EStG § 31 Rn. 92).

Nach § 32 Abs. 6 EStG wird "für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag ... abgezogen". Daraus wird gefolgert, dass die Prüfung, ob vom Abzug des Kinderfreibetrages abzusehen ist, weil er die Kindergeldentlastung nicht übersteigt, auf das einzelne Kind bezogen werden muss (Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 21. Aufl., § 31 EStG, Anm. 34; Jachmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 31 Rn. B 28). Eine zusammengefasste Betrachtungsweise dergestalt, dass das Kindergeld für mehr als ein Kind ermittelt und mit der steuerlichen Wirkung der Kinderfreibeträge verglichen wird, soll nicht zulässig sein (Greite in: Korn/Carle/Stahl/Strahl, Kommentar zum EStG, § 31 EStG, Rn. 25; Nolde, Finanz-Rundschau - FR - 1995, 845 zu I.3.; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 18. Dezember 1995 IV B 5 S 2282a - 438/95 II, BStBl. I 1995, 805, Rn. 7).

Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat nicht im vorliegenden Fall, in dem die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerrechnung) unter Berücksichtigung der sogenannten Fünftel-Regelung für außerordentliche Einkünfte im Sinne vom § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung zu erfolgen hat. Zu einem sachgerechten Ergebnis führt insoweit nur die sogenannte Gesamtbetrachtung (s.o.). Der Wortlaut des § 31 Satz 4 EStG, der die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung) erforderlich macht, verlangt nicht zwingend, dass bei der Prüfung, ob vom Abzug eines Kinderfreibetrages abzusehen ist, weil er die Kindergeldentlastung nicht übersteigt, auf das einzelne Kind abzustellen ist (vgl. hierzu: Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 31 EStG, Rn. 34 (E 26)). Demzufolge hat die Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung) im Streitfall in der Weise zu erfolgen, dass die Differenz der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen ohne Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG und der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen abzüglich der Kinderfreibeträge für die Kinder B und C nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG (von 13.824 DM) einerseits dem für beide Kinder im Streitjahr 2000 an den Kläger ausbezahlten Kindergeld von 6.480 DM andererseits gegenüber gestellt werden muss. Bei dieser Berechnung wird das steuerliche Existenzminimum des Klägers nicht bereits durch das im Jahr 2000 für seine Töchter gezahlte Kindergeld von 6.480 DM, sondern erst durch die bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigenden Kinderfreibeträge von 13.824 DM bewirkt.

Die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung) bei Steuerpflichtigen mit mehreren Kindern - für jedes Kind einzeln - führt im vorliegenden Fall, in dem bei der Günstigerprüfung Einkünfte nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG (Tarifglättung im Wege der sogenannten Fünftel-Regelung) zu berücksichtigen sind, im Vergleich zu Fällen ohne solche Einkünfte nicht nur zu "schlechteren steuerlichen Ergebnissen" (so die Verfügung der OFD Cottbus vom 09. Februar 2004 S 2280 - 9 - St 212), sondern zu einer verfassungswidrig übermäßigen Belastung (vgl. zu verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Regelung des § 34 EStG: Siegel in: Deutsches Steuerrecht -DStR - 2007, 978 m.w.N.; Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433; BFH-Urteil vom 06. Dezember 2006 X R 32/06, BFH/NV 2007, 442). Denn die Vergleichsberechnung, die für jedes Kind einzeln vorgenommen wird, ergibt, dass die Erhöhung der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen um 2.485 DM eine Einkommensteuerbelastung von 7.390 DM verursacht. Insoweit führt diese Einkommensteuer in verfassungswidrigerweise zu einer die Steuerquelle (die Beteiligung des Klägers am Y Immobilienfonds-Aktien-Fonds Z) selbst vernichtenden Belastung (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, Beilage zu BFH/NV 2006, 368 zu C. II. 2. b), weil sie eine über die Erträge hinausgehende Besteuerung verursacht. Die vom Senat vorgenommene Vergleichsrechnung gebietet demzufolge der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung (Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Tzn. 238-239 mit umfangreichen Nachweisen) der Vorschriften des § 31 Satz 4 EStG und des § 32 Abs. 6 EStG.

Auch die vom Kläger vorgelegte Berechnung nach einer Gesamtbetrachtung im Rahmen der Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerrechnung), der der Senat folgt, führt dazu, dass die steuerliche Mehrbelastung nach dem vorliegenden Urteil von 2.874 DM (= 34.590 DM. (s. Tenor des vorliegenden Urteils) ./. 31.716 DM (Einkommensteuerschuld lt. dem ursprünglichen Bescheid vom 12. November 2001)) den Betrag von 1.863 DM, um den sich die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen wegen seiner Beteiligung am Y Immobilien-Aktien-Fonds Z erhöhen, übertrifft. Da der Senat über den vom Kläger gestellten Antrag nicht hinaus gehen kann (ne ultra petita - Gräber/von Groll, FGO, Kommentar, 6. Aufl., 2006 § 96 Rn. 3 m.w.N.), kann offen bleiben, ob dies zutreffend ist.

Dem zuvor dargelegten Ergebnis kann nicht mit Erfolg der übereinstimmende Vortrag der Beteiligten entgegen gehalten werden, dass die Belastung der Einkünfte des Klägers aus seiner oben genannten Beteiligung nicht bemerkt worden wäre, wenn diese Einkünfte bereits bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung vom 12. November 2001 angesetzt worden wären. Die Annahme einer verfassungswidrigen Steuerbelastung der hier in Rede stehenden Einkünfte ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen und ist grundsätzlich nicht von ihrer Erkennbarkeit abhängig. Im übrigen weist der Senat darauf hin, dass ein Steuerbescheid schriftlich zu begründen ist, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (§ 121 Abs. 1 AO 1977). Insoweit bestehen Bedenken an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, in dem - wie im vorliegenden Fall - lediglich das Ergebnis der Günstigerprüfung mitgeteilt wird (s. zu Erläuterungen im angegriffenen Einkommensteueränderungsbescheid), nicht jedoch die einzelnen Berechnungsschritte.

4. Die Revision war zuzulassen, weil der Frage, wie die Vergleichsrechnung (sog. Günstigerprüfung) durchzuführen ist, wenn Einkünfte zu berücksichtigen sind, die nach der sogenannten Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG zu versteuern sind, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

6. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, weil die Kläger die Hilfe eines Bevollmächtigten zur Beurteilung der Rechtslage und zur Vertretung für unentbehrlich halten durfte (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1967 VI B 2/67, BStBl. II 1968, 181).



Ende der Entscheidung

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