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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.02.2008
Aktenzeichen: 3 K 92/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17 Abs. 1
EStG § 17 Abs. 4
EStG § 17d
EStG a.F. § 2 Abs. 3
EStG a.F. § 10d Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 K 92/06

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einkommensteuerbescheid der Kläger für das Jahr 1999 wegen eines Verlustrücktrags zu ändern bzw. ob ein Verlustfeststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2000 zu erlassen ist, weil ein Verlust i.S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Jahr 2000 entstanden ist.

Die Kläger sind Eheleute und wurden in den Jahren 1999 und 2000 (Streitjahre) zur deutschen Einkommensteuer zusammenveranlagt, da sich ihr Wohnsitz damals im Inland befand. Die Kläger waren seit 1990 an der L GmbH (L-GmbH) mit Sitz in H (H) beteiligt. Der Kläger war außerdem seit 1997 Alleingesellschafter der V-GmbH (V-GmbH) mit Sitz in H (Abtretungsvertrag vom 18. Dezember 1996, Bl. 74 ff. der Einkommensteuer-Akten -- ESt-A --). Der Kaufpreis des von der L-GmbH erworbenen Anteils betrug 38.000 DM. Zur Refinanzierung eines Gesellschafterdarlehens des Klägers an die V-GmbH schloss dieser einen Kreditvertrag mit der Sparkasse (S) über 400.000 DM (Bl. 79 ESt-A).

Die wirtschaftliche Lage (der L-GmbH und) der V-GmbH verschlechterte sich im Jahr 2000. Unter Einschaltung einer Unternehmensberatungsgesellschaft wurde ein Sanierungskonzept erarbeitet, mit den finanzierenden Banken abgestimmt und umgesetzt. Teil dieses Konzeptes war nach Angaben der Kläger, die V-GmbH "still" zu liquidieren und vorhandenes Restvermögen auf die L-GmbH zu übertragen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 16. Oktober 2000 wurde die Liquidation der V-GmbH beschlossen und der Kläger zum Liquidator bestellt. Am 13. November 2000 wurde der Liquidationsbeschluss in das Handelsregister eingetragen (Bl. 93 ESt-A).

Am 13. Dezember 2000 beantragte der Kläger als Geschäftsführer der V-GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der V-GmbH (Bl. 5 der Insolvenz-Akte -- InsO-A --). Durch Beschluss vom 14. Dezember 2000 9 IN 517/00 beauftragte das zuständige Amtsgericht Herrn Rechtsanwalt (N) mit der Erstattung eines Gutachtens. Mit Schreiben vom 19. Februar 2001 (Bl. 57 InsOA) teilte der Gutachter mit, dass die vorgefundenen Unterlagen nicht vollständig seien. Eine Bilanz habe noch vom Steuerberater aus X angefordert werden müssen. Desweiteren seien noch Auskünfte von Gläubigern einzuholen, so dass sich die Vorlage des Gutachtens aus diesem Grund verzögern werde. Nach vorläufiger Prüfung sei aber davon auszugehen, dass eine Insolvenzeröffnung mangels Masse nicht in Frage komme. Mit Gutachten vom 8. März 2001 (Bl. 63 ff. InsO-A) empfahl der Gutachter, das Insolvenzverfahren nicht zu eröffnen. Der Antrag wurde folglich mit Beschluss vom 3. April 2001 9 IN 517/00 (Bl. 89 InsO-A) mangels Masse abgelehnt. Wegen aller Einzelheiten wird auf die bei der Akte befindlichen Kopien aus der Insolvenzakte der V-GmbH verwiesen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2000 machten die Kläger sowohl für die V-GmbH als auch für die L-GmbH einen Verlust i.S. des § 17 EStG in Höhe von 1.828.342,-- DM geltend. Während des Veranlagungsverfahrens teilten die Kläger durch den Klägervertreter am 7. April 2002 (Blatt 35, 37 ESt-A) u.a. mit (Unterstreichungen durch das Gericht): "Bisher ist in den erklärten Beträgen die Inanspruchnahme aus Bürgschaften als Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligungen nicht enthalten. Die von den Unternehmen L-GmbH und V-GmbH aufgenommenen Bankkredite waren durch Bürgschaften des" (Klägers) "abgesichert. Aus diesen Bürgschaften wurde" (der Kläger) "in Anspruch genommen. Der Umfang der Inanspruchnahme wurde mit den Banken verhandelt und in einem außergerichtlichen Vergleich auf der Grundlage eines in Anlehnung an die Insolvenzordnung erarbeiteten Schuldenbereinigungsplans vereinbart. Danach zahlt" (der Kläger) "an die Gläubigerbanken insgesamt ... Im Zusammenhang mit der Bürgschaftsabwicklung sind Rechtsberatungskosten in Höhe von DM 17.400 entstanden." Beigefügt waren Kopien von Anwaltsrechnungen an die Kläger vom 9. Januar 2001 und 30. November 2001.

Im Einkommensteuerbescheid für 2000 berücksichtigte das damals örtlich zuständige Finanzamt (X) die geltend gemachten Verluste i.S. des § 17 EStG aus beiden Beteiligungen nicht, weil die Liquidation erst im Jahre 2001 abgeschlossen worden sei. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --).

Hiergegen wandten sich die Kläger hinsichtlich der V-GmbH mit ihrem Einspruch. Der Verlust aus der Beteiligung an der V-GmbH in Höhe von 458.000,-- DM sei bereits im Jahr 2000 entstanden. Der Verlust i.S. des § 17 EStG entstehe zwar grundsätzlich erst am Ende des Liquidationszeitraums, eine Berücksichtigung könne aber ausnahmsweise schon vorher erfolgen, wenn mit keiner wesentlichen Änderung des Verlusts mehr zu rechnen sei (z.B. bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft). Die V-GmbH sei schon vor Insolvenzantragstellung vermögenslos gewesen. Dies sei durch die spätere Ablehnung des Antrags mangels Masse nur deutlich geworden. Damit sei der Verlust i.S. des § 17 EStG bereits im Jahre 2000 entstanden und steuerlich zu berücksichtigen.

Wegen der Berücksichtigung eines beantragten Verlustrücktrags aus dem Jahr 2001 wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 während des Einspruchsverfahrens vom Finanzamt X am 13. August 2003 nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Dieser Bescheid wies einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 425.219 DM und einen Verlustrücktrag aus 2001 in 303.683 DM aus. Die festgesetzte Einkommensteuer aus einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 91.273 DM ist positiv (19.692 DM).

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2004 wies der mittlerweile zuständig gewordene Beklagte (das Finanzamt - FA --) den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO 1977 auf. Im Streitfall sei die V-GmbH zwar durch Liquidationsbeschluss vom 16. Oktober 2000 aufgelöst worden. Für das Jahr 2000 könne jedoch nicht von einer Vermögenslosigkeit ausgegangen werden; die V-GmbH sei lediglich überschuldet gewesen. Zumindest habe vor Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse nicht festgestanden, in welchem Umfang der Kläger noch in Anspruch genommen werde. Die Vermögenslosigkeit zum Ende des Jahres 2000, die als Einspruchsbegründung angeführt worden sei, sei nicht nachgewiesen. Der Verlust könne somit erst im Jahr 2001 berücksichtigt werden.

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung erhoben die Kläger fristgerecht Klage (Aktenzeichen des Senats: 3 K 256/04). Mit Schreiben vom 25. Februar 2006 nahmen sie diese Klage (3 K 256/04) zurück. Auf die beigezogene Akte 3 K 256/04 wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Ebenfalls mit Schreiben vom 25. Februar 2006 beantragten die Kläger beim FA den Erlass eines "Verlustfeststellungsbescheides" auf den 31. Dezember 2000, der einen vortrags- bzw. rücktragsfähigen Verlust in Höhe von 154.317,-- DM (458.000 DM abzüglich 303.683 DM (= durch Verlustausgleich aus 2001 verbrauchter Betrag)) ausweist. Außerdem wurde beantragt, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 dahingehend zu ändern, dass der entsprechende Verlustrücktrag durchgeführt wird.

Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 13. April 2006 ab, da im Jahr 2000 kein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte vorliege; ein Verlustrücktrag sei ebenso nicht möglich. Der Einspruch vom 7. Mai 2006 hatte keinen Erfolg. Durch Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2006 wies das FA den Einspruch als nicht begründet zurück. Im vorliegenden Fall ergebe sich für das Jahr 2000 kein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte. Der von den Kläger beantragte Verlust sei erst im Jahr 2001 entstanden und daher im Jahr 2000 im Wege des Verlustrücktrags berücksichtigt worden.

Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger beide Anträge weiter. Sie machen geltend, bereits im Jahr 2000 seien die Voraussetzungen für eine Verlustberücksichtigung erfüllt gewesen. Insbesondere sei die V-GmbH durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst und die Auflösung in das Handelsregister eingetragen gewesen. Das Aktivvermögen sei planmäßig an die L-GmbH veräußert worden. Das auf den Tag des Insolvenzantrags nicht mehr bilanziert worden sei, falle nicht den Verantwortungsbereich des Gesellschafters.

Auf Frage des Berichterstatters vom 4. Dezember 2006 (Bl. 39 GA) tragen die Kläger ergänzend vor, der Erlass des Verlustfeststellungsbescheids sei trotz eines positiven Gesamtbetrags der Einkünfte im Jahr 2000 nach § 10d Abs. 4 EStG möglich. § 10d Abs. 1 EStG lasse unter Berücksichtigung des Verlustrücktrags aus dem Jahr 2001 kein anderes Ergebnis zu. Es sei bereits die niedrigstmögliche Steuer erreicht worden.

Auf Hinweis des Berichterstatters vom 23. Juni 2007 (Bl. 50 ff. GA), dass er die Verlustentstehung im Jahr 2000 noch nicht für hinreichend sicher halte, machen die Kläger geltend, durch das Gutachten des N vom 8. März 2001 ergebe sich, dass die V-GmbH im Jahr 2000 vermögenslos gewesen sei. Die Gesellschaft habe kein freies Aktivvermögen mehr gehabt. Dieser Zustand sei nicht erst im Jahr 2001 eingetreten, sondern habe bereits beim Insolvenzantrag vorgelegen. Bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses sei das Vermögen der Gesellschaft aufgebraucht gewesen. Nach diesem Zeitpunkt sei die Geschäftsführung faktisch nicht mehr tätig gewesen. Dem stehe auch nicht das Schreiben des N vom 19. Februar 2001 entgegen. Auch sei mit einer Änderung des Verlusts durch nachträgliche Anschaffungskosten zu keinem Zeitpunkt zu rechnen gewesen. Die geltend gemachten Kosten für den Schuldenbereinigungsplan beträfen nur Verbindlichkeiten des Klägers für die L-GmbH sowie ein Privatdarlehen des Klägers.

Auf weitere Frage des Berichterstatters vom 23. Juni 2007, wie sich der erklärte Verlust zusammensetze, tragen die Kläger vor, der Verlust setze sich aus den Anschaffungskosten für die Anteile (58.000 DM) und dem Verlust des in der Krise gewährten Gesellschafterdarlehens in Höhe von 400.000 DM zusammen. Die Höhe des Verlusts sei unstreitig. Unterlagen zum Gesellschafterdarlehen legten sie trotz Aufforderung nicht vor.

Die Kläger beantragen unter Berücksichtigung ihres Antrags im Verwaltungs- und Einspruchsverfahren (Bl. 140 ESt-A) sinngemäß,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des FA vom 13. April 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2006 den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Lahr für das Jahr 1999 dahin gehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für das Jahr 1999 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 2000 in Höhe von 154.317 DM festgesetzt wird, sowie einen Verlustfeststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2000 zu erlassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verteidigt den angefochtenen Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 und 28. November 2007 auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit Schreiben vom 21. bzw. 26. Februar 2008 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Dem Gericht lagen neben der Gerichtsakte 3 K 92/06 folgende Akten vor: 1 Band Einkommensteuerakten, 1 Insolvenzakte 9 IN 517/00, 1 Gerichtsakte 3 K 256/04.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet; sie ist daher abzuweisen. Abgesehen davon, dass einem Erfolg der Klage die Vorschrift des § 10d EStG teilweise entgegensteht (dazu unter I. und II.), ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der geltend gemachte Verlust aus der Auflösung der V-GmbH bereits im Jahr 2000 entstanden ist (dazu III.).

I.

Die Klage ist hinsichtlich des Antrags auf Verlustrücktrag nicht schon deshalb unbegründet, weil im Einkommensteuerbescheid für 2000 aufgrund eines positiven Gesamtbetrags der Einkünfte Einkommensteuer festgesetzt wurde. Soweit die Kläger den Rücktrag eines Verlusts i.S. des § 17 EStG ins Jahr 1999 begehren, wäre ein solcher -- möglicherweise entgegen der Auffassung des FA -- grundsätzlich gleichwohl möglich, allerdings nicht im beantragten Umfang, sondern allenfalls in Höhe von 151.367 DM.

1. Nach § 10d Abs. 1 EStG in der im Streitjahr 2000 geltenden Fassung (EStG a.F.) waren negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen wurden, bis zu einem Betrag von 2 Millionen DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Die negativen Einkünfte waren zunächst jeweils von den positiven Einkünften derselben Einkunftsart abzuziehen, die nach der Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG a.F. verblieben (§ 10d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.). Soweit in diesem Veranlagungszeitraum durch einen Ausgleich nach § 2 Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. oder einen Abzug nach § 10d Abs. 2 Satz 3 EStG a.F. die dort genannten Beträge nicht ausgeschöpft wurden, minderten die nach der Anwendung des § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. verbleibenden negativen Einkünfte die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bis zu einem Betrag von 100.000 DM, darüber hinaus bis zur Hälfte des 100.000 DM übersteigenden Teils der Summe der positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten. Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen veranlagt wurden, galten § 2 Abs. 3 Satz 6 bis 8 EStG a.F. sinngemäß, soweit in diesem Veranlagungszeitraum durch einen Ausgleich nach § 2 Abs. 3 Satz 6 und 7 EStG a.F. oder einen Abzug nach § 10d Abs. 2 Satz 4 EStG a.F. die dort genannten Beträge nicht ausgeschöpft wurden.

2. Nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG a.F. war ein für den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum bereits erlassener Steuerbescheid insoweit zu ändern, als der Verlustrücktrag zu gewähren oder zu berichtigen war, und zwar auch dann, wenn der Steuerbescheid des Vorjahres unanfechtbar geworden war; die Festsetzungsfrist endete insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen war, in dem die negativen Einkünfte nicht ausgeglichen wurden.

Der Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustrücktragsjahr ist bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr insoweit hinausgeschoben, als sich durch die Berücksichtigung des Verlustabzugs der Steuerbetrag ändert. Der Verlustabzug ist insoweit zu berücksichtigen, als für das Verlustentstehungsjahr die Festsetzungsfrist -- bezogen auf die nicht ausgeglichenen Verluste -- noch nicht abgelaufen ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2007 XI R 31/06, [...], m.w.N.), also hier erst mit Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer des Jahres 2000. Im Streitfall erfolgten die Klagerücknahme wegen Einkommensteuer 2000 und der Antrag auf Verlustrücktrag und -feststellung am selben Tag. Seither greift § 171 Abs. 3 AO 1977 ein.

3. Über Grund und Höhe des abziehbaren (rücktragbaren) Verlustes ist nicht im Entstehungsjahr, sondern in dem Veranlagungsjahr zu entscheiden, in dem sich der Verlustrücktrag einkommensteuerrechtlich auswirkt bzw. auswirken soll (nachfolgend: Verlustrücktragsjahr; vgl. BFH-Urteil vom 11. November 1993 XI R 12/93, BFH/NV 1994, 710, m.w.N.), also hier im Jahr 1999. Der Einkommensteuerbescheid des Verlustentstehungsjahres (hier: 2000 oder 2001, dazu III.) ist dabei kein Grundlagenbescheid für das Verlustrücktragsjahr, auch wenn im Verlustrücktragsjahr nur noch die Verluste zum Abzug kommen, die im Verlustentstehungsjahr noch nicht ausgeglichen wurden (z.B. BFH-Urteile vom 16. November 2000 XI R 31/00, BFHE 196, 1, BStBl II 2002, 119 [BFH 16.11.2000 - XI R 31/00];vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551).

4. Nach der mit Hilfe des FA vorgenommenen Berechnung des Gerichts wären im Streitfall, wenn der Verlust aus der Auflösung der V-GmbH in Höhe von 458.000 DM im Jahr 2000 entstanden wäre, im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 gemäß § 2 Abs. 3 EStG a.F. ein Verlust i.S. des § 17 EStG in Höhe von 306.633 DM im Wege des Verlustausgleichs abziehbar gewesen; allenfalls ein Verlust i.S. des § 17 EStG in Höhe von 151.367 DM könnte deshalb in das Jahr 1999 zurückgetragen werden und wäre nicht durch einen (fiktiven) Soll-Verlustausgleich im Jahr 2000 "verbraucht".

II.

Im Hinblick auf den Antrag, einen verbleibenden Verlustvortrag festzustellen, liegen die Voraussetzungen des § 10d Abs. 2 und 4 EStG nicht vor.

1. Nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG in der im Jahr 2000 geltenden Fassung waren nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach § 10d Abs. 1 EStG im Wege des Verlustrücktrags abgezogen worden sind, in den folgenden Veranlagungszeiträumen vom Gesamtbetrag der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag). Nach § 10d Abs. 4 EStG a.F. war - nur -- der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag getrennt nach Einkunftsarten gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag waren die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG a.F. abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 EStG a.F. abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs.4 Satz 2 EStG a.F.).

2. Feststellungsbescheide i.S. des § 10d Abs. 4 EStG a.F. waren zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die nach § 10d Abs.4 Satz 2 EStG a.F. zu berücksichtigenden Beträge änderten und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern war. Dies galt entsprechend, wenn der Erlass, die Aufhebung oder die Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkungen unterblieb.

3. Der verbleibende Verlustabzug (war und) ist so zu berechnen, wie er sich bei zutreffender Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und des Verlustrücktrags und -vortrags nach § 10d Abs. 1 und 2 EStG ergeben hätte (sog. Soll-Verlustabzug; siehe BFH-Urteile vom 22. Februar 2005 VIII R 89/00, BFHE 209, 224, BStBl II 2005, 624;vom 2. August 2006 XI R 65/05, BFHE 214, 492, BStBl II 2007, 921).

4. An den Voraussetzungen des § 10d Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 EStG fehlt es im Streitfall. Ein durch die Veräußerung der V-GmbH eventuell eingetretener Verlust wäre gemäß den Ausführungen unter I. zunächst vorrangig im Wege des Verlustausgleichs im Jahr 2000 und hinsichtlich des verbleibenden Restbetrages in Höhe von 151.367 DM im Wege des beantragten Verlustrücktrags im Jahr 1999 abzuziehen. Ein festzustellender Verlustvortrag kann danach rechnerisch nicht verbleiben; Verlustrückträge sind nicht gesondert festzustellen.

Überdies stünde die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2000 der beantragten Feststellung entgegen: In den Urteilen vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97 (BFHE 187, 523 [BFH 09.12.1998 - XI R 62/97], BStBl II 2000, 3) und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99 (BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817) hat der BFH die erstmalige Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für den Fall untersagt, dass die bestandskräftige und nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Veranlagung einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte auswies (vgl. auch -- die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend und für sog. "Null-Bescheide" in Frage stellend -- BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2007 XI R 42/06, BFH/NV 2008, 48). So liegt es hier. Vorliegend ist der Einkommensteuerbescheid für 2000 durch die Rücknahme der Klage 3 K 256/04 bestandskräftig geworden.

III.

Unabhängig davon hat die Klage aber in vollem Umfang deshalb keinen Erfolg, weil der Verlust aus der Auflösung der V-GmbH nach Auffassung des Gerichts erst im Jahr 2001 entstanden ist.

1. Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Im Falle der Auflösung ist als Veräußerungspreis der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG).

2. Die Entstehung des Verlustes setzt zunächst eine wesentliche Beteiligung und die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaft voraus. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor; denn der Kläger war Alleingesellschafter der V-GmbH und die Auflösung der V-GmbH ist mit dem Auflösungsbeschluss vom 16. Oktober 2000, der im November 2000 in das Handelsregister eingetragen wurde, zivilrechtlich erfolgt.

3. Allerdings stand im Jahr 2000 weder sicher fest, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen war, noch stand sicher fest, ob noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden. Beides steht einer Verlustentstehung im Jahr 2000 entgegen.

a) Die Entstehung des Verlustes setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (z.B. BFH-Urteile vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, m.w.N.;vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343;vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731;vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305;vom 1. März 2005 VIII R 46/03, BFH/NV 2005, 2171). Diese Voraussetzungen sind gerade im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation häufig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt; nur wenn diese mangels Masse nicht stattfindet, ist der auf einen Zeitpunkt zu ermittelnde Auflösungsverlust bereits bei Ablehnung des Antrags auf Konkurs- oder Insolvenzeröffnung entstanden (BFH-Beschluss vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406). Außerdem ist eine vorzeitige Berücksichtigung z.B. möglich bei eindeutiger Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses (vgl. BFH-Urteil in BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344) oder wenn der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Vermögensverteilung nicht mehr rechnen konnte; bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen(vgl. zur Abgrenzung ausführlich BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).

b) Eine Kapitalgesellschaft ist --anders als nach Gesellschaftsrecht-- bereits dann vermögenslos, wenn die Aktiva zwar für eine Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, nicht aber für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichen. Dies muss hinreichend objektivierbar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (BFH-Urteil in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551). Von dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des Liquidationszeitpunktes für die Entstehung eines Auflösungsverlustes ist lediglich dann abzuweichen, wenn die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (BFH-Beschluss vom 4. Oktober 2007 VIII S 3/07 (PKH), BFH/NV 2008, 209). Diese Rechtsprechung des BFH verfolgt den Zweck, den Zeitpunkt des Entstehens eines Auflösungsverlusts aus Gründen der Rechtssicherheit an objektivierbare Kriterien zu knüpfen, wie sie der Abschluss der Liquidation oder die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse darstellen (BFH-Beschluss vom 22. November 2005 VIII B 308/04, BFH/NV 2006, 539).

c) Bereits diese Voraussetzung liegt aus Sicht des Gerichts im Streitfall nicht vor. Zwar ergibt sich --worauf die Kläger zuletzt am 17. Februar 2008 hingewiesen haben-- aus heutiger Sicht, dass die Gesellschaft schon im Jahr 2000 vermögenslos war und die Aktiva nicht für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichten. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist das Gericht allerdings nicht davon überzeugt, dass dies auch schon am 31. Dezember 2000 mit hinreichender Sicherheit feststand. Vorliegend liefen Ende 2000 noch sowohl das Liquidations- als auch das Insolvenzeröffnungsverfahren der V-GmbH. Der Gutachter N musste im Insolvenzeröffnungsverfahren aufgrund des Auftrags des Insolvenzgerichts zur Prüfung der Vermögenslage der V-GmbH zunächst einmal ermitteln, welche Aktiva bei der V-GmbH überhaupt vorhanden waren, weil sich dies aus den mit dem Insolvenzantrag vom Kläger eingereichten Unterlagen nicht ergab. Die V-GmbH verfügte auch noch über Aktiva (vgl. Gutachten des N, Bl. 63 ff. InsO-A, Seite 5 ff.) Die für eine vorzeitige Verlustberücksichtigung notwendigen Gesichtspunkte standen bei dieser Sachlage Ende 2000 noch nicht hinreichend sicher fest; dies gilt aus Sicht des Gerichts mindestens so lange, wie N noch nicht bekannt war, welche Gegenstände zur Masse gehören (siehe auch § 151 InsO; vgl. dazu und zu den Anforderungen an die vorzeitige Verlustberücksichtigung im Insolvenzfall allgemein Völlmeke, DStR 2005, 2024, 2025 f.). Dass dies schon Ende 2000 der Fall war, ist weder von den Klägern vorgetragen noch sonst ersichtlich. Deshalb stand frühestens mit dem Schreiben des Insolvenzverwalters vom 19. Februar 2001 die Vermögenslosigkeit der V-GmbH hinreichend sicher fest.

d) Darüber hinaus stand im Jahr 2000 auch nicht hinreichend sicher fest, ob noch nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers anfallen werden. Denn nach dem Inhalt des Schreibens der Kläger vom 7. April 2002 (Blatt 37 ESt-A), auf dessen Entscheidungserheblichkeit die Kläger hingewiesen wurden, waren auch die von der V-GmbH aufgenommenen Bankkredite durch Bürgschaften des Klägers abgesichert. Auch aus diesen Bürgschaften wurde der Kläger nach dem Inhalt dieses Schreibens in Anspruch genommen. Der Umfang der Inanspruchnahme wurde mit den Banken verhandelt. Der Berichterstatter teilt deshalb nicht die Auffassung der Kläger, dass mit nachträglichen Anschaffungskosten zu keinem Zeitpunkt zu rechnen gewesen sei (so Schreiben vom 14. Oktober 2007). Auch wenn der Kläger später -- im Vergleichswege -- tatsächlich nur aus Bürgschaften für die L-GmbH in Anspruch genommen worden sein sollte (so auch die nachfolgende Berechnung im Schreiben vom 7. April 2002), was nicht feststeht, so stand dies doch jedenfalls im Jahr 2000 noch nicht hinreichend sicher fest. Zum diesem Zeitpunkt konnte vielmehr noch nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch auf die Bürgschaften für die Bankkredite der V-GmbH Zahlungen leisten wird (müssen), weil er nach seinen Angaben von den Banken in Anspruch genommen worden war und die Verhandlungen, wie sich zur Überzeugung des Gerichts aus den vorgelegten Anwaltsrechnungen ergibt, mindestens bis ins Jahr 2001 hinein andauerten.

Die Inanspruchnahme des Klägers aus Bürgschaften für Darlehen der V-GmbH hätte beim Kläger zu Anschaffungskosten geführt (vgl. allg. zur Berücksichtigungsfähigkeit als Anschaffungskosten Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 17 Rz. 175 m.w.N.).

4. Da der Verlust aus der Auflösung der V-GmbH nicht im Streitjahr 2000, sondern erst im Jahr 2001 entstanden ist, kann vorliegend offen bleiben, ob das Gesellschafterdarlehen des Klägers in Höhe von 400.000 DM mit seinem Nennwert abziehbar wäre. Einer weiteren Sachaufklärung zu dieser --unstreitigen-- Frage bedarf es demnach nicht.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Einer Zulassung der Revision wegen des BFH-Beschlusses vom 24. Oktober 2007 IX R 42/06 (BFH/NV 2008, 48) bedarf es nicht, weil der Verlust erst im Jahr 2001 entstanden ist und bei anderer Beurteilung ohnehin durch einen Verlustrücktrag in das Jahr 1999 verbraucht würde.

VI.

Das Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil des Berichterstatters (§ 90 Abs. 2, § 79a Abs. 3 und 4 FGO)



Ende der Entscheidung

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