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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: 3 V 23/05
Rechtsgebiete: DBA-Schweiz, EStG, AO 1977


Vorschriften:

DBA-Schweiz Art. 4 Abs. 1
DBA-Schweiz Art. 4 Abs. 2a
EStG § 1
AO 1977 § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

3 V 23/05

Tatbestand:

I. Streitig ist, ob der Antragsteller mit seinen Lohneinkünften aus der Schweiz der deutschen Einkommensteuer unterliegt.

Der Antragsteller ist seit 1.3.1998 als Wirtschaftsinformatiker in der Schweiz angestellt. Sein Arbeitsplatz befindet sich seither in Y / Schweiz.

Mit Schreiben vom 29.5.2002 teilte er dem Antragsgegner (dem Finanzamt - FA -) mit, dass er zum 1.3.2002 seinen Wohnsitz von X / Deutschland nach Y / Schweiz verlegt habe. Bis zu seiner Abmeldung beim Einwohnermeldeamt zum 1.1.2002 war er unter der Adresse seiner selbstgenutzten Eigentumswohnung in der Z-Straße in X / Deutschland gemeldet. Er war im Streitjahr Eigentümer einer weiteren Wohnung in X / Deutschland, die er vermietete.

Zum Nachweis der Wohnsitznahme in Y / Schweiz legte er dem FA eine Wohnsitzbescheinigung des Polizei- und Militärdepartments des Kantons Y / Schweiz- - Einwohnerdienste - vom 18.6.2002 vor, nach der er sich am 11.2.2002 zum 1.1.2002 im Kanton Y / Schweiz angemeldet hatte. Ferner reichte er beim FA einen Mietvertrag vom 12.12.2001 ein über die Anmietung eines Einzelzimmers mit 22 qm in der O-Straße in Y / Schweiz mit einem Anteil am Gemeinschaftsduschraum/WC zum Preis von 574 CHF zuzügl. 50 CHF Nebenkostenvorauszahlung. Als Mietbeginn war im Mietvertrag der 1.3.2002 angegeben.

In der am 16.1.2004 beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2002 erklärte er einen Arbeitslohn in Höhe von 22.958 CHF und Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 2.116 CHF. Außerdem machte er 43 Fahrten nach Y / Schweiz à 76 km sowie 119 EUR sonstige Kosten als Werbungskosten geltend. Nach dem Lohnausweis bezog er 2002 einen Bruttolohn in Höhe von 137.748 CHF, von dem im Zeitraum vom 1.1.2002 bis 28.2.2002 ein Grenzgänger-Steuerabzug in Höhe von 2.116 CHF und vom 1.3. 2002 bis 31.12.2002 ein Quellensteuerabzug in Höhe von 18.100 CHF vorgenommen worden war.

Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärte er Einnahmen in Höhe von 2.835 EUR und Werbungskosten in Höhe von 1.575 EUR.

Aufgrund der Aufforderung des FA, diverse Unterlagen (Kopie der Rechnung des Umzugsunternehmens, der Zollerklärung über das Übersiedlungsgut, Mietzahlungsbelege für die Schweizer Wohnung, Nachweise für die Wohnungsauflösung, Ummeldung Kfz, Anmeldung Strom, Wasser, Telefon in der Schweiz) vorzulegen, machte der Antragsteller im Besteuerungsverfahren folgende Angaben:

Seine bis zum Umzug in die Schweiz selbst genutzte Eigentumswohnung in X / Deutschland - 3 Zimmer, Küche, Bad, Garage - habe er mit Vertrag vom 22.6.2002 ab 1.6.2002 an Herrn N N, N-Straße, in Q zum Preis von 365 EUR zuzüglich 40 EUR Nebenkostenvorauszahlung vermietet. Die Mietzahlungen seien wegen der hohen Fremdwährungsgebühren bei Auslandsüberweisungen bar erfolgt. Der Mieter habe die Einbauküche sowie das Klavier und Teile der Wohnzimmereinrichtung übernommen. Die restlichen Möbel habe der Antragsteller selbst per Miettransporter in die Schweiz gebracht. Als er nachträglich im Oktober 2002 eine Zollerklärung beim Zollamt Y / Schweiz habe abgeben wollen, sei ihm mitgeteilt worden, dass dies nicht mehr möglich sei. Die Ummeldung von Telefon, Strom und Gas in X / Deutschland habe Herr N besorgt, so dass er diesbezüglich über keine Belege verfüge.

Zum Nachweis des Umzuges in die Schweiz legte der Antragsteller dem FA eine Rechnung der Fa. T vor, in der für ein gemietetes Kfz eine Fahrleistung von 28 km abgerechnet worden war. Der Antragsteller legte ferner Kontoauszüge des vom Vermieter als Vermittler eingeschalteten Architekten zum Nachweis der Mietzahlungen der in Y / Schweiz angemieteten Wohnung vor.

Die hinsichtlich dieser Angaben angestellten Ermittlungen des FA führten zu folgenden Ergebnissen: Die Rechnung der Firma T über die Anmietung eines Umzugswagens war, wie der Antragsteller einräumte, auf das Streitjahr umdatiert worden und betraf nicht den Umzug nach Y / Schweiz.

Für die Nutzung der Möbel und der Einbauküche war zwischen den Mietparteien kein gesondertes Entgelt vereinbart worden.

Der Antragsteller unterhielt im Inland ein Girokonto bei der Bank mit der Konto Nr. xxx BLZ yyy.

Nach der Wärmekostenabrechnung der HK beliefen sich die Heizkosten des Antragstellers in Y / Schweiz im Zeitraum vom 1.3.2002 bis 30.6.2002 auf 31,95 CHF, wovon 14,50 CHF auf das Warmwasser und 17,45 CHF auf die Heizung entfielen. Von den 17,45 Heizkosten entfielen 17,20 CHF auf die Grundkosten der Heizung und 0,25 CHF auf den Verbrauch. Für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis 30.6.2003 berechnete die HK dem Antragsteller Kosten in Höhe von 105,40 CHF, wovon 39,25 CHF auf das Warmwasser und 66,15 CHF auf die Heizung entfielen. Von den 66,15 CHF Heizkosten entfielen 46,75 CHF auf die Grundkosten der Heizung und 19,40 CHF auf den Verbrauch.

Auf Nachfrage des FA erklärte der Antragsteller, er nutze die Wohnung in Y / Schweiz allein. Bad und WC würden gemeinsam mit einer anderen separaten Einliegerwohnung genutzt, die zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht vermietet gewesen sei.

Der Mieter des Antragstellers, Herr N, verfügte auch nach der Anmietung der Wohnung in X / Deutschland über eine 75 qm große Wohnung in Q, wo er beruflich tätig war. Nach eigenen Angaben hielt er sich an Arbeitstagen vorwiegend in Q und an den Wochenenden und in den Ferien in X / Deutschland auf. Der Antragsteller habe auch nach der Vermietung an Herrn N sporadisch über ein Zimmer seiner Wohnung verfügt. Die Einbauküche habe er beim Einzug von diesem übernommen. Die finanzielle Abgeltung dafür sei in den monatlichen Mietzahlungen enthalten gewesen. Die restliche Möblierung sei ihm unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden. Er habe sich aus finanziellen Gründen dazu entschlossen, die Wohnung in X / Deutschland zum 1.8.2004 zu kündigen. Die Kündigung sei dem Antragsteller bereits zugegangen. Einen Nachweis über Abhebungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem behaupteten Barzahlungszeitpunkt der Miete erbrachte Herr N trotz Aufforderung des FA nicht.

Der deutschen Telefonanschluss des Antragstellers wurde im August 2002 auf Herrn N umgemeldet. Auf Rückfrage des FA teilte der Antragsteller mit, dass er in der Schweiz ein aufladbares Mobiltelefon nutze, für das er keine Rechnungen erhalte.

Seine Mitgliedschaft im Sportverein kündigte der Antragsteller am 13.10.2002.

Das FA veranlagte den Antragsteller mit dem aus vorliegend nicht streitgegenständlichen Gründen teilweise vorläufigen Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 9.3.2005 und setzte dabei den Bruttoarbeitslohn in voller Höhe als steuerpflichtig an. Bei den Werbungskosten berücksichtigte es Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 7.719 EUR. Außerdem kürzte es die Abschreibung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Z-Straße da zum Teil eine Eigennutzung des Antragstellers vorgelegen habe.

Der am 14.4.2005 hiergegen erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 20.7.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Über die am 14.8.2005 erhobene Klage (Az.: 3 K 136/05) ist noch nicht entschieden worden.

Der mit Schreiben vom 14. August 2005 gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer für 2002 wurde vom FA mit Verfügung vom 17.8.2005 abgelehnt.

Der Antragsteller begehrt nunmehr die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung, zu deren Begründung er Folgendes vortragen lässt:

Es bestünden ernstliche Zweifel, ob der Wohnsitz des Antragstellers sowie sein Lebensmittelpunkt im Streitjahr in X / Deutschland gelegen habe.

Er habe bis Ende Februar 2002 in X / Deutschland gewohnt und sei dann in eine Wohnung nach Y / Schweiz, O-Straße gezogen. Der Umzug sei erfolgt, da er von seinem Arbeitgeber, der AG mit Sitz in Y / Schweiz und B / Schweiz, eine sogenannte B-Bewilligung erhalten habe. Die B-Bewilligung sei eine Arbeitserlaubnis mit Wohnsitznahme in der Schweiz, die der Arbeitgeber des Antragstellers bei der kantonalen Fremdenpolizei beantragt habe.

Die Betriebszeiten der vom Antragsteller betreuten Anwendung dauerten wochentags von 7:00 bis 20:00 Uhr. Um den Benutzungssupport zu gewährleisten, sei er in regelmäßigen Abständen auch in den Abendstunden im Büro anwesend. Die Projekteinführungen würden grundsätzlich an Wochenenden durchgeführt. Der Arbeitgeber habe ihm den Anfahrtsweg von täglich zweimal 75 km ersparen wollen. Zudem sollte ihm die private Ausrichtung nach Y / Schweiz ermöglicht werden. Die B-Bewilligung sei auf den 1.1.2002 datiert. Daher habe der Umzug ursprünglich auch zum 1.1.2002 erfolgen sollen. Der Antragsteller habe sich jedoch vom 31.12.2001 bis 6.2.2002 auf einer Reise nach Vietnam und Kambodscha befunden.

Er habe seinen Umzug selbst organisiert und mit Hilfe eines Bekannten aus Y / Schweiz, Herrn HH, durchgeführt. Dass er dem FA eine Rechnung der Firma T, die aus einem anderen Jahr stammte, vorgelegt habe, bedauere er ausdrücklich.

Er habe beabsichtigt, sich eine Eigentumswohnung in der Schweiz zuzulegen. Außerdem habe er sich noch ab und zu in X / Deutschland aufgehalten. Daher habe er einen Großteil seiner Möbel in der Wohnung in X / Deutschland gelassen, die er an Herrn N vermietet habe.

Tatsächlich sei die Wohnung zum 1.5.2002 vermietet worden. Herr N habe sich am 2.5.2002 in X / Deutschland angemeldet. Der Mietvertrag sei erst später fixiert worden. Dabei seien weder die Möblierung noch die Nutzung der Einbauküche gesondert aufgeführt worden. Der Kläger habe als juristischer Laie einen Einheitsmietvertrag nicht besser ausfüllen können. Die Mietzahlungen sollten laut Mietvertrag unbar erfolgen, tatsächlich seien sie in unregelmäßigen Abständen bar entrichtet worden. Sie seien ordnungsgemäß in der Steuererklärung angegeben worden. Die Barzahlung sei nach mündlicher Abmachung und in gegenseitigem Einverständnis erfolgt, um die Fremdwährungs- und Auslandsgebühren bei Überweisungen ins Ausland zu sparen. Zwar habe der Antragsteller im Inland über ein Konto bei der Bank verfügt. Jedoch wären ihm Fremdwährungsgebühren bei Auslandsüberweisungen entstanden, wenn er die Mietzahlungen von der Bank auf sein ausländisches Konto überwiesen hätte.

Nach dem Auszug von Herr N im Jahr 2004 habe er sein restliches Mobiliar zwischen Dezember 2004 und Juni 2005 nach Y / Schweiz gebracht. Abgeschlossen worden sei der Möbeltransfer mit einem Mietwagen der Firma S am 5.6.2005.

Der Antragsteller habe im Streitjahr häufig bei seiner damaligen Freundin, Frau MM in W, Schweiz, gewohnt. Die derzeitige Adresse von Frau M sei ihm nicht bekannt. Persönliche Beziehungen nach X / Deutschland hätten dagegen keine mehr bestanden.

Die geringen Heizkosten bezüglich der Y Wohnung seien ohne weiteres nachvollziehbar. Die Wohnung in Y / Schweiz sei nach Südwesten ausgerichtet. Zwei Warmwasserrohre führten im Bad entlang, sodass ein Heizen meist nicht erforderlich gewesen sei. Im Übrigen sei der Antragsteller häufig in W bei seiner Freundin, sowie beruflich in B / Schweiz gewesen. Er habe sich somit vorwiegend abends und nur zum Schlafen in der Wohnung aufgehalten, so dass die geringen Heizkosten ohne weiteres nachvollziehbar seien.

Es hätten unbestritten soziale Kontakte des Antragstellers in X / Deutschland bestanden. Dennoch hätten seine Kontakte in der Schweiz aufgrund seiner fünfzehnjährigen Berufstätigkeit überwogen, so dass er seinen Lebensmittelpunkt im Streitjahr in Y / Schweiz gehabt habe.

Dass er in seiner Wohnung in der Schweiz weder über einen Festnetzanschluss noch über einen Internetzugang verfügte, sei kein Indiz dafür, dass er sich nicht in der Wohnung aufgehalten habe. Er sei befugt gewesen, den Internetanschluss seines Arbeitgebers auch für private Zwecke zu nutzen.

Der Strom- und Erdgasverbrauch der Wohnung in der Z-Straße habe sich unstreitig gegenüber dem Vorjahresverbrauch reduziert. Dies beweise, dass er sich nicht mehr so häufig in X / Deutschland aufgehalten habe. Zudem sei die deutsche Wohnung auch von Herrn N benutzt worden.

Der Antragsteller sei bei der Versicherung krankenversichert. Die Hausärztin des Antragstellers habe ihre Praxis in X / Deutschland. Der Antragsteller sei dort seit Jahren in Behandlung und habe zu der Ärztin ein sehr gutes Patientenverhältnis. Fachärzte besuche er dagegen vorwiegend in Y / Schweiz.

Auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten vom 2.9.2005, 19.10.2005 und 10.1.2006 wird ergänzend verwiesen.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 9.3.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.7.2005 auszusetzen, und hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Es verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 20.7.2005.

Aus folgenden Gründen würden erhebliche Zweifel an dem behaupteten ausschließlichen Wohnsitz des Antragstellers in der Schweiz bestehen:

1. Die Ummeldung nach Y / Schweiz sei zum 1.1.2002 erfolgt. Das Zimmer in Y / Schweiz sei jedoch erst zum 1.3.2002 angemietet worden.

2. Die Heizkosten in Y / Schweiz hätten sich nach Verbrauch im Zeitraum vom 1.3.2002 bis 30.6.2002 lediglich auf 0,25 CHF und im Zeitraum vom 1.7.2002 bis 20.6.2003 lediglich auf 19,40 CHF belaufen.

3. Die vorgelegte Rechnung der Fa. T als Nachweis eines privaten Umzugstransports sei umdatiert worden.

4. Der Mieter N habe sich zum 2.5.2002 nach X / Deutschland umgemeldet. Die Wohnung sei jedoch erst zum 1.6.2002 angemietet worden. Dennoch sei nach den Angaben des Antragstellers bereits für Mai am 4.5.2002 Miete bezahlt worden.

5. Herr N habe nach dem Mietvertrag eine 3-Zimmer-Wohnung angemietet.

Jedoch sei im Mietvertrag weder ein Passus über eine Mitnutzung der Wohnung durch den Eigentümer noch über eine Möblierung der Wohnung enthalten. Auch bezüglich der Verrechnung des Wertes der Einbauküche mit der Miete enthalte der Mietvertrag keinen Passus.

6. Der Antragsteller trage vor, die Barzahlung der Miete sei erfolgt, um Gebühren für Auslandsüberweisungen zu sparen. Dies sei angesichts der Tatsache, dass er ein Girokonto in Deutschland unterhalten habe, nicht glaubhaft.

7. Das Telefon des Antragstellers sei erst im August 2002 auf Herrn N umgemeldet worden.

Da der Antragsteller seit 1.3.2002 über zwei Wohnstätten verfügt habe, gelte er in dem Staat als ansässig, zu dem er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gehabt habe.

Dies sei vorliegend X / Deutschland, da er hier seine selbst eingerichtete Wohnung beibehalten und sie auch nicht nach seinem Umzug im März 2002 nach Y / Schweiz aufgegeben habe. Der Mietvertrag sei nicht wie unter fremden Dritten abgeschlossen worden. Es sei daher davon auszugehen, dass Herr N die Wohnung in der Z-Straße nur pro Forma angemietet habe, um den Umzug des Antragstellers von X / Deutschland nach Y / Schweiz glaubhaft zu machen. Es sei möglich, dass sich Herr N gelegentlich in X / Deutschland aus privaten Gründen aufgehalten habe. Die zahlreichen Unstimmigkeiten in der Abwicklung des Mietvertrags ließen jedoch den Rückschluss darauf zu, dass der persönliche Lebensmittelpunkt des Antragstellers im Streitjahr in X / Deutschland gelegen und Herr N nur aus steuerlichen Gründen als "Mieter" fungiert habe.

Zwar habe sich der Stromverbrauch in X / Deutschland im Zeitraum vom 2.6.2001 bis 2.6.2002 um 219 kWh von 1.478 auf 1.259, d.h. 14,82%, und der Gasverbrauch um 1.415 kWh von 3.414 auf 1.999, d.h. um 41,45% reduziert, so dass davon ausgegangen werden könne, dass die Wohnung nicht mehr so häufig genutzt worden sei. Dies sei jedoch kein Indiz dafür, dass sich der Antragsteller nicht mehr in der Wohnung aufgehalten habe.

Auf die Schriftsätze des FA vom 22.9.2005 und 10.11.2005 wird ergänzend Bezug genommen.

Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung folgende vom FA für den Antragsteller geführten Akten vor:

Zwei Bände Einkommensteuerakten, ein Band Rechtsbehelfsakten, ein Band mit Schriftwechseln zwischen den Parteien, ein Band Eigenheimzulageakten

Entscheidungsgründe:

II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 bestehen keine ernstlichen Zweifel. Nach den Bestimmungen der Abgabenordnung - AO - und des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) unterlag der Antragsteller bei summarischer Prüfung der unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland:

Er war im Streitjahr 2002 in Deutschland und in der Schweiz ansässig und verfügte während dieser Zeit in beiden Ländern über eine ständige Wohnstätte, so dass er gemäß Art. 4 Abs. 2 a) DBA-Schweiz als in dem Land ansässig gilt, zu dem er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hatte. Der Antragsteller konnte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht glaubhaft machen, dass dies die Schweiz war. Vielmehr bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die engeren wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu Deutschland bestanden.

1. "Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" ist gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz "eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist".

Die unbeschränkte Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland regelt § 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wonach diese u.a. durch "einen Wohnsitz" begründet wird. Gemäß § 8 Abgabenordnung (AO) hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der Wohnsitzbegriff des § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. November 2000 VI R 107/99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2001, 294).

Danach ist davon auszugehen, dass der Antragsteller im Jahr 2002 einen Wohnsitz in der Bundesrepublik hatte, da er auch nach der Vermietung seiner deutschen Wohnung an Herrn N zumindest ein Zimmer der Wohnung jederzeit benutzen konnte. Die Wohnung war mit den Möbeln des Antragstellers auch so ausgestattet, dass sie ihm als Bleibe dienen konnte. Unerheblich ist insoweit, ob ausländerrechtliche Bestimmungen, vorliegend die Schweizer Niederlassungsbewilligung, einem Wohnsitz im Inland entgegen standen (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 7. September 1990 IX K 96/88, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 102).

Da der Antragsteller danach seinen Wohnsitz in Deutschland hatte, war er dort gemäß § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz ansässig.

Gleichzeitig war er aufgrund der ihm erteilten Aufenthaltsbewilligung ab dem Jahr 2002 in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig, so dass er gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz auch dort ansässig war.

2. Ist nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, ist der Kollisionsfall gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) Satz 1 DBA-Schweiz aufzulösen. Danach gilt die Person als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt.

Das DBA-Schweiz definiert den Begriff "ständige Wohnstätte" nicht selbst. Er ist anhand des Wortlautes, aus seinem Sinn und Zweck und aus seinem systematischen Zusammenhang heraus auszulegen. Er ist hierbei weitgehend identisch mit dem des Wohnsitzes und umfasst alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind.

Nach der Rechtsprechung des BFH setzt der Begriff der Wohnstätte nicht eine Wohnung voraus, die nach Größe und Ausstattung ein den Lebensverhältnissen des Steuerpflichtigen entsprechendes Heim bietet. Es können vielmehr alle Räumlichkeiten ausreichen, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Jemand verfügt über eine ständige Wohnstätte, wenn er die Räumlichkeiten jederzeit (rechtmäßig) als Wohnstätte nutzen kann und diese auch tatsächlich nutzt. In diesem Sinne setzt auch die eidgenössische Steuerverwaltung "ein Wohnen in längere Zeit zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten", nicht aber ein längeres Bewohnen voraus (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998 I R 40/97, BStBl II 1999, 207).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung sind die Wohnung des Antragstellers in X / Deutschland und die angemietete Wohnung in Y / Schweiz als ständige Wohnstätte zu qualifizieren.

3. Verfügte der Antragsteller danach in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte im Sinne des DBA-Schweiz, gilt er gemäß Art. 4 Abs. 2 a) Satz 2 DBA-Schweiz in dem Vertragsstaat als ansässig, in dem der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen lag. Gemäß Art. 4 Abs. 2 a) DBA-Schweiz liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Vertragsstaat, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Der Antragsteller hat unter Berücksichtigen der Tatsachen, die sich aus den Ermittlungen des FA im Besteuerungsverfahren und seines Vortrags ergeben, nicht glaubhaft gemacht, dass dies die Schweiz war.

a) Zwar hatte er durch seinen in der Schweiz ausgeübten Beruf erhebliche wirtschaftliche Beziehungen zu diesem Land unterhalten. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass er im Streitjahr in X / Deutschland über zwei Eigentumswohnungen verfügte und sich somit sein wesentliches Vermögen in Deutschland befand. Unter diesen Umständen kann nicht schon aufgrund der wirtschaftlichen Beziehungen von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen des Antragstellers in der Schweiz ausgegangen werden.

b) Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass seine engeren persönlichen Beziehungen zu der Schweiz bestanden. Es mag sein, dass er nach seiner langjährigen Tätigkeit in Y / Schweiz in seinem beruflichen Arbeitsumfeld einen Bekanntenkreis aufgebaut hatte. Gleichzeitig bestanden nach dem Vortrag des Antragstellers jedoch auch nach seiner Wohnsitzbegründung in der Schweiz soziale Kontakte in X / Deutschland. Anhaltspunkte hierfür sind seine Mitgliedschaft in dem Sportverein, die er erst im Laufe des Streitjahres am 13.10.2002 kündigte, sein sehr gutes Verhältnis zur Hausärztin, die er weiter konsultierte, sowie die Tatsache, dass er seine möblierte Wohnung in X / Deutschland nicht an einen Fremden vermietete, sondern an seinen Bekannten, Herrn N, mit dem er weiterhin "sporadisch" in der Wohnung lebte. Das Gericht hält diese Beziehungen jedenfalls noch im Streitjahr, in dem der Umzug erfolgte, für die bedeutsameren.

Aber auch die räumlichen Verhältnisse sprechen dafür, dass sich der Lebensmittelpunkt des Antragstellers zunächst auch noch nach seiner Wohnsitzverlegung in die Schweiz in X / Deutschland befand: Während er in Y / Schweiz lediglich über ein 22 qm großes Zimmer mit Gemeinschaftsduschraum/WC verfügte, stand ihm in X / Deutschland auch nach der Vermietung ein Zimmer seiner 3-Zimmer-Eigentumswohnung mit Küche und Bad zur Verfügung, in der sich seine Möbel und sein Klavier befanden.

Zudem sprechen die äußerst geringen Heizkosten in Y / Schweiz dagegen, dass sich der Antragsteller dauerhaft in seiner neuen Wohnung aufhielt und dort seinen neuen Lebensmittelpunkt begründete. Zwar sind im Streitjahr auch der Elektrizitätsverbrauch in der deutschen Wohnung um ca. 15% und der Gasverbrauch um ca. 40% gesunken. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der neue Mieter nur an Wochenenden und in den Ferien in der Wohnung aufhielt, wäre jedoch noch eine größere Reduzierung der Energiekosten zu erwarten gewesen. Dies lässt darauf schließen, dass sich der Antragsteller - wenn auch nicht täglich - in X / Deutschland aufhielt, was von ihm auch eingeräumt wurde.

Die Einlassung, er habe seinen Lebensmittelpunkt aufgrund der Beziehung zu Frau M in die Schweiz verlegt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Diese - für die Entscheidung der Frage, wo im Streitjahr der Lebensmittelpunkt des Antragstellers lag - erhebliche Tatsache wurde vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Dieser ist nach seinen Angaben auch nicht mehr in der Lage, eine Aussage von Frau M hierzu zu beschaffen, da ihm deren gegenwärtiger Aufenthalt nicht bekannt ist. Eine Glaubhaftmachung des Vortrags des Antragstellers durch die Vorlage präsenter Beweismittel erscheint dem Gericht jedoch umso mehr erforderlich, als gegenüber der Glaubwürdigkeit des Antragstellers angesichts der Tatsache, dass er die dem FA zum Nachweis eines Umzugs vorgelegte Rechnung umdatierte, erhebliche Bedenken bestehen.

Im Übrigen - und ohne dass dies für das vorliegende Aussetzungsverfahren noch ausschlaggebend war - hat der Senat erhebliche Zweifel daran, dass mit dem am 22.6.2002 unterzeichneten Mietvertrag mehr als nur eine Scheinrechtsbeziehung zur Vermeidung der inländischen Besteuerung des Antragstellers begründet werden sollte. Eine Klärung dieser Frage bleibt - voraussichtlich durch die Vernehmung des Zeugen N - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die im Streitjahr stärkeren persönlichen Interessen des Antragstellers zur Bundesrepublik Deutschland geben bei einer Gesamtwürdigung den Ausschlag und lassen es dem Gericht als wahrscheinlich erscheinen, dass der Lebensmittelpunkt des Antragstellers im Jahr 2002 in der Bundesrepublik gewesen ist.

Die Aussetzung der Vollziehung ist somit abzulehnen, da der Antragsteller aufgrund der Beibehaltung seines Lebensmittelpunkts in X / Deutschland als eine in der Bundesrepublik "ansässige Person" gilt, die ihren Arbeitsort in Y / Schweiz hatte, und somit als Grenzgänger i. S. des Art. 15a DBA/Schweiz ungeachtet des Art. 15 DBA/Schweiz der Besteuerung in Deutschland unterlag.

4. Dass die Ausnahmeregelung des Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA/Schweiz eingreift, nach der die Grenzgängereigenschaft entfällt, wenn die Person während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt, wurde von dem Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Er hat zu den einzelnen Nichtrückkehrtagen nichts vorgetragen, so dass dem Gericht eine Entscheidung darüber, ob die Nichtrückkehr "aufgrund seiner Arbeitsausübung" oder aus "Komfortgründen" erfolgte, nicht möglich ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe dafür vorliegt (§ 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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